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Tag 31

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Olympiade war die falsche Bezeichnung. Zwar trafen sich alle Habitatsstämme der Inseljugend zum sportlichen Wettkampf, aber sie traten nicht gegeneinander an, um in fairem Sportlergeist den Besseren zu bestimmen und zu feiern, sondern sie traten jeweils alleine als Team gegen die Kampfbahn und ihre mechatronischen Helfer an, inklusive dem guten alten Bad Robot. Und eigentlich war es nur eine Disziplin, die allerdings als Zehnkampf durchgehen könnte, da sie den Athleten alles abforderte. Immerhin, alle „durften“ hier antreten und sich als Held fühlen, wenn sie den Tag überstanden hatten. Nicht wenige würden in der Krankenstation aufwachen, und gelegentlich wachte jemand gar nicht mehr auf, sondern trat in ein Lager über, das noch über der Cloud lag, hoffentlich, während seine Biomasse verbrannt wurde.

AAA hatte versucht, insbesondere den neuen Flowers vorsichtig ein Bild zu geben, welche fixen Hindernisse sie erwarteten. Die dank Zaubertrank nicht unüberwindlich waren. Die älteren Jahrgänge wie er wussten aber, es gab immer Überraschungen, leider nicht von der guten Art. Mit gegenseitiger Hilfe würden sie es schaffen, nur gab jede Hilfestellung, die insbesondere beim Klettern häufig vonnöten war, Abzüge. Und das Verliererteam musste sich in der Folge noch mehr einschränken. Members dieses Verliererclubs konnten sich darauf einstellen, nach Übertritt in der Stadtschnecke ganz unten anzufangen, als Hilfsarbeiter, der giftigen Erde ganz nah.

Heute war der grosse Tag. Das Warten war das Schlimmste. Die Nervosität stank, überall wurde an der Flasche genuckelt, leise sprachen sich die Jugendlichen Mut zu, AAA schlug auf viele schmächtige Rücken und Schultern, mit entschlossenem, zusammengepressten Mund. Lilula im Coverall federte ungewohnt energisch durch ihre geliebten Flowers. Wow, was für ein Panther. AAA wurde von unverdientem Stolz geflutet. Vielleicht lag es am Trank, diesmal ohne Alkoholzusatz, dafür mit viel Konzentrationspfeffer, aber auf jeden Fall wirkte ihre Erscheinung positiv auf die Psyche. Dann kam der Gong und die Lautsprecherdurchsage, sie waren dran.

„Also los jetzt Leute, dann sind wir schneller wieder zuhause.“ Auf dem Weg wollten alle in Gedanken versinken und es war totenstill. Da stimmte jemand das Habitatslied an, und AAA merkte, das war er. Er hatte in der Zwischenzeit den Text gelernt. Zuviel über den Inhalt nachzudenken war nicht zu empfehlen, „hanging around“, ein Cover einer Steinzeitband namens „The Stranglers“, es ging um eine ketzerische Parodie auf die Kreuzigung Jesu, letztlich ein Ausdruck der Verzweiflung, aber wer erinnerte sich noch an diese längst vergessenen Religionen von vor der Wende. Wer sonst als Hoxbox hatte es eingeführt. Lilula fiel ein, dann alle. Immerhin atmeten sie dadurch tief und waren abgelenkt. Bis zum Bunker sahen sie niemand, jedes Habitat war einzeln dran. Dort stand ein einzelner Robowächter und wies den Weg. Die Hintertür stand offen und gab den Blick frei auf das Kampfbahngelände, eine in die Erde gegrabene, zehn Meter tiefe Bahn, einen Kilometer lang. Fünf endlose fiese Runden mussten absolviert werden. Und die Kuppel über der Arena war offen, der Natur ausgesetzt.

„Grosser Kreis“ rief AAA mit etwas krächzender Stimme, und sie hielten sich wie eine überdimensionierte Rugbymannschaft mit den Armen über die Schultern des Mannes oder der Frau im Coverall zur Linken und Rechten. „Masken auf, und dann gebt alles. Nur nach vorne schauen, und von fünf runterzählen. Wir lassen niemanden zurück. Ich sehe euch in etwa anderthalb Stunden wieder hier.“ Dann durchbrach AAA als Erster die Lichtschranke mit einem Schrei „H2 go“, und die Zeitmessung begann.

