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KAPITEL III

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„Ich haute ihm recht deutlich auf die Finger“

Die Vorbereitungen für Chicagos erste eigentliche Grabungssaison in Megiddo begannen lange vor Breasteds Besuch, in den ersten Monaten des Jahres 1926. Die Ausgräber mussten Visa für die ägyptischen Arbeiter besorgen, damit die Männer ins britische Mandatsgebiet Palästina einreisen konnten. Außerdem wollten sie sicherstellen, dass sie keine Zölle auf die mitgebrachte Ausrüstung zahlen mussten, vom Auto über Zelte, Fotomaterial und Aktenschränke aus Stahl bis hin zu Bauteilen für die Lorenbahn (die das Team in seiner Korrespondenz nach dem französischen Lokomotivhersteller als „Decauville“ bezeichnete). Was zumindest im Hinblick auf die Gesundheit wichtiger war als alles andere: Die Ausgräber hofften, in Kooperation mit der Regierung die Sümpfe trockenzulegen und damit die Malaria auszurotten, mit der sich bald alle infiziert hatten.1

Bei seinem Besuch im März hatte Breasted den Eindruck, dass alles gut lief: „In Megiddo hat sich alles hervorragend entwickelt“, berichtete er Luckenbill hinterher. Laut Breasted waren sämtliche Teammitglieder von ihren Malariaanfällen genesen, das Grabungshaus war fast fertig und schien sehr gemütlich, und bald sollte die Ausgrabung beginnen.

Breasteds Beschreibung des Grabungshauses unterscheidet sich geringfügig von der früheren durch DeLoach. In dem im August 1928 erschienenen Handbuch des Oriental Institute schreibt er, es sei „aus Natursteinen gemauert“ und habe ein Satteldach. Wie man zeitgenössischen Fotografien entnehmen kann, war es in Wirklichkeit ein Komplex aus mehreren Gebäuden. Das größte enthielt den Wohn- und Arbeitsbereich, zu dem Zeichenräume und eine Dunkelkammer gehörten. In den anderen Gebäuden waren Werkstätten, die Küche und Lagerräume, ein Magazin zur Aufbewahrung der Funde und eine Garage für drei Autos untergebracht.2

Breasted betonte ausdrücklich, Fisher und Higgins gingen „ausgesprochen höflich miteinander“ um.3 Doch das war alles nur gespielt – die beiden Männer waren nur ihm zuliebe nett zueinander. Aber das wurde ihm erst viel später klar.4


Die Arbeiter trafen Mitte April ein, und einige Tage später begann die erste Grabungssaison. Geplant war, in zwei Bereichen zu arbeiten: am unteren Teil des Osthangs, wo man alles untersuchen und dann forträumen wollte, um Platz zu machen, damit man dort das vom Hügelplateau entfernte Material abladen könnte; und oben auf dem Hügel, wo man einen Bereich an der Ostseite in der Nähe von Schumachers Großem Graben untersuchen und die verschiedenen Schichten nacheinander analysieren und anschließend Schicht für Schicht abtragen wollte – also zuerst Schicht I, dann Schicht II, Schicht III und so weiter.5

Kaum eine Woche nach Beginn der Grabungssaison brach der Machtkampf zwischen Fisher und Higgins offen aus.6 Anstatt mit Higgins vor Ort zu bleiben, floh Fisher nach Jerusalem.7 Von dort aus schickte er das Telegramm nach Chicago, mit dem er aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit Higgins seinen Posten als Grabungsleiter kündigte. Breasted weigerte sich, die Kündigung anzunehmen, und bestätigte Fisher stattdessen, alleiniger Leiter der Ausgrabungen in Megiddo zu sein.8 Zugleich telegrafierte Breasted auch Higgins und „haute ihm recht deutlich auf die Finger“, wie er Luckenbill später mitteilte. Die knappe Nachricht lautete: „ARBEIT IN MEGIDDO MUSS NACH FISHERS ALLEINIGEN ANWEISUNGEN ERFOLGEN LOYALE KOOPERATION MIT IHM UNERLÄSSLICH“.9

Dank der Briefe von DeLoach und Kellogg, die sich im Mai dem Team angeschlossen hatten, wurden später doch noch Einzelheiten darüber bekannt, was vorgefallen war. Kellogg studierte seit seinem Abschluss in Yale im Jahr 1921 bei Luckenbill am Oriental Institute. Er wollte jedoch nicht nur alte Sprachen lernen und sich theoretisch über Alte Geschichte informieren, sondern auch praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln. Daher schloss er einen Vertrag mit Breasted ab, um im Anschluss an das Winterquartal der Universität an der Megiddo-Expedition teilzunehmen.

