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6.

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„Sophia, bist du da?“ Die laute, fröhliche Stimme konnte nur zu einer gehören: Saskia.

„Bin ich, warte.“ Eilig trocknete sie sich die Hände und doch war die Freundin schneller. Kaum setzte Sophia den ersten Schritt aus der Küche hinaus, fiel Saskia ihr auch schon um den Hals.

„Endlich hab ich dich wieder! Du glaubst ja nicht, wie schön das ist.“ Die Freundin küsste sie herzhaft auf beide Wangen, ehe sie wieder von ihr abließ.

Saskia hatte sich kaum verändert, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten: die wilde, blonde Lockenmähne mit einer großen Spange am Hinterkopf gebändigt, strahlend über das bildhübsche, runde Gesicht, aus dem die blauen Augen hervorleuchteten. Saskia steckte in einem bodenlangen, hellroten Sommerkleid, das ihre leicht rundliche Figur auf das Positivste betonte. Ihre geliebten weißen Chucks mit roten Blümchen darauf bildeten einen lustigen Kontrast. Man konnte an ihren Augen ablesen, dass sie glücklich war und das lag gewiss nicht nur daran, dass sie Sophia endlich wiedersah.

Sophia erwiderte die herzliche Umarmung nur zu gerne. „Es tut so gut, dich zu sehen. Du hast mir gefehlt.“

Saskia nickte nachdrücklich. „Ja, du mir auch. Es war aber auch wirklich an der Zeit, dass du wieder einmal auftauchst. Wobei ich mir, zumindest für dich, andere Umstände gewünscht hätte.“ Sie sah sich um. „Wo steckt denn mein Göttergatte? Der war doch direkt hinter mir.“

„Da ist er auch noch immer. Ich kann nur nicht mit deinem Tempo mithalten.“ Maurizios warme, freundliche Stimme erklang aus dem Flur.

Sophia ließ die aufgeregte Freundin los und blickte sich um. Maurizio erschien lächelnd hinter seiner Frau.

„Ciao, Sophia, schön dich wiederzusehen. Ich freue mich wirklich.“ Maurizios Umarmung war nicht so überschwänglich wie Saskias und doch merkte man ihm an, dass er es ehrlich meinte. „Geht es dir gut? Hat alles geklappt? Hattest du Probleme?“ Typisch für ihn. Stets darum besorgt, ob es allen gut ging. Sein Blick aus den haselnussbraunen Augen ruhte fragend auf ihr. Auch er hatte sich kaum verändert. Das kantige Gesicht, die verwuschelten braunen Locken, die immer aussahen, als wäre er gerade aufgestanden, das kleine Grübchen am Kinn und das freundliche Lächeln gaben ihr sofort das Gefühl, wieder in ihrer Studentenbude in München zu sein.

„Es geht mir gut, danke Maurizio. Es ist so lieb, dass ich bei euch wohnen kann. Ich verspreche auch, euch nicht allzu lange zur Last zu fallen. Nur bis ich eine Idee habe, wie es weitergehen soll. Aber kommt doch erst mal rein, ich habe mich an einem italienischen Abendessen versucht. Ganz fertig bin ich noch nicht.“ Sie deutete auf das wilde Durcheinander auf der Arbeitsfläche.

Saskia legte ihr den Arm um die Schulter, was angesichts der Tatsache, dass Sophia die Freundin um gut zehn Zentimeter überragte, durchaus sportlich war, und zog sie in die Küche.

„Das ist doch prima. Super Idee, wirklich. Maurizio muss noch kurz in unseren Laden. Bis er zurück ist, sind wir hier fertig und du kannst mir auch alles in Ruhe erzählen.“

Maurizio stellte zwei Körbe in der Küche ab und warf Sophia einen vielsagenden Blick zu. „Ich lass mir dann mal Zeit. Meine bezaubernde Frau platzt ja schier vor Neugierde. Nun erzählt ihr euch erst einmal alles und dann essen wir gemütlich zu Abend, ja?“

Der Mann war einfach klasse. Saskia sah das wohl ähnlich. Sie nahm Maurizios Gesicht in beide Hände und küsste ihn liebevoll auf die Lippen. „Nach so vielen Jahren kann mein Mann noch immer meine Gedanken lesen.“

„Übung, mein Schatz, jahrelange Übung.“ Lachend trollte sich der freundliche Italiener und nur einen Augenblick später hörten sie die Haustür ins Schloss fallen.

