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Der Papst erhält Unterstützung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ein Überblick über die Beiträge

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Tomáš Halík, Paul M. Zulehner

Dieses Buch lebt von markanten Beiträgen bekannter Autorinnen und Autoren des öffentlichen wie des kirchlichen Lebens. Sie setzen sich indirekt (Alois Glück) oder sehr direkt (Klaus Lüdicke, Rita Süssmuth) mit verschiedenen Aspekten des Wirkens von Papst Franziskus auseinander. Unterschiedliche Persönlichkeiten kommen zu Wort: der deutsche Ortsbischof Franz-Josef Overbeck sowie die erfahrenen Politiker und Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Alois Glück und Rita Süssmuth, dazu prominente Theologinnen und Theologen, die dem Papst auf dem Weg der „Revolution von oben“ fachkundige Unterstützung und Rat geben; so beispielsweise im Hinblick auf die längst fällige Dezentralisierung der Kirche durch Implementierung der Subsidiarität (Hubert Wolf). Wichtig sind die Beiträge der Theologinnen Eva-Maria Faber und Margit Eckolt und ihre Ratschläge zur Kirchenentwicklung, weil nicht wenige Menschen in der Pro-Pope-Francis-Umfrage der Kirche keine Glaubwürdigkeit zutrauen, solange die Frauenfrage ungelöst ist. Andere Beiträge beschäftigen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der positiv wahrgenommenen Erneuerung der Pastoralkultur und des Bildes der Kirche und seiner theologischen Fundamente (Gerda Schaffelhofer, Anselm Grün, Christian Bauer). Auch kommt es zu einer fundierten Würdigung jenes Dokuments, dessen Beanstandung durch eine überschaubare Gruppe von Bischöfen sowie Theologinnen und Theologen Anlass für den Offenen Brief ist: Amoris laetitia (Klaus Lüdicke).

Am Beginn steht ein Gespräch mit Franz-Josef Overbeck, dem Bischof von Essen, über Papst Franziskus und die Auswirkungen seines Pontifikats auf die Kirche in Deutschland im Allgemeinen und im Bistum Essen im Besonderen. Der Gesprächsverlauf folgt den drei in der Einleitung erwähnten Fragen nach den großen Herausforderungen für die Menschen und die Kirche in unserer Zeit, auch mit Blick auf Deutschland. Es wird deutlich, welche gesellschaftspolitischen „No-Gos“ es für die Kirche gibt, die dem Evangelium treu bleiben will. Auch werden umstrittene Themen aufgegriffen, wie der Priestermangel, die Weihe von „gemeindeerfahrenen Personen“ (Bischof Fritz Lobinger), die Stärkung der Rolle der Frauen in der Kirche. Der Bischof von Essen weicht keiner dieser Fragen aus. Eine Diskussion der Auseinandersetzung um das Apostolische Schreiben Amoris laetitia, in welche auch deutsche Bischöfe und ein Kardinal involviert sind, rundet das Gespräch ab. Dabei bezieht der Bischof deutlich Stellung.

Ein markanter Beitrag stammt von Rita Süssmuth, lange Zeit Präsidentin des Deutschen Bundestags und von 1979–1991 Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Sie greift brisante Themen auf. Dabei sieht sie eine Reihe von Verdiensten des Papstes in der Entwicklung der Pastoralkultur in Richtung einer Kirche der Armen, einer – auch ökumenisch – offenen, dialogbereiten, lernenden Kirche. Sie spart aber auch nicht mit kritischen Anmerkungen: Es gebe eine Reihe von gewichtigen Themen, bei denen die katholische Kirche großen Entwicklungsbedarf hat – Beispiele sind die konsequente Entdiskriminierung von Homosexuellen sowie die Öffnung der kirchlichen Ämter für die Frauen.

Von Alois Glück stammt ein weitsichtiger Beitrag zu den Zeichen der Zeit, die die Menschheit heute herausfordern. Er skizziert Veränderungen in den letzten zehn Jahren, von 2008–2018. Stichworte sind: der Zusammenbruch des Kommunismus, die Flüchtlinge und Migranten, politisch-ideologische Auseinandersetzungen und kulturelle Wertekonflikte, die digitale Kommunikation. Zunehmend werden Ängste zu einer prägenden politischen Kraft.