Kellogg war ein gut aussehender junger Mann, 1,80 Meter groß, mit blauen Augen und braunem Haar. Er war damals 28 Jahre alt und stammte aus Watertown, New York. Er wurde schnell zu einer Art „Maulwurf“ in Megiddo, der sowohl Breasted als auch Luckenbill über das, was zwischen Higgins, Fisher und den anderen vor sich ging, auf dem Laufenden hielt. Er hatte sich fest vorgenommen, nur bis zum Ende der aktuellen Saison zu bleiben und im Herbst sein Studium in Chicago wieder aufzunehmen. Und tatsächlich schiffte er sich im Oktober 1926 nach New York ein und kehrte nie wieder nach Megiddo zurück.10 Bis dahin erwarteten ihn jedoch einige ziemlich chaotische Monate.

Kellogg konnte nicht genau ausmachen, wer mehr schuld an den Unstimmigkeiten war. Higgins war extrem taktlos und hatte seit seiner Ankunft alle gegen sich aufgebracht, doch auch Fisher hatte seine Makel, und einige davon machten ihn offenbar unfähig, eine Grabung zu leiten.11 „Dr. Fisher ist bestimmt ein guter Techniker, aber er ist überhaupt nicht praktisch veranlagt, hat keinerlei Sinn für Organisation, und aufgrund seines Temperaments ist er nicht in der Lage, eine diktatorische Haltung einzunehmen.“ Kellogs Einschätzung der Situation war unverblümt und geradeheraus: „Fisher ist viel zu zurückhaltend, und für Higgins gilt das Gegenteil. Er (Higgins) ist ein begabter Mann mit vielen Interessen, aber man sollte ihm durchweg engere Grenzen setzen. Dazu ist Fisher nicht in der Lage.“12

In Chicago stimmte man Kelloggs Einschätzung ganz offensichtlich zu, denn Luckenbill meinte später zu Breasted: „Über Fishers mangelnde Führungskompetenz bin ich seit fünfundzwanzig Jahren im Bilde … Und Higgins hat diese typisch amerikanische Schroffheit, mit der man ständig andere vor den Kopf stößt. Allah sei mit uns und mit ihnen!“13

In der Zwischenzeit hatte Breasteds Antwort an Fisher die gewünschte Wirkung. Beruhigt, was seinen Status betraf, telegrafierte Fisher zurück: „WERDEN ALLES TUN DASS MEGIDDO EIN ERFOLG WIRD“.14 Kellogg berichtete später, Breasteds Telegramm habe Fisher genug Selbstvertrauen eingeflößt, um zur Ausgrabungsstätte zurückzukehren und sich wieder seinen Pflichten zu widmen.

Das Telegramm an Higgins hatte allerdings den gegenteiligen Effekt. Er war überhaupt nicht zufrieden. Seiner Meinung nach war Fisher nichts als ein verwöhnter Bengel, der Breasted mit ihren trivialen Meinungsverschiedenheiten gar nicht erst hätte behelligen dürfen; Higgins hatte das ja während Breasteds Besuch auch nicht getan. Higgins fand, er selbst trage an all dem überhaupt keine Schuld, vielmehr seien die aktuellen Probleme Fisher anzulasten. Entsprechend bissig fiel seine Antwort an Breasted aus.

