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Vater, Plötze, Kind

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»Ich gehe mal auf´ s Klo.« Freddie sah kurz zu der in Richtung Bad hüpfenden Leonie und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. In der Rechten hielt er seine Selbstgedrehte und schnipste kurz die Asche in den Terrakottatopf. Würde Babs schon nicht entdecken. »Ist in Ordnung«, rief Freddie durch die Terrassentür, als auch schon die Toilettentür ins Schloss fiel. Ob sie mit siebzehn auch noch Meldung macht, wenn es Richtung Disco geht? Wobei, heute sind das ja >Clubs<. Freddie schaute hinauf zum Himmel. Einige wenige Cirruswolken säumten dass blasse Blau eines vielversprechenden Vorfrühlingstages. Doch stärker als die Kraft der noch jungen Jahreszeit zogen ihn die durch das nur Minuten zurückliegende Telefonat erweckten Erinnerungen in ihren Bann.

Arthur Pockelewitz. So hieß dieser sommerbesprosste Schlacks. Freddie konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals mit seinem richtigen Namen angesprochen zu haben. Er konnte sich aber sehr gut daran erinnern, dass er bei Schmidtchens Vorstellung von Arthurs Namen in grelles Lachen ausbrach. Womit er sich je einen bösen Blick von Klassenlehrer Schmidt sowie von Neumitschüler Pockelewitz einfing. Das war es ihm aber wert. Pockelewitz. Was für ein Name. Genauer >Pockefühhlewitz<. Klassenlehrer Schmidt war nämlich nicht irgendein Klassenlehrer Schmidt. Er war genau genommen Klassenlehrer Pfeifenschmidt. Pfeifenschmidt verfügte über ein unwiederbringlich signifikantes Merkmal, das ihm diesen Namen einbrachte, bestehend aus einer extrem ausgebildeten Lippenspalte, im Volksmund auch Hasenscharte benannt. Pfeifenschmidtis Eltern müssen entweder sehr arm oder Angehörige der Zeugen Jehovas gewesen sein. Anders läßt sich nicht erklären, warum sie ihren armen Sohn Zeit seines Lebens mit diesem Reißverschluss im Gesicht haben herumlaufen lassen. Wenn einer eine Schönheitsoperation verdient gehabt hätte, dann war es Klassenlehrer Pfeifenschmidt. Die Hasenscharte jedenfalls bedingte einen permanent tönenden Pfeifton während seines Sprechens, unabhängig davon ob er den »Satz des Fühhtagoras« erklärte oder eben Afuuuhhr Pockefühhlewitz vorstellte. Der Lehrer reckte sich kurz und wand sich an Freddie. »So, - füühhh-, so, der Herr Füüühhorhaus zeigt sich ja - füühh - gleich ffüüüüder von seiner besten Füüühhseite. Dann kann – füüühhhhhhhhhh - er ja nach der Füüühhhunde seinem neufüühhhen Mitschüler gleich mal die Füüühhschule zeigen.«

»Papa, hab´ Durst!« Freddie ließ fast die Tasse fallen. Leonies eindrucksvolle implizite Anwendung des Imperativ holte ihn aus den Tiefen seiner Gedanken zurück. »Süße, schon mal was von dem Zauberwort gehört?«

»Papa, habe großen Durst!«

Nachdem sich Freddie dazu durchrang, dem quakenden Nachwuchs und sich selbst ein halbwegs gehaltvolles Frühstück zu bereiten lagen beide auf der Couch. Babs würde erst am Abend des nächsten Tages zurück sein und so hatten sie fast das gesamte Wochenende vor sich. Vater und Tochter. Leonie spielte an seinen Brusthaaren, die aus seinem T-Shirt hervorguckten.

