Читать книгу Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian - Florian C. Booktian - Страница 10

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Auf dem Weg zu seinem Mustang vibrierte Percys Smartphone. Für einen kurzen Moment genoss er das angenehme Surren in seiner Hosentasche, dann zog er es hervor, in der Hoffnung, eine Nachricht von Rachel erhalten zu haben.

Auf dem Display leuchte eine Textnachricht auf:

Hallo Schmatz! Hier ist deine Oma, meinst du, es wäre dir möglich, mich zu besuchen, bevor man mich in eine Kiste packt und vergräbt?

Percy starrte verdattert auf die Nachricht. Seine Oma war vor Kurzem in dieselbe Stadt gezogen, in der er lebte und arbeitet: Bimbeldove. Nach eigener Angabe wollte sie es im hohen Alter noch mal so richtig krachen lassen. Percy hatte versprochen, sie bald zu besuchen, aber da sie scheinbar gleich Anschluss gefunden hatte, beließ er es beim Austausch von Textnachrichten. Seither waren drei Monate vergangen und seine Oma schien jeden Tag mitgezählt zu haben. Percy öffnete ein neues Fenster, um ihr zu antworten. Sofort poppte eine weitere Nachricht auf:

Ich weiß, dass du die Nachricht gelesen hast, Percyvall Meercat!

Ach du Schande. So nannte ihn wirklich niemand. Nicht mal in seiner Personalakte war sein voller Vorname verzeichnet, der ihm noch nie sonderlich gut gefallen hatte. Percyvall klang zu sehr nach einem Zepter schwingenden Schnösel, der sich nicht entscheiden konnte, welches Tier für seine Suppe sterben sollte. Also hatte er kurzerhand Percy daraus gemacht. Das war flotter und viel umgänglicher. Percy tippte die Antwort in das Handy. Die nächste Nachricht seiner Oma ploppte auf:

Ich kann sehen, dass du mir schreibst, also hast du wohl gerade nichts zu tun. Ich erwarte dich in einer halben Stunde. Ich habe Kekse gebacken und brauche jemand, der probiert. In Liebe, Oma.

Percy seufzte und löschte die lange Antwort, die erklärte, dass er gerade keine Zeit hatte, um vorbeizuschauen. Er antwortete ihr mit einem kurzen „Bis gleich, Oma“ und steckte das Handy weg. Seine Gameboy-Batterien mussten also warten. Sei’s drum. Wenn Milten die ihm aufgetragene Besorgung machte, war das eh egal.

Eine lange Baustellen-Umleitung und 33 Minuten später parkte Percy seinen Mustang vor dem Haus seiner Oma. Die Erdmännchen-Dame hatte einen Alterssitz am Stadtrand bezogen, der weit genug abseits lag, um in Ruhe im Garten zu sitzen. Hier wohnte nur, wer das nötige Kleingeld hatte. Und Percys Oma hatte bis heute nicht aufgehört zu arbeiten, verdiente gut und liebte ihren Job. Percy verstand zwar nicht, wieso sie sich abends noch auf Partys herumtrieb, aber immerhin kam sie dann unter die Leute.

Vor dem Haus befand sich ein ausgeschmückter Garten, der sich um das Haus herum und nach hinten weiter in die Ferne erstreckte. Die Vorderfront des Hauses war symmetrisch, zwei große Fenster mit zwei großen Blumenkübeln vor dem Eingang. Ein hölzerner Gartenzaun hielt lästige Besucher ab und ein Willkommensschild begrüßte die, denen sie Eintritt gewährte.

Percy öffnete das Gartentor und lief den Schotterweg entlang. Am Eingang streifte er sich die Füße ab und wollte gerade auf die Klingel drücken, als die Haustür aufgerissen wurde.

„Kind, da bist du ja endlich, komm rein!“, sagte Percys Oma und zog ihn ins Innere. „Hast es endlich mal geschafft, was? So ist das mit euch jungen Spatzen. Kaum ist der Wurf zum Bau hinaus, vergisst er, dass es noch Familie gibt, die man besuchen könnte.“

Percy erkannte seine Oma nicht wieder, ihre Frisur und auch sonst alles an ihr hatte sich verändert. Von der gebückt gehenden Erdmännchen-Dame war nichts mehr übrig. Sie trug zwei Hörgeräte, eine dicke Brille und ihr Rücken war kerzengerade, fast so, als hätte sie jemand wieder hingebogen. Und was war nur mit ihrem grauen Fell passiert?