Breasteds Telegramm fand Higgins „unglaublich“ (und das war durchaus nicht positiv gemeint). Er führte fünf mögliche Gründe dafür an, dass sich Fisher über ihn beschwert hatte. Alle sind in der dritten Person geschrieben. Der erste Punkt auf der Liste lautet: „Der aufsässige Higgins und DeLoach haben veranlasst, dass eine gigantische Latrine (‚der Wolkenkratzer‘), von Fisher an prominenter Stelle neben dem Haupttor errichtet, an einen weniger unpassenden Ort verlegt wurde.“ Ein weiterer Eintrag betraf dasselbe Thema: „Der erwähnte Higgins hat sich mehrfach lautstark über das ständige vorsätzliche Ausscheiden menschlicher Exkremente unmittelbar gegenüber unserem Lager und unseren Ausgrabungen beschwert … und hat schließlich auf Latrinen für die Arbeiter bestanden.“15 Breasted war über diese Antwort alles andere als erfreut.


Inzwischen war es Mitte Mai, und zeitgleich mit diesem ganzen Hin und Her begann das Team mit den Arbeiten am Osthang des Hügels. Fisher wollte gleichzeitig auf dem Hügelplateau anfangen, doch das ging nicht, da Higgins seine Vermessung noch nicht abgeschlossen hatte – vielleicht hatte er auch noch gar nicht damit begonnen. Entsprechend gab es auch noch keinen Plan. Deshalb gruben sie zunächst nur am Osthang weiter, wo sie bereits im Herbst angefangen hatten.16

Es ging nur langsam voran, da sie zu wenige Arbeiter hatten. Darüber hinaus war der gesamte Bereich übersät mit Gräbern aus verschiedenen Epochen, von denen einige irgendwann in sich zusammengefallen waren, wodurch die darin befindliche Keramik und andere Grabbeigaben zerstört worden waren. Später war das Gelände obendrein als Steinbruch genutzt worden, und Fisher vermutete, dass die antiken Steinhauer ihre Arbeit immer wieder unterbrochen hatten, um zu stehlen, was sie in den Gräbern fanden, auf die sie dabei stießen. Und ihm durchaus bewusst, dass auch Schumacher bereits hier gegraben und seinerseits einige Gräber geräumt hatte.

Statt das Hügelplateau zu vermessen, damit sie dort anfangen konnten zu graben, verbrachte Higgins die folgenden Wochen damit, einen Teil der Keramik und andere Funde sowie Details der Ausgrabungen zu fotografieren. Er war auch immer wieder eine Woche oder länger fort, was Fisher sehr frustrierte. DeLoach erledigte derweil Higgins’ eigentliche Aufgaben: Er fertigte Pläne an und zeichnete die Gräber, während sie ausgegraben wurden.

Ein ägyptischer Arbeiter namens Ali war dafür verantwortlich, die Keramikscherben, die sie körbeweise aus den Gräbern und anderswo aus dem Tell holten, zu waschen und dann zusammenzufügen. Drei einheimische Jungen halfen ihm, aber trotzdem füllte sich der Hof des Hauses schnell mit Körben voller Scherben, die darauf warteten, sortiert zu werden (Abb. 8).

Sobald die Keramik gezeichnet worden war, wurden „nur jene Stücke, die es wert sind, für museale Zwecke aufbewahrt zu werden, mit einer Registrierungsnummer versehen und im Magazin untergebracht“, so Fisher. Komplette Gefäße würden in jedem Fall aufbewahrt, genau wie bemalte Fragmente; nicht bemalte würden weggeworfen und in einem der Gräber wieder vergraben.17 Trotzdem war Fisher ob der schieren Menge an Keramik bald völlig überlastet, zumal ihm beim Zeichnen und Inventarisieren außer gelegentlich seinem Neffen Stanley niemand half.

Abb. 8: Im Grabungshaus von Megiddo wird Keramik sortiert.

