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Der Psychotherapeut

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Mittwoch, 08. Mai 2019

Die psychotherapeutische Beratungspraxis von Prof. Dr. Nicolas Devrier war noch voller als bisher. Am Schild des Hauses in Manhattan, wo er seine Beratungspraxis hatte, stand zwar, dass Beratung nur nach vorheriger Vereinbarung erfolgen würde. Aber die Menschen, die jetzt in seinem Wartezimmer saßen und standen, hielten sich nicht daran. Sie sagten seiner Sekretärin, sie würden nicht eher weggehen, bevor sie nicht mit ihm gesprochen hätten. Das setzte ihn unter großen Zeitdruck.

Auch sein Angebot, dass sie am nächsten Tag einen Termin bekommen würden, bewog die wartenden Ratsuchenden nicht, sein Angebot anzunehmen. Es wäre für ihn auch sehr schwierig gewesen, sein Versprechen zu erfüllen. Seine psychotherapeutische Praxis war für Monate im Voraus mit Patienten ausgebucht, die seiner Hilfe bedurften.

In den letzten drei Tagen hatte er aufgrund des Ansturms von neuen Patienten, die meist nur einmaligen Rat suchten, die Termine für seine Langzeitpatienten mit deren Einverständnis hinausgeschoben, um sich neue Zeitfenster zu schaffen. Und er arbeitete nun bis 8 p.m. statt bisher nur bis 5 p.m.

Auch seine Langzeitpatienten, deren Probleme er zu kennen schien, klagten über neue Probleme. Es zeigte sich, dass sie ganz plötzlich unter ihrer sündhaften Vergangenheit litten. Sie klagten über quälende Gedankenbilder, die wie Filme durch ihr Bewusstsein liefen. Sie hatten Kopfschmerzen und Schmerzen im Solarplexus, was sie alle für Magenschmerzen hielten. Sie hatten auch die körperlichen und seelischen Schmerzen, die sie anderen Menschen zugefügt hatten.

Professor Dr. Nicolas Devrier war Spezialist für Transpersonale Psychotherapie und für Christliche Psychotherapie. Er hatte zunächst an verschiedenen Universitäten, zuletzt an Harvard, Psychologie und Psychotherapie studiert. Nach seinen Studien hatte er sich mit einer psychotherapeutischen Beratungspraxis in Boston selbständig gemacht mit dem Schwerpunkt auf Verhaltenstherapie. Er verdiente damit genug, um gut leben zu können.

Seine Ergebnisse mit Patienten machten ihn jedoch unzufrieden. Es gab nur geringe Erfolge in der Größenordnung von etwa 25 bis 27 Prozent seiner Patienten, denen er zur Heilung von ihren psychischen Problemen verhelfen konnte. Seine Gespräche mit Kollegen ergaben, dass auch sie nicht bessere Erfolge vorzuweisen hatten.

Deshalb machte er sich auf die Suche nach besseren Beratungskonzepten. Er gab seine Beratungspraxis wieder auf und studierte drei Jahre lang in Paris an der Sorbonne Transpersonale Psychotherapie und Christliche Psychotherapie und promovierte in der Disziplin Transpersonale Psychotherapie. Die Transpersonale Psychotherapie bezieht in ihr Therapiekonzept die religiöse und spirituelle Ebene der Psyche mit ein. Sie sieht den Menschen als materielles und spirituelles Wesen, als Ganzheit von Körper, Seele und Geist.

Devrier hatte sich seine langjährigen Studien finanziell leisten können, weil sein Vater in Boston einen florierenden Handel mit Autoteilen betrieb. Daneben hatte sein Vater noch eine Fabrik für die Herstellung von Küchengeräten. Sein Vater entstammte einer alten französischen Hugenottenfamilie, die den Namen de Vrière trug. Vor dem Zweiten Weltkrieg war sein Großvater mit seiner Frau nach Amerika ausgewandert. Er hatte dort seinen Namen in Devrier abgeändert, damit man den Namen leichter aussprechen konnte.

In Amerika hatte er ein Unternehmen zur Herstellung für Küchengeräte gegründet, das mit der Zeit immer erfolgreicher wurde. Als sein Vater Frederic als einziger Sohn und als einziges Kind das Unternehmen übernahm, erweiterte er seine unternehmerische Tätigkeit auf den Handel mit Autoteilen. Dieser Geschäftszweig entwickelte sich ebenfalls sehr erfolgreich und gewinnbringend.

