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Die Zeitalter der Menschheit

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Nicht alle Titanen kämpften gegen Zeus. Einer, der ihm beistand, war Prometheus, dessen Name mit den Vorstellungen von „rechtzeitig nachdenken“ und „Voraussicht“ verknüpft ist. In der Zeit, als noch Kronos den Himmel regierte, hatte Prometheus ein Wesen namens Mensch geformt, das auf Erden wandeln sollte. So erklärt es Ovid:

Er nahm Regenwasser und mischte es mit der Erde, die damals noch etwas vom Himmelsgewölbe in sich trug, formte es nach dem Bild der Götter, die alles regieren. Während andere Tiere gebückt zum Boden schauen, gab er dem Menschen ein hoch erhobenes Gesicht, gebot ihm, den Himmel zu sehen und seinen freien Blick zu den Sternen zu wenden./Metamorphosen (1,80–86)

Und dabei handelte es sich nicht nur um eine körperliche Ähnlichkeit mit den Göttern, wie sich später zeigen wird.

Das Goldene Zeitalter Die ersten Menschen waren durchweg Männer. Und im „Goldenen Zeitalter“, wie Hesiod es beschreibt, führten sie ein ausgesprochenes Junggesellenleben:

Sie lebten wie Götter, ohne Sorgen und Unruhe … freuten sich an ihren Gastmählern, waren frei vom Bösen … und alle guten Dinge gehörten ihnen./HESIOD, Werke und Tage 112–117

Welches Ereignis diesem Idyll ein Ende setzte, ist schwer zu sagen, und die vielen verschiedenen Versionen der Geschichte lassen sich unmöglich alle in Einklang miteinander bringen. Es scheint jedenfalls, dass ein Konflikt göttlicher Absichten das Ende des Goldenen Zeitalters und – nicht zufällig – zugleich die Erschaffung der Frau nach sich zog.

Betrug an Zeus Prometheus wollte für seine Schöpfung das Beste, doch er nahm hin, dass die Menschen den Göttern opfern mussten. Also richtete er einen Ochsen für das Gastmahl des Zeus an, wobei er für die eine Portion geschickt die Knochen unter einer Fettschicht verbarg, während in die andere das Fleisch und die nahrhaften Eingeweide kamen, alles unordentlich aufgehäuft und vom Pansen des Ochsen bedeckt. „Wähl deinen Anteil, großer Zeus“, sagte der listige Titan, „und nach dem Opfer soll der andere Teil an die Menschen gehen.“ Zeus durchschaute den Trick mühelos und war über den Versuch erzürnt. Dennoch nahm er das Fett und die Knochen, und fortan mussten die Götter, wenn ein Tier geopfert wurde, stets damit zufrieden sein. Aber den Göttern das schlechtere Teil anzubieten, hatte seinen Preis, und zur Vergeltung für Prometheus’ Dreistigkeit entschied Zeus, diese Strafe werde die Menschheit treffen, Prometheus’ geliebte Schöpfung.


Der Zorn des Zeus – die qualvollen Strafen für Atlas und Prometheus

Prometheus stiehlt das Feuer Zeus verfügte, den Menschen solle das Geheimnis des Feuers verwehrt bleiben, ein Mangel, der sie zu einem primitiven Leben als Wilde, kaum mehr als eine Stufe über den Tieren, verurteilen würde. Doch der dickköpfige Prometheus schmuggelte das Feuer zu seinen Schützlingen, verborgen in einem hohlen Pflanzenstängel. Und als Zeus später auf die Erde hinausblickte und sah, wie zur Antwort auf die Sterne am Himmel in den Menschensiedlungen dort unten die Feuer leuchteten, da wusste er, dass Prometheus sich ihm widersetzt hatte.

Seine Rache war fürchterlich. Er befahl, den sanften Titan an einen Felsen im fernen Kaukasusgebirge zu ketten, und schickte dann einen Adler aus, der die Leber des Gefangenen fressen sollte. Sterben konnte Prometheus nicht, und über Nacht wuchs seine Leber immer wieder nach, sodass sie am nächsten Tag unter Qualen aufs Neue gefressen werden konnte.