Glücklicherweise war es Anfang Juni plötzlich mit dem hohen Tempo wieder vorbei. Nur sechs der ägyptischen Arbeiter waren zu dieser Zeit tatsächlich noch am Graben, und viele der einheimischen Arbeiter waren auf ihre Felder zurückgekehrt, um die Ernte einzufahren. Außerdem hatte das Chicagoer Team sein gesamtes Geld aufgebraucht und spielte auf Zeit, bis am 1. Juli die nächste Rate eintreffen würde.18 Wie viele Personen auf dem Höhepunkt der Grabungssaison in Megiddo beschäftigt waren, ist unbekannt, doch wir wissen, dass Fisher sich einmal beschwerte, er habe nur 80 einheimische Arbeiter, wo er 150 hätte brauchen können.19

Zwei Wochen später, Mitte Juni, kam ein Telegramm von Breasted: „UNIVERSITÄT ENTBINDET HEUTE PER TELEGRAMM HIGGINS UMGEHEND VON ALLEN PFLICHTEN SIE SIND AUTORISIERT IHM HEIMREISE ZU ZAHLEN“.20 Fisher war spürbar erleichtert.

Am selben Tag schickte Breasted noch ein zweites Telegramm direkt an Higgins. Das Original ist leider nicht auffindbar, aber im Archiv des Oriental Institute befindet sich immerhin ein handschriftlicher Entwurf. Darin heißt es ganz unverblümt: „Die Universität wird Ihre Dienste nach dem 31. Juli nicht mehr benötigen, und Sie sind ab diesem Datum von allen Pflichten entbunden. Ihre Rückreisekosten werden von Doktor Fisher bezahlt, der keinesfalls für diese Maßnahme verantwortlich ist und bis heute auch keine Kenntnis davon hatte. Bitte telegrafieren Sie das Abreisedatum, Ihr Restgehalt bis Ende Juli wird sofort auf Ihr Bankkonto überwiesen.“21

Higgins war zuvor einige Wochen in Beirut gewesen, war aber zufällig an dem Tag, als beide Telegramme ankamen, in Megiddo. Anstatt mit Fisher darüber zu sprechen, antwortete Higgins direkt nach Chicago. Zunächst bot er an, im kommenden Jahr für nur 100 Dollar pro Monat zu arbeiten, doch dann bestand er darauf, auch noch für August und September bezahlt zu werden. Anschließend reiste er nach Beirut ab, kam Mitte Juli nur noch einmal kurz zurück, um seine Sachen zu holen, und ging dann mit seiner Familie zurück in die USA.22

Aus den erhaltenen Briefen geht ziemlich klar hervor, warum Higgins plötzlich gefeuert wurde, denn seine bissige Reaktion auf das frühere Telegramm nahm ihm Breasted sehr übel. In seiner Antwort schilt er Higgins, es mangele ihm an Loyalität und Gehorsam – zwei Eigenschaften, die er, Breasted, bei Mitgliedern seines Teams mehr schätze als alles andere. Am Ende des Briefes drückt er seine Enttäuschung über Higgins aus. Am 16. Juni, dem Tag, an dem er Higgins per Telegramm feuerte, schickte Breasted ihm auch noch einen ausführlichen Brief, in dem er seine Gründe für die sofortige Entlassung Punkt für Punkt anführte.23 Solche Briefe waren offenbar typisch für Breasted: Als er fast genau sechs Jahre später, im August 1934, Guy feuerte, schickte er ihm einen ähnlich detaillierten Brief.

In dem Brief an Higgins schreibt Breasted, seit sie sich im März in Megiddo getroffen hätten, seien ihm weitere Details zu Ohren gekommen, etwa dass Higgins im vergangenen August noch auf dem Weg nach Megiddo und bevor er überhaupt an der Ausgrabungsstätte gewesen sei, einen Armenier als Vermessungsassistenten eingestellt habe, ohne zuvor Breasted zu konsultieren. Anscheinend wurde der Mann schließlich entlassen, aber bis dahin kostete er die Expedition mehrere hundert Dollar und reichte Klage gegen Fisher und Higgins ein. Bei diesem Rechtsstreit, der an keiner anderen Stelle im Archiv erwähnt wird, scheint man sich außergerichtlich geeinigt zu haben; auch davon erfuhr Breasted erst hinterher. Higgins’ völliger Mangel an Fingerspitzengefühl und Umsicht, wie sie für eine solche Ausgrabung unerlässlich seien, habe die Expedition „beinahe ruiniert“, so Breasted. Er schloss: „Sie haben einfach nicht erkannt, dass es nicht weniger wichtig ist, eine erfolgreiche Arbeitsbeziehung zu anderen Mitgliedern einer Expedition zu unterhalten, als zu wissen, wie man die Arbeit erledigt.“24

