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Ihr Sohn: Wolfgang Helmuth Walter

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„Gibt es keine Liebe, die Jahre überdauert? Ist der Mann ständig wandelbar und unzuverlässig? Aber wenn ihn schon die Frau zu nichts verpflichten vermag – wenn er nur die scheinbar ausweglose Verworrenheit der Beziehungen sieht – warum fühlt er nicht den Ansatz zu großem und fruchtbarem Wachsen, der in jedem jungen Kind sich offenbart? Wie ist dieser ewig Wandlerische doch begrenzt in dem Gefangensein in seinem Ich, in der Unfähigkeit, über sich hinausreichen zu können!“, fragt Lisa Heise in einem mit 28. September 1919 datierten Brief den Dichter Rainer Maria Rilke.15 Auf wen genau sie sich bezieht, ist unklar, doch scheint es wie eine präzise Beschreibung des Wesens von Romy Schneiders Vater Wolf Albach-Retty.

Er verbirgt sich ein Leben lang hinter wohltemperierten Adjektiven, die immer wieder rund um seine Person verwendet werden. Wie er als Mensch in seinem Innersten wirklich war, scheint er der Nachwelt erfolgreich verborgen zu haben. Wo er auftaucht, wird gelächelt, bittet man ihn um Autogramme, freut man sich. Seine besonderen Kennzeichen sind Äußerlichkeiten: 1,78 Meter groß, blaue Augen, dunkelblonde Haare, liebenswürdiger gehobener Wiener Dialekt in hellem Timbre, Charme. Seine Tochter Romy wird über ihn sagen: „Er war ein wunderbarer Mann. Niemals in meinem Leben habe ich wieder so einen schönen Mann gesehen. Ein hemmungsloser Schürzenjäger, meine Mutter hat sehr unter ihm gelitten. Er war wirklich verrückt.“16

Seine eigene Mutter wird Wolf nie als solche anreden, sondern stets nur mit „Roserl“ – er folgt damit einer Tradition, denn auch sie nannte die ihre immer bei deren diminuierten Vornamen. Im Gegensatz zu seinen Eltern spricht er als Kind in breitem Vorstadt-Slang und liebt es, verbotene Schimpfworte mit der ihm eigenen selbstverständlichen Unschuld zu gebrauchen, weshalb sein Deutschlehrer Rosa mehrmals in seine Döblinger Villa zum Tee bittet, um ihr sein Leid zu klagen. Der Pädagoge schwärmt von der Intelligenz des Albach’schen Filius, bemängelt aber dessen ordinäre Ausdrucksweise. So hatte er eine Frage nach Goethe prägnant auf den Punkt gebracht: „Is dös der Dichter von ‚Leck mi im Oasch‘?“17 Die prägnante Pointe beeindruckt die Mutter erst in der Reflexion Jahre später, zum Zeitpunkt ihrer Prägung schärft sie dem Sohn ein, solche Formulierungen gefälligst zu unterlassen – und der reagiert, wie er es ein Leben lang tun wird, also ohne Unrechtsbewusstsein und auch ohne wirklich Konsequenzen zu ziehen: „Also weil du’s bist, Roserl, werd’ ich mich bessern!“18 Dass er es nicht tut, wird er erfolgreich mit Charme übertünchen.

Es wird Wolf später ein Vergnügen sein, seiner Tochter Romy schon im Kleinkindalter deftige Flüche im Dialekt beizubringen, mit der diese – ein Leben lang – ihre Umwelt überrascht und schockiert. So beschimpft sie ihren geliebten Bruder bereits in Kindertagen gelegentlich unflätig, fragt ihren Freund Hermann Leitner 1981 – und das durchaus freundschaftlich: „Warum meldest du dich nicht, du Arsch?“ Ein schönes Beispiel von Selbstironie ist dagegen eine Fotografie von ihrem Aufenthalt in Quiberon, auf die sie handschriftlich notiert, dass es sich bei der darauf zu sehenden, unkenntlich in einen Bademantel gehüllten „vornehmen Arscherlhalterin“ um sie selbst handle. Ein Beweis auch dafür, dass eine humorbegabte Frau wie sie keinerlei Probleme mit dem vielbeschworenen „Mythos Romy Schneider“ hatte.