»Papa, was machen wir heute?«

Dabei spielte sie dort, wo es besonders ziept. Haare ziepen war ein Lieblingsspiel von Leonie. Vor allem wenn es sich um Freddies Brustbehaarung handelte. Freddie überlegte. Dabei ging es nicht darum, zu überlegen, was er gerne machen würde. Hätte Freddie den Tag unabhängig von väterlichen Verpflichtungen verplanen können, wären ein Blick aufs Wetter, Klamotten packen und ans Wasser düsen eins gewesen. So aber stellte sich die Situation komplizierter dar. Denkbar komplizierter. Babs hatte schon seit Wochen angekündigt, das sie an diesem Wochenende zur Body-Life-Fortbildung nach Hamburg fahren würde, ein sogenanntes >Must< für eine Physiotherapeutin mit eigener Praxis. Freddie hätte eine doppelseitige Lungenentzündung anschleppen müssen, um seine Privatphysiotante, wie er seine Frau manchmal nannte, von diesem Vorhaben abzubringen. So hatte er an diesem Wochenende die hoheitsvolle Aufgabe zu bewältigen, den Wünschen und Bedürfnissen seiner Tochter alleine genüge zu tun. Man könnte auch sagen, er hatte den schwersten Job der Welt.

»Papa, wir können doch baden gehen?!«

»Ist noch zu kalt.«

»Dann in den Zoo.«

»Da waren wir doch erst letztes Jahr im Herbst.«

»Dann lass uns doch zum Flughafen fahren, Flugzeuge gucken.«

Seitdem Leonie am vorangegangenen Osterfest von ihrer Großmutter zum ersten Mal nach Mallorca mitgenommen wurde war Flugzeuge gucken ihre großen Leidenschaft.

»Nee, Flughafen ist doof. Der eine ist zu voll, der andere hat geschlossen, der dritte ist so häßlich und der vierte wird wohl erst in fünf Jahren fertig sein.«

»Ach, dann sag du mal was.«

Freddie überlegte weiterhin. Handelte es sich doch um eine Situation die seine vollkommene Aufmerksamkeit erforderte. Schließlich spielt seine Tochter nicht mit fairen Mittel. Wie sie da so liegt mit ihren blauen Kulleraugen, der Stupsnase und einen anblickt, als könne sie kein Wässerchen trüben. Sollte er es noch mal wagen? >In 2 Stunden um 4 Jahre altern!<, so oder ähnlich müsste Freddie in seiner Biografie den ersten gemeinsamen Angelausflug mit seiner Tochter betiteln. Ein halbes Jahr zuvor erst hatte er diesen denkwürdigen Versuch gestartet...

...an diesem Septembertag, der schon fast zu warm für diese Jahreszeit war. Freddie stand wie so oft auf der Terrasse und rauchte eine Zigarette. Es war einer jener Tage, der wunderbar geeignet schien, Dinge zu erledigen, die den ganzen Sommer zuvor Aufschub erhielten. Endlich die neuen Wobbler ausprobieren oder aber Reparaturen am Boot. Der bescheidene Wohlstand, den sich Freddie und Babs im Laufe ihre Ehe erarbeitet hatten, spiegelte sich neben einer schönen Dachgeschosswohnung sowie der obligatorischen Sommerreise in Freddies Augen vor allem im Besitz eines eigenen Bootes nebst ganzjährigem Liegeplatz an der Oberhavel wieder. Dieses heißgeliebte Boot, Produkt einer ehemals auch mal was Vernünftiges zu Stande bringenden DDR-Werftbaukunst, war Freddies ganzer Stolz. Sein Boot war nicht sehr groß und schon gar nicht komfortabel, es hatte nur eine kleine sogenannte Vorkajüte und mehr als vier Erwachsene konnten Dank einer selbstgebauten Sitzbank und zweier portabler Bootssitze auch nicht auf ihm Platz finden, sofern von Platz finden an dieser Stelle gesprochen werden konnte. Es war Lichtjahre vom Glanz schicker hochpolierter Daycruiser, Bayliner oder gar Yachten entfernt. Und doch verkörperte es in Freddies Augen die Freiheit, die er so liebte. Es bot ihm die Möglichkeit, entlang seines Hausgewässers an fast jeder beliebigen Stelle ankern und angeln zu können, ohne sich von Spaziergängern mit der üblichen Fragerei nach den großen Fängen nerven lassen zu müssen. Im Sommer war es zudem eine wunderbare Alternative zu allen überfüllten Freibädern und Badestellen. Die Formel hierfür war denkbar einfach: Bucht angesteuert, Anker raus, Badeleiter raus, Schwimmreifen raus und schließlich mit lautem Platschen Leonie hinterher. Auf diese Weise konnte die Familie ganze Wochenenden verbringen. Und sollten nicht gerade dicke Rapfen, die fast ausschließlich im Sommer aktiv zu sein scheinen, ausgerechnet vor Freddies Nase rauben, so konnte auch er diese Zeit selbst ohne Rute in der Hand so richtig genießen, ein Umstand, der selten genug vorkam.