Es gibt noch eine weitere Episode, die wahrscheinlich ebenfalls zu Higgins’ Entlassung beitrug. Sie wird nur ganz beiläufig an verschiedenen Stellen erwähnt, zuerst in einer Randbemerkung, die Kellogg Mitte Juli gegenüber Breasted fallen ließ. Kellogg lässt sich nachträglich darüber aus, wie froh sie seien, Higgins los zu sein, da es sich bei ihm nicht um den Typ Mensch handele, den man mit der Arbeit in Megiddo in Verbindung bringen wolle, und merkt an, Higgins habe „für ein rechtes Durcheinander zwischen Luckenbill und Albright gesorgt“.25 Er geht nicht weiter darauf ein, was vorgefallen war, aber wahrscheinlich brauchte er das auch nicht, da Breasted mit Sicherheit bereits wusste, was geschehen war. Der fragliche Vorfall hatte sich einige Monate zuvor ereignet, kurz nachdem die Männer nach Megiddo gekommen waren.

Mitte Oktober 1925 hatte Albright die Ausgrabung besucht, aber es gab „ein Missverständnis … und Albright wurde der Zutritt zum Hügel untersagt“. Empört schickte Albright Luckenbill einen Brief, in dem er ihm mitteilte, was passiert war, aber Luckenbill – der davon ausging, dass Albright in Mesopotamien unterwegs war – antwortete ihm fast ein halbes Jahr lang nicht. Mitte April 1926 schrieb Luckenbill ihm dann endlich, er habe keine Ahnung, warum jemand in Megiddo Albright „von der Ausgrabungsstätte fernhalten sollte“. Albright wiederum antwortete ihm zwei Monate später, er sei inzwischen zur Überzeugung gelangt, es sei alles ein Missverständnis gewesen, und sicher hätten weder Luckenbill noch Breasted beabsichtigt, ihm die Erlaubnis zu verweigern, die Ausgrabung zu besuchen.26 Higgins bestätigte, dass die „Sache mit Albright“ vom Tisch war.27 In der Zwischenzeit versuchte auch Fisher, der zu diesem Zeitpunkt anscheinend nicht vor Ort war, die Wogen zu glätten, und teilte Albright mit, jener sei auf der Ausgrabung immer willkommen, und das nächste Mal werde er ihn persönlich herumführen.28

Aber wer hatte Albright, dem Direktor der American School of Oriental Research in Jerusalem, den Zugang zur Ausgrabungsstätte verwehrt? Wir wissen, dass im Oktober 1925 nur vier Teammitglieder anwesend waren – Clarence Fisher, Stanley Fisher, Edward DeLoach und Daniel Higgins. Sowohl DeLoach als auch Stanley Fisher waren noch jung und rangniedrig, sie hätten so etwas niemals getan. Bleiben also nur Fisher oder Higgins, und nach Kelloggs Brief zu urteilen, scheint es Higgins gewesen zu sein. Zu seiner Verteidigung könnte man höchstens anführen, dass Higgins möglicherweise nicht ganz allein schuld war: Luckenbill und Breasted hatten im Juni, während sie noch ihre Mitarbeiter rekrutierten, darüber gesprochen, dass „das Oriental Institute nicht bereit war, sich in seiner Arbeit durch Dr. Albright überwachen zu lassen“. Tatsächlich schrieb Luckenbill, er habe Fisher klargemacht, dass „man von uns nicht erwarten kann, allzu intensiv mit ihm [Albright] zu kooperieren“.29

Falls es Higgins war, der Albright den Zugang verweigert hatte, hatte er also möglicherweise in gutem Glauben gehandelt. Dennoch hätte der Vorfall, wie Albrights Biografen anmerken, „der Expedition beinahe nachhaltigen Schaden zugefügt“.30 Somit wird die Entlassung von Higgins auch acht Monate nach dem Vorfall noch dazu beigetragen haben, die Unstimmigkeiten beizulegen, die schlimme Folgen hätten haben können und beinahe dazu geführt hätten, dass einige der bekanntesten Archäologen und Assyriologen gegeneinander in den Ring getreten wären, noch ehe die Ausgrabung überhaupt begonnen hatte.


