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„Wenn die Wurzeln tief sind, braucht man den Wind nicht zu fürchten.“

Aus China

EINLEITUNG

Im Zusammenleben von Menschen kommt gelegentlich heftiger Wind auf. Er bestürmt die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Interessen, zerzaust die gesitteten Umgangsformen und unbefangenen Verhaltensweisen. Aus Gegenwind wird Wirbelwind. Der hat nicht nur mich selbst erfasst, sondern auch andere. Der wirbelt die Verhältnisse durcheinander.

Wie kommt das? Woher kommt das? Wie kann ich dem standhalten? Was sind Wurzeln, die mich einerseits halten und mir andererseits den unersetzbaren Bewegungsraum geben? Anders gefragt: Wie kann ich im Durcheinander eines Miteinanders besser mit mir und anderen klarkommen? Davon handelt dieses Buch.

Den Anstoß, mich mit dieser Thematik näher zu befassen verdanke ich zunächst einmal einem massiven Konflikt zwischen zwei Gruppen innerhalb einer Gemeinde, in der ich vor 30 Jahren Pastor war. Kommunikations- und Mediationsmethodik zu kennen war das eine. Aber die im Hintergrund wirkende Beziehungsdynamik zwischen Menschen besser verstehen zu lernen das andere. Eine hilfreiche Sicht eröffnete mir vor zwanzig Jahren das Kennenlernen der systemischen Ansätze von Murray Bowen (Psychiater und Psychotherapeut) und Edwin Friedman (Rabbi und Familientherapeut).

Dass ich selbst der einzige Mensch bin, den ich ändern kann, ist eine Binsenwahrheit. Und dass wir Menschen in unseren Beziehungen wie in einem Mobile miteinander verbunden sind und uns daher gegenseitig beeinflussen – zum Guten wie zum Schlechten – ist ebenso bekannt. Der im Rahmen meiner damaligen Fortbildung am Lombard Mennonite Peace Center (Chicago, USA) entstandene systemische Blick hilft mir, besser zu begreifen, was es heißt und wie das funktionieren kann, mit Spannungen umzugehen, konfliktfester zu werden und Veränderungen bewirken zu wollen – egal ob in der Partnerschaft, der Familie, einem Team, einer Organisation oder einer Gemeinde. Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Mein Beitrag für konstruktive(re) und konfliktfeste(re) Beziehungen besteht am besten darin, wenn ich

mich auf mein Denken, Fühlen und Handeln konzentriere anstatt auf das, was andere (nicht) tun oder tun sollten oder wie sie nach meiner Meinung sein sollten;

intensiv und ehrlich versuche, mir darüber klar zu werden, was ich will, was mir wichtig ist, was ich kann, woran ich glaube, wofür ich stehe – und nicht so sehr darüber, wie ich die Beziehung angenehm und störungsfrei halten kann;

von mir rede anstatt von anderen: „Ich meine …, ich glaube …, ich möchte …“ anstatt: „du bist …, du solltest …, andere sagen auch …“. Und ebenso andere ermutige, auch von sich selbst zu sprechen;

aus meinen Überzeugungen heraus entscheide und handle, weil besonnenes Handeln, welches in eigenen durchdachten Überzeugungen wurzelt, effektiver ist als jede besorgte Bemühung, andere zu etwas zu bewegen (was sie vielleicht gar nicht wollen);

Angst-Anspannungen aushalte und anhalte. Ich finde und übe Möglichkeiten ein, Angst-Spannungen nicht weiterzugeben, sondern ihren Kreislauf zu unterbrechen (Sie kennen das Wort Angst-Spannung nicht? Im ersten Kapitel erzähle ich Ihnen, was ich mit dieser Wortschöpfung genau meine);

im Kontakt bleibe mit dem/der/den anderen und meinen Impuls beherrsche, mich zurückzuziehen, wenn jemand ärgerlich oder wütend auf mich ist oder mit mir nicht übereinstimmt;

bete, und zwar regelmäßig, weil es mir hilft, mit meiner eigenen Emotionalität besser umzugehen, gelassener zu werden, klare Gedanken zu fassen, und es mich unabhängiger von anderen Menschen werden lässt. Es lässt mich wachsen in einer in Gott verwurzelten Eigenständigkeit, sodass ich ich selbst sein kann.

