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Abflug

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Diesmal fahren wir nicht mit dem Zug nach Frankfurt zum Flieger, nein, wir beginnen unsere Reise in Stuttgart. Da aber in Stuttgart, durch das geniale S21 Projekt oder wie man diese geldvernichtende Katastrophe auch immer nennt, alles durcheinander ist, fährt ersatzweise, wofür und weshalb auch immer, gerade an unserem Abfahrtstag, eine nicht übliche, also nicht fahrplanmäßige S-Bahn über unseren Heimatort Gettlingen bis direkt zum Flughafen durch und dies ganz ohne Umsteigen. Ideal für uns! Daß etwas bei unserem Schienenverkehr ideal ist, kommt jedoch nur sehr, sehr selten vor, aber wir nehmen es natürlich dankend an!

Da wir bei den Fluglinien diesmal die klassische Nichtwahl zwischen Pest und Cholera hatten, entschieden wir uns für die einheimische Pest und somit vermutlich für eine der üblichen und abartigen Weckerle “Extrawürste“, die unser Reisebürobesitzer Herr Mahr zwar zwischenzeitlich von uns beiden kennt, aber sicherlich nicht nur der, sondern auch unser Reiseveranstalter. Anscheinend fliegen alle anderen Mitreisenden mit der Cholera und deshalb sollen wir auch unsere etwas spätere extra Abholung am Ankunftsort selbst bezahlen. Der Rest der Reisegruppe reist mit der von uns noch unbeliebteren und erst recht nicht zuverlässigen anderen Fluglinie und kommt damit angeblich aber nur kurze Zeit vor uns an - obwohl sie deutlich früher losfliegen!

Schon auf dem Flug von Stuttgart nach Frankfurt fängt für mich dieser Urlaub eigentlich nicht gerade glücklich an. Neben mir sitzt, in der obligatorischen engen Dreierreihe auf diesem Innlandflug, eine junge Frau, die nur vor sich hin schnieft und dazu ein Taschentuch nach dem nächsten aus einer riesigen Box, die sie in der Hand hält, herausnimmt. Eine Ansteckung mindestens meiner Person ist damit eigentlich vorprogrammiert, denn ausweichen auf andere Sitzplätze geht in dem vollen Flieger nicht!

Der Weg in Frankfurt zum richtigen Flugsteig der besten aller deutschen Fluggesellschaft ist länger als lang, verwirrend, anstrengend und einfach nur grauenhaft! Da wir eigentlich genügend Zeit eingeplant haben und die nun wirklich, da wir keine Hindernisse und sonstiges Ungemach auf der Herfahrt hatten, jetzt auch noch großenteils zur Verfügung haben, jedoch kaum Sitzplätze in den langen, kahlen Wartegängen frei sind, nehmen wir notgedrungen den doch recht teuren Eintritt in die Lounge in Kauf, um wenigstens etwas bequem zu sitzen und eventuell etwas zum Abendessen zu erhalten, da voraussichtlich das Essen im Flieger kaum vor morgen früh serviert werden wird.

Trotz der neuen Premium Economy Plätze, die wir uns geleistet haben, diesmal mitten im Flieger, ist der Flug in dieser Maschine, einer 747-8 wirklich kein Genuß und wie meist bei dieser Fluglinie ist auch das Flugpersonal typisch unfreundlich und herablassend, also guter deutscher Service! Immerhin sind die Sitze leidlich bequem und so können wir wenigstens etwas auf diesem Nachtflug schlafen - zumindest bis wir morgens von einer schrill krächzenden Frauenstimme über das Lautsprechersystem unsanft geweckt werden. Die klassischen Tetrapackrühreier samt Pappmachekartoffeltalern lassen wir dankend auf den Tabletts liegen und genießen lieber, mit einer Tasse halbwegs trinkbaren Tees, den Sonnenaufgang über der weiten Ebene unter uns.

Kurze Zeit später, nach einer pünktlichen Landung in Johannesburg - so ziemlich das einzig positive am typisch deutschen Service dieser Fluglinie - geht dann das Chaos erst so richtig los. Wir hatten uns schon gewundert, weshalb Herr Mahr, unser Reisebürobesitzer, uns einen Weiterflug erst für über drei Stunden nach der Landung gebucht hatte, obwohl eigentlich eine Stunde später ein Flug nach Windhoek gegangen wäre. Nachgefragt hatten wir nicht, warum auch immer. Sehr schnell wird uns nun aber klar, weshalb er so viel Zeit für einen Transfer eingeplant hatte und daß wir mindestens gerade diese lange Zeit brauchen werden, um hier im Flughafen überhaupt weiterzukommen.

