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AUFERSTEHUNG

7. Das Grab des Gekreuzigten war nicht leer1

Die Auferstehung Jesu von den Toten ist von der Urkirche bis heute zentraler Inhalt des christlichen Glaubens. Was aber ist unter Auferstehung zu verstehen? Die von ihr handelnden Texte des Neuen Testaments lassen sich in drei Klassen einteilen: Ostererzählungen, die den auferstandenen Jesus in Gegenwart seiner Jünger zeigen; Geschichten vom leeren Grab und Bekenntnisformeln, denen zufolge Jesus von Gott auferweckt wurde oder den Jüngern erschienen ist.

Einem großen wissenschaftlichen Konsens zufolge sind die Erzählungen der Evangelien über den auferstandenen Jesus historisch wertlos. Sie formen nämlich sekundär den Gemeindeglauben aus, der in den Bekenntnisformeln seinen primären Niederschlag gefunden hat.

Jede kritische Beschäftigung mit der Auferstehung Jesu wird daher bei den Bekenntnisformeln einsetzen und von dort aus auch den historischen Wert der Grabesgeschichten prüfen.

Der Apostel Paulus zitiert im ersten Brief an die Korinther, Kapitel 15, Verse 3–5, eine Bekenntnisformel, die er als Teil christlichen Unterrichts in den dreißiger Jahren gelernt hat: »Christus starb für unsere Sünden nach den Schriften und wurde begraben, er ist am dritten Tag auferweckt worden nach den Schriften und erschien dem Kephas (= Petrus), dann den Zwölfen.« Nach der Aufzählung weiterer Auferstehungszeugen betont Paulus, dass Christus auch ihm erschienen sei.

In dieser katechetischen Tradition geht es um einen doppelten »Beweis«: einerseits aus den Schriften, auf die jedoch nur allgemein verwiesen wird, und andererseits aus einer bestätigenden Tatsache. Dabei bekräftigt die Aussage über das Begräbnis Jesu seinen Tod und die Aussage über die Erscheinung vor Kephas die Auferstehung. Die Erscheinung vor Kephas ist offenbar der Grund für das Bekenntnis: »Jesus ist auferweckt worden« beziehungsweise »Gott hat Jesus von den Toten erweckt«.

Das von Paulus zitierte Credo, das in die allererste Zeit der Urkirche hinabreicht, liefert eine wichtige Einsicht: Auslöser des Auferstehungsglaubens war eine Erscheinung, ein »Sichtbar-Werden« Jesu vor Kephas. Das heißt: Kephas hat Jesus in einer Vision gesehen. Eine Vision ist ein Vorgang im menschlichen Geist und Produkt der eigenen Vorstellungskraft, obwohl Visionäre es regelmäßig anders einschätzen. Sie empfangen von außen Bilder, die Vision wirkt auf sie mit der vollen Kraft einer objektiven Tatsache.

Demgegenüber schildern die Grabesgeschichten den Beginn des Ostergeschehens ganz anders: Frauen hätten das Grab Jesu leer aufgefunden. Der älteste Bericht davon steht im Markusevangelium, Kapitel 16, Verse 1–8. Er besteht aus drei Teilen: Die Frauen sind zunächst auf dem Wege zum Grab, dann im Grab, und schließlich fliehen sie vom Grab. Sie hatten im leeren Grab einen engelhaften Jüngling getroffen, dessen Verkündigung den Mittelpunkt der Geschichte bildet: »Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten; er wurde auferweckt, er ist nicht hier.«

Die Botschaft des Jünglings setzt das Credo der Auferweckung Jesu voraus, das sich bereits bei Paulus findet. Daraus wird nun aber gefolgert, dass Jesus »nicht hier« ist. In dem damit erbrachten Beweis für die körperliche Auferstehung Jesu spiegelt sich die Tatsache wider, dass die Verkündigung der Auferweckung Jesu durch die Jünger die Frage nach dem Verbleib seines Leichnams geradezu provozierte. Das Matthäusevangelium berichtet von dem Gerücht, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Auch die älteste Grabesgeschichte ist demnach eine Ausformung des Glaubens an die Auferweckung Jesu und ihm gegenüber chronologisch nachgeordnet.

Es bleibt also dabei: Der Osterglaube wurzelt den ältesten Traditionen zufolge in einer Erscheinung Jesu vom Himmel her und nicht in der Entdeckung eines leeren Grabes oder gar in der Begegnung mit einem wiederbelebten Leichnam, wie ihn die Ostererzählungen der Evangelien zeichnen. In diesen verzehrt Jesus vor den Augen der Jünger Fisch und Brot, fordert sie auf, ihn zu berühren, und kehrt erst 40 Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel zurück.

Blicken wir auf die Hinrichtung Jesu zurück, so ist sicher: Der Tod Jesu war ein Schock für die Jünger. In sehnsüchtiger Hoffnung auf das Reich Gottes hatten sie sich gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem begeben. Dessen Kreuzigung schien ihre Hoffnungen zu zerstören, durch die Ostererscheinungen wurden sie noch übertroffen. Petrus hatte Jesus lebendig gesehen. Damit war der Inhalt der Vision den anderen vorgegeben. Die Erstvision des Kephas wirkte förmlich ansteckend, ihr folgten unmittelbar weitere, bis schließlich auch Paulus, der Jesus nicht einmal persönlich gekannt hatte, eine Christusvision empfing.

Der älteste Osterglaube begann als Schau des bei Gott befindlichen Jesus. Dieses Phänomen haben wir bereits mehrfach »Vision« genannt, denn Jesus blieb tot. Der auferstandene Jesus existierte nur in den Fantasien seiner Anhänger. Jedoch griff er den Jüngern zufolge unaufhörlich in die Geschichte ein, stattete sie sogar mit dem Mandat zur Sündenvergebung aus und sandte sie in alle Welt. Der Auferstandene besaß eine ungeheure Stärke und teilte seine Allmacht mit den Seinen. Hier reicht der Begriff »Vision« zur Beschreibung nicht mehr. Das zugrunde liegende Phänomen weitet sich zur Halluzination. Und die behauptete Auferweckung Jesu durch Gott wird zum Auferstehungswahn.

Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, führt die Einsicht in den ältesten christlichen Auferstehungsglauben unweigerlich zur Kritik an diesem Glauben. Denn Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt, obwohl Christen es bekennen und die Kirche darauf gebaut ist. 2000 Jahre lang übte der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu eine ungeheure Wirkung aus. Sie erweist sich nun als eine Selbsttäuschung von welthistorischem Ausmaß.

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