Die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, lehnt „Schönfärberei“ vehement ab. Das gilt für die Lage der Welt wie für jene der Kirche: Die Welt scheint in Bewegung geraten zu sein, wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, die mit Mauern und Grenzschutz nicht zu lösen sind. Unsere Daseinsängste brechen auf, die Netzwerke unserer Solidarität erweisen sich als zu weitmaschig, Politiker sind überfordert und flüchten in den Populismus. Kann in einer solchen Zeit das der Kirche anvertraute Evangelium ein Heilmittel sein? Die Präsidentin ist skeptisch. Es fallen zunächst bekannte kirchenkritische Stichworte: Frohbotschaft statt Drohbotschaft. Die Kirche habe Jesu Weg der Barmherzigkeit verlassen. Eine schwerwiegende Ursache der Entfremdung der Menschen von der Kirche sei, dass die Kirche nicht mehr ihre Sprache spreche. Immer noch gebe es Spuren einer tiefwurzelnden Leibfeindlichkeit in Verbindung mit einer repressiven Sexualmoral – und eine damit verbundene Benachteiligung von Frauen im kirchlichen Leben. In mancherlei Hinsicht hat Papst Franziskus die Richtung der Kirche verändert. Im Rückgriff auf die Bibel wünscht er sich die Kirche an der Seite der Armen und Schwachen, sieht sie als eine Option für die „loser“, die gesellschaftlichen Verlierer. Ob es ihm gelingt, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen?

Anselm Grün sieht, gedeckt durch seine reichhaltigen Erfahrungen als geistlicher Begleiter, eine wachsende Sehnsucht nach spiritueller Erfahrung. Menschen fragen wieder danach, wie sie heute in einer säkularisierten Welt Gott erfahren können. Diese Sehnsucht nach Spiritualität ist für ihn verwoben mit einer Sehnsucht nach Heil und Heilung, konkreter nach einem menschenwürdigen Leben, nach Gerechtigkeit, nach Versöhnung mitten in der unversöhnten Welt. Dies fordere von den Kirchen drei Antworten. Eine spirituelle: Vor allen strukturellen Diskussionen suchen die Menschen nach Wegen, wie sie mitten in einer säkularisierten Welt Gott erfahren können. Dabei komme die Kirche nicht um einen Dialog mit dem Atheismus herum. Erforderlich sei aber auch eine neue Mystagogie, etwa eine Einführung in das Geheimnis der Eucharistie oder in die verschiedenen Rituale. Die zweite Antwort müsse eine gesellschaftliche sein: das Eintreten für eine gerechte Wirtschaftspolitik, für den Erhalt der Schöpfung. Die Kirche könne für eine Kultur des Vertrauens stehen. Dazu kommt drittens eine kirchliche Antwort: Die Kirche müsse eine neue Sprache finden, die die Menschen der mittleren Generation verstehen, eine Sprache, die ihre tiefsten Sehnsüchte erreicht. Unumgänglich sind für Anselm Grün eine Lösung kirchenpolitischer Konflikt-Themen wie das Priesteramt der Frauen, die Kultur der Sexualität und hier wiederum die Beendigung einer „Pastoral der Schuldgefühle“.

Eva-Maria Fabers Beitrag beschäftigt sich mit Grundsatzfragen. Sie hält ein Plädoyer für Wahrhaftigkeit im Umgang mit Tradition und Lehre – gegen „Überdoktrinalisierung“ (Jörg Lauster), gegen ein enggeführtes solum magisterium. Wenn der Papst die Kirche als „Feldlazarett der Menschheit“ wünscht, dann verweist die systematische Theologin auf die vielen Verwundeten in der Kirche. Hilfreich gegen die beklagte Überdoktrinalisierung sei, die (platonische) Idee einer unveränderten und unveränderlichen Lehre als Mythos zu entlarven. Es schwäche die Kirche nicht, wenn sie auf ihrem Weg durch die Geschichte, getragen durch den Geist Gottes, mit Brüchen zu leben lernt, Veränderungen eingesteht, Diskontinuitäten und – lernend – Revisionen wie etwa bei der Frage der Religionsfreiheit zulässt. Dann würde sich die Kirche durch eine Demut auszeichnen, die auch vor der Selbstkorrektur nicht zurückschreckt.