Nicolas war das dritte Kind von Frederic. Vor ihm wurden sein Bruder und seine Schwester geboren, die beide die Unternehmen des Vaters fortführen sollten. Nicolas hatte dagegen von Kindheit an das Interesse, anderen Menschen helfen zu wollen. Für ihn kam nur ein Beruf als Arzt oder als Psychotherapeut in Frage. Der Beruf des Arztes schied für ihn nach genauerer Prüfung aus, weil dieser Beruf zu mechanistisch ist.

Die Arbeit eines Arztes hat überwiegend strikten Regeln zu folgen. Von dem universitären Wissen, der so genannten Schulmedizin, darf nicht abgewichen werden, wenn der Arzt seine Approbation nicht verlieren will. Ein Psychotherapeut war dagegen viel freier in der Auswahl seiner Beratungsmethoden. Er konnte von einer Vielzahl von Methoden Gebrauch machen, in Abhängigkeit von der psychischen Störung seiner Patienten. Auch alternative Heilweisen als psychologische Konzepte waren zulässig.

Während seiner psychologischen Studien im Ausland hatte Devrier immer Kontakt zu seiner früheren Universität in Boston gehalten. Sein ehemaliger Professor in Boston war inzwischen zur New York University gewechselt. Er sollte dort als Dekan eine neu gegründete psychotherapeutische Fakultät aufbauen. Für diese neue Fakultät wurde ein Professor gesucht für Transpersonale Psychotherapie.

Für Devrier war das eine große Chance gewesen. Er konnte seine in der bisherigen Praxis erworbenen Erfahrungen an Studenten weitergeben und dazu das während seiner Studien in Frankreich erworbene Wissen. Er hatte das Angebot mit Freude angenommen und war nach New York City an die dortige Universität gegangen. Im Verlaufe von drei Jahren hatte sich jedoch gezeigt, dass das Interesse der Studenten an der Transpersonalen Psychotherapie relativ gering war. Das hatte ihn entmutigt.

Zuletzt hatte es im Direktorium der New York University Überlegungen gegeben, die Abteilung für Transpersonale Psychotherapie wegen zu geringer Nachfrage der Studenten wieder zu schließen. Devrier kam einer Kündigung zuvor und machte sich in New York selbständig mit einer eigenen psychotherapeutischen Beratungspraxis in Manhattan, die er nun seit 3 Jahren betrieb.

Professor Devrier war ein schlanker und großer, gut aussehender Mann von kräftiger Gestalt. Er hatte neben seiner beruflichen Tätigkeit immer etwas Sport getrieben. Für ausgedehntes Jogging hatte er meist keine Zeit, sodass er seine Fitness im Fitness-Studio aufrechterhalten musste. Er war jetzt 42 Jahre alt. Er war in der New Yorker Gesellschaft ein begehrter Junggeselle.

In den letzten Jahren hatte er drei eher kurze Liebesbeziehungen gehabt, die sich aber nicht als tragfähig für ein längeres gemeinsames Leben erwiesen hatten. Die Vorstellungen der Frauen waren zu oberflächlich und erwiesen sich als zu wenig übereinstimmend mit seinen Lebenszielen. Im Mittelpunkt seines Lebens stand sein Beruf, der ihn voll ausfüllte.

Nach Eröffnung seiner privaten Beratungspraxis in Manhattan hatte Devrier bereits in sehr kurzer Zeit wachsendes Interesse bei Menschen der verschiedensten Gesellschaftsschichten erweckt. Seine psychotherapeutische Methodik und seine Erfolge hatten sich schnell herumgesprochen. Die meisten Menschen hatten mit der konventionellen Psychologie und Psychotherapie keine guten Erfahrungen gemacht.

Devrier konnte sich über einen Mangel an Patienten nicht beklagen. Er musste sogar vielfach Interessenten abweisen oder konnte ihnen nur sehr späte Termine anbieten. Sein kleines Unternehmen brachte ihm auch ein weit überdurchschnittliches Einkommen ein, was ihm aber nicht so wichtig war.