Gegen den Rat besorgter Ärzte setzt Rosa durch, dass sie ihr Kind als Hausgeburt zur Welt bringen kann. Sie erzählt später von Wehen, die an die 17 Stunden dauern, wobei sie sich anfangs damit abzulenken versucht, die Blätter des Gummibaums in ihrem Schlafzimmer zu zählen. Ein Arzt und eine Hebamme sind regelmäßig bei ihr, ihr Mann hört im Nebenzimmer argwöhnisch dem zunehmend lautstarken Leiden seiner Gattin zu und droht, sollte etwas schiefgehen, alle Beteiligten – außer Rosa natürlich – zu erschießen. Als er seinen Sohn Wolfgang Helmuth Walter am 28. Mai 1906 erstmals zu Gesicht bekommt, reagiert er emotional: „Jessas, is der Bua schiach!“19 Diese Meinung teilt außer ihm niemand. Tatsächlich wird der nun Wolf genannte Sohn bald zu den bestaussehenden Schauspielern der deutschsprachigen Filmindustrie gehören. „Alle Frauen in unserer Familie“, erzählt seine Enkelin Patrizia Albach, „haben, wenn sie von ihm sprachen, immer betont: er war der Charmanteste von allen. Wenn er einen Raum betrat, waren alle baff. Er war wunderschön, charmant und sympathisch.“20

Der nonchalante, im Dialekt sprechende Phlegmatiker Wolf hat jedoch eine andere Seite, die sich später auch in seiner Tochter wiederfinden wird: Wenn er etwas Bestimmtes will, setzt er es mit eisernem Willen durch, ohne sich um die Reaktionen seiner Umwelt zu scheren. Gelingt ihm dies nicht, kann sich das ebenmäßige Gesicht unfreundlich verziehen und statt mit Argumenten seinem Begehren mit einem Schreianfall Nachdruck verleihen. Das Dienstmädchen Anna resigniert bald ihm gegenüber. Körperliche Züchtigungen muss der Kleine im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen nicht fürchten, die Mutter greift als studierte Schauspielerin allerdings zu drastischen Mitteln. Einmal bringt er sie so in Rage, dass sie ihm androht, sich, wenn er sich nicht benehmen könne, zu erschießen. Er lässt es darauf ankommen, sie entnimmt daraufhin dem Waffenschrank ihres Gatten einen Revolver, stürmt mit Verve ins Schlafzimmer und bald hört der erstaunte Sohn nach der zuknallenden Tür drei Schüsse. Geschockt zögert er zunächst, bevor er wagt, ihr ins Zimmer zu folgen. Er sieht die Mutter auf dem Bett hingestreckt, bittet unter Tränen um Verzeihung, bemerkt dann zu seiner Erleichterung, dass sich die vermeintliche Selbstmörderin unverletzt erhebt. Es wird einige Zeit vergehen, bis die beiden über diese Lektion in schwarzer Pädagogik lachen können. An Wolfs Störrigkeit ändert es wenig. Als der Vater die Geschichte am Abend serviert bekommt, zieht immerhin er eine Konsequenz daraus: Die von seiner Frau unsachgemäß angeschossene Matratze wird durch eine neue ersetzt.


Wolf Albach (geboren 1906) im Kindesalter. Das gefällige Posieren scheint ihm schon früh leichtgefallen zu sein.

Ins Burgtheater nimmt Rosa ihren Sohn 1907 zum ersten Mal mit, nachdem er ein Jahr alt geworden ist, um ihn der Kollegenschaft zu zeigen. Ihr Mentor Josef Kainz bietet ihr, nun da sie Mutter geworden ist, endlich das Du-Wort an. Sie lehnt ab, will ihn weiter Herr Kainz nennen und für ihn selbst die Rosel bleiben. Ihre Forderungen, nun keine jungen Mädchen, sondern „würdigere Rollen“ zu spielen, quittiert der aktuelle Burgtheaterdirektor Paul Schlenther mit dem Angebot, in einem Stück die Mutter von Kainz zu spielen.

