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Samstag 04. August

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Ein geruhsames Frühstück mit seiner Frau wollte er sich am Samstagmorgen nicht entgehen lassen. So erschien er erst um elf Uhr im Büro. Frau Bremer hatte ihm die gewünschten Adressen der Autobesitzer auf den Schreibtisch gelegt. Von den elf Kennzeichen einfielen zwei auf Borken, eines auf Coesfeld, ein polnisches Kennzeichen. Der Rest war in Recklinghausen zugelassen, wie zu erwarten war. Die Adressen der Fahrer waren einmal nach Namen und einmal nach Stadtteilen sortiert.

»Tolle Arbeit«, murmelte er vor sich hin, griff in seine Tasche und kramte ein Lakritz hervor, tauschte es jedoch gehorsam gegen ein Bärchen. Er drückte auf Hallsteins Kurzwahl. Zu seiner Verblüffung war der Mann im Büro.

»Moin, Herr Hallstein. Hätten Sie ein paar Minuten für mich oder sind Sie beschäftigt?«

Er hatte es nicht weit.

»Guten Morgen, Herr Berendtsen. Was liegt an?«

»Schön, dass sie an einem so strahlend schönen Samstagmorgen im Büro sind. Sie hätten sicher auch etwas anderes zu tun. Weshalb ich sie sprechen möchte: es stand ein Wagen mit polnischem Kennzeichen auf dem Parkplatz. Frau Barami war Polin. Außerdem hat Schmidt DNA von ihrem Bruder gefunden. Ich glaube nicht, dass der Vater hier war.«

»Ich habe den Bericht vorliegen. Deshalb bin ich heute hier. Mein Schwiegervater ist gebürtiger Pole. Wir haben mit den Behörden in Breslau gesprochen. Der Wagen ist dort auf einen Andreaz Barami zugelassen.«

»Das deutet darauf hin, dass er sich hier aufhält, zumindest hier war. … Aber wo? …«

»… und seit wann? Warum holt er seit Tagen den Wagen nicht ab? Hat er Angst?«

»Warum sind die Kolleginnen der Toten nicht aufgetaucht? Stehen sie unter Verdacht?«

»Auf meinem Weg hierher habe ich eine kleine Rundfahrt über den Parkplatz unternommen. Der Wagen stand wie er stand. Auch die Wohnwagen der Kolleginnen waren verwaist. Das Wohnmobil der Barami war abgeholt. Die KTU wollte sich darum kümmern. Sie wollen noch einmal alles auseinandernehmen. Hoffentlich haben sie Glück. Wir müssen uns leider eingestehen: wir haben nach drei Tagen so gut wie nichts.«

Hallstein öffnete die neu angekommene Mail auf seinem Handy. »Etwas haben wir«, meldete er freudig und zeigte seinem Kollegen das eingetroffene Bild. »Das ist das Passfoto von Jan Barami, dem Besitzer des polnischen Skoda vom Parkplatz. Adressdaten und Geburtsdatum sind auch mitgeliefert. Jetzt müssen wir ihn nur noch finden.«

»Gute Arbeit, Hallstein.« Berendtsen erhob sich von einem Sessel und klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Sagen Sie ihrem Schwiegervater vielen Dank. Er hat uns sehr geholfen.« Berendtsen setzte sich wieder und wies Hallstein den anderen Sessel zu. »Sagen Sie mal, Hallstein, was halten sie von der Theorie … Ich will mal so anfangen …

Die drei Mädchen, Weiss, Glissow und unsere Tote kommen alle drei aus Polen. Ich setze den Fall, sie kannten sich schon, bevor sie hier ihr Geschäft angefangen haben. Das Auto des Bruders, dessen DNA in dem Wagen der Toten gefunden wurde – zunächst einmal nichts Besonderes, wenn ein Bruder seine Schwester besucht –, steht mindestens seit der Tatnacht auf dem Parkplatz und wird nicht abgeholt. Die drei Kennzeichen waren abmontiert und dann die gelben Pillen, die einzeln verkauft werden …«

»Sie meinen, dass alle vier, die beiden Brüder und die Weiss sowie die Glissow, gemeinsame Sache gemacht haben? Vielleicht mit den Pillen? Die Wirkung passt doch ins Milieu«, ging Hallstein auf seine Überlegungen ein.