Der Transit in Johannesburg ist eine, leider fallen mir da keine diplomatischeren Worte ein, absolute Unverschämtheit und damit einfach nur ein riesiges, durch menschliche Inkompetenz verursachtes, Chaos. Vor uns, in einem endlos scheinenden, langen, breiten, fensterlosen Gang steht bereits als wir ankommen, eine unübersehbare Menschenschlange, die sich kaum vorwärtsbewegt. Der Grund dafür ist mir dann auch schnell klar, denn dazu drücke ich mich zuerst einmal einfach an der Schlange entlang nach vorne, um da nachzusehen, was überhaupt los ist. Ganz vorne, also am anderen Ender der Schlange, erkenne ich, daß dort, inmitten dieses scheinbar unendlich langen Flures, einige völlig unmotiviert plazierte Schalter stehen, hinter denen noch viel unmotiviertere Beamte, nämlich ganze zwei Personen, jeden Paß für gut 5 Minuten eingehend betrachten und diesen dann, ohne irgend etwas verständliches damit gemacht zu haben, einfach zurückgeben. Also kein Wunder weshalb es nicht vorwärts geht! Nur wozu soll das gut sein?

Nachdem wir nun beinahe zwei Stunden hier anstehen geht es dann, warum auch immer, plötzlich beinahe ganz schnell vorwärts, denn die beiden in ihren Glashäuschen haben sich verdreifacht, sehen sich jetzt auch keine Pässe mehr an und wir können einfach so durchgehen.

Leider kommt dann nach einiger Wegstrecke durch weitere enge Flure die nächste Schlange für die obligatorische Sicherheitskontrolle, in der wir dann weitere, beinahe 60 Minuten warten, um von dort plötzlich inmitten des Duty-Free-Bereiches zu landen. Nach den tristen Gängen der vergangenen Stunden erschlägt und die bunte Vielzahl an Kitsch und chinesischen Kunststoffsouvenirs für den gemeinen Touri, aber da wir kaum noch Zeit bis zu unserem Abflug haben, sollten wir dann doch etwas schneller zum Flugsteig gehen, genauer gesagt müssen wir im Eiltempo überall hindurch rennen, um letztlich wieder genau am gleichen Flugsteig, nur ein Stockwerk höher anzukommen, an dem wir vor gut drei Stunden unsere Odyssee begonnen hatten.

Nachdem wir, ziemlich außer Puste, endlich das Ziel erreicht haben, können wir uns sogar wenigstens noch einige Minuten auf die Stühle im Gate setzen und uns ausruhen. Beim Umhersehen stellen wir fest, daß der Flug nach Windhoek recht leer sein muß, denn nur wenige Leute haben sich hier, rund um uns herum, niedergelassen.

Direkt ins Auge fallen mir nun vier mittelalte Männer, der Lautstärke und Aussprache nach ganz klar Amerikaner, die uns direkt gegenüber sitzen oder so etwa halb auf den Stühlen liegen. Rund um sie herum ist alles recht vollgepackt mit dicken Rucksäcken und irgendwelchen sonstigen, recht sperrigen Gepäckstücken. Bekleidet sind alle vier mit karierten Hemden, ärmellosen Westen und Hosen in grünlich-bräunlicher Jagdmanier und dazu tragen sie alle Cowboystiefel.

Lediglich einer aus dieser Gruppe läuft irgendwie aufgeregt hin und her und telefoniert trotz Handyverbot recht ungeniert und lautstark. Dank eines knapp einjährigen Aufenthaltes in Australien, Lausi hatte dort ja auch studiert und ich hatte als frischgebackener Rentner nichts Besseres zu tun, als ihm dabei auf die Nerven zu gehen, fiel es uns nicht schwer, das ziemlich klar als texanisch einzuordnende Kauderwelsch oder Geknödel zu verstehen.

Damit ist uns beiden sehr schnell klar, daß es sich bei den vieren um Jäger handeln muß. Bei dem Gespräch geht es nämlich um eine gebuchte, eigentlich sofortige Safari, die gleich nach der Ankunft stattfinden soll und dabei wird vom Anrufer die wichtige Frage gestellt, ob denn das Wild auch schon da ist!

Diese Frage finde ich zwar irgendwie etwas seltsam und recht abartig, denn bis zur Landung allein sind es noch gut zwei Stunden hin. Ich denke aber zuerst einmal nicht weiter darüber nach. Bei doch näherer Betrachtung der Gepäckstücke erkenne ich nun auch, daß unter dem herumliegenden Handgepäck sogar Waffen sein müssen, denn die langen, harten Kunststofftragetaschen sehen eigentlich wie die auch uns bekannten Verpackungen zum Transport von Gewehren aus.

