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Im monotonen Wiegen seiner Mutter tauchte Fabio wieder auf. Der Traum war vorbei und er allmählich wieder in die Welt des Unbegreifbaren zurückgekehrt. Die Worte von Lira waren schön. Wirklich schön. Obwohl Fabio genau hinhörte, verstand er nicht, was sich hinter ihren Worten verbarg. Der Sinn erschloss sich ihm noch nicht, aber allein die Situation, seiner Mutter ganz nah zu sein, war schön. Wirklich schön. Ihre gemeinsamen Bewegungen trennten den Jungen immer weiter von seinem Verstandesmeer. Langsam wurde die Welt um ihn wieder deutlicher und in allen Einzelteilen ersichtlich. Und jetzt verstand Fabio seine Mutter und konnte mit Fug und Recht endgültig resümieren: Schöne Situation. Wirklich schön.

Er neigte den Kopf kurz zur Seite, musterte seine Mutter, der, wie er bemerkte, jeglicher Glanz früherer Tage fehlte, und entschied zu überlegen, was passiert war.

Sein Vater war nicht mehr da. Wo er war? Fabio genügte die Tatsache, dass er weg war. Aber seine Mutter war da. Und sie weinte. Also war sie traurig. Und das sollte ihn auch traurig machen. Wo war denn Esme? Am liebsten wäre Fabio in ihr Zimmer gelaufen und hätte nachgesehen, aber er wollte seine Mutter nicht allein lassen. So musste er weiter überlegen. Vielleicht weinte sie ja, weil Papa weg war. Zu dem Schluss kam Fabio jedoch immer. Und das schon seit ganz langem. Also musste da noch was anderes sein. Vielleicht machte er ja etwas falsch. Das täte ihm leid. Nur, aus irgendeinem Grund wusste Fabio nicht, was er in den letzten Tagen gemacht hatte. Aber das Gefühl war ihm bekannt. Wirklich schlimm fand er es nicht. Seine Gedanken würden ihn nie verlassen. Niemals, und das mochte er an ihnen. Nur seiner Mutter wollte er damit nicht wehtun. Fabio fühlte sich wie ein Fisch. Er konnte abtauchen. Im Meer waren seine Gedanken frei. Hier konnte er leben. Hier konnte er die Welt erkunden. Niemand störte ihn in der Stille des Ozeans, und dieser wartete darauf, entdeckt zu werden. Aber wenn er nach oben kam und auf die Wasseroberfläche sah, konnte er nur Verschwommenes ausmachen. Immer wieder fiel Regen, der auf sein Meer prasselte und Wellen verursachte, die ihn überrollten. Aber hier unten war er frei. Nichts konnte ihn angreifen und erschüttern. Alles Verschwommene dort oben konnte fernbleiben. Manchmal erblickte er kaum erkennbar Lira und Esme. Sie beugten sich beide mit dem Kopf über das Wasser und versuchten, ihn zu entdecken. Niemals war sein Vater dabei. Fabio mochte es zu sehen, aber nicht gesehen zu werden. Manchmal kam die Flut, und er konnte sich weiter in Richtung Land bewegen und den Strand erkunden, der sich ihm unter Wasser neu offenbarte. Dann wünschte er sich, seine Familie einmal mitzunehmen, nach dort unten. Doch ihm war bewusst, dass sie sich in seiner Welt nie zurechtfände. Und manchmal kam die Ebbe. Dann wurde er vom Land zurückgedrängt und musste weit nach unten tauchen, um von der Welt da draußen nicht erwischt zu werden. Unten im Dunkeln konnte er nicht gefangen werden. Nicht von der äußeren Welt, nicht von dem Lärm, nicht von der Tragödie. Nicht von den Menschen, die manchmal versuchten, zu ihm hinabzutauchen. Es kam nur selten vor, dass die Ebbe zu schnell kam, und dann lag er am Strand. In der Welt, deren Luft er niemals würde atmen können. Und deren Regen niemals die Reinheit seines Meereswassers erreichen würde. Dann fühlte er sich beengt. Aber er konnte kurz die Realität erkennen. Bald wünschte er sich zurück, und der Verstand half ihm, wieder in das Wasser zu springen. Solch ein Moment ereilte Fabio gerade. Er musste zurück in seine Welt. In sein Meer. Da er aber seiner Mutter dabei helfen wollte zu leben und den Mut nicht zu verlieren, musste er sich noch von ihr verabschieden. Bis die nächste Ebbe kommen und ihn an den Strand treiben würde. Sein Meer rief. Er musste zurück.

Und doch brachten seine zitternden Lippen noch leise Töne hervor.

Fabio sagte: "Sei bitte nicht böse, Mama. Es tut mir leid."

Aufgetau(ch)t

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