Nachleben in Kunst und Kultur: Prometheus

Der Prometheusmythos spricht fundamentale Themen wie Opferbereitschaft, Selbstlosigkeit, Leiden und Erlösung an; da überrascht es wenig, dass sie ihren Niederschlag in allen Kunstrichtungen gefunden haben. Im Bereich der Dichtung legte Percy Bysshe Shelley sein Versdrama Prometheus Unbound vor, das ein erhaltenes Stück des griechischen Dramatikers Aischylos fortschreibt. Im 20. Jahrhundert hieß eine Oper des deutschen Komponisten Rudolf Wagner-Régeny Prometheus – längst vor ihm hatte Beethoven höchstpersönlich die Musik zu einem Ballett namens Die Geschöpfe des Prometheus (1802) geschrieben. Aus der Malerei sind viele Versionen des Mythos bekannt, von Piero di Cosimos Prometheusmythos (1515) bis zu Dirck van Baburens Prometheus wird von Vulkan angekettet (1623). Gustave Moreau gab dem Thema im 19. Jahrhundert sozusagen eine Wendung ins Expressionistische – zu einer Zeit, in der das politische Schicksal Polens den Anstoß zu Der polnische Prometheus gab (1831), einem Bild, auf dem Horace Vernet Polen als hingestreckten Soldaten darstellte, an welchem der russische Zarenadler frisst. Die gelungenste plastische Darstellung ist die heute im Louvre ausgestellte, 1762 vollendete Marmorstatuette von Nicolas-Sébastien Adam.


Für die Entstehung von Promethée enchainé benötigte der Bildhauer Adam 27 Jahre.

Pandora Der immer noch aufgebrachte Zeus wandte sich jetzt der Menschheit zu. Um ihr Schaden zuzufügen, richtete er „ein Unglück an, um den Segen des Feuers aufzuwiegen“ (Hesiod, Theogonie 570), nämlich Pandora. Zeus’ Mitgötter – von denen einige immerhin weiblich waren – steuerten zu Hephaistos’ Schöpfung eine Mitgift aus vielen Geschenken für die Menschheit bei, um den Schlag abzumildern.

Auf Zeus’ Geheiß schuf Hephaistos den Körper einer Frau aus Lehm. Athena gab ihr Leben und von den übrigen Göttern verlieh ihr jeder eine andere Gabe. Dieser Geschenke wegen nannten sie sie Pandora („All-Beschenkte“) … Pyrrha war ihre Tochter.

HYGINUS, Fabulae 142

Die Gaben jedoch, die Pandora empfing, verlangten einiges an Training, ehe sie den Menschen nützen konnten, und bis dahin wurden sie in einem riesigen Krug aufgehoben – den spätere Zeiten sich als „Büchse der Pandora“ vorgestellt haben.

Doch Zeus verlieh Pandora ein „Geschenk“, welches das Werk seiner Mitgötter zunichtemachen sollte: unbezwingbare Neugier. Kaum war Pandora auf Erden angekommen, da öffnete sie den Deckel, um nachzusehen, was der Krug enthielt. Augenblicklich schossen die im Krug gefangenen Wesen heraus, und weil sie noch nicht dazu abgerichtet waren, den Menschen zu dienen, wurden aus ihnen stattdessen Verzweiflung, Neid und Jähzorn sowie die Abertausende von Krankheiten und Gebrechen, die die Menschheit plagen. Alles, was übrig blieb, war die Hoffnung, die sich unter dem unzerbrechlichen Rand des Kruges verfing und deswegen von der Menschheit gezähmt und zur Freundin gemacht werden konnte – wie es für die anderen „Gaben“ gedacht gewesen war, allerdings in einer Weise, die wir heute nicht mehr nachvollziehen können.

Und so, sagt Hesiod in einer Sternstunde seiner Eigenschaft als heillos giftiger Frauenfeind, „kam von Pandora das verderbliche Geschlecht, die Stämme der Frauen, eine Plage, die mit den Männern lebt … und die Früchte der mühevollen Arbeit anderer in ihren eigenen Bauch wegfrisst“. (Theogonie 591f.; 599) Besonders raffiniert und verschlagen hatte Zeus das angestellt, denn „jeder, der vor der Ehe flieht …, findet dennoch ein jämmerliches Ende, ohne Pflege im Alter“. (603–605)

Nachleben in Kunst und Kultur: Pandora

Es überrascht nicht, wie oft Pandoras Geschichte in Malerei, bildender Kunst und Musik neu erzählt worden ist; zu den herausragenden Beispielen gehören die Oper Pandora (1690) von Gennaro Ursino, eine Marmorstatue des amerikanischen Bildhauers Chauncey Bradley Ives von 1864 und eine Fülle von Bildern, die sich von Jean Cousin (um 1550) über das 19. Jahrhundert (Lawrence Alma-Tadema, J. W. Waterhouse, Paul Césaire Gariot) bis in die Gegenwartskunst fortsetzt.

