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Tag 4

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AAA konnte nicht schlafen, aber war zu müde für eine weitere Labornacht. Es gab Wichtigeres als Zellstoffwechselanalyse und Viren beim Andocken zu studieren. Er wartete darauf, in den Schlafsack von ihr kriechen zu dürfen, wie ein Spermium zur Eizelle. Er musste selber lachen über seine verwissenschaftliche unterdrückte Romantik. Als die Sonne aufging, zog er seine Sandalen an und strich Deo unter die Achseln. Normalerweise würden die anderen noch schlafen, Lils Hängematte war in einem selbstgebauten Pflanzendom, einer blickdichten Hütte im Zelt unter der Kuppel. Mehr Privatsphäre gab es nicht.

Ein lautes Brummen weckte zum Leidwesen von AAA alle auf. Er fluchte vor sich hin, ging aber weiter. Es kam von draussen, ein Geräusch, eher schon ein Lärm, wie von einer Flugzeugflotte alter Propellermaschinen im Anflug. Gab es eine Sonderration oder neue Zelte oder was? Über Nacht war die Warmfront hereingebrochen. Und mit ihr eine grosse dunkle Wolke im Süden. AAA und andere sahen sie deutlich durch die dünne Kuppelhaut. Sie kam näher. Sie war riesig. Ein ohrenbetäubender Krach. Dann krachten erste Teilchen auf die hochgezüchtete Aussenhülle, und hinterliessen Spritzer von …Blut?

„Insekten“ schrie jemand, und hatte recht. Tausende, Millionen von kleinen, dunklen, fliegenden Käfern brandeten gegen die Habitate, die ihrer Route im Wege standen. Oder die sie anlockten, durch ihre Andersartigkeit, einen Geruch? AAA war fasziniert. Anakin fragte in den Raum „Unsere Kuppel, hält sie dem Angriff stand?“ Was für ein Angriff? Und natürlich, die Hülle war aus HighestTech-Material. Während das da nur stupide Käferchen waren, nach einer Fortpflanzungsexplosion. Die hatten es gut. Die Männchen durften danach rasend zerplatzen ganz nach ihrer Natur. Die Weibchen hatten noch zu tun.

Es war wie ein Geschosshagel, aber das Polynano der Kuppeln hielt problemlos stand. Allerdings zerplatzten so viele der Viecher daran, dass sich ein grünlicher Schleim auf grossen Teilen der Aussenhülle bildete. Das war schlecht, weil die Habitate die Sonneneinstrahlung benötigten. Sie hatten keine grossangelegten Speicher hier.

„Triple A, der Schleim gefällt mir nicht.“ Lilula stand neben ihm, in ihrem Pyjama aus Seide, ihrem teuersten Stück, ergattert in ihren leistungsstarken Jahren.

„Vielleicht fliesst er von selber ab, oder es regnet sicher bald“ hoffte er.

Da kam auch schon eine leicht erhitzte Elvissa angetrabt. „Hi Lilula, Atticus.“ Nicht Ali. Zweimal Keuchen, dann weiter. „Der Blutschleim korrodiert die Aussenhülle, habt ihr gesehen? Aggressive chemische Verbindungen, wenn ihr mich fragt.“ Oh Scheisse. Kurze Leere im Kopf. Draussen hörte der mörderische Käferhagel auf, immerhin. Elvissa war schon weitergerannt, als sie sah, dass er noch keine Lösung hatte. Wie Karl auch nicht. Gut, der war nicht der Gescheiteste in wissenschaftlichen Dingen. In Notzeiten konnte man es auch bei Morley versuchen. Hatte der einen Hammer gegen diese neue Plage?

Ich werde ein Mittel dagegen finden, nur ruhig und logisch überlegen Junge. Genau, ich habs. AAA rannte los Richtung Zentrum, in rekordverdächtigem Tempo, leider ohne Zeitmessung, wenn es darauf ankam. Wenig später wurde extreme Kälte durch die supraleitenden Fäden in der Kuppel gejagt, und der Schleim wurde hart und zerbröselte, fiel aber immer noch nicht ab. AAA machte den Vorschlag, dass sie nach draussen gehen sollten, um das Zeug abzuschlagen so gut es ging.