Die ersten Meter pochte das Herz vor Angst, obwohl nichts passierte, und man hörte sein eigenes Keuchen in der Atemschutzmaske. Dann das erste Hindernis, zwei Bögen wie ein grosser Stufenbarren, der erste eineinhalb, der zweite zwei Meter hoch, Abstand ein Meter dazwischen. Peanuts. Ausser für die kleinen Unsportlichen. Hier wurden erstaunlich viele Punkte verloren, weil man viele solcher Schlammsäcke hochhieven musste, auf der ersten Runde, weil man es noch nicht im Griff hatte, und auf den letzten zwei Runden, weil alle kaputt und kraftlos waren. AAA grinste, als er Anlauf nahm. Ein Sprung, vor dem Hindernis, mit festen Beinen landen und hopp. Fast wäre er über den ersten Bogen geflogen und musste sich am zweiten festhalten. Es klappte! Seine neuen dicken Gummisohlen mit Federn drin taten, wozu sie designet worden waren, von ihm. Er wartete rittlings auf dem Hindernis sitzend und winkte den anderen, die ihn gesehen hatten und es ihm nachtaten. Einer nach dem anderen sprang so über die Hürde, einige gleich weiter über die zweite, an die man sich dranhängen und mit Armkraft und Geschick raufkraxeln musste, und sich dann beim Hinunterspringen nicht den Fuss verstauchen bitte. AAA musste ungewollt lachen, als er sah, dass der Erste nach der Landung hinter dem Hindernis davon spickte wie ein Gummiball und sich ein paar Meter weiter abrollte. Gut gemacht. Die nachfolgenden lernten schnell, in die Knie zu gehen, um den Federn die Luft zu nehmen. Fast zum Schluss kam ein Kleiner, es war Tomi, der eine Hemmung hatte, auf den zweiten Bogen zu springen. Aber da kam schon der schwarze Panther Lil und lehnte sich zwischen die Hindernisse.

„Kletter über mich“ hörte man ihre gedämpfte Stimme. So gut hatte das noch nie geklappt, super Zeit, kaum Punkte verloren.

Und es ging gut weiter. Ein zarter Keim der Hoffnung drängte sich aus dem schweren Boden von AAAs Gemüt. Bald kamen sie an den Wassergraben, daneben war ein kleiner Bunker. Die mit mindestens einem Streifen auf dem Coverall wussten, was jetzt kam, aber man konnte ihm nicht entgehen, man musste da durch. Die gelben Augen von Bad Robot leuchteten im Dunkel des Bunkers, dünne Kabel führten von dort ins flache Wasser. Stromschlag, meist nicht letal, aber für einen Schock oder Herzrhythmusstörungen reichte es allemal. Aber so ungerührt Bad Robot auf den Knopf drückte, um den Strom ins Wasser zu leiten, so maschinendoof wusste er nicht wie reagieren, als die Folter nicht wie gewünscht wirkte. Kaum einer zuckte. AAA tippte im Vorbeijoggen an die Armymütze, Blick auf Bad Robot. Gummi isoliert und schlägt Blechsadist.

Aber er hätte es besser wissen sollen. Der wirklich harte Teil begann erst. Rennen, hochziehen, springen, überall schlug man sich ein Bein an, schürfte die Hände auf, die Muskeln begannen zu schmerzen, schon ab der zweiten Runde, der Atem ging schwer, die Federn schienen ihre Sprungkraft zu verlieren, die Konzentration liess nach, so dass man beim Balancieren über den langen schmalen Balken oder beim Hangeln an der waagrechten Leiter häufiger herunterfiel ins Dornengebüsch. Das Punktekonto subtrahierte und subtrahierte. AAA ging nur in der ersten Runde voran, dann blieb er mit Lilula und zwei anderen Stärkeren, Olu und Franke, am Schluss der Kämpfer. Der Letzte der durchs Ziel kam zählte. Ohne helfen ging das nicht. AAA versuchte sich zurückzuhalten, aber dann half er doch immer öfter, er wollte nicht nur alle anderen dem Gefühl überlassen, dem Team zu schaden. Aber irgendwie war er auch stolz auf seine Leute, mit etwas Stütze ging es in der dritten Runde effektiver über die Bühne.

Kurz dachte er an Dschingis, der am Vortag überraschend in die Krankenstation eingeliefert werden musste, weil heftige Konvulsionen seinen Magen-Darm-Trakt oben und unten entleerten. Hatte wohl etwas Schlechtes gegessen. Ein Wunder eigentlich, dass das als Entschuldigung zählte hier zu fehlen. Da hatte wohl ein Bürokrat eine Lücke übersehen im Regelwerk.