Pandora sehen kann man am Himmel und auf der Erde noch immer. Sie ist ein Saturnmond, ein Asteroid, eine Kleinstadt in Ohio und noch eine in Texas sowie eine kanadische Insel in der Arktis. Ihren Namen geliehen hat sie außerdem einer Serie britischer Kriegsschiffe, die zwischen 1779 und 1942 in Dienst waren, einer Unterart der Sphinxfalter und einem Verlag. Pandora heißt nicht zufällig die große bedrohliche Liebe im Leben des von Sue Townsend erfundenen Teenager-Pechvogels Adrian Mole (1982). Die bedeutungsschwangere Natur der Pandora-Geschichte hat den Namen Pandora zum Dauerbrenner bei der Titelwahl für Popsongs, Bücher und Filme werden lassen (Die Büchse der Pandora, Pandora’s Clock, Pandora’s People …). Häufig wählt man ihn auch für technische Durchbrüche und in der Science-Fiction – zum Beispiel für den Planeten, der für den Pionierfilm der 3-D-Technik, Avatar (2009), den Schauplatz abgibt.

Das Silberne Zeitalter Die Flut aus Unheil, die Pandora in ihrer Ahnungslosigkeit über die Welt hatte hereinbrechen lassen, leitete das Silberne Zeitalter ein – das, wie man sich denken kann, verglichen mit dem Goldenen nicht so erfreulich war. Die Kinder wuchsen bei ihren Müttern auf und klebten fest an deren Rockzipfeln, bis sie als fertige Erwachsene hinaus in die Welt zogen und außerstande waren (was am übermäßigen weiblichen Einfluss auf ihre Erziehung lag), ihre Versprechen an die Götter oder voreinander zu halten. Gewalt, Verrat aus reiner Willkür und gottlose Freveltaten waren die Folge, und die ausgewachsenen Babys lebten nicht lange, wenn sie einmal Mutters sicheres Nest verlassen hatten. Schließlich erklärte Zeus die ganze Generation für gescheitert und entfernte die Völker des Silbernen Zeitalters von der Erde.

Antike und moderne Zeiteinteilung

Durch einen glücklichen Zufall überschneidet sich jene Epoche, die heutige Archäologen als Eisenzeit bezeichnen, weitgehend mit der Spätzeit des Eisernen Zeitalters der klassisch-griechischen Geschichtstradition (heute würden wir sie als archaische Zeit Griechenlands bezeichnen). Die vorausliegende Heroenzeit der Alten ist, modern gesprochen, die Bronzezeit der Archäologen. Und wenn sich die Heroen im Mythos manchmal wie Teenager benehmen, die die Kontrolle über sich verloren haben, dann liegt das daran, dass sie wahrscheinlich welche waren. Wie die Archäologie erwiesen hat, führten die Adligen der Bronzezeit, aus deren Vorbild die mythischen Helden schöpfen, vielfach ein kurzes, aber actiongeladenes Leben. Zwar erreichten manche ein Alter jenseits der sechzig, aber der Tod war ihr ständiger Begleiter und forderte weitaus früher die meisten als Opfer. Für Frauen war es nichts Ungewöhnliches, mit 13 Mutter, mit etwas über zwanzig Großmutter und mit dreißig tot zu sein.

Das Bronzene Zeitalter Auf das Silberne Zeitalter folgte das Bronzene, eine Zeit des Krieges. So selten legten die Krieger jener Epoche ihre bronzene (oder, um es altertümlich zu sagen, „eherne“) Rüstung ab, dass manche Dichter späterer Zeiten sie buchstäblich als Metallmenschen schilderten. Kriege und Schlachten wüteten in endloser Folge, und wiewohl Ares, der Gott des Krieges, sich in seinem Element befand, selbst er musste einsehen, dass es auch zu viel des Guten geben kann. Die anderen Götter, besonders der mächtige Zeus, wurden des Bronzenen Zeitalters bald müde, und die Frage kam auf, ob dieses Geschlecht unermüdlicher Krieger sich wohl noch selbst auslöschen könnte, ehe Zeus das für sie erledigen würde.

Die Sache ging knapp genug aus. Wenn wir Hesiod glauben, erreichte der Selbstzerstörungstrieb der Völker im Bronzenen Zeitalter sein Ziel, aber damit stellt sich die Frage, weswegen Zeus seine eigenen Pläne trotzdem weiterverfolgte – denn alle Mythenerzähler sind sich einig, dass der Götterkönig eine große Flut hervorrief, die Wasser über die Erde strömten und die Menschheit von ihrem Angesicht vertilgten. Einigen Versionen dieser Erzählung zufolge war der Tropfen, der das Fass buchstäblich zum Überlaufen brachte, die Idee eines Königs, seinen eigenen Sohn in der perversen Annahme zu opfern, das werde Zeus gefallen, statt ihn abzustoßen.