„Das ist unfassbar, schlicht und einfach unfassbar.“ Saskia hatte sichtlich Probleme, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Dieser Volltrottel! Nach allem, was ihr gemeinsam durchgemacht und was ihr euch aufgebaut habt. Und ich erinnere mich nur zu gut an die Anfänge.“ Sie nahm einen großen Schluck von dem perfekten Aperol Sprizz, den Sophia gemixt hatte. „Vor allem nach dem Antrag. Ich finde kaum Worte, um auszudrücken, was ich von dem Kerl halte.“ Mitfühlend streichelte sie Sophias Wange. „Du musst dich schrecklich fühlen, nachdem du dich dazu durchgerungen hast, über deinen Schatten zu springen und ihn zu fragen“.

Sophia drehte nachdenklich ihr Glas in den Händen und betrachtete die orangerote, im Licht funkelnde Flüssigkeit. Ja, es hatte enorm viel Überwindung gekostet. Aber sie war wirklich und aufrichtig in Stefan verliebt gewesen. Eine gemeinsame Zukunft, ja vielleicht sogar Kinder, zumindest irgendwann, war ihr einfach nur folgerichtig und logisch erschienen. Ganz abgesehen davon war gewiss auch ihre romantisch-kreative Ader ein wenig mit ihr durchgegangen. Da von Stefan in Sachen Hochzeit so gar nichts gekommen war und sie es, wie dumm musste man sein, auf seine natürliche Zurückhaltung und sein stets etwas kühles Gemüt geschoben hatte, war sie es gewesen, die diesen Schritt wagte. Wenn sie an diesen Tag zurückdachte, lief ihr vor Zorn die Galle über. Tagelang war sie an der Spree entlanggejoggt und hatte Ausschau gehalten, bis sie endlich das fand, wonach sie gesucht hatte. Ein kleines, bezauberndes Hausboot, verziert mit Lichterketten und allem möglichen Schnickschnack. Mit den Besitzern, einem reizenden, etwas alternativen Pärchen, war sie rasch einig geworden. Einen ganzen Nachmittag hatte Sophia zusammen mit der Dame des Hauses, oder wohl eher des Bootes, das Deck geschmückt. Letztlich funkelten dort tatsächlich über zweihundert Windlichter, dazu Blumenschmuck, Kerzen und ein Gitarrist, der exzellente Musik machte. Sie war so stolz auf sich gewesen, eine Atmosphäre wie aus einem Märchen erschaffen zu haben.

Sie lud Stefan für diesen Abend zum Essen ein, besorgte sogar zwei schlichte, geschmackvolle Silberringe, entworfen von einem der angesagtesten Designer. Stefan war ihr mit zweifelnder Miene auf das Boot gefolgt. Romantik war nun einmal nicht das Seine, hier aber war sie nicht gewillt gewesen, Abstriche zu machen. Alles klappte wie am Schnürchen. Die Caterer hatten pünktlich geliefert, die Besitzerin hatte alle Kerzen entzündet, sogar Lampions verbreiteten weiches Licht und der Musiker spielte leise spanische Liebeslieder.