Da hatte Karl aber mit dem Okay von Coach Siegler schon Luftunterstützung vom Stadtturm angefordert. Deren chemische Reinigung von oben löste das Problem in seine Grundbestandteile auf, ohne der Kuppel zu schaden. AAA hatte nicht gewusst, dass Karls Beziehungen so gut waren. Sonst mussten sie hier immer selber schauen, wie sie zurecht kamen, ohne äussere Hilfe, das war Teil der Idee. Andererseits, wenn es um das Überleben des gesamten knappen Nachwuchses und des Lagerexperiments ging, dann kamen sie wohl angeschwirrt. Gut kalkuliert, Karl. Niemand sagte ihm danke für seine Idee. Das kannte er schon. Karl hatte sein besten Smile aufgesetzt, als er den Applaus der Jugend von Morphos entgegennahm. Elvissa machte fleissig Fotos, für die Geschichtsschreibung der Heldentaten Karls des Grossen. Da war sogar Morley, und er klatschte auch, gab sich jovial, schlug Kleineren mit Genuss auf den Rücken.

So einen Anlass konnte ein gewiefter Lagerleiter wie Coach Siegler natürlich auch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Plötzlich fuhr sein Panzerjeep vor mitten auf den Platz und er kletterte mit Megafon in der Hand auf die Ladefläche. „Meine liebe Jugend von Dawkinsonia. So lösen wir Probleme. Wenn kleine widerliche Käfer meinen, sie könnten unseren Plastik zerfressen, zerfressen wir sie mit guter alter Chemie. Danke an Karl, der schnell reagierte, so sammelt man Punkte.“ Er wollte, dass Karl zu ihm auf den Jeep kam und winkte ungeduldig, Karl machte keinen Wank. Er wollte sich die Sympathien seiner Leute nicht gleich wieder verspielen.

„Wenn wir schon hier versammelt sind und in Festlaune, will ich euch nicht länger auf die Folter spannen und verkünde mit Freuden das neue Oberthema des diesjährigen Gemeinschaftswettbewerbs. Letztes Jahr… aber lassen wir das, schauen wir nach vorne. Es ist…. Tatatataa, wo sind die Trommeln?...“ Was sieht blöder aus als ein Siegler mit aufgerissenen Augen und offenem Mund, der auf sich selber wartet? Eine Meute Jugendlicher, wenn sie hört „Es ist… Theater, und zwar nicht von irgendwem, sondern von Shakespeare. Wir freuen uns auf gelungene Aufführungen der Habitate, gleich hier, in der Arena. Wie immer mit Riesenparty im Anschluss. Und damit ihr nicht zu lange darauf warten müsst, verkürzen wir die Vorbereitungszeit. Wir beginnen mit Macbeth. Ihr habt drei Monate Zeit zu proben.“ Vorhang fällt. Stille. Das Publikum zerstreut sich.

Anankin holte AAA ein. „Theater, das mag ich, tolles Thema, ich kenne das Stück sogar schon. Es geht um Verrat und Politik. Wen wirst du spielen, Triple A? Wann fangen wir an?“ Lachte sie oder war das noch ihre normale Augenschlitzform? Das übereifrige Mädchen machte schon Druck, weil sie wusste, wer vorausschaut und gut plant, hat mehr Chancen zu gewinnen. Das sah AAA an sich ein, aber er sperrte sich innerlich trotzdem, auf den Spuren der Einser zu wandeln. Was hätte Hoxbox getan? Ein bierseliges Brainstorming mit lauter untauglichen sarkastischen Vorschlägen, aus deren durch ausgiebiges Rumgetanze auf komprimierter Asche dann am Morgen ein Rohdiamant hervorblinkte? So etwas würde ihm nie passieren. Aber Bier war kein schlechtes Stichwort. Er würde bei Morley vorbeischauen müssen, um sich und seine Leute wenigstens auf die normalen Tests optimal vorzubereiten. Chemische Keulen waren wirksam.

Um sich für den unangenehmen Besuch zu wappnen, suchte er Lilula auf. Er fand sie in Trance in ihrem Rankendom kniend und murmelnd, der Oberkörper schwankte hin und her. Sie bemerkte ihn nicht einmal. Jaja, „wir reden morgen“, sicher. Morgen ist immer heute plus eins. Aber ein Teil von AAA wusste da, dass seine Beziehung zu Lilula in eine neue Phase trat, um es wenig schmerzhaft auszudrücken. Und wenn sie ja ebenfalls auf Drogen war bei ihren Geistern und tiefen Empfindungen, dann hatte er wohl auch das Recht dazu. Er ging los, kannte den Weg durchs Dunkel.