Devrier pflegte einen relativ bescheidenen Lebensstil. Für ihn stand sein Lebensziel immer im Vordergrund, den Menschen helfen zu wollen. Leitschnur seines Handelns war aber auch der biblische Grundsatz, dass eine gute Arbeit eines guten Lohnes wert ist.

Während seiner Tätigkeit als Professor an der New York University hatte er seine im Ausland erworbenen neuen Fähigkeiten der Transpersonalen Psychotherapie weiter entwickelt. Er hatte darüber eine Reihe von Aufsätzen in Fachzeitschriften veröffentlicht. In den USA galt er als Spezialist für diese psychotherapeutische Disziplin. Er stand auch weiterhin im Kontakt mit Professoren von der Sorbonne in Paris. Der Austausch von Erfahrungen und Konzepten mit diesen ehemaligen Professoren war hilfreich für die Beratung seiner Patienten.

Mit der Anwendung seiner neuen Kenntnisse in seiner psychotherapeutischen Beratungspraxis hatte sich seine Erfolgsquote von früher nur maximal 27 Prozent dramatisch auf etwa 60 Prozent verdoppelt. Das stellte ihn sehr zufrieden.

Seine Kollegen, mit denen er über seine weit überdurchschnittlichen Erfolge sprach, glaubten ihm seine Erfolgsquote nicht. Sie führten seine Erfolge auf besondere Umstände zurück. Sie waren aber nicht bereit, von seinen Erfahrungen zu lernen. Dann hätten sie ihre eingeübten und gewohnten Vorgehensweisen ändern müssen. Das hielten sie für unnötig, da sie doch auch mit ihrer weniger erfolgreichen Beratung viel Geld verdienten.

Ein Kernpunkt seines Beratungskonzeptes war für Devrier die Vergebung, wie sie das Vaterunser in der Bibel vorsieht. Hilfreich waren für ihn noch verschiedene wissenschaftliche Studien zur Vergebung, die in der Vergangenheit in den USA durchgeführt worden waren. Ebenso gab es Studien in Frankreich und Deutschland, die sich mit der Vergebung beschäftigt hatten.

Ein Ergebnis dieser Studien war, dass sich jemand vor allem selbst schadet, wenn er anderen nicht vergeben kann und nicht vergibt. Die Vergebung hatte ebenfalls einen positiven Einfluss in Bezug auf Gesundheit und Krankheit sowie die psychische und mentale Souveränität.

Devrier hatte deshalb schon seit Jahren seinen Patienten bei vielen Problemen mit anderen Menschen geraten, um Vergebung zu bitten und den anderen zu vergeben. Es hatte sehr häufig wie Wunder gewirkt und seine Patienten waren befreit von ihrem Problem. Oft hatte es jedoch nicht gewirkt, so dass er versuchte, ihnen mit einer Langzeitbehandlung zu helfen.

Bei allen neuen Patienten, die er neben seinen üblichen Langzeitpatienten von morgens 9 a.m. bis jetzt 8 p.m. beraten hatte, handelte es sich um Patienten, die sehr stark unter ihrem Sündhaften litten.

Am Dienstag hatten ihm erstmals einzelne Patienten berichtet, dass sie unter quälenden Gedankenbildern litten, die wie Filme in ihrem Bewusstsein abliefen. Sie hatten auch stechende Kopfschmerzen und Schmerzen in der Bauchgegend. Er hatte die Gedankenbilder für Halluzinationen gehalten.

Die Schmerzen hielt er für Anzeichen von einem grippalen Infekt. In dem Sinne hatte er seine Patienten behandelt. Für die Kopfschmerzen und Bauchschmerzen hatte er ihnen die Einnahme von Vitamin C und Aspirin empfohlen.

In Bezug auf die Halluzinationen hatte er ihnen Valium verordnet. Er hatte ihnen gesagt, dass es sich bei den Gedankenbildern wohl nur um Stresssymptome handle, die bei einer Entspannung wieder verschwinden würden. Er mochte sich nicht vorstellen, dass es sich um Wahnvorstellungen handeln könnte. Gegen Wahnvorstellungen hätte er hochpotente Neuroleptika verschreiben müssen. Es hätte dann auch längere Zeit gedauert, bis diese Medikamente wirken würden.

