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Schem und Japhet, oder: Morgen- und Abendland in Bibel und in jüdischer Tradition DANIEL KROCHMALNIK

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„PEgIdA“ = „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Die alten Schlagwortpaare sind wieder auf der Straße: Abendland gegen Morgenland, Okzident gegen Orient, Westen gegen Osten, Europa gegen Asien, Athen gegen Jerusalem, Christentum gegen Islam, Arier gegen Semiten, Okzidentalismus gegen Orientalismus usw. Die Angst vor dem Untergang des Abendlandes – das ja per definitionem untergeht (occido) – hat die Sachsen ergriffen. Auf den Zinnen ihrer ostdeutschen Festung sichten die Verteidiger des Abendlandes bedrohliche Horden am Horizont, diesmal nicht Mongolen, Slawen, Bolschewiken und Juden, es sind wieder einmal Sarazenen, Muselmanen, Türken, sie stehen vor Wien, in Berlin, ja, mitten in Malschwitz; sie kommen zu Fuß, in Reisebussen, mit der Bundesbahn. Schnell, das Falltor runter! Rettet das christliche Abendland vor dem orientalischen Despotismus und religiösen Fanatismus! Bei den Verteidigern des Abendlandes, die, wie der Name schon sagt, nicht immer helle sind, hat sich noch nicht herumgesprochen, dass die Erde keine Scheibe ist; auf der Kugel lassen sich Gut und Böse nicht nach Himmelsrichtungen verorten. Nordafrika, woher angeblich die unverschämtesten Flüchtlinge stammen, liegt zum Teil westlicher als die Karnevalshochburgen, die sich bisher auch nicht durch reine Keuschheit hervorgetan haben. Außerdem ist jede christliche Kirche geostet, orientiert. Der Okzident ist mit dem Orient, dem nahen, dem mittleren, dem fernen Osten, seinen traditionellen Sehnsuchts- und Angsträumen, wie die Pole des Globus im Kinderzimmer, unlöslich verbunden.

Es sollte die christlichen Verteidiger des Abendlandes nachdenklich stimmen, dass die Bibel Morgen- und Abendland nicht als Antithese, sondern als Synthese wahrnahm. Der biblische Ort, wo diese geo- und ethnographischen Größen in den Blick kommen, ist die sogenannte Völkertafel (Gen 10,1–32).1 Auf ihr ist der Stammbaum der Noach-Söhne Schem, Cham und Japhet verzeichnet (Toldot Bne Noach), die als die einzigen Überlebenden des Weltuntergangs Urväter des ganzen nachsintflutlichen Menschengeschlechts waren. Von ihnen stammen die 70 Völker und Sprachen der Welt ab, die nach der Bibel und der Jüdischen Tradition den Inbegriff aller Völker und Sprachen überhaupt ausmachen.2 Zum Leidwesen der Zahlenexegeten zählt die Völkertafel allerdings 71 Nachkommen auf, als ob sie uns sagen wollte, dass es sich hier nicht um eine symbolische Rundzahl, sondern um eine reale Völkerzählung handelt.3 Auch sonst hat die Literarkritik zahlreiche Unstimmigkeiten und Unebenheiten in der Liste ausgemacht; sie ist nichtsdestotrotz ein außerordentliches Dokument, ein im ganzen Altertum einzigartiges Panorama der gesamten Menschheit.4 Benno Jacob hat die theologische Absicht hinter der Völkertafel treffend charakterisiert: „Aber so weit die Menschheit auch nach Sprachen, Ländern und Völkern auseinandergegangen sein mag, so ist sie doch abstammungsgemäß eine Einheit. Alle Völker sind aus Familiengemeinschaften entstanden, die auf die drei Söhne Eines Mannes zurückgehen. Die Menschheit ist Eine, wie es nur Eine Erde, Einen Himmel und Einen Schöpfer gibt“.5 Dass Einheit nicht Einerleiheit meint, lehrt die Bibel durch die Völkertafel selbst, mit ihrer bunten Mischung aus exotischen Namen, Sprachen, Ländern, sowie in der gleich anschließenden Erzählung vom Turmbau, dem gescheiterten Versuch einer Einheitskultur (vgl. Gen 11,1–96).