Als Rosa 1912 Hofschauspielerin wird, beeindruckt den sechsjährigen Wolf das dekorative handgeschriebene Dekret mit dem roten Siegel darauf, noch mehr jedoch das schwarzglänzende Kutschencoupé mit den zwei Schimmeln als Gespann, das seine Mutter nun regelmäßig abholt, um sie zu Proben oder Vorstellungen zu bringen. Seine Frage, ob die Karosse nun ihr Eigentum wäre, muss sie verneinen, erklärt ihm aber seine Funktion. Als edlen Spender nennt sie ihm den Kaiser, und Wolf vermutet, dass dieser offenbar ein vermögender Mann sein müsse, wenn er sich eine solche Equipage als Geschenk leisten kann. Auch das servile Scharwenzeln mancher Bahnbediensteter, wenn Rosa bei der Fahrt in die Sommerfrische ins Salzkammergut als die „gnädigste Frau Hofburgschauspielerin“ ein reserviertes Abteil erster Klasse beziehen kann und sich in diversen Stationen die Bahnhofsvorstände nach eventuellen Wünschen erkundigen und Erfrischungen anbieten, faszinieren den Jungen. Denn jedes Jahr im Juli werden Speiseporzellan, Silberbesteck, Sommergarderobe und Jagdwaffen für den Herrn Gemahl eingepackt und dann reist man mit Personal und Hausstand in eine gemietete Villa in St. Gilgen mit Blick auf den Wolfgangsee. Als Rosa ihm auch hier den unweit in Ischl weilenden Kaiser als Ursprung solcher Aufmerksamkeiten nennt, beschließt Wolf, sein „Roserl“ zu ehelichen, um sich künftig solche Privilegien zu sichern.

Als Kind scheut Wolf kein Risiko, der Hausarzt erhält für das Zusammenflicken von Schrammen und Knochenbrüchen sehr bald ein fixes monatliches Pauschalhonorar. Rosa ist überzeugt davon, dass ihre Verbindungen zum Kaiserhaus ihrem Sohn im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet haben. Friedrich von Österreich-Teschen, also Erzherzog Friedrich Maria Albrecht Wilhelm Karl von Österreich, auf dessen Gut in Teschen die in der Monarchie berühmte „Teschener Butter“ erzeugt wird, sendet ihr, als der kleine Wolf an einem Lungenspitzenkatarrh leidet, täglich durch einen Diener einen Striezel Butter und ein Kännchen Milch aus seinem Palais, in dem sich heute die Albertina befindet. Abseits des Anekdotischen finden der Erste Weltkrieg und seine Folgen in Rosas Memoiren kaum Erwähnung.

Am 26. Dezember 1916 kann der nun zehnjährige Wolf Albach seine Mutter im Stück Alt-Heidelberg von Wilhelm Mayer-Förster erstmals auf der Bühne sehen. Neben seinem Vater sitzt er in der Direktionsloge und weint wie viele andere in der Szene, in der Rosa ihren Geliebten verliert. Als ihn seine Mutter nach der Vorstellung fragt, wie sie ihm denn gefallen habe, antwortet er mit dem größten Kompliment, zu dem seine Kinderseele fähig ist: „Du warst so schön wie ein Tramwaykondukteur!“21 Die uniformierten Herren, in deren Macht es lag, eine Straßenbahnkarte zu entwerten, schienen ihm damals das Höchste an Repräsentation, das man erreichen konnte.

Sein Interesse für das Theater ist damit zwar geweckt, Literatur und Musik begeistern ihn jedoch weniger. In der Oper langweilt er sich, die Versuche seiner Mutter, ihm klassische Dramen in kindgerechte Erzählungen umzudichten, interessieren ihn weniger als die realen Kriminalgeschichten, die ihm das Fräulein Anna aus den Berichten der Kronen Zeitung und der Neuen Freien Presse nacherzählt.