Nun gehörte auch Freddies >Baröy<, wie er sein ein und alles nach einer im Süden Norwegens liegenden Insel nannte, trotz seiner überschaubaren Ausmaße und Ausstattungsmerkmale zu jenen Besitztümern, die einer umfassenden Pflege und Wartung bedürfen. Hier tat sich insbesondere der 30 PS starke Außenbordmotor hervor, auf dessen vieltönige Palette an Rattern, Jaulen und Keuchen Freddie seine gesamte Aufmerksamkeit legte. So war es denn wieder einmal soweit. Der sogenannte Impeller, eine Art Gummirotor, der maßgeblich für die Wasserkühlung des Motors verantwortlich ist, hatte seinen Dienst weitestgehend eingestellt, was Freddie auf einer seiner letzten Touren einem recht kläglichen Wasserstrahl nach Anlassen des Motors entnehmen konnte. „Na dufte, so werd ick wohl och mit 80 pinkeln“, dachte er sich zu dem Zeitpunkt noch, während er damals zum Handy griff, um flugs Schwager Winfried anzurufen. Dieser zeigte sich auch sofort bereit, dem Mann seiner kleinen Schwester unter die Arme zu greifen und so kam es Tage später zu dem gemeinsamen Treffen. Letztlich wollten beide ja nur den vermeintlich zerschlissenen Impeller auswechseln. Zumindest entschied Freddie, dass es sich nur um diesen kleinen propellerähnlichen Zehn-Euro-Artikel handeln konnte, dessen Ausfall jedoch in Windeseile zu einem 4000-Euro-Schaden führen kann. Die nicht ganz einfache Aktion, bestehend aus 50 kg-Motor abbauen, Schaft aufschrauben, alten Impeller raus, neuen Impeller rein, Schaft wieder zuschrauben, 50 kg-Motor wieder anbauen, geschah dann auch mit Winfrieds tatkräftiger Unterstützung. Begegnungen mit Schwager Winfried galten für Freddie immer wieder als willkommen Abwechslung, hatte Winfried mit dem schon fast bürgerlichen Leben, das Babs, Freddie und Leonie führten, nur bedingt zu tun. Winfried war schwul. Was in Freddies Augen nicht weiter bemerkenswert war. Jedoch war es Winfried zu verdanken, dass Freddie sein ursprüngliches Schwulenbild komplett restaurieren musste. Jahre zuvor ist ihm auf einer Party ein Comic eines schwulen Zeichners in die Hände gefallen, in dem kartoffelnasige schwule Männer nicht nur diverse Abenteuer erlebten, sondern auch so ziemlich jedes Vorurteil bedienten, dass sich im Laufe der Evolution über die Jungs vom anderen Ufer gebildet hat: immer geil, können einen Volleyball nicht von einem Fußball unterscheiden und auf zwei Finger pfeifen nur die, die fürs Schweineschlachten zu doof sind. Ginge es allein nach solchen Attributen wäre Winfried der heterosexuellste Schwule unter der Sonne gewesen. Aus Fußball machte er sich zwar auch nichts, dafür hatte er eine Jahreskarte der Berliner Basketballkönige von Alba. Und als Informatiker betrieb er