Die Völkertafel gliedert die Menschheit in drei Gruppen: die Japhetiten (Vs. 2–5), die Chamiten (Vs. 6–20) und die Semiten (Vs. 21–31). Dabei folgt sie nicht etwa ethnischen, linguistischen oder gar rassistischen Gesichtspunkten, denn Völker ganz verschiedener Herkunft werden ihr zufolge vom gleichen Stammvater gezeugt: so erscheinen etwa die Ägypter und Kananäer als Chamiten und die Assyrer und Elamiten als Semiten. Vielmehr sind geographische und politische Kriterien ausschlaggebend.7 Als Fixpunkt dieser Weltkarte muss man wohl die GPS-Koordinaten von Jerusalem einsetzen: 31° 46′ 5.948″ N 35° 12′ 49.356″ O, wo der mutmaßliche Autor der sog. „Priesterschrift“ saß, dem man die Karte in der Bibelwissenschaft teilweise zurechnet. Die Gebiete der Japhetiten erstrecken sich von dort aus gesehen im Norden von Kleinasien nach Osten zum iranischen Hochplateau und nach Westen zu den griechischen Küstenvölkern (Ijej HaGojim, Vs. 5). Insbesondere die Söhne Jawans (= Ionien, Griechen): Elischa (∼ Hellas, Ijej Elischa: Ez 27,7 ∼ Kykladen, die „Perlen von Hellas“), Kittim (= Cyprier, Ijej Kittim: Ez 27,6), D/Rodanim (= Rhodier: 1 Chr 1,7) stehen für die ägäische Inselwelt, Tarschisch vielleicht sogar für Spanien (= Tartessos: Ez 27,12), von Jerusalem aus gesehen, also für den Westen und das Abendland. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Namensgleichheit von Japhet und Ιαπετός, dem Titan des Westens, in der griechischen Mythologie. Die Chamiten bevölkern den Süden, von Nordafrika, über Mesopotamien und Arabien. Zu ihnen zählt die Tafel aus politischen Gründen auch die Kananäer.8 Dazwischen siedeln von Osten her die Semiten: Assyrer, Aramäer, Hebräer, deren Gebiet dem vorderen Orient entspricht, dem Morgenland.9 Auf dieser genealogischen und geographischen Dreiteilung der Menschheit beruht die Benennung der drei bekannten Erdteile nach den drei Noach-Söhnen auf den mittelalterlichen Weltkarten: Schem = Asien, Cham = Afrika, Japhet = Europa.10

Allerdings sind die drei Söhne nach der Bibel keineswegs gleichwertig. Japhet und Schem, also Okzident und Orient, bilden gegenüber Cham – das sind die Völker des Südens – eine Koalition (Gen 10,21), wobei sie im Verhältnis von Herren und Knecht zueinanderstehen.11 Diese Ungleichheit des Menschengeschlechts wird in der Erzählung der Trunkenheit Noachs begründet. Noach war nach der Bibel nicht nur der erste Winzer, sondern auch der erste Trinker: „Er trank“, heißt es, „von dem Wein, war berauscht und entblößte sich (WaJitgal) in seinem Zelte“ (9,21). Vielleicht wollte sich der Bauer von der verfluchten Ackerei erholen (Gen 3,17; 5,29) oder einfach nur die Erinnerung an die Flutkatastrophe ertränken. Seine Trunkenheit führte jedenfalls zu einer Familientragödie: „Da sah Cham, der Vater Kanaans, heißt es weiter, die Blöße (Erwa) seines Vaters und sagte es seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Schem und Japhet das Gewand, legten es auf ihre Schulter, gingen rückwärts und bedeckten ihres Vaters Blöße. Ihr Gesicht aber war rückwärts gekehrt, so dass sie ihres Vaters Blöße nicht sahen. Als Noach von seinem Rausch erwacht war, erfuhr er, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte. Da sprach er: Verflucht sei Kanaan! Ein Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern! Und er sprach: Gelobt sei der Ewige, der Gott Schem’s, und Kanaan sei ihnen Knecht! Gott breite Japhet aus und wohne in den Hütten Schems, und Kanaan sei ihnen Knecht!“ (Gen 9,22–27).