War seine Mutter mit dem Geräusch von Pferdekutschen groß geworden, so sind es für Wolf motorisierte Gefährte, die ihn begeistern. Während Rosa das Quietschen der Straßenbahn als äußerst unangenehm empfindet, wird es Wolf begeistern, Autos zu besitzen. Vor allem Sportwagen sind früh sein Traum – und er wird ihn sich erfüllen, sooft es ihm seine Gagen erlauben.

Mit 14 Jahren erschreckt der halbwüchsige Wolf seine Eltern in der Sommerfrische einmal dadurch, nach der Ankündigung, fischen zu gehen, einen Tag und eine Nacht lang verschollen zu bleiben. Als er bis zum Abend nicht da ist, will seine Mutter die Polizei rufen, während ihr Mann den „Schlankel“ mit einem Donnerwetter zu empfangen bereit ist. Er findet ihn ohne amtliche Recherchen schließlich auch dort, wo er ihn vermutet: bei einem Wanderzirkus, genauer gesagt im Wohnwagen der Zirkusreiterin. Nachdem Wolf die erste Standpauke geduldig über sich ergehen ließ, verkündet er seinen Eltern den Entschluss, die Schule abzubrechen, um mit sofortiger Wirkung zum Zirkus gehen zu können. Während ihr Mann erwägt, das Haupt seines Stammhalters mit Ohrfeigen zu verzieren, macht Rosa Wolf klar, dass er dann künftig ohne sie leben müsse, woraufhin er den Entschluss erneut zu überdenken bereit ist.


Rosa mit ihrem Sohn Wolf. 1910er Jahre. Als Schauspieler wird er später den Künstlernamen seiner Mutter, Albach-Retty, übernehmen.

Ihren Sohn durch die Mittelschule zu navigieren, bezeichnet Rosa als Schwerarbeit. Mit großer Freude nimmt sie seinen Entschluss entgegen, Chemie studieren zu wollen. Tatsächlich lässt er sich ins Chemische Institut in der Währinger Straße Nr. 10 inskribieren, von Erfolg gekrönt ist das Unternehmen jedoch nicht. Seine wahre Berufung findet er in der Schauspielerei, sein Ziel ist nun das Reinhardt-Seminar. Dort wird er aufgenommen, studiert fleißig und erfolgreich – eine weitere Generation der Rettys betritt mit ihm die Bühne. Wolf erhält Angebote mehrerer Theater, Rosa plädiert für eine Ausbildung in der Provinz, etwa in Troppau, doch der damalige Burgtheaterdirektor Franz Herterich engagiert die Nachwuchshoffnung lieber gleich ans eigene Haus. Wolf Albach nennt sich nach seiner Mutter nun Albach-Retty. Sein Name findet sich auch in den Tagebüchern von Arthur Schnitzler, der am 22. März 1927 dort vermerkt: „Die Retty vorzüglich als Comtesse; ihr Sohn Albach spielte sehr nett ihren Sohn.“22 Rosa ist eine kritische Partnerin, sie bespricht Wolfs Rollen mit ihm, hält mit ihrer Meinung über ungenügende Leistungen nicht hinter dem Berg.

Auch der Film, der ständig auf der Suche nach jungen, attraktiven Darstellern ist, findet Gefallen an dem jungen Mann. Zunächst agiert er in österreichischen Stummfilmen in Nebenrollen, wirkliche Karriere wird er jedoch erst im Tonfilm machen. Talente-Scouts der Universum-Film AG (Ufa) werden auf den gutaussehenden jungen Mann mit Theaterausbildung und hinreichender Gesangsstimme aufmerksam. Nach Probeaufnahmen in Berlin ist es der Megastar Lilian Harvey selbst, der ihn als neuen Partner für sich erwählt. Dass sich die neue Karriere in Berlin nicht mit der am Burgtheater abstimmen lässt, ist klar. Auf Wolfs Bitte versucht Rosa ihn aus dem Vertrag mit dem Burgtheaterdirektor und Schriftsteller Anton Wildgans loszueisen. Der weigert sich, pocht auf Vertragserfüllung des jungen Herrn Albach-Retty, weshalb Rosa ihre Kontakte zum damaligen Bundeskanzler Ignaz Seipel nützen muss, um Wolf aus dem Engagement zu befreien.