Die Dogmatikerin und Fundamentaltheologin Margit Eckholt und ihre Kolleginnen bewegt das Thema der Aufnahme von Frauen nicht nur in kirchliche Ämter, sondern – dieser Frage zugrundeliegend – in die Lehre der Kirche. Eine in der kulturellen Tradition tief verankerte polare Geschlechteranthropologie behindere aber diesen theologisch unabdingbaren Prozess. Das Konzil enthalte wertvolle Anregungen, vor allem im achten Kapitel der Kirchenkonstitution Lumen gentium, das Maria als Typus des Glaubens und als Typus der Gemeinschaft des Glaubens preist. Das Marianisch-Weibliche gehöre daher schon vor aller Ausdifferenzierung von Ämtern und Rollen in der Kirche zu ihrem Wesen. Vor diesem Hintergrund sollte dann die Frage nach der „Christusrepräsentanz“ in den ordinierten Ämtern neu bedacht werden.

Klaus Lüdicke, Kirchenrechtler, sieht bei Papst Franziskus einen neuen Ansatz in der Frage der Geschiedenen, die wieder geheiratet haben. Zwar habe bereits Johannes Paul II. die Pastoral auf den Einzelfall verwiesen. Aber deren Konflikt mit der sakramentalen Gemeinschaft der Kirche schien bislang nur dann zu lösen, wenn entweder ein erfolgreiches Ehenichtigkeitsverfahren möglich war oder wenn die Betroffenen ihre Lage selbst bereinigten. Das sei aber nur durch Enthaltsamkeit möglich, weil jeder Geschlechtsverkehr außerhalb der (vergangenen, aber nach wie vor gültigen Ehe) „Todsünde“ ist. Eben statt dieser Gleichsetzung, dass Ehebruch nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv immer in einem „todsündlichen Zustand“ festhält, wird bei Franziskus unter Rückgriff auf die moraltheologische Lehrtradition differenziert. Letztlich könne nur der Einzelne in seinem (begleiteten, aber nie ersetzbaren) Gewissen klären, in welchem „Zustand“ er lebt. So verlagert Franziskus den Akzent vom „Gesetz“ zum „Gesicht“. Lüdicke arbeitet heraus, „dass die Botschaft des Evangeliums Jesu nicht zur Befolgung von selbstgeschaffenen Regeln auffordert, sondern zum Vertrauen auf die Liebe und Barmherzigkeit Gottes“.

Einen weiteren tiefschürfenden Beitrag liefert der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer. Er sieht, dass unter Papst Franziskus nicht bloß eine Weiterführung des Konzils in Gang gekommen ist. Vielmehr finde eine Vertiefung statt in einem Wechselspiel zwischen dem synodalen Sammeln und der missionarischen Sendung. Diese bringe den Menschen Gott nicht als zunächst Abwesenden nahe, sondern stöbere ihn mit Neugierde und Lernbereitschaft an verschiedenen Orten bei den Menschen auf: „Eine solchermaßen reichgottesfrohe, im Sinne von Papst Franziskus nach innen synodal verfasste und nach außen an die Ränder gehende ‚Kirche der Nachfolge‘ (J.B. Metz) ist entsprechend beteiligungsstark und entdeckungsfreudig. Im Geiste Jesu verwirklicht sie auch in ihrem Inneren, was sie nach außen vertritt.“

Mit der Anwendung des Prinzips der Subsidiarität trifft Hubert Wolf ein entscheidendes Thema der Kirchenentwicklung. Die derzeitige Stagnation der katholischen Weltkirche verdanke sich einem um die Einheit ängstlich besorgten Uniformismus. Theologisch zeuge dieser von einem gerüttelten Misstrauen gegenüber dem Wirken des Geistes Gottes in der Gesamtkirche und deren Regionen. Subsidiarität komme einer dezentralisierenden Synodalität der Kirche gleich und traue Gottes Geist zu, zu wehen, wo er will. Der erfahrene Kirchenhistoriker belegt, dass Subsidiarität ein Exportschlager der Kirche in ihrer Soziallehre ist, der dem Zentralismus im mystischen Leib Christi widerspricht. Das Konzil strebte erstmals eine Synodalisierung der historisch gewachsenen Kirchengestalt an. Hubert Wolf verfolgt sodann die mühsame Geschichte der Realisierung des Subsidiaritätsprinzips in der Praxis wie in den Strukturen der katholischen Kirche. Papst Franziskus traut er diesbezüglich viel zu. Es erscheint ihm paradox: Subsidiarität müsse in der katholischen Weltkirche offensichtlich „von oben“ errungen werden.

Rückenwind für den Papst

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