auch nicht gerade eine Tätigkeit, die im Boulevard als schwulentypischer Beruf durchgehen würde. Da passte dann schon eher ins Bild, das Winfried eine beachtliche Sammlung an schweren Lederklamotten sein Eigen nannte, gerne im karierten Flanellhemd rumrannte und einen beachtlichen Schnurrbart, von Freddie nur Pornobalken genannt, im Gesicht trug. Winfried selbst genoss Tage wie diese, wenn er mit seinem Schwager, dem angelverrückten Freddie, ein wenig basteln konnte, noch dazu an der frischen Luft. Winfrieds eigentliches Spielfeld, wenn es darum geht, seinem Schwager behilflich zu sein, und darum geht es relativ häufig - ist – wie soll es bei einem Informatiker sein – das Gebiet der Nullen und Einsen. Was nichts anderes bedeutet, als das Babs Bruder für sämtliche, in der Regel selbstverursachten, Computerprobleme seines Schwagers zuständig ist. Hätte sich Winfried für jede Aktion, die sich darin äußerte, dem vollkommen verzweifelten Freddie die Steuererklärungssoftware dorthin zu laden wo sie nach Ansicht der Festplatte hingehört, einen Euro aufs Sparbuch gepackt, ein Kurzurlaub wäre ihm gewiss gewesen. An diesen Tagen hocken beide Männer in der viel zu engen Arbeitsecke der Dachgeschosswohnung und starren auf Freddies PC, der so alt ist, dass Winfried ihn noch nicht mal mehr seinem Goldhamster als Notunterkunft zumuten würde. In diesem trüben Momenten bringt wenigstens noch die kleine Leonie etwas Licht in das Leben ihres Onkels. So kommt es nicht von ungefähr, dass Winfried, der seinem Schwager Freddie gerne unter die Arme greift, sich immer eher für Aktionen am Boot entscheiden würde, hätte er die Wahl. Und auch Freddie genießt es um so einiges mehr, wenn es etwas am Boot zu machen gibt. Zum einen ist auch er einfach viel lieber draußen am Wasser. Zum anderen freut er sich über die Kompetenz, die er seinem Schwager gegenüber an Bootstagen vorgeben kann. Ist es Freddie nämlich während Winfrieds Versuchen, aus dem fiependen grauen Kasten so etwas wie einen halbwegs funktionierenden PC zu zaubern, lediglich vorbehalten, daneben zu stehen, Geduld zu üben, Schmach über sich ergehen zu lassen, seiner Anerkennung Ausdruck zu verleihen, eine Dankeszigarre anzuschneiden und den Cognac nachzuschenken, so ist es am Bootssteg jedesmal Freddie, der mit seinem in der Praxis erworbenen Wissen über Gleichrichter, Propellernaben und eben Impeller glänzen kann. Und sich bewusst zu werden, dass er seinen Schwager als Dankeschön vor dessen nächsten Reise wohl wieder zum Flughafen fahren sollte. Oder vorab wenigstens noch schnell wieder nach Hause ins schwule Schöneberg. So sollte es denn auch nach der Impeller-Aktion wieder werden. Es kam aber ganz anders…