Zweifellos feierten Fisher und die anderen, als Higgins Mitte Juni entlassen wurde, oder stießen zumindest darauf an. Doch schon drei Tage später bereitete ein weiteres Telegramm von Breasted der Feierlaune ein Ende. Es lautete: „BITTE UM TELEGRAMM WER FÜR VERZÖGERUNG VON VERMESSUNG UND AUSGRABUNG VON HÜGELPLATEAU VERANTWORTLICH IST BITTE GANZ OFFEN SEIN NIEMANDEN IN SCHUTZ NEHMEN BREASTED“.31

Fishers Antwort muss ein hübsches Sümmchen gekostet haben – es handelt sich dabei um das mit Abstand längste Telegramm im Megiddo-Archiv des Oriental Institute. Darin schob Fisher die Schuld auf den gerade gefeuerten Higgins:

HABEN TROTZ NICHT ANGEFERTIGTER PLÄNE FÜR HÜGELPLATEAU DORT MIT AUSGRABUNG AM ACHTZEHNTEN APRIL BEGONNEN STOPP HIGGINS FORDERTE ARBEIT RUHEN ZU LASSEN BIS KARTE FERTIG BEHAUPTET ER VERTRETE CHICAGOS INTERESSEN ICH HABE DANN RÜCKTRITTSERSUCH GESCHICKT STOPP HIGGINS PLATZIERTE MÄNNER AUF NEUEM BEREICH AM HANG IN DEM INTERESSANTES MATERIAL ENTDECKT WURDE ICH ÜBERNEHME VOLLE VERANTWORTUNG FÜR DAS VERSÄUMNIS AUF UNSEREM URSPRÜNGLICHEN SCHEMA ZU BESTEHEN ABER AKZEPTIERTE OHNE NACHFRAGEN HIGGINS ERKLÄRUNG ER SEI BEFUGT DAZU STOPP WERDE STETS IHREN VORSCHLÄGEN FOLGEN DELOACH JETZT FÜR VERMESSUNG DER AUSGRABUNG ZUSTÄNDIG.32

Fisher ging in einer eidesstattlichen Erklärung, die er Ende Juli abgeben musste, näher darauf ein. Darin beantwortet er 15 Fragen zu Higgins und seiner Arbeit und führt unter anderem an, Higgins habe sogar während der Grabungssaison jeden Monat zwei Wochen außerhalb von Megiddo verbracht: eine Woche in Beirut (wobei Fisher nicht erwähnt, dass Higgins dort seine Familie besuchte) und eine Woche in Tell en-Nasbeh, wo er für Dr. William Badè, der dort grub, einen Plan der Ausgrabungen anfertigte.33

Besonders übel war die Antwort auf Frage acht: „Zu welchem Zeitpunkt begann er [Higgins] mit der Vermessung des Plateaus des Megiddo-Hügels?“ Fisher antwortete, Higgins habe „per 18. April noch nicht mit dem Plan des Hügels begonnen … Danach wurde, bis Mr. Higgins die Expedition verließ [d. h. Mitte Juni], insgesamt nicht mehr als fünf Tage an diesem Plan gearbeitet. Das Einzige, was dabei entstand, sind ein paar Konturlinien eines kleinen Teils des Nordostplateaus.“ In seinen weiteren Antworten führt er aus, Higgins selbst habe geschätzt, das Plateau zu kartieren sei eine Aufgabe von drei bis vier Wochen konzentrierter Arbeit. Da Higgins die versprochene Vermessung nicht durchgeführt habe, hätten sich die Ausgrabungen auf dem Hügelplateau um mindestens zwei Monate verzögert.