Was war geschehen? Das bleibt hinter dem Schleier des Euphemismus verborgen (Laschon Neqija). Es ist unwahrscheinlich, dass Noach nur deshalb geflucht haben soll, weil ihn sein jüngster Sohn nackt erblickt hatte. Weil die Bibel mit der Wendung „die Blöße aufdecken“ (LeGalot ʿErwa) die Unzucht umschreibt (Lev 18,6–19), haben rabbinische Homilien einen Akt schwerwiegender Unzucht angenommen; manche sprechen gar von der Entmannung des Urvaters (BerR 36,7; bSan 72a-b; bPes 113b; PRE 23), der Kastration des Uranos ähnlich, an der der Titan Japetos freilich aktiv beteiligt war. Die Verbindung von Untergang, Rausch und Unzucht kommt im ersten Buch Mose noch einmal vor. Nach dem Untergang Sodoms floh Lot mit seinen Töchtern in die Berge (Gen 19,30–38). Diese fürchten, keine Männer mehr zu bekommen, daher setzten sie den Alten, salopp gesagt, mit KOTropfen außer Gefecht und vergewaltigten ihn (Gen 19,31f.). In der Blutschande sollen zwei unbeliebte Nachbarn Israels gezeugt worden sein: Moaw und Ammon, was nach der biblischen Volks-Etymologie von Mej-Aw, „Wasser“ bzw. „Samen des Vaters“, und Ben-Ami, „Sohn meines (nächsten) Verwandten“, kommen soll. Das ist natürlich Propaganda – wie auch der Noach-Fluch: Cham, bzw. dessen Sohn Kanaan, der Urvater der Urbewohner des Landes Israel, soll – wie die sieben Völker auch sonst (Lev 18,24–30) – durch sexuelle Denunziation diffamiert werden.

Daraus erhellt schon: die Erzählungen über die heroi eponymoi sind keine Privatangelegenheiten. Was Urvätern in der Genesis passiert, sollen schicksalhafte Vorzeichen für sämtliche Nachkommen sein (Ma’asse Awot Siman LaWanim). Ihre Namen enthalten nach dem biblischen nomen-omen-Prinzip (ChiSchmo Ken-Hu: 1 Sam 25,25) ihren genetischen Schlüssel. Der Name Schem bedeutet justament „Name“; welcher Name insbesondere gemeint sei, das verrät der Noach-Segen, der des „Gottes Schem’s“ (Elohe Schem): JHWH (Gen 9,26). Schon die Vorfahren Noachs, die Schetiten, riefen seit Urzeit „im Namen JHWH“ an (BeSchem HaSchem: Gen 4, 26); hier wird nun JHWH zum dominanten Merkmal der Schemiten, „er wohnt in ihren Zelten“ (WeJischkon BeOhale Schem: 9,27); später wird der Schemit Abraham beauftragt, ihn wieder in die Völkerwelt zu tragen (Gen 12,3). Der Name Japhet wird im Noach-Segen vom Kausativ des Verbs Patah, weit machen, erklärt: Japht Elohim LeJefet, „weit mache es Gott dem Jefet“, d.h. er breite ihn aus. Nach dieser Etymologie könnte man das Verhältnis der beiden Brüder Japhet und Schem mit den Kategorien Extension und Intension auf den Begriff bringen: der eine erobert die Welt, der andere verbleibt im göttlichen Zelt. Vor hellenistischem Hintergrund ergäbe das: Japhet steht für horizontale Kulturhegemonie, Schem für vertikale Kultzentralisation,12 vor christlichem Hintergrund: der eine betreibt Weltmission, der andere blickt unverwandt auf das Weltziel. Schem und Japhet machen sich dabei arbeitsteilig Cham, d.h. „warm“ und „heiß“, zum Untertan.