Zwei Herzen und ein Schlag unter der Regie des gebürtigen Wieners Wilhelm Thiele, der 1930 mit Die Drei von der Tankstelle Tonfilmgeschichte schreibt, wird 1932 Wolfs erster Erfolg, weitere Angebote an das Nachwuchstalent folgen auf dem Fuß. Neben Willi Forst, Willy Fritsch und Willy Birgel wird Wolf Albach-Retty bald einer der beliebtesten Kavaliere beim deutschen Tonfilm. Die mittlerweile 69-jährige Adele Sandrock, mit der Wolf 1932 Das schöne Abenteuer dreht, gesteht ihrer Freundin Rosa, dass ihr Wolf, wäre sie nur zwanzig Jahre jünger, nicht „ausgekommen“ wäre. Die darstellerischen Aufgaben in den Filmstoffen ähneln einander und verlangen dem jungen Albach-Retty keinerlei Mühe ab. Wolf kann als Beau posieren, in Filmen wie Frühjahrsparade (1934) eine Uniform ebenso kleidsam tragen wie einst sein Vater für den Fotografen. Was er im Film zu singen und sagen hat, ist frei von jeglichem Tiefsinn: „Ich freu’ mich, wenn die Sonne lacht! Ich freu’ mich, scheint der Mond bei Nacht“, heißt es in einem von Robert Stolz komponierten Foxtrott und einem Text von Ernst Marischka: „Ich weiß oft selber nicht warum! Ich bin halt dumm!“ In Liebling der Matrosen (1937) mimt er den Marineoffizier Leutnant Juritsch, der sich um ein fünfjähriges Mädchen (dargestellt von dem Kinderstar Traudl Stark) kümmert – ein als Offizier und Vatermodell tauglicher Gentleman, zumindest vor der Kamera. Im Leben wird er sich in dieser Rolle nicht bewähren.


Wolf Albach-Retty. 1930er Jahre. Noch vor der Jagd auf Wildpret und Frauenherzen muss man als seine größte Liebe wohl das Automobil ansehen.

Wolf Albach-Retty wird schnell zu einem beliebten Star des deutschen Kinos, zum verlässlich gewinnbringenden männlichen Teil für jegliche Lustspielkonstruktion. Für Interviews kämpfen sich die Reporter zwischen Damen in Garboschnitten, Titusfrisuren, Wuschelköpfen, Parfumwolken aus Chanel Nr. 5 und Soir de Paris hindurch, fragen ihn dann nach seinen bevorzugten Farben bei Frauenaugen oder Krawatten, seinen Hobbies. Da nennt er Fußball, Tennis, Bergsteigen, die Jagd, er betont, sich von Cadillacs leichter trennen zu können als von auf der Pirsch erbeuteten Geweihen. Es sind sichtbare Trophäen, nach denen er strebt, mit denen er sich gerne umgibt. Wolf liebt die Jagd, wie es schon sein Vater tat, der oft in der Villa des Schauspielers und Schriftstellers Rudolf Tyrolt in Gutenstein zu Gast war, um nach Ausübung des Waidwerks seine Lieblingsspeise, einen unterspikten Schweinsbraten, zu dinieren. Der Sohn begleitet ihn bald und wird sich später ein eigenes Jagdgebiet pachten: im Käfertal am Großglockner.

