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Der Bericht der Reformkommission

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In einem über dreihundert Seiten umfassenden gedruckten Bericht mit zahlreichen Anhängen vom 14. Oktober 1896 fasste Cicognani den Stand der Arbeiten und die Kriterien, nach denen die Reform durchgeführt wurde, noch einmal für die Kardinäle der Indexkongregation zusammen.74 Dabei machte der Sekretär deutlich, dass die Hauptlast der Korrekturen nach wie vor auf deutschen Schultern ruhte. Zwar habe Pater Scheer bald ausscheiden müssen, an seine Stelle sei jedoch Pater Esser getreten, der von Freiburg in der Schweiz nach Rom übergesiedelt sei und die deutschen und französischen Werke bearbeite. Dazu kamen Ehrle, der für die frühen Indizierungen zuständig war, und Miller, der die italienischen Publikationen nach der Reformation redigierte, aber bald durch den jungen Beuroner Benediktinerpater Bruno Albers75 ersetzt wurde.

Das Grundprinzip der Überarbeitung lautete: Die bisherige Titelaufnahme im Index wird nur geändert, wenn es unbedingt nötig ist. Es wurden zwar Normen für die Reform aufgestellt: konsequente lateinische Übersetzung eines fremdsprachigen Buches, Anonyma unter dem 1. Substantiv des Titels, Hinzufügung der Druckorte und Erscheinungsjahre, Eruierung von Datum und Art der Dekrete in den Archiven von Indexkongregation und Heiligem Offizium usw. Doch zeigte sich im Verlauf der Arbeiten offenbar sehr bald, dass die Regeln nicht immer eingehalten werden konnten, wollte man die Indexreform in einem überschaubaren Zeitraum abschließen. Daher erhielt jedes Mitglied der Kommission die Fakultas, die Normen nach Bedarf zu modifizieren, so dass man, was die Einheitlichkeit und Konsequenz der Titelaufnahme anging, von vornherein Abstriche am neuen Index Leos XIII. machen musste. Später legte Ehrle neue Kriterien fest, die von den Kardinälen in der Sitzung vom 4. Februar 1897 beschlossen wurden.76

Besonders interessant sind die Anhänge zur Relation Cicognanis vom 14. Oktober 1896, weil sie die Arbeit der deutschen Indexreformer Ehrle, Albers und Esser präzise dokumentieren.

In einem Anhang gibt der Jesuit Ehrle zunächst einen Überblick über die Arbeitsweise der Kommission.77 Zunächst habe man aus zwei Indices alle achttausend Titel ausgeschnitten und auf Karteikarten (im Format 19,5 mal 14 cm) geklebt. Diese wurden danach in zwei Gruppen eingeteilt, wobei 1596 als Datum der Zensurierung die Zäsur bildete. Für die frühe Zeit zog Ehrle neben Reusch und bibliographischen Hilfsmitteln auch das Archiv der Indexkongregation selbst zu Rate, namentlich die Diari und Protocolli, die er genau beschreibt. Das Ergebnis seiner Archivstudien fällt allerdings recht bescheiden aus: Die „Procedura“ der Indexkongregation in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens nach 1571 bot keine ausreichend sichere Quellengrundlage für die angestrebte Indexreform. Immerhin könne man einen gewissen Fortschritt bei der Überprüfung der Bücher durch die Kongregation feststellen. In den ersten Jahren mussten die Konsultoren – gemäß Geschäftsordnung – ihre Zensur lediglich mündlich und teils aus dem Stand vortragen, ohne auf eine schriftliche Grundlage zurückgreifen zu müssen. Erst 1587 wurde unter Sixtus V. festgelegt, dass die Gutachter ihre Voten, bevor sie diese in der Kongregation vortrugen, schriftlich niederzulegen hatten. Als Beleg zitiert Ehrle hier in wissenschaftlicher Manier aus dem ersten Band der Diarien der Indexkongregation den einschlägigen Beschluss.78 Im Übrigen aber seien die Unterschiede nicht so gravierend gewesen, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben könne, da erstens die Mitarbeiter der Kongregation von Anfang an von der Notwendigkeit einer exakten und minutiösen Untersuchung der einzelnen Bücher überzeugt gewesen seien, wie nicht zuletzt ein einschlägiges Votum des Magister Sacri Palatii Tomás Manrique79 aus dem zweiten Jahr des Bestehens der Indexkongregation (1572) zeige, und zweitens faktisch auch schon vor 1587 viele der eingehenden Bücher an einzelne Konsultoren zur Zensur oder Expurgation verteilt, die Voten schriftlich ausgeführt und auf den Sitzungen verlesen wurden.80