Der Talmud sieht den gemeinsamen Nenner von Schem und Japhet im züchtigen Verhalten (vgl. Gen 9,23). Eine bemerkenswerte rabbinische Homilie folgert im Blick auf das bedeckende Gewand, dass Schem und Japhet sich deswegen den Gebetsmantel (Tallit) und den Philosophenmantel (Pallium) verdient hätten (BerR 36,6). Die religiöse und die philosophische Sittlichkeit sind mit anderen Worten dazu berufen, gemeinsam die ausschweifende Sinnlichkeit Chams zu überwinden. Die rabbinische Etymologie (Midrasche Schmot) hört das wiederum aus den Namen heraus. Sie leiten den Namen „Japhet“ von Schönheit (Japhjut) ab (bMeg 9b und BerR 36), die der griechischen Sprache und Kultur auch sonst bescheinigt wird.13 Man könnte sagen: Bruder Gottlob (Schem) und Bruder Schöngeist (Japhet) zeigen es Bruder Hitzkopf (Cham). Im 19. Jahrhundert sah Rabbiner Samson Raphael Hirsch in dieser Stelle Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung der Menschen (1793/94) vorweggenommen, wonach es die Aufgabe der japhetitischen Ästhetik sei, die chamitische Sinnlichkeit in die semitische Geistigkeit überzuführen.14

Hier ist daran zu erinnern, dass die Antithese „Quid ergo Athenis et Hierosolymis?“ nicht jüdischen Ursprungs ist; sie stammt vielmehr vom Archegeten der lateinischen Adversus-Judaeos-Literatur.15 Tertullian hat dabei das den Juden verbotene Jerusalem, Aelia Capitolina, und Golgotha vor Augen.16 Zwar gibt es auch in der rabbinischen Literatur reichlich Spott der Jerusalemer über die Athener, speziell über die Philosophen,17 doch die inklusivistische Formel „Japhet und Schem“ hat eine jüdische Wirkungsgeschichte, die von der Antike bis zur Gegenwart reicht.18 Der Noach-Segen: „Gott breite Japhet aus und wohne in den Zelten Schems“ ist allerdings nicht ganz eindeutig. Das Subjekt der zweiten Hälfte des ersten Halbverses kann wahlweise Gott oder Japhet sein: „Gott breite Japhet aus und (Gott) wohne in den Zelten Schems“ (Jub VII, 12 und T0) oder „Gott breite Japhet aus und (Japhet) wohne in den Zelten Schems“ (TPsJ). Interessant ist, dass der Talmud für die zweite Variante optiert (bMeg 9b und BerR 36, 8), Japhet wohnt in den Zelten Schems, nämlich in Gestalt der Septuaginta (LXX)!19