AAA schlich durch die unbeleuchteten Tunnelgänge zum Fürstentum von Morley Maldoon. Der sandige Kies auf den Wegen knirschte unter seinen Schuhen. Die sieben Gruppenhabitate lagen etwa je zwei Kilometer voneinander und von der grossen Zentrumskuppel entfernt. Er wusste, er wandelte hier auf den Spuren von Hoxbox, der ihm beigebracht hatte, dass es dort nützliche Neurostimulanzien zu holen gebe. Nicht gratis natürlich, wir reden hier von Morley, der sich seriös auf eine Karriere als Gauner vorbereitete. Es war AAA ein Rätsel, wieso die Erwachsenen das duldeten. Ein Typ mit Charakterschaden wie ihr Morley hier, der keine Skrupel kannte, machte das Lagerleben nicht leichter, ausser in diesem Fall. Die Drogen halfen sehr effektiv bei den Tests. Wer sich nicht von alleine gut zu konzentrieren verstand, nahm eben eine kleine Helferpille. So gut sorgte er für seine Schützlinge. Natürlich war das nicht erlaubt, aber wer spielte hier mit offenen Karten? Es gab sie in allen Farben und Formen, er persönlich stand auf die Gummibärchenvariante, oder dann die Colafröschchen. Tarnung ist alles.

Je näher er seinem Ziel kam, desto stärker drängten unruhestiftende Gedanken in sein Bewusstsein. Er kniff sich nervös in die Haut seiner Unterarme, ein Tick von ihm. Konnte Morley etwas mit dem Verschwinden von Hox zu tun haben? Die beiden hatten sich nicht ausstehen können. Weil sie eine ähnliche Hautfarbe und ethnische Herkunft hatten, was selten war, mehr als hundert Jahre nach der grossen Globalisierungswelle, die die Genkarten neu gemischt hatte? Der kleine dünne Sansiran war mehr als einmal vom Hundertkilobrocken zusammengeschlagen worden, gierig umringt, beäugt und belacht von seinen Groupies inklusive der Hellofa Morawitch. Hox hatte sich auf seine Weise gerächt, indem er die Morleyaner im virtuellen Game letztes Jahr in der zweiten Runde ausgerottet hatte. Das hiess weniger Ressourcen im Folgejahr, yeah. Hoffentlich reichte es noch für die Produktion von den Hirnboostern... Nur Team Karl verzichtete auf diese. Wo sie die nur herstellten? Er kannte nur das Schullab, aber dort arbeitete nachts höchstens er selber.

Auf den letzten hundert Metern hörte oder besser spürte AAA schon den Bass. Aggressive Musik war das Ding von Morleys Gnaden, so lange er sich zurück erinnern konnte. Und das war gutes Marketing. Sogar AAA hätte manchmal gerne an so einer Feierabend-Party teilgenommen. Da war etwas in ihm, in den meisten Kids, das wollte raus, kam aber nur nachts und bei wildem Getanze hervor. Die klassische Musik, die meist bei den Karlianern gespielt wurde, war auch schön und beruhigend, aber bitte nicht die ganze Zeit. Ein Maldoon wusste solche Dinge und würde seine weissen Zähne und seine Diamantkrone aufblitzen lassen, wenn man ihn darauf ansprach. Was generell keine gute Idee war, aber AAA musste genau das tun.

Als er dem armen Torwächterjungen, der sehnsüchtig ins Innere des Habitats blickte, auf die Schultern klopfte, verstummte die Musik aus den Lautsprechern gerade. „Ich bin es, AAA, der Boss von H2. Keine Angst, ich muss zu deinem Chef. Business.“

Der Junge hatte erst einen Streifen wie eine Kriegsbemalung auf der Backe und blockierte ansatzweise den Durchgang. „Ich habe keine Angst. Aber draussen passiert ja nichts Aufregendes. Alle haben vor uns Schiss.“

AAA streckte seine Arme aus wie einen Pflug und drückte sich an ihm vorbei „Schon gut, ich sag’s auch nicht weiter. Schönen Abend noch.“ Als er eintrat, begannen gerade die Trommeln. Was für ein Empfang, dachte AAA, bis er realisierte, als das Singen dazukam, dass hier wohl die Nuller-Flowers eingeschworen wurden. Ein Stammesgefühl, gepaart mit Wildheit, das schweisste verängstigte Rauhbeine aufs Vortrefflichste zusammen, ein altbewährtes Rezept, gerne immer wieder gekocht in diesem Zelt. Er sollte sich wirklich auch etwas für seins überlegen.