„Oma, hast du dir das Fell gefärbt?“

„Das hier?“, sagte sie und beugte den Kopf vornüber. Wo eigentlich eine graue Stelle hätte sein sollen, befand sich eine wuschelige lila Mähne. „Das hab ich mir machen lassen. Man muss ja mithalten, wenn man hier in der Stadt dazugehören will. Hab mir auch ein Hörgerät besorgt, zwei sogar, damit ich die Dummheiten wieder besser verstehe, die du so von dir gibst.“

„Dein Rücken ...“, stammelte Percy und zeigte verdutzt auf seine Oma.

„Chiropraktiker. Knetet mich durch und macht mit mir Übungen. Ich bin wieder so gut wie neu.“

Sie blinzelte hinter ihren dicken Brillengläsern hervor.

„Was war denn so dringend, dass ich jetzt vorbeikommen musste?“

„Na hör mal, du Jungspund. Braucht eine Oma einen Grund, um ihren Enkel herzuzitieren? Aber ich habe wirklich einen. Ich brauche einen Tester, Moment.“ Sie verschwand in die Küche und ließ Percy alleine im Wohnzimmer zurück. Die Wände waren von Bilderrahmen übersät, die Percys große Familie zeigte. In der Ecke stand ein neuer Flachbildschirm-Fernseher. Viel moderner als der Röhrenfernseher, den Percy zu Hause hatte. Was ihm aber am meisten ins Auge stach, war der schwarze Koffer, der auf einer Kommode lag. Percy kannte diese Art von Koffer. Allerdings hätte er nie vermutet, einen davon bei seiner Oma zu finden. Darin bewahrte man normalerweise Gewehre auf. Er öffnete die Scharniere und klappte den Deckel auf. Im Inneren lag ein MP5-Maschinengewehr mit Munitionsschachteln.

„Oma?“, rief Percy Richtung Küche, als er den Deckel wieder zuklappte. „Warum hast du ein deutsches Maschinengewehr im Wohnzimmer?“ Obwohl in seiner Stimme etwas Besorgnis mitschwang, machte er sich nicht wirklich Sorgen, dass seine geliebte Oma etwas Verrücktes plante. Jedenfalls nicht verrückter als sonst.

„Na, um mich zur Wehr zu setzen. Da draußen gibt es einiges, was größer ist und stärker. Und damit gehe ich auf Nummer sicher, dass es auch dort draußen bleibt.“

„Und wie genau stellst du dir das vor?“

„Wenn einer meint, hier einbrechen zu müssen, schieße ich ihm mit dem Ding da in die Fresse.“

„Oma!“

„Oma mich nicht, Percyvall“, sagte sie und hielt ihm das Tablett mit den Keksen hin. „Hier, probier mal.“

Percy nahm einen Keks. „Hast du eine Erlaubnis für die Waffe?“

„Eine was?“

„Einen Waffenschein, Oma, nur wenige überlassen einer älteren Frau ein derartiges Gewehr.“

„Der Kerl, von dem ich es gekauft habe, hat es mir so gegeben. Falls du einen Kassenzettel meinst, den gibt es nicht. Das lief unter der Pfote“, den letzten Teil flüsterte sie ihm zu und nickte energisch. Dann lächelte sie. „Iss deinen Keks auf!“

Percy biss das Gebäck an und kaute, ohne wirklich auf den Geschmack zu achten. Ganz mit der Waffe beschäftigt, hinterfragte er auch gar nicht, was er da gerade knabberte. „Du weißt, dass ich Polizist bin? Wie sieht es denn aus, wenn ich meine eigene Oma mit einem Maschinengewehr zurücklasse, für das sie keine Erlaubnis hat?“

„Es würde so aussehen, als ob du deine alte Oma sehr lieb hast.“

„Das habe ich auch“, sagte Percy und nahm einen weiteren Keks. Die waren gut, noch weich in der Mitte und mit leckerer Füllung. „Du kannst das Teil nicht behalten. Ich besorg dir mal ein Pfefferspray.“

„Hab ich schon. Und einen Elektroschocker, den ich an einen Besenstiel gebunden habe. Sag, mein Lieber, wo ist denn dein Partner, Milten, wolltest du mir den nicht mal vorstellen?“

„Er muss arbeiten“, sagte Percy und schluckte den Rest von seinem zweiten Keks. Die waren nicht nur gut, die waren verdammt gut. In seinem Bauch breitete sich ein angenehmes Wärmegefühl aus. Es schien, als wäre es Samstagmorgen, draußen regnete es und er konnte heute den ganzen Tag im Bett bleiben. Das Erdmännchen schnappte sich zwei weitere Kekse, nahm einen in jede Hand und biss abwechselnd hinein.