Der Schönheitsfehler in der Segens-Formel „Japhet und Schem“ ist freilich die Verfluchung Chams; es ist eine Koalition von Religion und Zivilisation, von Mission und Domination auf Kosten Afrikas, der Farbigen, der südlichen Hemisphäre, die in der europäischen Kolonialgeschichte so furchtbare Folgen haben sollte.20 Aber das Gegenmittel ist den Noachiden gleichfalls gegeben, es sind die sieben noachidischen Gebote, die alle drei Söhne Noachs gleichermaßen verpflichten (Schewa Mizwot Bne Noach21). Menschen, die diese Gebote halten, werden „Kinder Noachs“ (Bne Noach) genannt, gleichgültig, ob sie nun Semiten, Japhetiten oder Chamiten sind, und sie werden in der Tradition den „Kindern Israels“ (Bne Israel), die zu 613 Geboten verpflichtet sind, im Diesseits und im Jenseits gleichgestellt. Der Heptalog – das Siebenwort – lautet nach dem Talmud: „(das Gebot der) Rechtspflege, (das Verbot der) Gotteslästerung, des Götzendienstes, der Unzucht, des Blutvergießens, des Raubs und (des Genusses) eines Gliedes von einem lebenden Tier“ (nach Gen 9,3–6; tAwSa 8, bSan 56a-b, BerR 34,8). Das erste Gebot, das die Einsetzung von Gerichten verlangt, besagt, dass es sich bei diesen Tafeln nicht um „unvollkommene“, sondern um „vollkommene“ Pflichten handelt; ihnen stehen einklagbare Rechte gegenüber – Menschenrechte werden nicht nur deklariert, sie sind justiziabel. Bei den religiösen Verboten gegen Gott – Gotteslästerung und Götzendienst – ist die negative Formulierung lehrreich. Sie sagt nur, was Noachiden nicht dürfen; was sie aber sollen, wie sie Gott angemessen dienen, bleibt weise offen. So können verschiedene positive Religionen, die den negativen Kriterien genügen, den Status von noachidischen Religionen erlangen. Einem Juden ist es wohl verboten, Gott etwas hinzuzugesellen (Schittuf), nicht aber einem Noachiden. Die Christen gelten deshalb trotz der Trinitätslehre als Noachiden. Aus jüdischer Sicht müssen Christen nicht Juden werden, um selig zu werden. Ja, Christen können Vorbilder der Juden sein, obwohl jene nur sieben und Juden 613 Pflichten zu beobachten haben.22 Ein mittelalterlicher jüdischer Morallehrer drückt es so aus: höher steht, wer sieben Geldstücke schuldet und sieben zurückgibt, als derjenige welcher 613 schuldet und nur 612 zurückgibt23. Die sozialen noachidischen Verbote des Mordes, der Unzucht und des Raubes stimmen mit den Gesetzen auf der zweiten Tafel der Zehn Gebote überein. Man hat sie als natürliche Gesetze bezeichnet, weil keine Gesellschaft ohne sie Bestand hätte, gäbe es sie nicht, wir müssten sie erfinden, oder wie der Talmud sagt: „Wären diese Dinge nicht geschrieben, so wäre zu urteilen, daß sie geschrieben werden müssen“ (D’warim ScheIlmale Lo Nichtewu Din Hu ScheJichtewu24). Die noachidischen Gebote sind nomoi agraphoi. Nach den Pflichten gegen Gott und gegen die Menschen, wird schließlich auch eine Pflicht gegen Tiere formuliert – und als Verbot der Tierquälerei interpretiert. Noachs Arche müsste untergehen, wenn diese sieben Regeln an Bord nicht beachtet würden.

Einige Väter des modernen Natur- und Völkerrechts haben sich auf die noachidischen Gebote berufen, so John Selden (1584–1665) in seinem De jure naturalis et gentium juxta disciplinam Ebraeorum (1640). Zu Recht – diese Tora gilt für alle Menschen, ohne Ansehen der Herkunft, der Rasse, der Hautfarbe – sie versöhnt Schem, Japhet und Cham.

1 Die Abkürzungen folgen dem mehrbändigen Lexikon Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 2007ff.

2 Nach Dtn 32,7f. und Gen 46,47; Ex 1,5; Dtn 10,22, nach Sota VII, 5. Vgl. auch Thomas Hieke, Die Genealogien der Genesis (Herders Biblische Studien 39), Freiburg – Basel – Wien 2003; Jürgen Ebach, Art. „Genealogie“, in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, hg. von Hubert Cancik/Burkhard Gladigow/Matthias Laubscher, Bd. 2, Stuttgart u.a., S. 486–491; ferner: Daniel Krochmalnik, Das Buch Genesis im Judentum (Neuer Stuttgarter Kommentar. Altes Testament 33/1), Stuttgart 2001.

3 Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Rundzahl 70 aus der Liste zu tilgen, vgl. Benno Jacob, Das Buch Genesis, Berlin 1934 (Nachdr. Stuttgart 2000), S. 294–296; ferner Daniel Krochmalnik, „Die Bibel entschlüsselt. Zahlenexegese in der jüdischen Tradition und Moderne“, in: Michaela Bauks/Ulrich Berges/Daniel Krochmalnik/Manfred Oeming (Hg.), Schriftauslegung in der Moderne (Altes Testament und Moderne 24), Berlin 2016 (im Erscheinen).

4 Vgl. Claus Westermann, Genesis 1–11 (Biblischer Kommentar Altes Testament I/1), Neukirchen-Vluyn 21976, S. 670; Frank Crüsemann, „Menschheit und Volk. Israels Selbstdefinition im genealogischen System der Genesis“, in: Ders., Kanon und Sozialgeschichte. Beiträge zum Alten Testament, Gütersloh 2003, S. 13–27, hier 19, Anm. 25 (Genealogisches Schema: S. 15).