„Willst du dich anschliessen, Doc Ock? Ein bisschen mehr Präzision in Rhythmus und Tonlage könnte denen nicht schaden, in sowas bist du doch gut, oder auch nicht?“ erschreckte ihn Hekaterina, die schon von Anfang an neben ihm gestanden haben musste, hinter der kleinen Palme am Eingang. Schon wieder, ärgerte sich AAA. Immer diese Wortduelle, dabei war er ein schweigsames Naturell. In gewisser Weise ähnelten sich Elvissa und Hek, beide liebten es, ihn zu sticheln und seinen Namen zu verhunzen. Aber nur bei Hek bekam er einen trockenen Mund und andere körperliche Wirkungen zu spüren ausser Widerwillen, mit ihnen in die Kampfarena zu steigen. Heute Abend, als ob sie ihn erwartet hätte, trug sie eine Art römische Toga, weiss. Oder hatten sie schon mit den Theaterproben begonnen? Das konnte er sich nicht vorstellen, das wäre komplett widernatürlich gewesen für ein Riot Girl wie Hek. Sie fühlte seinen tastenden Blick und strich mit der Hand über die lockere Toga, so dass ihre perfekte Figur betont wurde. Von der Hüfte abwärts, dann kam ein nacktes edles Bein zum Vorschein. AAA musste laut schlucken, sie lachte einmal bellend.

„Komm mein Kleiner, ich habe was du willst und brauchst.“ Wimpern klimpern, träges Umdrehen, ein Arm legte wie in Zeitlupe ihre asymmetrischen langen Silberhaare auf die ihm zugewandte Kopfseite, der andere lange Arm zurückhängend mit aufforderndem Fingerzeig, ihr zu folgen. Sie war eine Einfrau-Theatershow, in einer Sparte, die nicht für Kinder geeignet war. Und das von dichter werdendem Getrommle und animalischen Lauten vom Innenhof her unterlegt. AAA atmete tief und schnell durch. Sie hatte auch viel von Lilula. Und war ebenso unerreichbar gerade.

Sie führte ihn zur stattlichen Hütte von Morley, der auf der Veranda sass in einem überdimensionierten Campingstuhl, bequem in weiten Shorts und Hawaihemd. Hekaterina machte Anstalten, sich auf seine Oberschenkel zu setzen, floss dann aber weiter in den bereitstehenden Sitz neben Morley. Er reichte ihr ihre Sonnenbrille. „Fast hättest du dich da draufgesetzt, mein Schatz“ sagte sein sonor-heisere, eher leise Stimme. Er konnte auch losdonnern, das schwang immer mit.

So fand sich AAA als Bittsteller auf der Verandatreppe, eine Stufe unter den M&Ms, wie er die beiden insgeheim nannte, um gleich den Status klarzustellen, damit keine Missverständnisse aufkamen, wer hier das Sagen hatte. Als er sich zusammenriss und ihnen tapfer wie er war ins Gesicht sehen wollte, sah er sich gespiegelt in zwei Paar Sonnenbrillen so gross wie bei Jetpiloten, seine mit Grünstich, ihre mit Pinkton. Er sah sich verzerrt: ein aufgeschossener Schlaks, leider leider kein athletischer Oberkörper oder ohne Anstrengung sichtbare Muskeln. Darum mochte er in seiner Freizeit weite Shirts, niemals Hemden. Shorts und Sandalen sowieso, es war hier praktisch immer über 20 Grad, das erzeugte vielleicht die falsche Ferienatmosphäre. Er nahm die letzte Stufe, meinte leichte Verwunderung in der Körperhaltung von Morley zu sehen, ein feines Lächeln bei ihr. Jetzt sah er seine eigene lange dünne, leicht schiefe Nase und das schmale käsige Gesicht mit eng stehenden Augen, banal braune, dreckigblonde Haare, die zu einer Art Indiomönchstopffrisur geschnitten waren, praktisch halt. Leicht spitzes, nicht weiter markantes Kinn, noch kein aus der Ferne erkennbarer Bartwuchs, anders als sein Gegenüber, schnippischer Mund mit etwas zu dicken Lippen, das war wieder ähnlich wie bei Morley.

„Bewunderst du dich gerade in unserem Licht?“ fragte die Lady mit Unglauben in der Stimme.

