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Kapitel 3

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Rya lag in einer ungemütlichen Position auf dem Marktplatzboden, als sie langsam wieder zu sich kam. Als sie die Augen öffnete blickte sie direkt in die Sonne, die als weißer Punkt vor ihr schwebte. Schützend hielt sie sich die Hand vor das Gesicht. Eine beruhigende männliche Stimme fragte sie besorgt:

»Fehlt Ihnen etwas? Wie geht es Ihnen?«

Rya war kaum anwesend. Sie fasste sich an den Kopf und fragte leise: »Was ist passiert?«

»Sie sind auf den Boden gestürzt«, antwortete dieselbe Stimme besorgt.

Seine Hand streckte sich Rya entgegen, um ihr aufzuhelfen. Zögernd hob sie ihren Arm und fasste mit ihrer Hand die Seine.

Sie spürte eine angenehme Wärme, Sicherheit und Geborgenheit. Behutsam nahm sie seine Hand fester und während Rya vorsichtig nach oben gezogen wurde, hörte sie den Ruf eines Pfaus. Außer den Kopfschmerzen hatte sie keine Verletzungen davongetragen.

Nachdem sie wieder sicher auf beiden Beinen stand hob sie den Blick und starrte direkt in seine Augen, hielt dabei seine Hand fest umklammert. Sie konnte es kaum fassen.

›Das ist er, der Unbekannte von vorhin.‹

Ihr wurde ganz wohl ums Herz. Seine Augen strahlten wie Honigperlen und sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Ihr Herz vollführte wilde Freudensprünge in ihrer Brust. Ein Zittern ging durch ihren Körper.

Rya konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ein Glücksgefühl machte sich in ihr breit, sie konnte es nicht fassen, dass das Schicksal sie tatsächlich zueinander geführt hatte. Glücklich lächelnd studierte sie seine Gesichtszüge, prägte sie sich genau ein, als fürchtete sie, er könnte gleich wieder verschwinden. Sie versuchte zu verstehen, was gerade mit ihr geschah. Ein Gefühl von Vollkommenheit und tiefster Reinheit umhüllte ihr Herz.

Seine Stimme war tief und melodiös, sang ihr ein Lied von Freude und Trauer, das sie noch nie vernommen hatte.

»Es tut mir sehr leid, was Ihnen passiert ist«, entschuldigte er sich.

»Verzeihung. Was haben Sie eben gesagt?«, fragte Rya verlegen und errötete, als sie sich dabei ertappte, wie sie ihn anstarrte.

»Es tut mir leid, hatte ich gesagt«, antwortete er mit seiner sanften Stimme, doch Traurigkeit überschattete seine Züge.

»Nein, Sie müssen sich nicht entschuldigen, Sie können doch nichts dafür!«, flüsterte sie und schaute verlegen zu Boden.

Rya versuchte, seinem bohrenden Blick auszuweichen, um sich nicht zum Narren zu machen. Daher bückte sie sich schnell, um das herumliegende Obst einzusammeln.

»Warten Sie, ich helfe Ihnen!« Er kniete sich hin und fischte zwei Orangen auf.

»Nein, Sie brauchen mir nicht zu helfen, bitte, Sie haben schon genug getan.«

Der junge Mann schaute sie kurz traurig an und wandte seinen Blick dann zum Himmel, als würde er Regen erwarten.

»Gut, wenn Sie darauf bestehen. Aber darf ich Sie bitten, mir Ihren Namen zu verraten«, fragte er leise, aber selbstbewusst.

»Warum wollen Sie meinen Namen wissen?« Rya kämpfte gegen ihre Nervosität an, doch die Freude über seine Frage ließ ihr Herz abermals einen wilden Polka tanzen.

»Verzeihung, ich wollte Ihnen nicht zu Nahe treten«, entschuldigte sich der junge Mann schnell, doch ein Grinsen trat plötzlich auf seine Lippen. »Es interessiert mich lediglich, ob Ihr Name auch so wundervoll ist, wie Sie es sind.«

Rya errötete wieder ob dieses offenen Kompliments. Sie blickte ihn an und konnte nicht glauben, wie sanft und stolz er war. In seinem Gesicht las sie, dass er sie nicht ein weiteres Mal fragen würde. Also antwortete sie zaghaft und etwas verlegen: »Mein Name ist Rya Zafar.«

»Rya«, wiederholte er leise. »Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Rya.«

Rya bemerkte, wie er sie beobachtete, als sie das restliche Obst aufsammelte.