Als ich Lausi leise darauf hinweise, ist selbst er nun doch etwas geschockt, denn mit Waffen und solchen Zeitgenossen zusammen im Flieger zu sitzen, kann kein besonders gutes „Feeling“ bei uns beiden erzeugen! Zudem flüstert Lausi mir leise zu, er sei der Meinung, daß dies eigentlich nicht sein kann, denn Waffen müßten immer abgegeben werden und natürlich ebenso die Munition.

Bevor wir jedoch an Bord gehen können, werden die Waffenkoffer, ob mit oder ohne Inhalt, tatsächlich noch von einigen Flugbegleitern weggetragen und so fühlen wir beide uns wenigstens etwas sicherer, denn bei uns Schwaben gilt das alte Sprichwort:

„Trau schau wem!“

Der Flug selbst geht schnell und ohne Komplikationen vorbei. In Windhoek ist sogar unser Gepäck angekommen und wir streben damit dem Ausgang zu, in der Hoffnung, unseren „Abholer“ dort anzutreffen. Wie erwähnt, der Flieger war recht leer und so können wir beim Umherschauen mitverfolgen, wie die vermeintlichen Jäger ihre Waffenkoffer hier draußen wiederbekommen und von einem ebenso sympathischen Menschen, wie auch sie sich selbst darstellen, in der allseits bekannten, grünlichen, beigen und gemusterten, besser tarngefleckten Jagdkleidung abgeholt werden.

Die grüne Loden-Jagdeinheitsjacke, wie man sie bei unseren deutschen Jägern kennt und irgendwie mit Jagd gleichsetzt, ist im Ausland unbekannt und aufgrund unserer Erfahrung mit Jägern auf einigen unserer früheren Reisen wissen wir, dass weltweit die meisten Jäger die auch beim Militär beliebten Tarnanzüge tragen, natürlich immer an die jeweilige Vegetation farblich und mustermäßig angepaßt und zudem sicher auch in deutlich besserer Qualität als bei der Bundeswehr.

Auch nach einer guten halben Stunde entdecken wir weit und breit niemanden, der uns abholt und die kleine Ankunftshalle wird leer und leerer. Da Lausi die Telefonnummer unserer ersten Lodge, also der ersten Unterkunft, sinnvollerweise nicht parat hat, die liegt vermutlich mit einigen weiteren Unterlagen im verschlossenen Trolley und da ich sie leider ebenfalls in meinem Rucksack nicht finden kann, so stehen wir also längere Zeit recht dumm da und warten, bis ich mir dann allen Mut zusammennehme und doch einen, an einem Schalter wartenden, weiblichen Guide anspreche.

Diese junge Frau hatte nämlich mit einem Einheimischen zwischendurch auch noch deutsch gesprochen und da mein gesprochenes Englisch schulbedingt nicht so toll ist, kommt mir dies sehr zugute. Die junge Frau grinst freundlich als ich sie anspreche und meint, sie habe tatsächlich die Nummer dieser Lodge und würde dort anrufen, tut sie auch! Das rasche Ergebnis lautet, daß unser Abholer auf dem Weg hierher sei! Nur dieser Weg ist lang! Dann winkt die nette junge Dame uns noch kurz zu und verläßt die kleine Halle.

Nach einiger Zeit kommt dann ein recht großer, natürlich ebenfalls, wie fast alle hier, im grünlich beigen, aber einfarbigen Safarilook bekleideter, bärtiger, mittelalter, behäbiger Mann durch die Eingangstüre angeschlappt. Da wir als einzige Weiße noch hier mit Gepäck herumstehen, kommt er zu uns her und meint, er sei unser Guide und wäre eben nicht so schnell wieder hier zurück am Flughafen gewesen, nachdem er die anderen Mitreisenden zuvor schon habe abholen müssen und die Fahrt hin zur Lodge und wieder zurück, ja einige Zeit daure!

Gerade darüber hatten wir uns auch schon ziemlich gewundert, denn warum auch immer, befindet sich unsere erste Lodge weit entfernt, außerhalb von Windhoek und auch noch in entgegengesetzter Richtung zu unserer Weiterreise. Aber schließlich ist es für eine Nacht egal

Nach der fast einstündigen Fahrt durch das Windhoek umgebende Buschland erreichen wir dann unsere Unterkunft und können unser Zimmer dort, in einem hohen, etwas außergewöhnlichen grauen Steingebäude auch sofort beziehen. Es ist sehr nett und hat einen tollen Ausblick auf die, wie es scheint, unendliche, aber großenteils sehr trocken wirkende Landschaft. Kaum angekommen soll es dann recht schnell zur ersten Safari auf dem Gebiet der Lodge weitergehen. Also noch ist nichts mit faulenzen oder vom Reisestreß erholen. Aber schließlich sind wir auch nicht zur Erholung hier auf dieser Reise!