Mehrere Patienten hatten ihn am Dienstag auf die Botschaft aus der geistigen Welt aufmerksam gemacht, die seit Montagabend im TV-Programm von NBC zu hören war. Er hatte sich gewundert, dass jetzt sogar im Fernsehen eine Sendung über die Vergebung gesendet wurde.

Aus seiner Sicht könnte es ein Versuch von NBC gewesen sein, christlich geprägte Fernsehzuschauer an die Programme von NBC zu binden. Einer seiner Patienten bestand jedoch darauf, dass es sich hier um eine ganz besondere Botschaft gehandelt habe.

Er konnte das so nicht glauben. Was sollte schon Besonderes an dieser Botschaft sein. Das Prinzip der Vergebung war seit der Lehre des Jesus von Nazareth allen Christen allgemein bekannt. In seiner Beratungspraxis auf der Basis der Transpersonalen Psychologie und der Christlichen Psychotherapie war die Vergebung ein bedeutender Baustein. Was sollte es daran schon Neues geben?

Devrier dachte sich, dass er sich mit dieser Botschaft nicht weiter befassen müsse. Er wollte dazu aber noch die Meinung eines Kollegen einholen. Deshalb hatte er am Abend Dr. Ruby angerufen, mit dem er sich gelegentlich über neue wissenschaftliche Arbeiten unterhielt.

Auch Dr. Ruby hatte die TV-Botschaft der sich so nennenden geistigen Welt gesehen bzw. gehört. Er hielt die dort verbreitete Botschaft für einen Versuch fundamentaler Christen, ihrer Religion wieder größere Bedeutung zu geben. Für seine psychotherapeutische Praxis der Gesprächstherapie nach Carl R. Rogers habe die Botschaft aus der geistigen Welt keine Bedeutung, so sagte er.

Ein weiterer Kollege, dessen Arbeit sich auf Verhaltenstherapie stützte, maß der angeblichen Botschaft aus der geistigen Welt ebenfalls keine Bedeutung bei. Deshalb kümmerte sich auch Devrier zunächst nicht weiter um diese Botschaft.

Am späten Mittwochabend hatte Devrier eine für ihn erstaunliche und überraschende Erfahrung gemacht. Nicht nur seine Patienten litten unter ihrem Sündhaften. Auch in seinem Bewusstsein zeigten Gedankensplitter Sündhaftes in seinem Leben auf.

Er hatte es nicht für möglich gehalten, sich selbst sündhaft verhalten zu haben. Er hatte sich von seiner Kindheit an für einen guten Christen gehalten, der sich bemühte, die 10 Gebote und ethischen Regeln des Christentums einzuhalten. Deshalb maß er diesen Gedankensplittern keine Bedeutung bei. Er schob sie beiseite.

Am Morgen des Donnerstags war Devrier von vielen Gedankenbildern seines sündhaften Verhaltens in der Vergangenheit überfallen worden. Sie ließen sich nicht mehr wegschieben. Er konnte sich nicht erklären, warum er diese Gedankenbilder seines Sündhaften so quälend empfand.

Sie waren dazu noch verbunden mit heftigen Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich des Solarplexus. Er hatte gedacht, dass nur seine Patienten solche Probleme haben würden und haben könnten. Doch das hatte sich nun als großer Irrtum erwiesen.

In einer Filmszene machte ihm Sissy Max, seine damalige Mitschülerin an der Highschool in Boston, heftige Vorwürfe. Sie beschuldigte ihn, dass er sie mit seinen Buddies wegen ihrer Sommersprossen und ihrer korpulenten Figur gehänselt habe. Er habe sie immer wieder als sommersprossige Fettbombe bezeichnet.

Dick Renner, einer seiner Mitschüler an der Highschool, warf ihm in Gedankenbildern vor, ihn wegen seiner schlechten Leistungen als Versager abgewertet zu haben. Ken Wolf, sein ehemaliger Professor an der Michigan State University, die er nach der Highschool besuchte, machte Devrier in einem Gedankenfilm den Vorwurf, ihn vor anderen Studenten als Arschloch bezeichnet zu haben.

Alle diese Vorwürfe stimmten Devrier sehr traurig. Leider war alles wahr. Er hatte Professor Ken Wolf deshalb vor anderen abgewertet, weil er sich von ihm in einer Leistungsbewertung ungerecht behandelt fühlte. Als Devrier selbst Professor war, hatte er erkannt, dass Ken Wolf mit seiner damaligen Leistungsbewertung von ihm ganz richtig gehandelt hatte.