Die Lianen machten beinahe Spass, wenn man den Kniff raushatte und im richtigen Moment losliess. Nicht so wie er beim ersten Mal, die Peinlichkeit würde die Runde machen zwischen den Habitaten, AAA auf dem Allerwertesten tief in der Scheisse. Hier also landeten ihre gesammelten Exkremente. Er hatte nicht gewusst, dass auch biologische Roboter wie der Sportlehrer Mister T Fäkalhumor schätzten. Weniger lustig war der Sturz eines Geschwächten in Runde drei, der zwar am Seil entlang abrutschte bis ans unterste Ende, aber gar nicht losliess und beim Rückschwung unsanft an die Betonwand prallte und bewusstlos die letzten zwei Meter herunterfiel. Der stand nicht mehr auf und wurde von einem erwartungsvoll bereitstehenden Sanibot davongekarrt. Augen abwenden und weitermachen.

Runde vier. Warum war die plötzlich doppelt so lang wie vorher, und die Hindernisse höher? Das war denen durchaus zuzutrauen, dass sie die Hürden höhen- und die Bahn in der Länge verstellbar machten, dafür hatten sie Geld. Rachelüsterne Wut mobilisierte ungeahnte Reserven.

Dann kam die letzte Runde, leider sah man das Ziel nicht wegen der Krümmung der Gladiatorengrube und den Hindernissen, insbesondere der steilen Wand, an der man ein Profikletterer hätte sein müssen, um ohne Hilfe hochzukommen, es brauchte drei Leute, die einem halfen. Nur Ana krabbelte hoch wie ein Gecko oder Spiderwoman. Aber schliesslich wurde wieder der Letzte über die Kante gezogen und kletterte an der Leiter dahinter hinunter. AAA spürte seine Arme nicht mehr, nur noch zwei ächzende Stahlseile mit angerissenen Fasern. Es war gut, dass er Lilula hatte überreden können, auch Schmerzmittel in die letzte Trankverabreichung zu geben. Er freute sich wie verrückt auf den tagelangen Muskelkater danach.

Gerade blickte er durch die Brillenscheiben ihrer Maske, sie sass ihm gegenüber auf der Kletterwand. Sie konnte kaum fokussieren. Ein Lächeln war nicht erkennbar, wieso auch, das ist etwas viel verlangt, gab AAA zu. Er hatte auch keinen Saft mehr, seine Mundwinkel auch noch nach oben zu ziehen. Aber dort sah er es, verschwommen, aber eindeutig das Ziel. Dieses Bild brannte sich jedem ein, der einmal so eine Spezialolympiade Version Morphos erlebt hatte.

Der Schlussanstieg den durch ständige Bewässerung immer rutschiger werdenden Schlammhang hinauf, dann würde es geschafft sein. Ob in Rekordzeit, würde sich weisen, aber wieso nicht? Ja, lass es einen neuen Rekord werden, lieber Gott des Gemetzels, betete AAA. Eine seltsame Euphorie übermannte ihn. Er liess sich nach seiner Gefährtin überkandidelt an den Seitenstangen der Leiter hinunterrutschen, die Handschuhe oder die Haut darunter waren eh zerfetzt.

Dann schrie er stimmgewaltig wie einst die Wikinger an ihren Versammlungen im Feuer und Eis von Island zwischen den echogebenden Felswänden des atlantischen Grabens. „Los Freunde, gleich haben wir es geschafft, stürmt den letzten Hügel. Attacke!“ Er wollte nicht der Letzte sein.

Vor sich sammelte er zwei ein, deren Beine einfach eingeknickt waren, und stellte sie wieder auf. „Geht einfach wie auf Stelzen, ihr habt keine Knie.“ Sie wankten voran. AAA sah den Hang hinauf. Das war wohl Ana fast zuoberst, aber auch sie musste kämpfen, drei Schritte vor, zwei zurückgerutscht. Und Tomi, dass war doch Tomi gleich hinter ihr, ganz klar, sie musste ihn davon abhalten ihr zu helfen. Er liebte die beiden. Seine Ameisen eroberten den Berg, der sie abstiess wie ein Immunsystem. Für diesen Hang waren die Gummisohlen eher schlecht geeignet, aber AAA bohrte einfach seine blutigen Hände in den Dreck, und kickte seine Schuhspitzen hinein, wie er die Lagerleiter, alle Erwachsenen, jetzt gerne getreten hätte. Immer und immer wieder.