»Es wäre mir eine große Ehre, Sie bald wiederzusehen«, sprach er ernst.

Rya lächelte liebevoll, aber auf diese Frage hin schlug sie die Augen nieder. Sie antwortete widerwillig, wünschte sich, es nicht aussprechen zu müssen. »Das geht nicht. Mir ist es nicht gestattet – meine Eltern verbieten es mir. Ich bin Muslime, ich kann nicht!« Ihre Stimme wurde immer hilfloser und sie wandte sich von ihm ab.

Er schaute kurz um sich, um sicher zu gehen, dass ihnen niemand zuhörte. Dann ging er schnell um sie herum, legte seinen Kopf leicht zur Seite, sah ihr tief in die Augen und erklärte: »Sag ihnen, dass es da jemanden gibt, der keinen weiteren Tag verstreichen lassen möchte, ohne Sie wiederzusehen.«

Rya blickte ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf.

»Sie sind ja verrückt«, lachte sie, doch ein Teil von ihr war ihm dankbar für seine Hartnäckigkeit.

»Nein, das ist mein voller Ernst, ich muss dich wieder sehen. Möchtest du es auch?« Die plötzliche Zärtlichkeit in seinen Worten und die Nähe zwischen ihnen versetzte Rya einen Stich ins Herz.

»Nein … ja … wie soll ich es bloß arrangieren? Es wäre falsch von mir.« Verzweifelt runzelte sie die Stirn.

»Ich habe da eine Idee, vielleicht könnte sie unser Problem beseitigen«, begann er zögernd, aber bedacht. »Alljährlich gibt es ein Fest in dem großen Haus, auf dem Berg dort drüben.« Er zeigte mit dem Finger zu einem Hügel in der Ferne, der majestätisch zwischen den Häusern der Stadt aufragte. »Es ist eine Veranstaltung vom Bürgermeister.«

Dann schaute sich der junge Mann um und fügte leise hinzu: »In einigen Tagen ist es wieder soweit. Bei Sonnenuntergang können wir uns im Garten neben der Terrasse, an der alten Statue treffen.«

Rya überlegte kurz. Sie wusste, dass ein Treffen mit ihm eigentlich kein Problem darstellen würde. Schließlich lebten ihre Eltern nicht hier. Aber sie spürte im Innern ihres Herzens, aus einem Instinkt heraus, dass sie es ihm nicht so leicht machen wollte. Er sollte schließlich nicht den Eindruck bekommen, sie würde sich mit jedem gutaussehenden Mann sofort verabreden. Und außerdem verbot es ihr Stolz.

»Ohne Einladung können wir da aber nicht hin. Und zu so später Stunde ist es fast unmöglich.«

»Mache dir keine Sorgen, man wird dir ohne Probleme Einlass gewähren. Und außerdem wirst du auf der Gästeliste stehen.«

»Sicher?«

Der Fremde nickte.

»Geht in Ordnung!«, freute sich Rya, ohne sich zu fragen, wie er das zustande bringen wollte.

»Ich freue mich, dich bald wieder zu sehen«, lächelte er sie glücklich an, erhob sich und eilte davon.

Fassungslos schaute Rya ihm nach. Da fiel ihr plötzlich auf, dass sie nicht einmal seinen Namen kannte. »Wollt Ihr mir nicht auch Euren Namen verraten?«, rief sie ihm nach, aber er war schon zu weit weg.

»Schwesterherz!« Sakine kam um die Ecke des Standes gebogen und starrte Rya erleichtert an, ehe sie ihrer kleinen Schwester in die Arme fiel. »Für einen Augenblick dachte ich, etwas Schlimmes sei geschehen! Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut? Hast du dich verletzt?«

»Mir geht es gut!« Innig erwiderte Rya die Umarmung Sakines. Ihre Augen aber hielten weiterhin nach dem Fremden Ausschau.

Nachdem sich die Beiden wieder voneinander gelöst hatten, zupfte Sakine ihr Kleid zurecht und drängte: »Wir müssen uns beeilen. Komm, lass uns gehen! Es ist schon spät!«

Sanft zog Sakine ihre Schwester mit sich fort und begann eine Geschichte über ihren Großvater zu erzählen, die sie erst vor wenigen Tagen erfahren hatte. Doch Rya war mit ihren Gedanken bei ihrem Unbekannten und hörte ihrer Schwester gar nicht zu. Ihr Herz pochte immer noch.

Ein Traum aus Sand und Regen

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