Devrier hatte sich nie Gedanken über sein früheres Verhalten gemacht. Es schien ihm ganz normal, menschlich üblich gewesen zu sein, sich über seinen Nächsten negativ zu äußern, wenn einem etwas nicht gefallen hatte.

Noch mehr als seine Jugendsünden quälten ihn in seinen Gedankenbildern die Vorwürfe seiner früheren Freundinnen in New York, mit denen er eine Liebesbeziehung gehabt hatte.

Nachdem er in der Beziehung mit jeder dieser Freundinnen nicht das gefunden hatte, was er sich vorgestellt hatte, hatte er die Beziehung freundlich beendet. Offenbar hatte er das Ende der Beziehung zu entschieden und wohl etwas zu kühl verkündet.

Er hatte ihre Vorstellungen über ein gemeinsames Leben für zu oberflächlich gehalten. In seinen Gedankenbildern warfen ihm Celia, Rose und Winnie vor, ein Egoist zu sein, dem es in ihrer Beziehung nur auf seinen eigenen Vorteil ankam.

Sie warfen ihm in diesen Gedankenfilmen vor, sich nicht in ihre Situation eingefühlt zu haben, nicht ihre Interessenlage und ihre Gefühlslage berücksichtigt zu haben. Er habe immer nur seinen Beruf und seine mit dem Beruf verbundenen Interessen als das Wichtigste angesehen. Deshalb habe er meist nur von den Problemen seiner Patienten gesprochen und wie er deren Situation beurteile.

Er habe auch von seinen Fachartikeln gesprochen und wie er damit sein Ansehen verbessern wolle. Offenbar habe er es nicht verwunden, dass er an der New York State University nicht den gewünschten Erfolg hatte.

In seinen Gedankenbildern sagten ihm die drei Frauen, dass sie von ihm etwas mehr als nur Sex haben wollten und mehr, als ihm nur zuhören zu dürfen. Sie wollten, dass er sie als eigenständige Persönlichkeit wahrnehme mit eigenen Idealen, Wünschen und Hoffnungen.

Sie hatten sich gewünscht, dass er sich für ihre Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft interessiere sowie für ihre Erlebnisse aus ihrer eigenen Arbeitswelt. Sie hätten auch sein Interesse an ihrem bisherigen sozialen Umfeld, ihrer Familie und ihren Freundinnen und Bekannten wahrnehmen wollen. Sie warfen ihm vor, nicht nur egoistisch, sondern auch lieblos gewesen zu sein.

Die Vorstellungen seiner Freundinnen hatte Devrier als oberflächliche Eigenschaften gewertet, weil sie seinen Egoismen im Wege standen. In ihren Vorwürfen sagten ihm seine früheren Freundinnen, dass sie sich verletzt fühlten.

Sie sagten ihm in seinen Gedankenbildern, dass er mit seinen egoistischen Vorstellungen niemals die Frau finden würde, die seinen Vorstellungen gerecht werden könnte. Mit seinen Vorstellungen von der richtigen Frau würde er nur eine Frau anziehen, die sich ihm voll unterwerfe, also eher seine Sexsklavin sei.

Diese Vorwürfe in seinen Gedankenbildern schockten Devrier. So hatte er sich bisher nicht gesehen. Das Urteil der drei Frauen über ihn empfand er als vernichtend. Er hatte sich immer für einfühlsam gehalten, weil er überzeugt war, dass Einfühlungsvermögen für seine psychotherapeutische Beratung wichtig ist. Wenn es ihm wichtig war, musste er zwangsläufig auch über dieses Einfühlungsvermögen verfügen. Nun zeigte sich, dass seine Schlussfolgerung falsch war.

Bei der jeweiligen Liebesbeziehung mit den drei Frauen wollte er, dass sie ihn in ihren Gefühlen und Empfindungen liebten und nicht nur auf der materiellen Ebene. Auch er hatte sich anfangs eingebildet, sie in seinen Gefühlen und Empfindungen zu lieben.