In den Drehpausen unterhält Wolf Albach-Retty den Drehstab mit Anekdoten und Scherzen, nennt alle vom Regisseur bis zu den Komparsen „Mein Schatz“ oder „Liebling“. Abends geht er mit Tirolerhut, braunem Lumberjack und Creppsohlenschuhen ins Nachtleben der jeweiligen Stadt, raucht stark, trinkt wenig, manchmal auch keinen Alkohol. Seine Gagen investiert er in ein angenehmes Leben, dazu gehören schnelle Autos, das erste ist ein Mercedes 4,5 Kompressor, das seine halbe Gage verschlingt. Seiner Mutter erzählt er am Telefon davon, in stolzer, jungenhaft lauter Diktion. Beim ersten Wien-Besuch fährt er damit vor dem Burgtheater vor und präsentiert sein Luxusauto stolz der Kollegenschaft. Die Familie nutzt alle Kontakte zur lokalen Polizei, um ihm Strafmandate wegen notorischer Geschwindigkeitsüberschreitung zu ersparen oder zu mindern. Sein Vater goutiert die neumodische „Bledheit“ seines Juniors nicht, ihn bringen öffentliche Verkehrsmittel ans Ziel. Die Frauen am Beifahrersitz wechseln rasch, am wichtigsten scheint Wolf zu sein, dass sie sich sorgsam die Schuhe abputzen – an deren Unterseite, damit sie sein Heiligtum nicht verschmutzen. Außer gegebenenfalls den Piloten dürfen die Damen nichts berühren, sich nirgendwo anhalten. Rosa erträgt so manch oberflächliche Bekanntschaft („sehr schön, sehr dumm“) ihres Sohnes mit mokantem Lächeln in ihrem Haus, dekoriert auf Wolfs Bitten hin seinen Bereich mit Blumen, kann sich nicht verkneifen, auch welche davon im Nachttopf zu platzieren. Sie hält sich aus seinem Beziehungsleben heraus, ihr Schweigen ist beredt genug, sie begnügt sich damit, die Halbwertszeit der Affären im Voraus zu schätzen. Es sind „Herzensschlampereien“, wie Arthur Schnitzler es genannt hat. Vergleiche mit dessen Figur des Anatol und Wolf bieten sich an.

Rosa fasst zusammen: „Film, Autos und Frauen waren, solange er jung war, die Leitmotive seines Lebens. Später las er eine Menge guter Bücher und befaßte sich mit Religion und Philosophie.“23 Im Frühjahr 1933 dreht Wolf in der Schweiz, diesmal heißt der Film Kind, ich freu mich auf dein Kommen. Aus Lugano, das im Leben seiner Familie später eine zentrale Rolle spielen wird, ruft er Rosa an, um ihr die (nächste) Frau seines Lebens anzukündigen. Bildschön, lieb, gescheit und seriös. Die Katalog-Adjektive kennt Rosa mittlerweile, auch das öfter verwendete Stichwort „Lebenspartnerin“, deren Namen sie meistens schon in dem Moment vergisst, wenn nach dem Abgang der Dame der Titel wieder frei wird. Doch immerhin ist Rosa neugierig auf den Namen – und diesmal fällt ihre Reaktion zu Wolfs Überraschung a priori positiv aus: „Ach ja, die ist entzückend!“24 Sie ist Schauspielerin, Rosa hat einige Filme mit ihr gesehen, besonders ihre Leistung in Max Ophüls’ Liebelei (1933) hat ihr dabei imponiert. Diesen Namen wird sich Rosa merken, weil er ein Leben lang und darüber hinaus mit der Familie Albach-Retty verbunden bleibt: Magda Schneider.


Ein Blick in die Zukunft repräsentiert dieses Familientreffen in Schönau am Königssee. Um 1970. Im Hause von Magda Schneider treffen sich Rosa, Magda und Romy Schneider, ihr Sohn David sowie Romys Bruder Wolfdieter mit dessen Familie, von der Tochter Patrizia zu sehen ist. Rosa erhält die Fotoserie als Erinnerung ein „unvergessliches Wochenende“. Und was bei dieser Zusammenkunft auch noch dokumentiert wird: Romys Beziehung zu ihrem Bruder ist eine besondere.


Romy spielt sich frei

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