„Ja, ihr habt diese tollen Brillen, die machen das mit einem. Euch sieht man ja dahinter nicht. Im Dunkeln, wie es euch gefällt, um in der Theatersprache zu bleiben, obwohl…“

Morley fiel ihm ins Wort „Hör auf zu quatschen du gekaufte Ratingbestnote.“ Dann war wieder Ruhe. Die können das wirklich sehr gut, dachte AAA, einen schmoren lassen. Aber es passte, schliesslich waren sie hier in der Hölle. Als er Heks Stirnrunzeln sah, fiel ihm ein, dass sie wohl auf seinen Wunsch, sein Deal-Angebot warteten. Warum sonst hätte er hierherkommen sollen?

„Wollen wir hineingehen, die Drohnenaugen sind überall, kleine künstliche Insekten?“

Morley rührte sich nicht. „Wieviel willst du, was bietest du?“, er öffnete kaum seinen Mund.

AAA zuckte mit einer Schulter, und sein alter, damals zu grosser Rucksack glitt auf den Holzboden. Der Inhalt war leicht und duftete bis in Heks feines Näschen. Assortierte Kräuter aus Lilulas Garten, frisch geerntet oder aus dem Trockenregal abgestaubt. Das war die günstigere Währung als absichtliches Verlieren im Sport oder peinliche bis schmerzhafte Torturen wie Spiessrutenlaufen, wo die Spalier stehende Gemeinschaft der Schläger mit dünnen Ästen oder auch Dornenranken auf denjenigen eindrosch, der sich zwischendurch quälen musste. Alles schon erlebt, Narben als Beweis vorhanden, Polizeiposten beim Coach nicht interessiert an einer Aufklärung.

„Sei kein Weichei, du willst doch deinem Nahmen Ehre machen und nicht Schande bringen, VON Ockham, habe ich recht?“, freundlich-fies abgesondert mit dem Grinsen des Unterklassigen. Auf ein Kopfdrehen von Morley schnappte sich die Moravic den Rucksack, wühlte ein bisschen darin herum, nahm eine Handvoll heraus und bröselte prüfend darin herum.

„Scheint gute Ware dabei zu sein, wir können es gebrauchen“, hektisch, gierig, dann verstummte sie, wie unprofessionell, das ihr das noch passierte.

AAA half ihr aus. „Es ist etwas mehr als üblich. Dafür kriege ich eine Quartalsration für alle zehn Neuen bei mir und nochmal dieselbe Menge für den Rest der Truppe.“

„Du meinst als dein Eigenbedarf, alter Schwede“ frotzelte Morley, ein gutes Zeichen. Tatsächlich erhob er sich, mit etwas Geächze, streckte sich ungeniert, Fäuste in die Luft. Er rückte seine teure altmodische Uhr am Handgelenk zurecht. „Du hast Glück Alias, dass ich zu müde bin zum Verhandeln. Ma Chère, gib ihm das Zeug, und dann komm ins Bett.“ Er liess sie beide stehen. Hekaterina sah kurz zu AAA hinüber, der seinen Blick senkte, und folgte dem Befehl. Starke Frau.

Als er ging, kam er an den Rattenkäfigen vorbei, wo noch Betrieb herrschte, von Taschenlampen erleuchtet. Der Sound war verstummt. Stattdessen schien die streng hierarchisch geordnete Meute nun einige Mutproben mit den ahnungslosen Newcomern durchzuführen, zum Beispiel die Hand in einen Käfig zu senken, Boden auf die Versuchsperson gerichtet, so dass die nicht sah, was darin lauerte. Und einen oft in die Hand biss, manchmal war es auch eine giftige Schlange, wobei Ratten mindestens genauso gefährlich waren. Entzündete Wunden konnten Mutationen auslösen. Giftbisse töteten gnädiger.

„He, kleiner Chef, willst du das nicht auch mal probieren?“ rief ihm ein Liebling von Morley frech zu. Ein sehr männlich aussehender Sandblonder, bereits mit Bartstoppeln und Kinngrübchen. Der altersgerechter stutzte, als AAA schnurstracks auf ihn zuging.

„Moment, halt, so war das doch nicht gemeint. Die Mutproben sind nur für uns, sorry, nicht für unsere Gäste.“ AAA hatte den bösen Blick geübt, das Geheimnis war, ja nichts zu sagen. Das hatte er sich von Hugimugi abgekuckt, unter anderem. Lass die anderen sich verplappern. „Aber wenn du willst, zeige ich dir unsere Rattenzucht.“ Aha, jetzt wurde es richtig interessant. Die hatten eine Rattenzucht hier, wofür? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. So konnte man Tiere töten und essen, das gab wichtige Energie und Protein. Er ging kommentarlos mit. Der andere, Leif hiess er oder der Wikinger mit Spitznamen, versuchte sich weiter herauszureden aus eventuellen verschuldeten diplomatischen Verwicklungen der Habitate. „Der Trick bei der Rattenzucht ist: lass ja die anderen Tiere nicht zusehen, wie du ihre Companeros killst, das mögen sie gar nicht. Und ich sage dir, die sind nachtragend über Generationen. Dahinten ist unser Schlachthaus“. Er wies stolz auf einen Schuppen zuhinterst, wo bei sich zuhause Lilulas Garten war.

