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Herausforderung des liberalistischen Toleranzprinzips

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Interreligiöse Toleranz ist heute für moderne, demokratische und rechtsstaatliche Ordnungen selbstverständlich geworden. Eine besondere Herausforderung des Toleranzprinzips besteht allerdings darin, dass es zwar in der Natur des Menschen begründet, seine Umsetzung aber der menschlichen Natur abzuringen ist. Es bedarf eines starken Ichs, um den eigenen Aggressionstrieb bzw. die Angst vor der Aggressivität des Anderen überwinden zu können. Ferner bedarf die Toleranz auf der erkenntnistheoretischen Ebene einer selbstrelativierenden, fallibilistischen Einstellung hinsichtlich der Begründung eigener metaphysischer Überzeugungen. Die liberalistische Toleranzidee weiß, dass es kein Wahrheitsmonopol gibt und darum eine gewisse Selbstrelativierung Not tut.

Die liberalistische Toleranz westlicher Gesellschaften wird gegenwärtig durch die Intoleranz fundamentalistischer Strömungen massiv gefährdet. Dem Fundamentalismus mangelt es an einem fallibilistischen Bewusstsein. Er zeichnet sich stattdessen durch einen exklusiven Wahrheitsanspruch aus, verbunden mit einer kognitiven Intoleranz und einem prinzipiellen exklusivistischen Verhalten. Damit fehlt eine entscheidende Grundvoraussetzung für einen offenen, toleranten Dialog. Mangelnde Dialogbereitschaft kennzeichnet auch eine weitere gegenwärtige Herausforderung: der Indifferentismus, der die Wahrheitsfrage als unbeantwortbar ansieht, was einen argumentativen Diskurs verunmöglicht. Wird der Indifferentismus zudem mit dem Anspruch auf exklusive Gültigkeit vertreten, wohnt ihm ein latenter Hang zur Intoleranz inne.

Gefährdet wird die Toleranz aber nicht nur von außen, sondern ebenso von innen, nämlich durch die Unbestimmtheit ihrer Grenzen. Darf beispielsweise in westlichen, offenen Gesellschaften die Toleranzidee an Wertmaßstäbe von Mehrheiten gebunden sein? Toleranz leidet „an einem inneren Widerspruch, der offensichtlich nicht aus der Welt zu schaffen ist und Toleranz zu einem ambivalenten Prinzip macht. Konsequent und ohne Einschränkung angewendet, droht Toleranz, sich selbst aufzulösen. Aus diesem Grunde bedarf eine tolerante Gesellschaft ‚intoleranter‘ Absicherungen, um dadurch imstande zu sein, totalitäre Exklusivitätsansprüche ausgrenzen zu können.“12 Nur eine Toleranz, die auch intolerante Grenzen kennt, löst sich nicht auf, insofern sie sich ihrer Gefahren zu wehren weiß. Wer aber definiert den Referenzrahmen der Toleranz? Das Überschreiten der Toleranzschwelle kann nicht apriorisch bestimmt werden, sondern ist im konkreten Einzelfall auszumachen. Da Freiheitsräume einer toleranten, offenen Gesellschaft zunächst beansprucht, bei veränderten Mehrheitsverhältnissen aber negiert werden können („demokratisches Dilemma“), ist mitunter nicht erst bei Verstößen gegen Gesetzesbestimmungen einzuschreiten, sondern schon bei Zweifeln an der moralischen Zuverlässigkeit.

Interreligiöse Toleranz

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