Vor dem Eingang der Lodge stehen zwei sogenannte Safariautos, also umgebaute geländegängige Pickups, hinter deren Fahrerkabine jeweils drei schräg nach hinten aufsteigende Sitzreihen auf der Ladefläche angebracht sind, die pro Reihe für je vier Personen ausgelegt sind. Mit dem Fahrer und einer Person neben ihm passen also maximal vierzehn Personen in ein Auto und da bereits, als wir ankommen, in zwei Autos einige Personen sitzen, ist bei diesen mehr als neun Leuten unklar, wer zu unserer Reisegruppe gehört und wer nicht. Ein Vorstellen ist deshalb eigentlich unmöglich, vielleicht auch gar nicht gewollt! Also suchen wir uns zwei freie Plätze und grüßen einfach einmal so in die Umgebung! Na ja, ich kann warten und muß nicht immer alles organisiert haben oder dies selbst in die Hand nehmen. Zum Glück sitzen bei der Abfahrt nur maximal drei Personen in einer Reihe, was vor allem Lausi zum Fotografieren etwas mehr Platz bietet.

Auf der Fahrt durch die zur Lodge gehörende Landschaft gibt es zuerst nichts Tierisches und auch landschaftlich nichts ausgesprochen Spektakuläres zu sehen, aber das ist mir so ziemlich egal. Wir lassen uns einfach im Safariauto durch das Gebiet der Lodge fahren und genießen, wenn auch zuerst einmal nur den für uns ungewöhnlichen Anblick von sehr viel absolut trockener Gegend.

Erst als es auf den Sonnenuntergang zugeht, kommen einige Tiere dann doch noch aus dem dichten Gebüsch heraus und so können wir zuerst einmal eine recht große Gruppe Zebras bewundern, die versuchen, sich an dem trockenen Gras satt zu fressen. Eine Familie Paviane stolziert wie selbstverständlich über den schlaglochgeplagten Trampelpfad, den unsere Vehikel entlangfahren und erst nachdem sie ausgiebig ihre roten Hintern in die Landschaft und vor allem uns entgegengestreckt haben, entscheiden sie sich, auf einigen Felsen neben dem Weg herumzuklettern.

Einige Strauße beiderlei Geschlechts, also die schönen schwarzen Männchen mit den persilweißen Federn an den Flügelenden und am Schwanz, ihre erdbraungrauen Frauen und einige Kleintiere komplettieren die abendliche Tierwelt.

Zudem sitzen immer wieder allerlei größere Raubvögel im dichten Gras oder in den recht vertrocknet aussehenden Büschen. Sogar mehrere Antilopen, wie die Kudus mit den großen runden Ohren und den, wie ein langes S gebogenen Hörnern und die Oryx mit ihren gerade aufragenden langen Hörnern, ebenso wie einige Warzenschweine bekommen wir plötzlich in sogar größeren Herden zu Gesicht. Bereits da frage ich mich, wie diese Tiere überhaupt in dieser trockenen Umgebung überleben können.

Leider wird es schnell dunkler und auf einem Hügel, mit toller Aussicht auf den Sonnenuntergang hinter den weiter entfernten, höheren Bergen, bekommen wir einen Sundowner angeboten und können so unser Rundherum noch besser genießen, bevor es zurück zur Lodge geht.

Beim gleich daran anschließenden, gemeinsamen Abendessen mit unserem Guide, in der anscheinend gut ausgebuchten Lodge, gibt es weiterhin keine allgemeine Vorstellung, die scheint nicht einmal erwünscht und jeder sitzt eigentlich an einem, nur für unsere Reisegruppe reservierten Tisch, so herum und versucht oder eben nicht, wenigstens mit dem nächsten Nachbarn oder dem Gegenüber ins Gespräch zu kommen.

Ich fühle mich leicht unbehaglich und dies nicht nur wegen der nun spürbaren Kälte, obwohl mehrere Heizpilze aufgestellt sind und auch nicht wegen des Essens, denn dies ist, im Gegensatz zu unserem ersten Aufenthalt hier, um vieles besser, denn leider habe ich schon hier am Tisch nicht nur im Hinterkopf das dumpfe Gefühl, daß diese Reisegruppe nicht sehr harmonisch sein wird. Mein diesbezügliches Bauchgefühl trügt mich leider nur ganz selten! Unser beider Abend wird also nur sehr kurz in dieser Gesellschaft, denn zusätzlich macht sich jetzt das wenige Schlafen dann doch bemerkbar und wir fühlen uns ganz schön geschafft.

Da in den Betten, es wurde gegen Abend doch auch in den Zimmern etwas kühl, Wärmeflaschen liegen, schlafen wir nach endlich auch noch einer heißen Dusche im eiskalten Bad ganz gut, obwohl wir doch etwas von der Schniefnase im Flieger abbekommen haben.

Tatort Südliches Afrika

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