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Angst-Spannung! Was ist das?

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Angst-Spannung ist emotionaler Schmerz, der uns Gefahr signalisiert. Angst-Spannung existiert! Sie ist nicht moralisch zu bewerten.

Es gibt kein Leben ohne Ängste und Spannungen. Das gilt für jede einzelne Person genauso wie für jede Gruppe von Personen, also für jedes emotionale System. Und das ist gut so. Als emotionaler Schmerz signalisiert Angst uns Gefahr. Gewöhnlich werden dabei Angst und Furcht unterschieden.

Furcht ist konkret und klingt schnell ab, wenn das Licht angemacht wird und die Eltern unterm Bett nachschauen, ob dort wirklich kein Monster liegt. Und die Furcht vor einem Unfall klingt ab, wenn der Fahrer das Tempo des Wagens spürbar verlangsamt und umsichtiger fährt.

Angst ist unbestimmter, anhaltender. Sie geht jeden Tag mit einem ins Büro und wieder nach Hause, wenn unklar ist, ob und wie die Geschäftsentwicklung personelle Konsequenzen haben könnte. Angst vor dem Ungewissen und der Leere schleichen sich ein, nachdem die Freiheits- und Urlaubsgefühle der ersten Wochen des Ruhestandes allmählich vergehen.

Beides trägt insofern Angst-Spannung in sich, als die Betroffenen in der Situation angespannt, unwohl, innerlich unruhig und erregt eine Gefahr oder Unannehmlichkeiten erwarten und ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen bedroht sehen.

Nun vermeiden viele Menschen lieber Begriffe wie Furcht und Angst. Sie erscheinen ihnen in einer bestimmten Situation als übertrieben oder sie (miss-)verstehen sie als Schwäche, die sie nicht zeigen möchten. Man würde jedoch vielleicht zugeben, „ein wenig angespannt“ zu sein.

Mit dem Kunstwort Angst-Spannung wollen wir die ganze Bandbreite von mulmigen Gefühlen wie Anspannung, Aufregung, Beunruhigung, Ängstlichkeit, Beklemmung, Besorgnis, Sorge, Furcht, Angst oder Panik abdecken. Die hier wirksame emotionale Kraft kommt jedoch aus dem, was das Wort Angst in seiner lateinischen Wortbedeutung beschreibt: angustus/angustia steht für „Enge, Beengung, Bedrängnis“. Was auch immer der Auslöser dafür ist, wir fühlen uns bedroht in unserer emotionalen Sicherheit oder körperlichen Unversehrtheit. Es spielt auch keine Rolle, wie real oder irreal die Gefahr für Leib und Leben ist. Auch eingebildete Gefahren lösen Ängste und Spannungen aus. Und Ängste drängen uns, eine lebensschützende und lebenserhaltende Lösung zu finden. Die klassische instinktive Reaktion auf Gefahr ist flüchten oder standhalten und kämpfen. Was Ängste und Spannungen auslöst und in welchem Maß das geschieht, ist von Person zu Person und von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich.

Festzuhalten ist:

Angst-Spannung ist eine automatische Reaktion auf etwas, das wir – warum auch immer – als bedrohlich erleben. Im ICE war es nur die Ruhe und das ungestörte Lesen, Arbeiten, Träumen oder was auch immer der Passagiere, das gefährdet war. Es spielt keine Rolle, ob diese Bedrohung oder Gefahr real ist oder ob sie „nur“ in der Vorstellung existiert. Die eigene Kontrolle über das eigene Leben und Wohlergehen zu haben ist oder scheint bedroht.

Angst-Spannung beeinflusst unser Denken und unser Verhalten. Sie kann unsere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit erhöhen, sie kann uns in unserem Handeln hemmen oder motivieren.

Angst-Spannung ist emotionaler Schmerz, der eine wie auch immer geartete Gefahr signalisiert. Das dient unserem Überleben. Insofern ist Angst-Spannung, je nach Sichtweise, Teil unserer Natur oder Teil von Gottes guter Schöpfung. Anders gesagt: Sie ist weder gut noch schlecht und ihr Auftreten ist schon gar nicht moralisch zu bewerten.

?Welche Situation kommt Ihnen in den Sinn, in der Sie (kürzlich) Angst-Spannung erlebten?

Jeder Mensch erfährt und lernt zunächst einmal den Umgang mit Ängsten und Spannungen zu Hause in der Kindheit. Was hat dort Angst-Spannungen ausgelöst? Streitereien? Eine chronische Krankheit? Schulnoten? Schläge? Ein Todesfall? Leistungserwartungen? Mobbing? Scheidung der Eltern? Missbrauch? Vernachlässigt werden? Geheimnisse? Wie sind die verschiedenen Familienmitglieder damit umgegangen? Dieses emotionale System unserer Herkunftsfamilie hat uns geprägt. Doch auch andere Lebenserfahrungen spielen eine Rolle. Zum Beispiel zurückliegende belastende traumatisierende Erfahrungen, die ihre tiefen Spuren in uns hinterlassen haben und sich darauf auswirken, worauf und wie wir mit Angst-Spannungen reagieren. Immer stellt Angst-Spannung einen Menschen oder eine Gruppe vor die existenzielle Frage: „Schaffe ich das?“ „Fühle ich mich sicher genug, stark genug, um damit fertig gut zu werden?“

?Wo und wie habe ich in meiner Herkunftsfamilie Angst-Spannungen wahrgenommen?

Wie sind die verschiedenen Familienmitglieder damit umgegangen?

Selbstführung in stürmischen Zeiten

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