AAA hatte genug, er grunzte. „Wer hier die Ratten sind, wird sich weisen“ murmelt er leise, dann barsch „Weitermachen Junge.“ Abgang AAA, bevor sich die Meute ein neues Spiel und Opfer suchte.

Eher aus den Augenwinkeln und mit verkrampfter Haltung infolge hoch erhobenen Hauptes sah er noch den Berg an Gaben, oder Abgaben, den die Morley Crew auf ihren gelegentlichen Beutezügen in anderen, schwächeren Gruppen angehäuft hatte. Hier konnten sich die Jungs und vereinzelten Mädchen etwas auswählen, wenn sie etwas Gutes getan hatten, gut in den Augen ihres dunklen Fürsten. Einmal im Jahr gab es auch einen Bazar, beim Abschlussprojekt, da konnten dann die anderen ihr geklautes Zeug wieder zurückkaufen, wenn sie wollten. Cooles Business-Modell. Bis zur nächsten Runde an Geschenkpaketlieferungen der Eltern dauerte es aber noch eine Weile. Zuerst kamen die Zwischenprüfungen. AAA hatte sehr wohl bemerkt, wie Morley demonstrativ an seiner Uhr herumgewurstfingert hatte. Seiner Uhr, genau. Ein Geschenk seiner reichen Eltern, komplett unnütz. Oder hätte es den anderen signalisieren sollen, nicht berühren, der ist unter speziellem Schutz von Oben? Wenig schlimmeres war vorstellbar für AAA. Ein wirklich durchdachter, wertvoller Schutz, dachte er sarkastisch, jetzt mit nonchalantem Protzerstolz getragen von seinem Feind. Danke, liebe Frau Mama, verehrter Herr Papa.

Dann ritt ihn ein Teufelchen, wohl ein Funke aus dem grossen Lagerfeuer, das hier immer brannte, und er schlich sich noch einmal zurück, als ihn die anderen schon nicht mehr beachteten, es war ja dunkel, er mied die Wege. Die Armbanduhr war eine uralte mechanische, die Zeit musste man selber einstellen von Hand. Morley würde sie sicher nicht im Bett tragen, dazu war sie viel zu klobig und hätte Wunden reissen können in die kostbare Haut seiner willigen Sklavin Hekaterina. Er würde leise sein müssen und sich nicht ablenken lassen von komischen Geräuschen. Immer die Uhr im Blick, nur die Uhr war sein Ziel.

Als er das feindliche Habitat schliesslich zu nächtlicher Stunde verliess, stand ihm Bad Robot im Wege. Gar nicht gut. Er überlegte schuldbewusst, ob er eine Ausrede anbringen sollte, aber es war nicht verboten, andere Habitate zu besuchen. AAA spürte das moralische Gewicht der verbotenen Pillen in seinem Rucksack. Er war sicher, der Blechpolizist würde ihn durchschauen, dank Gesichtserkennung mit Lügendetektor anhand Mikro-Mimik oder ähnlichem. Und dann gab es Strafen und oder Punkteabzug, verdammt. So etwas passiert, wenn man nicht aufpasst, wegen zu guter Laune.

Morley hatte geschnarcht, die Hek war nicht zu sehen gewesen! Die Uhr hatte im Mondschein geblinkt, der durch das Fenster hereinschien. Und jetzt Bad Robot in Geistersilber erscheinen liess. Als der sich nicht bewegte, versuchte es AAA mit „guten Abend, lieber Freund und Helfer. Du kommst zu spät zum Trommelkurs, morgen ist auch noch ein Tag. Gute Nacht und Tschüss.“ Er schob sich seitlich vorbei. Da traf ihn ein Stromschlag schmerzhaft in die Lenden, und er schlug sich seinen Unterarm blutig, als er gegen die extra schartigen Metallkanten des ersten sadistischen Roboters der Geschichte zuckte. Wieder blinzelten dessen gelbliche Stielaugen nicht. Ein Bad Robot brauchte keine Wimpern. Er liess andere zucken.

Camp Change

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