Wenn er also gegenüber den drei Frauen, deren Liebe er wollte, kein Einfühlungsvermögen hatte, wie war es dann in Wirklichkeit mit seinem Einfühlungsvermögen bei seinen Patienten bestellt? Diese Frage, die Devrier sich zwangsläufig stellen musste, schockte ihn ebenfalls.

Wo stand er als menschliches und zugleich geistiges Wesen? Wieviel Menschlichkeit und Ethik brachte er in seine Arbeit mit Patienten ein?

Welche Wirkung konnte seine Beratung bei seinen Patienten haben, wenn hinter seiner Beratung – extrem formuliert – nur Lehrbuchwissen stand? Kann Lehrbuchwissen Patienten überzeugen, ihr Leben, ihr Denken und Verhalten, zu ändern, um ihre psychischen Probleme zu überwinden? Oder brauchte es einen Therapeuten, der aus eigener Erfahrung spricht, der selbst mit psychischen Problemen gekämpft und sie überwunden hat?

Er fand so schnell keine Antwort auf die Vorwürfe der drei Frauen in seinen Gedankenbildern und auf die in ihm aufgetauchten Fragen. Er nahm sich vor, sich diesen Vorwürfen und Fragen nach seiner Arbeit zu stellen.

Devrier fiel es an diesem Donnerstag sehr schwer, sich auf die Probleme seiner Patienten zu konzentrieren. Er bemühte sich zunächst trotz seiner Schmerzen und der Abläufe seiner Gedankenbilder in seinem Bewusstsein kurze Augenblicke des Szenenwechsels in seinem Bewusstsein zu nutzen, um seine Aufmerksamkeit seinen Patienten zuzuwenden.

Obwohl es seine Eitelkeit und sein Credo verletzte, musste er sich eingestehen, dass seine Beratung an diesem Tag miserabel war.

Als er gemerkt hatte, dass er sich auf seine Patienten nicht voll konzentrieren konnte, hatte er es ihnen gesagt. Er hatte auch auf eine Bezahlung verzichtet. Er hatte ihnen erklärt, dass er heute gesundheitlich angeschlagen war und dass er hoffe, am nächsten Tag wieder fit zu sein.

Er schloss an diesem Tag seine Beratungspraxis schon um 5 p.m. Den noch nicht behandelten 3 Patienten sagte er, dass er sich nicht wohl fühle und deshalb früher aufhören müsse. Er bat sie, in der nächsten Woche wieder zu kommen.

Er ließ sein Auto in der Tiefgarage des Bürohauses stehen, in dem er seine Beratungspraxis hatte. Ihm fehlte die notwendige Konzentration, um mit dem Auto nach Hause zu fahren. Die quälenden Gedankenbilder ließen ihn nicht los.

Die drei Schmerztabletten gegen seine Schmerzen im Kopf und im Bauch hatte ihm keine merkbare Erleichterung gebracht. Deshalb ging er zur nächsten Subway-Station und fuhr mit der Metro bis zu Station Parsons Blvd in Queens, wo er in der Nähe eine komfortable und schöne Wohnung hatte.

Er brauchte an diesem Tag mehr Zeit als üblich. Üblicherweise fuhr die Metro alle 5 Minuten. Heute musste er jedoch 30 Minuten warten, bis ein Zug kam. Die Anzeigetafel zeigte, dass viele Züge ausgefallen waren.

Die New York City Transit Authority (NYCTA), entschuldigte sich bei ihren Fahrgästen für die damit verbundenen Schwierigkeiten und bat um Verständnis. Sie gelobte, das Problem kurzfristig zu lösen. Einige Tage später zeigte sich jedoch, dass die NYCTA das Problem bislang nicht lösen konnte. Es wurde noch schlechter.

An diesem Donnerstagabend sah und hörte er sich auf dem Hauptkanal von TV-NBC um 8 p.m. die so genannte „Botschaft der geistigen Welt“ an. Diese Botschaft enthielt doch einiges Neues für ihn. Devrier zeichnete die Botschaft auf einer DVD auf.

Anschließend hörte er den Text noch einmal ab. Danach ließ er das Gehörte einige Zeit auf sich einwirken. Er verstand nun, warum die Vergebung, wie er sie seinen Patienten empfohlen hatte, oft nicht die positiven Ergebnisse gebracht hatte, wie es hätte sein sollen.