Die Arche Deukalions Prometheus, der nach wie vor in schmerzgepeinigter Gefangenschaft schmachtete, hielt sich gleichwohl über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden und wachte über seine Geschöpfe – insbesondere sein leibliches Kind Deukalion, der Pyrrha mit dem feuerfarbenen Haar geheiratet hatte, die Tochter der Pandora. Götterkinder sind langlebig, und dieses Paar hatte offenkundig sowohl das lasterhafte Silberne wie das gewalttätige Bronzene Zeitalter überlebt. Prometheus war fest entschlossen, dass sie auch die Flut überleben sollten. So erhielt Deukalion das Gebot, für sich und seine Frau eine Arche zu bauen, und in ihr standen sie beide die riesige Überschwemmung durch. Schließlich, als die Fluten sanken, entdeckten Deukalion und Pyrrha, dass die Arche sich auf einem Berg festgesetzt hatte. Welchem Berg genau, das war in späteren Zeiten hochumstritten: Die Einwohner von Sizilien, der Chalkidike und Thessalien reklamierten diese Ehre um die Wette für hervorstechende (Gebirgs-)Züge ihrer jeweiligen Landschaft. Doch bei der Mehrheit der Griechen liefen sie damit so gründlich auf, wie Deukalions Arche nach allgemeiner Ansicht am Parnass bei Delphi auf Grund lief, dem Sommerwohnsitz Apollons und dem späteren Sitz seines Orakels.

Das Eiserne Zeitalter Es hatte Zeus etwas besänftigt, mit anzusehen, welche dramatischen Folgen seine Maßnahmen gehabt hatten, und so sandte er dem gestrandeten Paar Deukalion und Pyrrha eine Botschaft in Form eines Orakels: „Bedeckt eure Häupter und werft die Gebeine eurer Mutter über eure Schultern.“ Nach anfänglicher Verwirrung – denn niemand weiß, was aus Pandora geworden ist – begriff das Paar, dass die betreffende Mutter Gaia sein musste, die Mutter aller, und ihre Gebeine waren die Steine, die in reichlichen Mengen herumlagen. Deukalion und seine Frau taten, wie geheißen, und sowie die Steine auf den Boden trafen, wurden sie weich und veränderten ihre Form. Die von Deukalion geworfenen wurden zu Männern und jene, welche Pyrrha warf, zu Frauen. So entstand die erste Generation des Eisernen Zeitalters, die Ahnen der Männer und Frauen der Heroenzeit, deren Leben und Taten zum Kernbestand des mythologischen Sagenstoffs wurden.

Auf die Heroenzeit folgte die Epoche, in welcher die Mythenerzähler erstmals ihre Geschichten spannen – das Zeitalter Homers und Hesiods. Das „Eiserne“ an diesem Zeitalter bezog sich weniger auf die Entdeckung des Eisens als Werkstoff, denn noch zu Homers Zeiten war der Gebrauch von Bronze weitverbreitet, als vielmehr auf die Tatsache, dass Eisen im Vergleich zu Gold, Silber und Bronze etwas Glanzloses war.

Jene Menschen, die viele Jahrhunderte nach ihnen in den späteren Phasen des Eisernen Zeitalters lebten – oder, wie es ein antiker Historiker mit bitterer Schärfe ausdrückte, des „Zeitalters aus Rost“ –, betrachteten ihr Universum als etwas Vollständiges und Wohlgeordnetes. Die letzten Monster waren verschwunden, von den letzten Heroen erschlagen, und wenngleich die Götter und andere übermenschliche Wesen noch immer ein reges Interesse an den und Einfluss auf die menschlichen Angelegenheiten nahmen, wirkten sie nun eher über menschliche oder natürliche Werkzeuge ein als durch eigenhändige persönliche Eingriffe.

Für die nach 600 v. Chr. lebenden Menschen war die Welt ausgewachsen, ja sogar schon gealtert. Spekulationen, welches Zeitalter dem Eisernen folgen würde, gab es nicht, denn sofern man überhaupt darüber nachdachte, glaubten die Menschen jener Zeit, dass die Welt dann ganz und gar in Stücke gehen und dass alles zu Ende sein werde.

Von zänkischen Göttern und tragischen Helden

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