… Freddie stand auf der Sonnenterrasse, rauchte eine und ließ sich von der spätsommerlichen Sonne wärmen. Leonie war auf ihrem Zimmer und probierte gerade Babs alten Nagellack aus, ohne das Freddie und Babs, die am Telefonieren war, eine Ahnung davon hatten, dass ihre Tochter demnächst wie Alice Coopers kleine Schwester rumlaufen würde. Freddie spürte, wie es ihm in den Fingern juckte. Ein frisch instandgesetzter Motor, ein laues Lüftchen, Raubfische nach langen Sommermonaten in wiedergewonnener Fresslaune. Da muss es jucken. Doch da was zu machen, wird schwer. Nicht nach der letzten Aktion. Während er an seiner Selbstgedrehten zog, machten sich die Erinnerungen über den Ausgang des Impeller-Days immer mehr Platz. Hätte er doch an jenem Tag mit Winfried bloß eine Rute mit am Boot gehabt. Dann hätte dieser gemeinsame Vormittag mit seinem Schwager auf schöne, aber wenig verhängnisvolle Weise enden können. Freddie zwei Stunden beim Angeln zuzuschauen wäre für Winfried sicher kein Problem gewesen. Die Freude über den neuen Impeller war nach der erfolgreichen Reparatur bei beiden Männern nämlich so groß, dass irgend etwas noch passieren sollte. Einfach so nach Hause zu fahren hätte irgendwie nicht gepasst. Wäre doof gewesen. Schließlich waren beide Männer doch nun schon mal draußen. So entschlossen sie sich nach einer kleinen Testrunde mit einem wieder wacker vor sich hintuckernden und einen ordnungsgemäßen Kühlwasserstrahl abliefernden Motor kurzerhand darauf einen trinken zu wollen. Angelrute zu Hause, Kehle durstig und die nette Kneipenlaube gleich um die Ecke am Bootssteg. Passt. Dumm war nur, dass aus einem dann sieben wurden. Böse, böse. Was folgte waren ein Riesenkrach, angebrannte Kohlrouladen und eine bockige Leonie im Abendprogramm. Vom Kater am Sonntag darauf ganz zu schweigen. Nach alledem war Freddie klar, dass er an diesem Tag eine besondere Taktik anwenden musste, um auch nur in die Nähe des Bootes zu kommen, geschweige denn eine Runde angeln zu können. Er wusste, dass es nach der Aktion mit Winfried im entferntesten nicht ausreichen würde, Babs gegenüber nur den Welpenblick aufzusetzen. Dann kam ihm die Idee. Du nimmst die Kleine mit. Klar, Vater und Tochter gehen angeln. Bringst ihr das angeln bei. Zeigst ihr, wie man Fische fängt. Dagegen kann selbst Babs nichts einwenden. Begeistert von sich und seiner Eingebung klärte er Babs von seinem Vorhaben auf. Babs musste kurz überlegen, sah sich dann mit Freundin Gabi schon auf der Shopping-Mall und gab kurzerhand ihren Segen ohne jedoch zu vergessen darauf hinzuweisen, dass Leonie nur mit Schwimmweste und Halstuch das Boot betreten darf. Eine halbe Stunde und einem Dutzend Belehrungen später saßen Vater und Tochter im Auto. Freddie fühlte sich beschwingt vom bevorstehenden Vorhaben. Er legte zur Feier des Tages sogar Leonies Lieblings-CD ein, auf der ein dicker lustiger Elefant mit seinen lustigen Freunden lustige Abenteuer in einer kunterbunten lustigen Welt erlebte. Während Leonie von ihrem Kindersitz aus lustige Geräusche zu dem lustigen Treiben auf dem Silberling abgab, stellte sich Freddie vor, wie er seiner Kleinen eine Stippe in die Hand drückt um selbst ein paar schöne Würfe zu zelebrieren, so ganz sacht aus dem Handgelenk heraus. Und mit ein wenig Glück rappelt es wenig später in der Rute, dann gibt es Zander, Barsch, Hecht, Barsch, Zander, ja, fein, und Zack, vielleicht auch Rapfen, ja Rapfen, Zander, Hecht, Barsch...So oder ähnlich hätte sich womöglich die Niederschrift seiner Gedanken gelesen.