Dann knallte es, mehrmals. Sind meine Trommelfelle unter der Anstrengung geplatzt, dachte AAA in übermüdeter Unlogik. Er hob den Kopf. Dann sah er sie. An der Seite des Hangs, über einer Mauer im adrett gepflanzten Gebüsch, kamen immer mehr Gestalten aus ihrer Deckung. Gewehre im Anschlag. Wieder ein Knall, und Ana purzelte und glitt den Hang hinunter, riss jemanden mit. Schnitt, und AAA war bei ihr. Sie lebte, hielt sich den Oberarm. Weitere landeten neben ihr, niemand erschossen, aber alle schrien vor Wut oder Schmerz. „Gummigeschosse“ hörte er Lilula sagen. Das Wort war auch so ein Euphemismus. Drei Zentimenter Hartplastik kamen der Sache näher. Sowas willst du nicht an den Kopf oder ins Brillenglas bekommen, auch nicht in Bauch oder Rücken, nirgendwohin. Aber es brachte einen nicht um. Wie ein verwundeter T Rex Saurier erhob sich AAA, stampfte zur Kletterwand zurück, trat mit wenigen mächtigen Tritten seiner Stiefel die untersten Bretter los und schleifte sie alle gleichzeitig zurück an den Fuss des Hangs, wo seine Herde versammelt war. Oben lauerten die hinterhältigen Schützen und warteten auf ihre Opfer.

„Alle herhören. Einzeln knallen sie uns ab, gegen den Reflex kann man nichts machen, und schon ist man wieder abgerutscht. Also bilden wir eine schöne klassische Schildkrötenformation, alle dicht zusammen, die mit gutem Tritt zuhinterst, Kleine in die Mitte, die Grösseren, du, du, du und du, hier, nehmt diese Bretter als Schutz und ihr zuckt nicht, wenn es auch am Finger oder Fuss trifft. Wir schaffen das. Und wir rächen uns, das kann ich euch versprechen.“ Sie glaubten es ihm.

Sie drängelten sich aneinander und zogen langsam bergan. Die ersten Schüsse ploppten, ein unterdrückter Schrei, aber die Schildkröte kroch weiter, Zentimeter um Zentimeter, unaufhaltsam. AAA spürte das Schnaufen von Lil hinter ihm in seinem Ohr. Dann prasselten die Geschosse auf sie, aber die Bretter hielten das meiste ab. Zehn Finger, die das Brett in Position hielten, ein paar waren entbehrlich, so war das im Leben.

Als sie fast oben waren, wagte er einen Blick auf die Schützen. Jetzt erkannte er sie erst. Eine asymmetrische Silbermähne und ihren schwarzen Umhang. Hekaterina. Sie kommandierte ihre Truppen auf einer Seite des Hangs. Du verlierst, du verlierst mehr als du denkst, Hecklerin. Und als er als Letzter sich in die rettende Hintertüre des Bunkers zwängte, sah er auch die Symmetrie des Bösen auf der anderen Hangseite, den Brocken von Morley, der sich schwitzend die Maske vom Kopf gerissen hatte und fluchte, dann breit grinste, als ihre Blicke einrasteten.

Die ersehnte Türe krachte ins Schloss, dass der Beton zitterte. Vor ihm lagen seine Leute. Hinter ihm der letzte Rest eines zertrümmerten Weltbilds.

Gefeiert wurde nicht an diesem Abend, nur verarztet, niemand wollte zu Carmela, alle sassen im Gemeinschaftszelt beisammen, es gab Tränen und wildes, müdes Kichern, viel Berührung. AAA musste schlucken. Lilula umarmte ihn lange wie eine weiche Decke und küsste ihn hart wie lange nicht mehr. Dann zauberte sie ein vorbereitetes Essen herbei, und bald darauf schliefen alle auf einem Haufen ein.

Ausser AAA. Er war hundemüde, aber gleichzeitig innerlich aufgeputscht. Unsicher auf den Beinen torkelte er an den Habitatseingang und schaute Richtung Zentrum. Etwas flatterte. Hugimugi setzte sich auf einen Pfosten in der Nähe. AAA streckte den Arm aus. Nach einigem Zögern hüpfte der Rabe darauf, seinen klugen Kopf hin und her drehend. AAA hinkte hinaus.