„Gut, oder?“, fragte seine Oma.

„Verdammt gut“, sagte Percy mit vollem Mund. „Was ist da drin? Nugat?“

„Marihuana.“

Percy überlegte kurz, ob er den Keks auf den Boden spucken sollte. Offiziell war er noch im Dienst, jederzeit konnte über das Funkgerät ein Fall hereinkommen. Percy schluckte den Rest der Kekse herunter und legte die angebissenen Reste zurück auf das Tablett.

„Oma, hast du gerade deinem Enkel, einem Detective im Dienst, mit Haschkeksen gefüttert?“

„Sind gut, oder?“

„Ja aber ... Oma!“

„Sehr gut. Dann kann ich die Kekse meinen Gästen servieren“, sagte seine Oma. „Raus mit dir, Percy. Gleich kommen ein paar neue Kunden, die meinen Vertrieb übernehmen wollen. Ich wollte nur kurz sehen, ob es dir gut geht.“

„Mir gut geht?“

„Natürlich. Du bist doch mein absoluter Lieblings- Enkel. Nicht wie deine doofe Cousine, die sich von diesem Greifvogel hat fressen lassen.“

„Oma!“, protestierte Percy.

„Ach, wenn es doch stimmt. Auch wenn Herr Schnabel ewig neben uns gewohnt hat, war er dennoch ein natürlicher Feind. Es ist immer noch schade um den Rasenmäher, den er geliehen und nie zurückgebracht hat. Um deine Cousine eher weniger.“

„Oma!“

„Ach hör doch auf“, sagte sie und winkte ab. „Die wusste doch nicht mal, an welchem Ende ihres Körpers ihr Schwanz saß.“

„Ich muss ...“, setzte Percy an und begann heftig zu blinzeln.

„Du musst was, Schatz? Auf den Topf? Ist dir übel?“

„Nein. Ich muss“, sagte Percy wieder und drehte sich um. Er griff nach dem Verschluss des Koffers, der sanft wie Butter einrastete und ihm mit einem Klack versprach, sich nie wieder ohne sein Einverständnis zu öffnen. Dann nahm er den Koffer unter den Arm und drehte sich zu seiner Oma um.

„Du kannst doch nicht einfach so mein Gewehr mitnehmen. Das hat teuer Geld gekostet!“

„Kann ich, will ich und werd ich“, sagte das benommene Erdmännchen. „Ich muss nach Hause, bitte entschuldige mich, Omimi.“

„Och, so hast du mich nicht mehr genannt, seitdem du klein warst“, sagte sie und drückte ihm einen Schmatzer auf die Backe. „Na gut, nimm das Ding mit. Dann musst du jetzt eben aufpassen, dass mir nichts passiert.“

Mit federleichten Schritten ging Percy zum Ausgang. Der Boden war weich und gab mit jedem Schritt nach.

Er verabschiedete sich von seiner Oma und gerade als er gehen wollte, schob sich eine Traube aus alten Damen, die nach Haarspray und Parfüm rochen, an ihm vorbei und setzte sich. Pokerkarten wurden ausgebreitet und die Ladys stürzten sich auf die Kekse. Die Haustür ging zu, der Besuch war beendet.

Das Maschinengewehr verstaute Percy im gesicherten Kofferraum seines Mustangs. Den Wagen selbst ließ er stehen. In diesem Zustand konnte er es nicht verantworten zu fahren. Percy taumelte mit einem weggetretenen Lächeln die Straße hinunter. Mal ein bisschen nach rechts, mal ein bisschen nach links. Was er jetzt brauchte, war weibliche Gesellschaft. Viel weibliche Gesellschaft.

Und er wusste auch ganz genau, wo er die bekommen konnte.

Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian

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