Ihr Mund war staubtrocken und eine Weile befürchtete sie, dass sie kein Wort herausbringen würde. Nach einem Schluck kühlem Weißwein ging es dann doch. Sie nahm Stefans Hand in die ihre und fragte ihn, ob er sie heiraten wolle. Gott, was war sie stolz gewesen auf ihre emanzipierte Aktion! Und nochmal, Gott, was war sie blind gewesen. Allein sein überraschtes Zögern, der kurze unsichere Ausdruck in seinen Augen, sein anfängliches Stottern. Warum war es ihr nicht aufgefallen? Warum hatte sie es auf seine Aufregung und seine Rührung geschoben? Stefan und Rührung! Sie hätte es besser wissen sollen. Als er endlich „Aber natürlich will ich dich heiraten“ herausgebracht hatte, war sie kurzfristig in einem Meer von Glück versunken. Prima! Und nun war sie in einem Ozean von Wut wieder aufgewacht. Sie hatte sich zum verliebten Deppen gemacht und er sie nur ein paar Tage später betrogen.

„Der Typ hat dich nicht verdient. Besser du erkennst das jetzt, auch wenn’s weh tut. Leg diesen geistigen Ausbeuter ganz flink in die Schmodderschublade.“

„Wohin?“ Sophia musterte die Freundin mit großen Augen.

„Na, in die Schublade mit dem alten Zeug, das locker wegkann. Ist doch so, oder? Der kann ja dann wohl mal weg!“ Saskia unterstrich ihre Aussage mit einem resoluten Nicken. „Der wird aussortiert, basta!“

„Worauf du Gift nehmen kannst.“ Sophia leerte ihren Cocktail und stellte das Glas auf der Anrichte ab. „Und nun sorgen wir für unser leibliches Wohl.“

Das Abendessen, bestehend aus knackigem Salat sowie knusprigen Bruschetta mit Tomaten und Thunfisch, nahmen sie gemeinsam in der gemütlichen Küche ein. Es ließ Sophia ihre Sorgen für eine Weile vergessen. Saskia und Maurizio erzählten so fröhlich und anschaulich aus ihrem Alltag, dass sie keinen Gedanken mehr an Berlin oder Stefan verschwendete.

„Seit Neuestem sind wir in unserem Lädchen supermodern!“ Maurizio war sichtlich stolz. „Es gibt nicht mehr nur Obst und Kuchen. Nein, wir haben jetzt auch frische Smoothies und Obstsalat.“ Sein Kinn ruckte zufrieden nach oben. „Vor allem gibt’s den bei uns nicht in diesen vermaledeiten Plastikbechern, die ganz Venedig zumüllen. Wir verkaufen das frisch geschnittene Obst in Waffeln. Wie findest du die Idee?“ Er wandte sich neugierig an Sophia.

„Bravo, eine prima Idee. Vor allem das mit den Waffeln. Ich kenne das Becher- und Plastikproblem ja auch aus Berlin. Anstatt sich einmal einen wiederverwendbaren Coffee-to-go-Becher zu kaufen, ordern die Leute lieber jedes Mal so ein Plastikungeheuer. In den Straßen von Berlin sieht es aus, dass es jeden denkenden und verantwortungsbewussten Menschen graust.“

Saskia verzog leicht das Gesicht. „Ja, die Idee ist sicher gut und wir verkaufen seither auch mehr. Allerdings ist der Mehraufwand schon heftig. Ich stehe am Morgen mal flott ein bis zwei Stunden länger in der Küche und zu Mittag muss ich schon wieder für Nachschub sorgen. Außerdem ist es im Sommer für einen allein kaum zu schaffen, wenn die Massen antraben, die von den Kreuzfahrtschiffen ausgespuckt werden.“

Maurizio schüttelte sich. „Erwähn diese Kästen nicht. Jeder hier in Venedig hasst sie. Trotzdem müssen wir zwangsweise mit ihnen leben.“

Seine Frau nickte zustimmend. „Ja, und jetzt haben wir sogar noch einen kleinen Vorteil gegenüber den Restaurants oder Cafés. Bei uns kommen die Kreuzfahrer auf ihrem Weg zur Rialtobrücke vorbei und etwas frisches Obst oder ein kühler Smoothie ist ihnen dann meist willkommen. Aber die Gastronomie geht leer aus. Die werden alle auf ihren Kähnen mit All-you-can-eat abgefüttert. Da weiß doch keiner die feine, elegante, venezianische Küche zu schätzen.“