Ihm ging es immer noch schlecht. Die ihn quälenden Gedankenbilder machten es ihm schwer, sich zu konzentrieren, zumal die Schmerzen nicht nachgelassen hatten. Devrier machte sich an die Arbeit. Er setzte sich in seinem Arbeitszimmer in seinen bequemen Lesesessel vor den Kamin. Der Kamin war im Mai nicht mehr beheizt, aber er vermittelte das Gefühl von Ruhe, Entspannung und Geborgenheit.

Er richtete seine Gedanken an Sissy Max, seine damalige Mitschülerin an der Highschool in Boston. Er bemühte sich, die damaligen Gefühle von Sissy nachzuempfinden, als er sie wegen ihrer Sommersprossen und ihrer korpulenten Figur verspottet hatte und sie immer wieder als sommersprossige Fettbombe bezeichnet hatte.

Seine körperlichen Schmerzen verstärkten sich. In ihm kam das Gefühl tiefer Reue hoch. Er hätte von anderen nicht so abgewertet werden wollen, wie er es mit Sissy getan hatte. Warum hatte er so gehandelt? Er wusste es nicht mehr.

Vielleicht hatte er nur mitgemacht, weil seine Freunde Sissy verspotteten. Konnte er damit seine böse Tat rechtfertigen? Ganz sicher nicht. Das in ihm aufsteigende Gefühl, Sissy zutiefst verletzt zu haben, machte ihn nicht nur betroffen. Er konnte jetzt ihre Schmerzen nachempfinden. Seine Reue verstärkte sich.

In Gedanken wandte er sich an Christus. Über Christus bat er Sissy um Vergebung. Er sagte ihr in Gedanken, dass es ihm unendlich leidtue, was er ihr angetan habe. Über Christus vergab er Sissy ihr negatives Empfinden, Denken, Reden und Handeln ihm gegenüber.

Da er nicht wusste, ob es ihr derzeit in ihrem Leben gut geht, bat er Christus um seinen Segen für Sissy. Er spürte danach ein warmes Gefühl in seiner Brust, seine Brust schien sich zu weiten. Dieses Gefühl sagte ihm, dass seine Bitte um Vergebung Wirkung gezeigt hatte. Christus hatte geholfen.

Als Nächstes konzentrierte er seine Gedanken auf Dick Renner, einen seiner Mitschüler an der Highschool, den er wegen seiner schlechten Leistungen öfter als Versager abgewertet hatte. Er fühlte sich in die damalige Situation hinein, die ihm in seinen Gedankenbildern aufgezeigt wurde.

Ihm wurde bewusst, dass auch er schmerzlich darunter gelitten hätte, wenn man ihn als Versager bezeichnet hätte. Sein Magen verkrampfte sich und er schämte sich. Er fühlte tiefe Reue in sich aufsteigen. Er hatte aus der Botschaft der geistigen Welt gelernt, dass ohne eine tiefe Reue eine Vergebung unwirksam sein würde.

Würde er also nur eine Bitte um Vergebung so vor sich hinplappern oder in Gedanken mechanistisch abspulen, dann könnte er es auch gleich sein lassen. Eine Bitte um Vergebung ohne tiefe Reue bräuchte er erst gar nicht zu versuchen. Devrier fühlte sich glücklich, dass er wirklich tiefe Reue empfand, auch wenn ihm seine Scham fast den Hals zuschnürte und er schwer zu atmen hatte.

Die Schuld, die er sich in den Fällen aufgeladen hatte, die ihm seine Gedankenbilder aufzeigten, lastete schwer auf ihm. Er fühlte sich in seinen Sessel hineingedrückt, der ihm in diesem Moment gar nicht mehr so komfortabel erschien, wie er es früher war.

Devrier wandte seine Gedanken Christus zu. Er bat Christus um Hilfe. Über Christus bat er die Seele von Dick Renner um Vergebung und danach vergab er auch Dick Renner. Er hätte Dick Renner auch gern angerufen, um ihn persönlich um Vergebung zu bitten. Stattdessen hätte er ihn auch in einem Brief um Vergebung bitten können.

Aber er wusste nicht, wo Dick Renner jetzt lebt und ob er überhaupt noch lebte. Die Vergebung über die gedankliche Kommunikation mit der Seele von Dick Renner schien hier das Mittel der Wahl zu sein.