»Genau.«

»Wenn der Bruder dahintersteckt -, warum hat er dann sein Kennzeichen am Wagen gelassen? Wie hat er sich vom Tatort entfernt? Offensichtlich hat er mit der Tat selbst nichts zu tun. Dann wäre er mit seinem Wagen gefahren.«

»Genau. Er hat seiner Schwester einen Besuch abgestattet – aus welchem Grund auch immer – und ist dann mit einem … ›Kollegen?‹ fort.« Berendtsen schrieb Anführungszeichen in die Luft. »Seltsam ist, dass der Wagen mindestens seit der Tatnacht dort steht.«

»Wissen wir genau, seit wann der Wagen dort steht?«

»Unter dem Wagen ist es trocken. Laut Auskunft Herrn Wagners, fing es um Viertel vor Sieben an zu regnen. Da stand also der Wagen schon auf genau dem Platz. Er glaubt sogar, der Wagen steht schon länger dort.«

»Und der Bruder war nicht da, denn im Wohnmobil saß ein anderer. Wahrscheinlich der Täter. Dieser Wagner hat einen kräftigen Mann gesehen. Wie das Passfoto zeigt, ist der Bruder eher schmaler.«

»Wie alt ist das Foto?«

Hallstein sah auf seinem Handy nach. »Ausgestellt ist der Pass am 20.02.2015. Wie alt das Bild ist … aber alte Fotos berücksichtigen die Leute am Amt nicht. Das wird in Polen nicht anders sein.«

»Wissen Sie, wie alt der Junge ist?«

»Dreißig. Die Daten des anderen Bruders kommen am Montag. Das Meldeamt ist heute zu. Von der Polizei aus können sie dort nicht auf die Daten des Melderegisters zugreifen.«

Berendtsen erhob sich. »Lassen wir es für heute genug sein. Ich bin mit der Arbeit zufrieden. Erst hatten wir nichts – jetzt haben wir etwas – und eine Theorie, mit der wir etwas anfangen können. Wir sehen uns am Montag?«

»Bis dann.«

Berendsen trug die Ergebnisse in seine App ein, die er selbst programmiert hatte. Vor zwei Jahren hatte er begonnen, sich in die Sprachen der Smartphones und Tablets einzuarbeiten. Zunächst hatte er eine Kontakte-App programmiert, aus der heraus er auch E-Mails schreiben konnte. Er brauchte sie nie, denn die App seines iPhones war viel umfangreicher. Aber er war stolz, dass sie funktionierte. Jetzt war er dabei, in seiner Freizeit, wenn seine Frau mit ihrer Malerei an der VHS war, eine Anwendung für die Kriminalistik zu entwerfen. Er hatte vor, sie so zu gestalten, dass nicht nur Daten eingegeben werden konnten, sondern dass er auch mit den Personen untereinander jonglieren und die Zusammenhänge verknüpfen konnte. Ob es jemals zum professionellen Gebrauch reichen würde, blieb dahingestellt. Das war letztendlich auch nicht sein Ziel. Für ihn war es eine Art »Gehirnjogging«.

Das Telefon riss ihn aus seinen Überlegungen. Seine Frau. »Albert, wie lange willst du noch machen? Du wolltest zum Mittagessen zuhause sein. Weißt du, wie spät es ist? Die Kinder und ich warten!«

Über seine Programmierung hatte er völlig die Zeit vergessen. Er griff in seine Zigarillodose und schob eine Handvoll sorgfältig ausgesuchter Bärchen in seine Jackettasche.

Ein tödlicher Plan

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