Zu guter Letzt fügte Fisher noch an: „Mr. Higgins brachte jeden einzelnen Expeditionsteilnehmer durch ständige Kritik und gehässige Bemerkungen gegen sich auf, insbesondere bei den Mahlzeiten.“ Zudem habe er die ägyptischen Arbeiter immer wieder auf unterschiedliche Weise vor den Kopf gestoßen, nicht zuletzt, indem er sie allesamt ganz unverblümt des Diebstahls bezichtigte. Fisher schloss mit den Worten: „Wäre Mr. Higgins nicht entlassen worden, hätten sämtliche Teammitglieder spätestens am Ende dieser Grabungssaison den Dienst quittiert.“34

Als diese Antworten Mitte August Breasted erreichten, wies er Luckenbill an, Higgins keinesfalls zu empfangen, falls jener in Chicago auftauche, bevor Breasted zurück sei. Von diesem Tag an verlor man kein Wort mehr über Higgins, abgesehen von einer kurzen Erwähnung: Offenbar hatte er im Juli versucht, noch einmal 2000 Dollar von der Expedition zu kassieren, hatte sich dann aber mit den zwei zusätzlichen Monatsgehältern (für August und September) zufriedengegeben, die er schon vor seiner Abreise aus Megiddo verlangt hatte. Breasted berichtete Luckenbill, er habe „auch noch einen ganz erbärmlichen Brief von Mrs. Higgins erhalten“, und merkte sarkastisch an: „Sie tut mir wirklich leid. Sie sieht in ihrem begabten Ehemann einen echten Wunderknaben.“35

Gerade einmal vier Jahre später, im Jahr 1930, starb Higgins. Zu jener Zeit war er als Professor für Geologie an der Lincoln Memorial University in Tennessee beschäftigt. In seinem Nachruf heißt es, er sei vor seinem Ableben mehrere Wochen krank gewesen – „die Ärzte sagen, dass sein Tod auf die langwierige Erkrankung zurückzuführen war, an der er vor zehn Jahren in Ägypten litt“.36


Schon bald stießen neue Mitarbeiter zur Grabungsmannschaft (Abb. 9), darunter Ruby Woodley, die bis dahin Sekretärin bei der British School of Archaeology in Jerusalem gewesen war. Sie hatte mit Fisher bereits in Bet Sche’an und zuvor in Theben in Ägypten zusammengearbeitet. Jetzt, im August 1926, schloss sich die 35-Jährige dem Team in Megiddo an, wo sie zunächst nur Sekretärin und Haushälterin war. Doch bald stieg sie zur Archivarin/Registrarin auf und sorgte für jede Menge böses Blut, bevor sie Megiddo genau zwei Jahre später, im August 1928, wieder verließ.37

Ein weiterer Neuzugang war der Fotograf Olof Lind, der sich als hervorragende Ergänzung des Teams erwies. Lind, den die Chicagoer konsequent „Olaf“ statt Olof nannten, war ein 1,83 Meter großer Schwede. Bis etwa 1925 war er Mitglied der American Colony in Jerusalem, einer kleinen Gemeinde christlicher Utopisten, die in den 1880er-Jahren von amerikanischen Exilanten gegründet worden war. Olof Lind war aus der Kolonie geworfen worden und versuchte sie später zu verklagen, gewann den Prozess aber nicht.38 Er war zehn Jahre lang der Stammfotograf der Expedition, bis zum Ende der Grabungssaison 1935/36, und arbeitete unter allen drei aufeinanderfolgenden Grabungsleitern, Fisher, Guy und Loud. Fisher war hocherfreut, dass beide zusammen weniger kosteten als Higgins allein: „Somit bekommen wir zwei aktive Arbeiter anstelle von einem, und das für weniger Geld.“39

Abb. 9: Das Grabungsteam mit ägyptischen Arbeitern, Herbst 1926: in der Mitte Clarence Fisher mit dem Hut auf den Knien; zu seiner Linken Stanley Fisher und Olof Lind; zu seiner Rechten Ruby Woodley (mit Hut) und Edward DeLoach mit zweifarbigen Schuhen, zu seiner Rechten Labib Sorial mit Fes

Auch mit der Gesundheit des Teams ging es bergauf: Die britische Mandatsregierung hatte endlich damit begonnen, das Sumpfland bei Megiddo mit Tonröhren zu entwässern. Fisher berichtet ganz ohne Ironie oder Übertreibung von chaotischen Zuständen während der Grabungssaison: „Im letzten Monat gab es keinen Tag, an dem nicht einer oder mehrere vom Team das Bett hüteten. Ich musste mehrmals alleine essen.“40

