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1. Das Wort

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Gattung

Der Begriff der literarischen Gattung ist mehrdeutig. Er bezeichnet sowohl die traditionellen drei Großbereiche der Literatur – die „Gattungen“ oder „Hauptgattungen“ Lyrik, Epik, Drama – als auch die in diesen Großbereichen einbegriffenen Bereiche geringeren Umfangs, also im Fall des Dramas auch die „Gattungen“ oder „Untergattungen“ Tragödie (bzw. Trauerspiel) und Komödie (bzw. Lustspiel). Darüber hinaus werden nun freilich auch noch die verschiedenen Spielarten dieser „Untergattungen“ als Gattungen bezeichnet, Spielarten, die – wie zum Beispiel die Posse oder der Schwank – sich im Laufe der Zeiten herausgebildet haben und die dann einer der Untergattungen, in diesem Fall eben der Komödie, zugeordnet werden. Die Untergattungen und vor allem deren Spielarten werden zwar heute immer öfter als „Textsorten“ bezeichnet – mit Blick vor allem auf neuere literarische Entwicklungen und im Sinne eines erweiterten Begriffs von Literatur, der auch nichtliterarische Texte wie etwa Brief oder Reportage mit einschließt und keine Hierarchie der Gattungen mehr kennt. Dennoch wird man bei der Komödie angesichts ihrer Geschichte am besten von der – neben der Tragödie – zweiten zentralen dramatischen Gattung (also der zweiten Untergattung der Gattung Drama) sprechen.

Komödie als literarische Gattung

Die Komödie als literarische Gattung ist eine Klassifikation natürlich für literarische Texte. Tatsächlich aber findet der Begriff der Komödie, um den es hier geht, Verwendung nicht nur im Zusammenhang mit literarischen Texten; er begegnet vielmehr ebenso in den Bereichen des Theaters und von Film und Fernsehen. Und das nicht von ungefähr. Fragt man nämlich nach den Anfängen der Komödie als einer literarischen Gattung, so gelangt man unvermeidlicherweise zu der Kunstform des Theaters, in der das im engeren Sinne Literarische durchaus eine bedeutende Rolle spielt, aber doch nur in der Verbindung mit anderen, ebenfalls wichtigen Kunstarten.

Theater

Das Theater, genauer: unser abendländisches Theater hat seine Ursprünge im antiken Griechenland des sechsten und fünften Jahrhunderts v. Chr., und zwar in den kultischen Festen zu Ehren des Gottes Dionysos. Aus dem Vortrag von Chorliedern, den so genannten Dithyramben – Kultliedern zu Ehren des Dionysos (Zimmermann 2006, 16) –, entwickelt sich ein theatrales Spiel in der Form zuerst der Tragödie und später der Komödie. Grundlegend für dieses Spiel sind ein Chor, der, begleitet von einem Flötenspieler, singt und tanzt, und der Auftritt von bis zu vier Schauspielern (unter Umständen in mehreren Rollen). Das Spiel lebt vom Zusammenwirken von Musik, Tanz und gesprochenem Wort. Von der Musik und dem Tanz wissen wir wenig. Erhalten ist im Wesentlichen nur das Wort in Gestalt der Dramentexte – soweit diese eben erhalten sind. Wir haben daher Mühe, uns zu vergegenwärtigen, dass der Tragödiendichter Aischylos „dafür berühmt“ war, „daß er zahlreiche neue Tanzfiguren für seine Chöre erfand“, und dass Euripides, von dem die meisten Tragödien überliefert sind, „besonderen Ruhm als Komponist“ genoss, so dass nicht Sentenzen aus seinen Texten, sondern „seine Lieder und Arien in aller Munde waren“ (Blume 1991, 2).

Mit den Texten hat sich freilich auch die Etablierung zweier zentraler Untergattungen des Dramas, eben der Tragödie und der Komödie, erhalten. In der Antike ebenso wie dann von der Renaissance an, also von der Wiederentdeckung der Antike an, bis ins 19. Jahrhundert werden Tragödie und Komödie als ein Gegensatzpaar gesehen. Sie werden daher im Ganzen und in zahlreichen Details regelmäßig miteinander konfrontiert und voneinander abgegrenzt. Diese Entgegensetzung wird übrigens nicht dadurch beeinträchtigt, dass – zusätzlich zu den dramatischen Hauptgattungen – auch noch Mischformen aus ihnen beiden („Tragikomödien“) auftauchen.

Der Begriff der Komödie

Im Gegensatz zur ernsten Tragödie ist die Komödie diejenige Dramengattung, in der es scherzhaft-heiter zugeht. Das deutet schon der Begriff „Komödie“ an, der von dem griechischen „komodós“, dem „Kómos-Sänger“, abgeleitet ist. Ein „kómos“ ist ein ausgelassener Umzug beim Dionysosfest (vgl. Eder 1974, 20). Von dem Begriff der Komödie wird dann wiederum der des Komischen (und der Komik) abgeleitet, der nun freilich auch das Komische als ein Lebensphänomen – jenseits von Theater und Literatur – bezeichnet. Schon diese begrifflichen Verhältnisse lassen erkennen, dass die Dramengattung „Komödie“ und das Lebensphänomen des Komischen zwei verschiedene Dinge sind, die sich nicht einfach von dem jeweils anderen her bestimmen lassen.