Eine Viertelstunde später hatte er den kurzen Weg zu einer Aussenschleuse ihrer Kuppelwelt geschafft. Der Robowächter fuhr ihm vor den Weg, als er den Mechanismus zur Türöffnung anpeilte. „He, lass das, siehst du nicht, dass dieser Rabe krank ist, er hat diesen Tick, schau, sein Gehirn muss von Neuroparasiten infiziert worden sein. Er muss schnell raus, sonst steckt er uns an.“ Nicht die beste Geschichte, aber das wäre auch eine Verschwendung gewesen. Das Stichwort war gefallen, der Robo machte schleunigst die Schleuse auf, und AAA schüttelte Hugimugi vom Arm in die Freiheit. Oder den Tod. Ob Haustiere draussen lange überlebten? Hugimugi blickte in die Dunkelheit, dann flog er davon, ohne einen Blick zurück auf sein ex Herrchen. Das war melancholisch zufrieden, wie nach einer gewonnenen Schlacht. Die Kriege dauerten an.

An diesem Tag des Schreckens konnte ihn nichts mehr überraschen, auch Elvissa nicht, die ihn vor seinem Habitat erwartete. War ihr nicht mehr wohl bei den Einsern, konnte Karl eine Minute ohne sie auskommen? Aber AAA war friedlich gestimmt, und sie machte keinen aggressiven Eindruck in ihrer langen Wolljacke.

„Hey Elv. Schön zu sehen, dass du auch noch auf den Beinen bist.“ Er sah, dass sie froh war um den Nichtangriffspakt.

„Hi Triple A. Danke gleichfalls.“ Sie schwieg und schunkelte etwas ihren Oberkörper. Heute sah sie überhaupt nicht dick aus. Wieviele Kilo hatte sie auf der Kampfbahn verbrannt liegen lassen und rausgeschwitzt? Zum Glück standen sie im Halbdunkel, so dass man ihre ausgezehrten Gesichter für einen Effekt der schummrigen Beleuchtung über der Eingangstüre halten konnte.

„Suchst du mich, willst du etwas Bestimmtes?“ fragte er heiser.

Sie zögerte, schüttelte dann den Kopf. „Wollte nur sehen, ob es dir…euch gut geht. Habt ihr viele verloren? Wir nur einen.“

„Ein Verletzter, und keine Stressmutierenden. Aber warten wir ab, wie wir morgen aussehen.“

Sie lächelte schwach, ihre dunklen Augen unverwandt auf ihm. Er begann sich wieder unwohl zu fühlen.

„Wurdet ihr auch beschossen von...“.

„Morley und Hek und ihre Söldner, ja“ unterbrach sie ihn.

„Wieso… ich meine, wieso sind die nicht in der Kampfbahn wie alle anderen auch, sondern dienen…der Gegenseite?“.

„Gute Frage.“

Er meinte cool: „Das war wohl die Überraschung dieses Jahr.“ Sie sagte nichts. In AAA Hinterkopf begann es zu rattern, langsam. Welchen Deal hatte Morley mit der Lagerleitung gemacht? Wieso durfte der das? Erpresste er sie etwa, womit? Natürlich war Maldoon viel schlauer als alle Coach Sieglers dieser Welt zusammen. Und er, AAA, nicht der Einzige mit Ideen. Aber diese dreiste Form der Zusammenarbeit der Bösen war neu. „Können wir uns bitte hinsetzen Elvissa, ich kann nicht mehr stehen. Oder willst du reinkommen?“ Sie nickte und winkte ab. Eine tolerierte Grille oder Zikade zirpte, die sich aus dem paradiesischen Garten verirrt hatte. War das schön, der warm strömende Schmerz im Sitzen, nicht die spitzen Nägel wie im Stehen, eine Wonne. Die M&Ms würden für ihren Verrat teuer bezahlen. Er hatte da schon eine vage gewalttätige Fantasie für den Theaterabend.

„Du wolltest mir etwas sagen.“ Da staunte sie, dass er sich daran erinnerte, als er Karl und Evo gefolgt war, und sie nicht hatte ausreden lassen. Wie ihre Augen echt strahlen konnten, nicht nur mit professionellem Kunstglanz, und die Lachgrübchen, ganz hübsch. Aber zu mehr Komplimenten war er nicht in der Lage. Ausserdem wurde sie rasch wieder sehr ernst, und schlug die Augen nieder, so dass der kurze Ponyvorhang sie versteckte.