Bedenkt man die Berichte der anderen Teammitglieder über Fishers Malaria-Anfälle, mutet es reichlich seltsam an, dass Fisher behauptet, er selbst sei von der Krankheit „bislang in bemerkenswertem Maße verschont geblieben“. Er war vielmehr der Ansicht, dass vor allem „die anderen sehr leiden mussten, darunter Mr. Lind, unser neuer Fotograf. Jetzt ist sogar Miss Woodley, die sich um die anderen gekümmert hat, … schwer erkrankt. Es ist wohl hauptsächlich Malaria, aber alle Kollegen scheinen im Zuge dessen auch noch Probleme mit dem Magen zu haben. Knapp die Hälfte der ägyptischen Arbeiter war ein oder zwei Tage außer Gefecht. Und dann traten auch noch in der jüdischen Kolonie in Afula und in den Dörfern, aus denen wir die meisten unserer Arbeiter bekommen, Fieber und Typhus auf.“ Ungeachtet dessen blieb er optimistisch: „All diese Probleme am Anfang geben mir das Gefühl, dass wir später umso mehr Glück haben werden.“41

Tatsächlich stellte Fisher Anfang Oktober fest, dass sich das Allgemeinbefinden des Personals deutlich verbessert hatte – allein Miss Woodley befand sich noch immer im Krankenhaus von Haifa. Die Sümpfe trockneten schnell aus, was dafür sorgen würde, dass sie sich in Zukunft nicht mehr mit Malaria herumschlagen mussten.42 Fishers Neffen Stanley, der zugleich als Buchhalter und Chauffeur der Expedition diente und der bei Bedarf auch Keramik zeichnete, nützte das indes nichts mehr: Anfang Dezember 1926 reiste er überraschend ab und kehrte in die USA zurück. Am Silvestertag reichte er aus gesundheitlichen Gründen offiziell seine Kündigung ein.43 Seine Abreise und seine Kündigung erfolgten so plötzlich, dass man in Chicago erst zwei Monate später, Ende Februar 1927, davon erfuhr.44


Nun waren die Weichen gestellt für eine bemerkenswerte Veränderung, auch wenn weder Fisher noch Breasted zu dieser Zeit davon ahnten. Bereits Ende September hatte Fisher vorgeschlagen, den Archäologen P.L.O. Guy für die Grabungsmannschaft in Megiddo zu rekrutieren. Guy war damals Chefinspektor der Altertumsbehörde im britischen Mandatsgebiet Palästina, war jedoch im Begriff, den Dienst zu quittieren. „Sagen Sie, erinnern Sie sich an Mr. Guy, den Inspektor der Altertumsbehörde, der in Jerusalem und Haifa stationiert war?“, schrieb Fisher an Breasted. „Er hat gerade seinen Regierungsposten gekündigt, und ich bin mir sicher, dass er gerne wieder im Feld arbeiten würde. Ich habe ihn noch nicht darauf angesprochen, aber wenn Sie finden, er könne uns von Nutzen sein, könnte ich mich erkundigen, ob er sich uns anschließen würde, und wenn ja, zu welchen Bedingungen.“45

Breasted antwortete, er könne sich nicht daran erinnern, Guy bereits persönlich kennengelernt zu haben, wies Fisher aber dennoch an, Guy zu fragen, ob er bereit wäre, die praktische Seite der Ausgrabung in Megiddo zu leiten, während Fisher weiterhin für die wissenschaftlichen und archäologischen Aufzeichnungen verantwortlich wäre. Schon kurze Zeit später erkundigte sich Breasted bei Fisher, ob jener bereits Kontakt zu Guy aufgenommen habe und ob „es bereits eine Reaktion von ihm gibt, was die Stelle im Megiddo-Team betrifft“.46

Fisher ahnte nicht, dass er in dem Moment, als er Guy kontaktierte, seinen eigenen Posten aufs Spiel setzte. Bereits Ende Dezember 1926 verhandelte Breasted mit Guy über eine Übernahme der Grabungsleitung.47

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