„Sekunde, wenn ihr mit dem Obstladen so eingespannt seid, dann lasst mich bitte helfen.“ Sophia sah sofort, dass Saskia schon den Mund öffnete, um zu protestieren, daher fuhr sie rasch fort. „Ich weiß sehr wohl, dass ihr das reizende Zimmer, das ich belagere, normalerweise über Bed & Breakfast anbietet und so etwas dazuverdient. Ich habe ja jetzt schon ein schlechtes Gewissen. Also lasst mich bitte einen Teil beitragen. So ganz nebenbei tut mir ein wenig Ablenkung sicher gut.“

Saskia klappte ihren Mund kurzfristig wieder zu und man konnte deutlich sehen, dass es hinter ihrer gerunzelten Stirn heftig arbeitete. Maurizio hingegen biss genüsslich in ein Brötchen. Sophia kannte das schon von ihm. Die Entscheidungen seiner Frau stellte er so gut wie nie in Frage.

„Na gut, aber wirklich nur ein wenig, hast du mich gehört, Sophia? Nur zwei Stunden am Dienstag und am Donnerstag, am besten um die Mittagszeit, wenn es dort rundgeht. Dann kann ich mich hier um den Schreibkram kümmern, den ich sonst am Abend erledigen müsste. Damit wäre uns allen geholfen, da wir dann am Abend auch etwas Zeit für unseren lieben Gast aus Deutschland haben, nicht wahr?“

Wie sehr hatte ihr das schelmische Lächeln der Freundin gefehlt. „So habe ich das zwar nicht geplant, denn ich wollte euch schon zu eurer Entlastung unterstützen, aber es ist ein Anfang.“ Zufrieden schloss sie Saskia in die Arme.

Es war bereits kurz vor Mitternacht, als sie Saskia dabei half, abzuspülen und die Küche aufzuräumen. Während die Freundin abtrocknete und das Geschirr verstaute, das nicht in die Spülmaschine durfte, putzte Sophia bereits die Arbeitsflächen blitzblank.

„Sophia, ich hab dich noch gar nicht gefragt, wie deine Anreise verlaufen ist. Hast du gleich hergefunden?“

„Wie man es nimmt.“ So ausführlich wie möglich berichtete sie von ihrer durchaus interessanten Ankunft in Venedig.

„Romano?“

„Saskia, lass das. Er hat mich hierhergebracht und für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich ihn wiedersehe, werde ich mit ihm auf seinem Boot eine Nachtfahrt durch Venedig unternehmen. Das war es!“

„Ach ja? Romano also. Sagtest du, er sei gutaussehend?“ Die Stimme der Freundin klang einen Hauch zu unbeteiligt.

Seufzend hängte sie das Tuch, mit dem sie die Tischplatte getrocknet hatte, an einen Haken an der Wand. „Ja, sagte ich. Aber das hat nichts zu bedeuten.“

„Nein, ganz bestimmt nicht.“

„Saskia! Hörst du sofort damit auf, bitte? Auf der Stelle!“

Die stellte mit sehr breitem, unverfroren zufriedenem Lächeln den letzten Tonkrug in den Küchenschrank und hing das Trockentuch ebenfalls auf. „Und schon bin ich still.“

Maurizio, der früh aus den Federn musste, hatte sich bereits verabschiedet. Saskia schloss die Haustür sorgfältig ab, kontrollierte die Hintertür und stapfte dann gemeinsam mit Sophia die Treppe nach oben. Dort umarmten sie sich und Sophia bat die Freundin noch, sie rechtzeitig zu wecken, falls sie verschlafen sollte.

„Mein Gott, Sophia, relax doch bitte. Erhol dich erst einmal von dem ganzen Mist, dann kannst du langsam wieder zur Normalität übergehen. Wann auch immer das dann sein wird, okay?“ Saskia drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange und wandte sich zur Schlafzimmertür um. Als sie diese geöffnet hatte, hörte Sophia sie leise lachen: „Romano! Ich bin ja neugierig.“

Das konnte noch heiter werden.

Ein Traummann zum Dessert

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