Sie murmelte leise „… keine Überraschung, für uns.“

„Was?“

Sie sah ihn flehend an. „Wir wussten, dass sie uns angreifen würden.“ Doing, Hammerschlag auf den Kopf, es dröhnte in AAA. „Es tut mir schrecklich leid, Atticus, wirklich. Ich wollte es dir auch sagen, aber du hast mich so verärgert, dass…“. AAA sah durch ihre Tränlein hindurch. Was war da los, die Karle wussten von Morleys Seitenwechsel? Sogar diese Erzfeinde redeten miteinander, und er wusste von nichts, lief blind in die Falle? Elvissa geriet in einen entschuldigenden Redefluss. „Deshalb hatten wir Schilde aus Bastseilen dabei. Natürlich auch um sie abgerollt an der Kletterwand zu benutzen, so mussten nur Karl und unser starker Herkules helfen, das gibt weniger Abzug.“

Da er gedanklich nicht weiterkam, stellte AAA reflexartig eine Verständnisfrage. „Wie meinst du das, gibt weniger Abzug? Jede Hilfestellung gibt doch denselben Punkteverlust?“

Jetzt sah er Elvissa im Schneidersitz beinahe physisch schrumpfen. „Das stimmt nicht ganz, du solltest dich besser informieren, Ali, entschuldige, Triple A. Das stand im Kleingedruckten, als sie die Regeln verteilten. Wenn ein bestimmtes Punkteabzugsmaximum erreicht ist pro Person, hört es auf. Ich dachte, du als guter Rechner wüsstest das. Nicht? Es lohnt sich, wenn wenige vielen helfen. Und ein montiertes Seil gibt nur ein Mal den Malus. Karl opfert all seine Punkte, aber das Team behält seine.“

AAA bekam sein Maul nicht mehr zu. What the fuck? Er war sprachlos. Was sollte er seinen Leuten sagen? Er war erledigt, unfähig. Der Chef muss am besten informiert sein, nicht am schlechtesten. Aber vielleicht war das ja der Unterschied, er war nicht mehr im Habitat Nummer eins. Es gab einen durchaus erkennbaren Grund, warum die Jugendlichen dort bei Karl sein durften: weil sie alle verdammt intelligent und sonstwie talentiert waren. Wie er, einst... Und Intelligenz überlebt besser. Morley besetzte zwar das andere Ende des ethischen Spektrums, war aber nicht unbedingt dümmer, er hatte sich offenbar wohnlich in seiner ökologischen Nische eingenistet. Manchmal trampelte sich zuviel Hirn und Ego gegenseitig auf den Füssen herum, und jemand wie er konnte aufblühen in einem anderen Habitat. Aber im Notfall, und hier war das der Normalfall, funktionierten die Einzelbegabungen auch als Gruppe. Jedenfalls mit einer fähigen Führung. Au, au, AAA. Ob Beschiss oder nicht, er hatte es wieder in den Sand gesetzt. Von wegen Rekord. Er hasste Schamgefühle.

„Und Evo Devo hat alles gesehen“, dachte er laut aber tonlos.

„Meinst du den Talent Scout?“ schniefte sie. „Der war nicht bei der Olympiade.“

„Da bist du mal falsch informiert, das hat er nur so gesagt. Wozu sollte er sonst gekommen sein?“.

Die junge Dame nervte wieder. Sie sah aus, als wollte sie ihn schonen. „Äh… nein, ich habe ihn sogar auf dem Heimweg gesehen, in der Rauchpause. Komischer Typ, aber man muss den Kontakt pflegen. Er schaut sich unsere Kunstwerke an, deshalb ist er hier, okay? Du weisst schon, die Erwachsenen meinen, in der Kunst zeigt sich das wahre Ich, Blick in die Seele und so ein Kram. Als ob man das nicht steuern könnte, haha.“ Ein unfrohes Lachen fast wie von der Moravic. „Karl sagt, der ganze Stress vor dieser lächerlichen Olympiade dient nur dazu, unsere Ängste auf den Bilder zu zeigen, und die Kranken… naja… du weisst was ich meine“.

AAA konnte sich kaum erinnern, was er unkonzentriert hingekritzelt und kindlich ausgemalt hatte, aber auf keinen Fall hatte er darauf geachtet, nichts unbewusst über sich zu verraten. Er hatte gemeint, das Papier wandere anschliessend ins Cheminéefeuer von Tonja Zarewna.

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