Später auf dem Boot hatte es sich dann ganz schnell ausgezandert. Zwar hatte er seiner Tochter wie zuvor angedacht, eine alte, verkürzte Stipprute in die Hand gedrückt, diese vorab ordnungsgemäß mit einer quicklebendigen, zuvor beim Angelhändler gekauften Made versehen, nur hatte er nicht mit den Künsten seiner kleinen Leonie gerechnet. Und dem Harakiriverhalten der örtlichen Fischbrut. Denn kaum war die eigene Spinngerte fertig montiert, schallte es Freddie schon in den Ohren: »Papaaaaa, guck mal, ein Fisch, ein Fisch.« Sekunden später zappelten zehn Zentimeter Flussbarsch vor Freddies Nase. Fisch abgemacht, zurück ins Wasser, gefolgt von einem entsetzten Aufschrei.

»Ooooch, nicht ins Wasser, den wollte ich mitnehmen.«

Das Ganze in einer Lautstärke, das spätestens jetzt auch der letzte Fisch wusste, das da irgendwo Angleralarm angesagt ist. Luft geholt, Kind beruhigt. »Schatz, der war zu klein, der muss noch wachsen.«

Neue Made an das Häkchen. Made ins Wasser. Griff zu eigenen Rute, Rute ausgeworfen. Twister war kaum im Wasser, vor Schreck zusammengezuckt.

»Papaaa, guck, schon wieder einer, oh, ein Großer.«

Eigene Rute zur Seite gelegt, diesmal zwölf Zentimeter Barsch zu Fassen gekriegt, abgehakt, kurz bevor die Hand mit dem Zwölfzentimeterfisch automatisch Richtung Wasser schwingen wollte sich schnell eines anderen besonnen, Barschlein in den Eimer gepackt, Tochter angeguckt, »Zufrieden?« gefragt. Plötzlich fünf Meter vom Boot entfernt lautes Platschen gehört, - Da raubt einer! – schnell die Rute gepackt, Schwung geholt.

»Papa, ich habe noch keinen Wurm dran.«

Erneut zusammengezuckt, Wurf in der Hektik ausgeführt, aber Schnurfangbügel der Rolle nicht richtig aufgeklappt. Twister jagt mit Karacho neben der Bordwand ins trübe Nass.

»Papaaaa!!.«

»Ja, doch…«, geknurrt, »…das sind Maden und keine Würmer!« hinterher geknurrt, Rute zur Seite gelegt, Made aus Madendose fingern wollen, Madendose fallen lassen, »Scheiße« gebrüllt.

»Papaaa, das Sch-Wort sagt man nicht«, anhören müssen.

»Ist ja gut» geantwortet und >Du fliegst gleich ins Wasser< gedacht, dabei nach den Maden gefingert und aus dem Augenwinkel mit ansehen müssen, wie sich die eigene Rute bedenklich gen Wasser neigt. »Papa, du hast einen, du hast einen, oh ich will auch.« Maden Maden sein lassen. Twister hing wahrscheinlich unten am Grund, das Boot richtete sich im Wind neu aus, Twister spielte Anker. Rute verneigt sich wie ein Koffer-Kuli in Erwartung eines dicken Trinkgelds. Noch eine kleine Drehung des Bootes und sie würde über die Bordwand schießen.

»Papa, die Würmer.«

»Schatz, es sind Maden, schei…ich kann jetzt nicht...«, antworten wollen, dabei beim Versuch nach der Rute zu greifen mit Fuß in der Ankerleine hängen bleiben, ins stolpern kommen, Eimer umwerfen - »Uiihhh« - nach vorne fallen, von Rute noch einen Kinnhaken kassieren, bevor diese in hohen Bogen übers Boot zischt.

»Guck mal Papa, der Fisch tanzt mit den Würmern!«

Liegen bleiben. Zähne knirschen. Rute abschreiben. Zander abschreiben. Maden abschreiben. Sich am Kopf kratzen. Kind den Unterschied zwischen Maden und Würmern beibringen. Und sich schwören, so schnell nicht wieder mit dem eigenen Nachwuchs angeln zu gehen.

Es soll ja Väter geben, die in der Lage sind, die Freude der Fischerei an ihre Stammhalter weiterzugeben, wie sie es auch schon von ihren Vätern vermittelt bekamen. Freddie kam nach diesem im wahrsten Sinne des Wortes umwerfenden Erlebnis zu dem Entschluss, dass seine didaktischen Fähigkeiten dazu nicht ausreichten, er auch nicht gewillt war, weitere Ruten diesem Experiment zu opfern. Er tröstete sich fortan mit dem Gedanken, dass die friedlichen Bilder von Dreigenerationenangeln nur aus dem Hirn findiger Werbestrategen stammen konnten.

An all dass musste er zurückdenken, während er mit seiner Tochter auf der Couch lag. Freddie strich Leonie über den Kopf während sie eines seiner Brusthaare zwischen ihren Fingern betrachtete.

»Lass uns Enten füttern gehen.«

Gummifisch zum Frühstück

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