Die lateinische Entsprechung zu dem griechischen Begriff, nämlich „comoedia“ und später „comedia“, erhält sich durch das Mittelalter hindurch. Allerdings findet der Begriff besonders vom 13. bis zum 15. Jahrhundert Verwendung vor allem für erzählende Werke. Denn die Stücke des römischen Komödiendichters Terenz sind zwar noch bekannt, aber sie werden als reine Lesetexte aufgefasst. Dabei – und das ist für uns heute schwer nachvollziehbar – werden die formalen Charakteristika eher übergangen, insbesondere wird die dialogische Gestaltung nicht als ein für die Komödie spezifisches Gattungsmerkmal aufgefasst (vgl. Suchomski 1979, 18 u. pass.). So kommt es, dass im frühen 14. Jahrhundert Dante sein großes Epos (abgeschlossen vor 1321) – aufgrund des glücklichen Ausgangs und der Verwendung der Volkssprache Italienisch statt des Lateinischen – noch als „Komödie“ bezeichnen kann, was dann die Nachwelt zu der Titelprägung Divina Commedia, Göttliche Komödie veranlasst hat.

Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts setzt sich die Begrenzung des Begriffs „Komödie“ auf dramatische Texte wieder durch. Und die Komik als ein komödienspezifisches Element, das die Abgrenzung der Komödie vom ernsten Drama und von der Tragödie erleichtern kann, das aber im Mittelalter eher vernachlässigt worden ist, rückt wieder vermehrt ins Zentrum (Bareiß 1982, 346–351), wenngleich nicht durchgehend und nicht als ein Hauptkriterium. Im 16. Jahrhundert gelten vielmehr in Italien auch solche Stücke als Komödien, in deren Vordergrund pathetische und rührende Personen stehen („commedia“). In Spanien werden zur gleichen Zeit auch ernste Dramen, die Komisches auf einzelne Passagen mit lustigen Personen beschränken, als Komödien („comedia“) eingestuft. In Frankreich können die Komödien auch ernsten Inhalts sein („comédie“). Auch die elisabethanischen „comedies“ sind nicht auf Komik zentriert, sondern verlangen ein „end in peace“ bzw. „merry end“ (Bareiß 1982, 493).

Deutschsprachiger Raum

Im deutschsprachigen Raum begegnen „comedia“, „comedie“, „comedi“ (auch hier mit der Betonung auf der zweiten Silbe) seit dem 15. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert kann „comedia“ für den Oberbegriff „Drama“ (Spiel) überhaupt stehen, eine Begriffsverwendung, die bis ins 18. Jahrhundert begegnet und der es entspricht, die Schauspieler überhaupt als „Komödianten“ zu bezeichnen. Enger gefasst, bezeichnet „comedia“ ein „Drama mit gutem Ende“. Je nach Ausgang verwendet Hans Sachs in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Begriffe „comedi“ oder „tragedi“. Allerdings ist für ihn auch der Tod eines Bösewichts ein (im moralischen Sinne) „gutes Ende“, so dass er manche Dramen, die man heute als Tragödien verstehen würde, als Komödien ansieht (vgl. Catholy 1968, 191 A. 66). Auch in den Poetiken des Barock wird nicht durchgehend Komik verlangt. Ausschlaggebend für die Wahl der Gattungsbezeichnung ist somit auch hier nicht Thema und Gehalt des Dramas oder die Art der sei es ernsten, sei es lustigen Behandlung, sondern vor allem das Ende der Dramenhandlung.

Lustspiel

Seit dem 16. und besonders seit Mitte des 17. Jahrhunderts gewinnt der alternative Begriff „Lustspiel“ an Bedeutung, ohne dass damit der Sache nach eine Differenz ins Spiel käme. „Lustspiel“ konkurriert zunächst etwa mit „Scherzspiel“, „Schimpfspiel“, „Freudenspiel“, „ein hübsch spil“, „Kurtzweilig Spiel“, „Singe- und Gesangspiel“ und sogar „Schaufreudenspiel“ und setzt sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch (Schrimpf 1978, 161). „Von Komödien oder Lustspielen“ überschreibt im früheren 18. Jahrhundert Johann Christoph Gottsched den entsprechenden Abschnitt in seiner Poetik Versuch einer Critischen Dichtkunst vor [= für] die Deutschen (datiert auf 1730), indem er beide Termini als Synonyme einstuft (und in dem Abschnitt selbst überwiegend von der „Komödie“ spricht). Im Ganzen freilich dominiert vorerst der Begriff „Lustspiel“: Gotthold Ephraim Lessing übersetzt bezeichnenderweise Christian Fürchtegott Gellerts Abhandlung Pro comoedia commovente (1751) mit Abhandlung für das rührende Lustspiel.

Gelegentliche Bemühungen, dennoch strenger zwischen Komödie und Lustspiel zu differenzieren – so etwa bei August Wilhelm Schlegel (vgl. Schrimpf 1978, 170–176 u. pass.) –, haben sich nicht durchgesetzt, zumal sie zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Überdies sind sie durchaus nicht wertfrei, so wenn die Komödie als satirisch und aggressiv und das Lustspiel als versöhnlich und humorvoll eingestuft wird. Derartige Bewertungen müssen eher als Ansätze zu einer Differenzierung zwischen verschiedenen Tendenzen im Bereich der komischen Dramatik gesehen werden.

Einführung in die deutsche Komödie

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