Gedanken sind Energien und Energie geht nicht verloren. Nach so langer Zeit hätte auch die Gefahr bestanden, dass ein persönliches Gespräch mit Dick Renner in ihm wieder die alten Wunden aufgerissen hätte. Das konnte er mit der gedanklichen Kommunikation mit der Seele von Dick Renner vermeiden.

Auch nach dieser Vergebung fühlte Devrier wieder das warme Gefühl in seiner Brust und das Gefühl, dass sich seine Brust erweitert. Das machte ihn glücklich, war es doch ein Zeichen, dass seine Bitte um Vergebung wirksam war. Negative Energien waren durch den Vergebungsprozess in positive Energien umgewandelt worden. Christus hatte erneut geholfen und er dankte ihm.

Devrier machte jetzt eine kleine Pause, in der er sich einen Kaffee zubereitete. Er spürte, als er den Kaffee trank, dass seine Schmerzen etwas nachgelassen hatten. Die Gedankenbilder von Sissy Max und Dick Renner waren aus seinem Bewusstsein verschwunden. Er hatte Hunger und aß ein Sandwich. Nun hatte er wieder Kraft für die Lösung seiner Probleme.

Als Nächstes machte er den Vergebungsprozess mit Ken Wolf, seinem ehemaligen Professor. Auch hier gelang es Devrier tiefe Reue zu empfinden und in Gedanken um Vergebung zu bitten sowie zu vergeben.

Devrier befasste sich anschließend mit seinen früheren Liebesbeziehungen, mit Celia, Rose und Winnie. Bei ihnen ging er in gleiche Weise vor, wie er es vorher mit Sissy Max, Dick Renner und Ken Wolf erprobt hatte. Er nahm sich die Zeit, sich in die Schuld hinein zu fühlen, die ihm in den Gedankenbildern vorgeworfen wurde.

Ihm war klar, dass er tiefe Reue nur empfinden konnte, wenn ihn die Schuld in seinem Gemüt schmerzte. Dieser Schmerz war noch etwas anderes als die Kopfschmerzen und die Schmerzen im Solarplexus, die er schon den ganzen Tag hatte.

Als er sich bemühte, sich in die Situationen hinein zu fühlen, die Winnie während der Liebesbeziehung mit ihm erlebt hatte, begann sein Gemüt heftig zu schmerzen. Dieser Schmerz verstärkte sich noch, als er sich in die besondere Situation hineinfühlte, in der er diese Liebesbeziehung mit einigen dürren und kühlen Worten beendet hatte.

Er atmete schwer und rang nach Luft. Sein Brustkorb war wie zugeschnürt. Er verstand nun, wie abwertendes Empfinden, Denken, Reden und Handeln, aber auch Lieblosigkeit, einen anderen Menschen in dessen Selbstwertgefühl tief verletzen können. Er konnte nun nachempfinden, wie sich dieser Mensch fühlt, was er empfindet.

Devrier erkannte, dass er mit seinem negativen Verhalten nicht nur im Äußeren eine Trennung herbeigeführt hatte, sondern auch eine Trennung auf der seelischen Ebene. Er empfand tiefe Reue. Er wandte sich wieder an Christus und bat um Hilfe. Dann machte er sich die positiven Eigenschaften von Winnie bewusst.

Er segnete sie und sandte ihr unpersönliche liebevolle Gedanken zu. In Gedanken bat er Winnie um Vergebung und er vergab auch ihr. Er fühlte nach innen. Erneut zeigte sich das ihm inzwischen schon vertraute warme Gefühl in der Brust mit dem Gefühl der Erweiterung. Das tat wirklich gut. Er dankte Christus für die Hilfe.

Anschließend machte er den Vergebungsprozess in gleicher Weise mit Celia und Rose. Danach war er ziemlich erschöpft. Die Gemütswallungen, die er bei den verschiedenen Vergebungsprozessen erlebt hatte, hatten in ihm deutliche Spuren hinterlassen.

Aber die Gedankenbilder waren verschwunden, ebenso seine physischen Schmerzen. Er ging zu Bett. Ein tiefer Schlaf schenkte ihm in der Nacht die Kraft für den neuen Tag, an dem viele Patienten seine Hilfe brauchten.


Das FBI gegen die Macht des Gebets II

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