Aber dieses Verfahren – so Ehrle – war nicht verbindlich vorgeschrieben und rechtlich geregelt, so dass es immer wieder zu überhasteten Indizierungen ohne ausreichende Prüfung kam, namentlich im Kontext der Vorbereitung der Indices Sixtus’ V. und Clemens’ VIII. Zwischen 1590 und 1596 hatte man ausreichend „Courage“, zahlreiche Bücher ohne jegliches Examen zu verdammen. Da dies nach 1596 offenkundig nicht mehr der Fall war und ab da Einzelzensuren die Regel wurden, bot sich dieses Jahr für Ehrle als Epochengrenze der Indexgeschichte an. Daher schlug er vor, alle Indizierungen nach 1596 anders zu behandeln als die davor. Die neueren sollten nach Ansicht Ehrles grundsätzlich auf dem Index bleiben, während von den älteren entweder alle oder zumindest diejenigen gestrichen werden sollten, für die sich in den Akten keine Dekrete fanden oder die nur nach der 1. Trienter Indexregel verboten wurden.81

Pater Bruno Albers OSB listet in einem Anhang eine Reihe von grundsätzlichen Mängeln in der 1. Klasse des Index auf und bringt dazu einschlägige Beispiele:82

1. Es finden sich hier zu Unrecht zahlreiche katholische Autoren wie Abaelard, Johannes Staupitz oder Berengar von Tours.

2. Manche Indizierte haben faktisch nichts geschrieben, wie der Setzer Peter Brubach (tipographus!) oder Ernestus Voegelin, ein Leipziger Verleger (bibliopola!).

3. Teilweise sind auch Übersetzer verbotener Werke, wie Joachim Camerarius oder Martin Agricola, separat indiziert.

4. Auch Autoren botanischer oder medizinischer Bücher gelangten unverständlicherweise in die 1. Klasse.

5. Manche Autoren werden unter verschiedenen Namen beziehungsweise Pseudonymen mehrfach aufgeführt. So ist etwa Johannes Witlingius mit Huldricus Enchaustius (Johannes Brenz) identisch.

6. Dazu kommen zahllose Irregularitäten in der Schreibung von Autorennamen. So verbirgt sich etwa unter Buschius Heinrich von dem Busch.

In einem zweiten Anhang erhebt Albers aus den Protocolli und Diari der Indexkongregation die Dekrete mit Datum der sicher verurteilten Autoren und ihrer Werke für die Jahre 1580 bis 1583.83

Auf zweihundertfünfzehn Druckseiten beschreibt Pater Thomas Esser seine Arbeit im Rahmen der Indexreform.84 Einige Aspekte daraus sind interessant: Esser kann als Erfolg vermelden, dass er zusammen mit Hilgers in den Bibliotheken von Wien, Paris und Rom fast alle nach 1596 indizierten Bücher finden und verifizieren konnte. Lediglich einige ältere Werke mit dem Vermerk „Ind[ex] Trid[entinum]“ oder „Appendix Ind[icis] Trid[entini]“ waren nicht aufzutreiben, wobei es sich allerdings meist um Privatdrucke oder Devotionsbücher handelte, die ohnehin nicht in öffentliche Bibliotheken kamen. Die Arbeit mit Karteikarten mit den aus dem Index ausgeschnittenen und aufgeklebten Titeln erwies sich bei der Bibliotheksrecherche offenbar als äußerst hilfreich. Nach diesen einleitenden Überlegungen listet Esser auf rund zweihundert Seiten die notwendigen bibliographischen Einzelkorrekturen auf, angefangen von Schreibfehlern bei den Nachnamen. Schließlich schlägt der Dominikaner in einer kleinen Denkschrift vor, eine Reihe vorwiegend medizinischer, chemischer und politischer Bücher ganz vom Index zu nehmen.

Der Index der verbotenen Bücher. Bd.1

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