Diese Aufzählung1 umreißt den Inhalt dieses Buches. Sie macht gleichzeitig deutlich: Dieses Buch will dazu beitragen, dass Sie persönlich darin wachsen, eigenständig und verbunden zugleich zu leben und Beziehungen konstruktiv und konfliktfest zu gestalten.

Das Praxisbuch mit Extras

Vertiefungsfragen

Das Buch zu lesen ist gut. Wesentlich wird sein, den Vertiefungsfragen in den einzelnen Kapiteln nachzugehen und entsprechende Erkenntnisse für sich einzuüben.

Gesprächsstoff

„Einzeln sind wir Worte, zusammen ein Gedicht!“ (Georg Bydlinski). Nutzen Sie die Anregungen der Kapitel fürs Gespräch und einen Erfahrungsaustausch mit ein paar Weggefährten.

Die Weisheit der Gruppe bietet allen Beteiligten eine wertvolle Horizonterweiterung. Und mit gemeinschaftlicher Motivation geht das Einüben von Einsichten leichter und effektiver. Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:

Suchen Sie sich eine oder mehrere Personen und treffen Sie sich in Abständen privat zum Austausch. Bilden Sie eine Lerngruppe oder bieten Sie in Ihrer Kirchengemeinde oder Organisation einen Kurs an, in dem Sie das Buch als Kursmaterial verwenden. Bearbeiten Sie die Kapitel in einem der Teams, zu denen Sie gehören. (Einen Gesprächsleitfaden für ein erstes Treffen finden Sie im Anhang.)

Für Kursleitende stellen wir zusätzliches Material bereit: Unseren Kurs-Leitfaden für alle Kapitel finden Sie kostenlos auf unserer Website (siehe unten). Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Erfahrungen mit dem Kurs mit uns teilen! Loggen Sie sich dazu auf der Webseite in den Bereich für Kursleitende ein.

Videos

Mit diesem Buch erhalten Sie einen Online-Zugang zu kurzen Videos, die wir zu jedem Kapitel anbieten. Diese fassen die wichtigsten Inhalte eines Kapitels zusammen und ergänzen sie mit weiteren Beispielen. Auf unserer Website mit Zusatzmaterial und Videos finden Sie auch Tipps, wie Sie diese Videos einsetzen können. Darüber hinaus gibt es dort weitere Infos und Anregungen zum Thema.

Hier finden Sie gratis Videos zu jedem Kapitel sowie Material für Kursleitende:

https://de.bienenberg.ch/sfisz20201

Passwort: sfisz20201

Dieses Buch ist aus dem Seminar- und Coachingangebot des Instituts Compax für Konflikttransformation am Bildungszentrum Bienenberg in Liestal, Schweiz, erwachsen. Dort habe ich gemeinsam mit Madeleine Bähler und Marcus Weiand die Thematik in Seminaren mit Titeln wie „Mit kühlem Kopf durch heiße Themen“, „Konflikte haben System“, „Wirkungsvolle Selbstführung“ entfaltet. Als Modul wurde dieser Ansatz auch aufgenommen in die vom Bildungszentrum Bienenberg und der Universität Freiburg/Schweiz gemeinsam angebotene berufsbegleitende CAS-Weiterbildung zum Konfliktberater.

Gute Erfahrungen und Gottes Segen wünschen wir Ihnen auf Ihrem Weg, im Durcheinander eines Miteinanders besser mit sich und anderen klarzukommen.

Dank

An dieser Stelle geht ein erster Dank an Richard Blackburn, Leiter des Lombard Mennonite Peace Centers, der herausfordernd, ermutigend und freundschaftlich wesentlich zu meiner Horizonterweiterung beigetragen hat. Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die Freundschaft und Zusammenarbeit mit wunderbaren Menschen: Madeleine Bähler und Marcus Weiand. Ihr Engagement, ihre Weisheit und Kompetenz sowie gute Laune und kritische Fragen sind nicht nur in den Text dieses Buches eingeflossen, sondern auch in den gemeinsam geleisteteten Aufbau des Instituts Compax für Konflikttransformation. Ein Dank für treffsichere, kritische, kluge Anmerkungen beim Durchlesen des Manuskriptes gilt auch Kirsten Weber-Obst und Anne Boller sowie Eric Braun, der mich zudem in den Video-Aufnahmen zu den Kapiteln mit heiterer Gelassenheit angespornt hat.

Frieder Boller

Selbstführung in stürmischen Zeiten

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