5 Jacob, Genesis, S. 294f. – Die Erklärung von Benno Jacob stimmt mit der talmudischen Erklärung bSan 59b überein; vgl. Hans Kohn, Die Idee des Nationalismus. Ursprung und Geschichte bis zur Französischen Revolution, aus dem Engl. übers. von Günther Nast-Kolb, Heidelberg 1950, S. 785f. (The Idea of Nationalism. A Study in Its Origins and Background, 1944).

6 Vgl. Christoph Uehlinger, Weltreich und „eine Rede“. Eine Deutung der sogenannten Turmbauerzählung (Gn 11,1–9) (Orbis biblicus et orientalis 101), Freiburg i. Ue. 1990; Crüsemann, „Menschheit und Volk“, S. 25; Daniel Krochmalnik, „Babèl. Die Buber Bibel im Renouveau juif“, in: Ders./Hans-Joachim Werner (Hg.), 50 Jahre Martin Buber Bibel. Beiträge des Internationalen Symposiums der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und der Martin Buber Gesellschaft, Berlin 2014, S. 275–316, hier 291–299.

7 Vgl. Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose. Genesis Kapitel 1–12,9 (Das Alte Testament Deutsch), Göttingen 1949, S. 116.

8 Von Rad, Das erste Buch Mose, S. 118.

9 Zur Identifikation der Völkernamen, vgl. Westermann, Genesis, S. 673–706.

10 Vgl. Robert R. Wilson, Genealogy and History in the Biblical World (Yale Near Eastern Researches 7), New Haven 1977.

11 Die Reihenfolge der Söhne ist nicht ganz klar. Nach den genealogischen Notizen und der Sintflut-Erzählung Gen 5,32; 6,10; 9,18 ist Schem der erste, Cham der zweite und Japhet der dritte Sohn Noachs. Die Überschrift der Völkertafel folgt dieser Reihenfolge (10,1), zählt aber in umgekehrter Reihenfolge auf: Japhet (10,2ff.), Cham 10,6 (Vs. 6ff.) und Schem (Vs. 21ff.). In den Noach-Sprüchen wird hingegen Cham/Kanaan als jüngster Sohn bezeichnet (Gen 9,24).

12 Zur hellenistischen Interpretation des Noach-Segens, vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer I, 6,3 (Übers. von Franz Kaulen, Köln 31892, S. 13ff.). Interessant sind für den gegenwärtigen Zusammenhang Josephus’ Identifikationen von Japhet-Gebieten mit Europa. Zu Philons allegorischer Interpretation des Noach-Fluchs und Noach-Segens vgl. seine Schrift De sobrietate, §§ 30–69. Es wäre lohnenswert, Philons Deutung mit der talmudischen Deutung zu vergleichen; vgl. Maximilian Adler/Leopold Cohn (Hg.), Philo von Alexandrien, Die Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 5 (1929), Berlin 21962, S. 88–98, bes. 96, hier Anm. 1 von Isaak Heinemann.

13 In jMeg 1,11 wird das Griechische als Sprache der Dichtung gelobt, im Unterschied zum Hebräischen, der Sprache der Rede und dem Lateinischen, der Sprache des Krieges. Griechisch wird sogar ausdrücklich dem Aramäischen (Syrischen) vorgezogen. (bSot 49b u. ö.). Zugleich wird aber auch vor der verführerischen Schönheit dieser Sprache gewarnt. Vom Erzketzer Acher heißt es: „Griechischer Gesang verstummte nie in seinem Munde“ (bHag 15b).

14 Samson Raphael Hirsch, Der Pentateuch (Hebr. u. dt.), Bd. 1, Frankfurt am Main 41903, S. 156–159 (Kommentar zu Gen 9,27).

15 Bei Tertullian, De carne Christi IV, 4–5 (ed. Aem. Kroymann: Corpus Christianorum. Series Latina 2, S. 873–917, hier 881). Zu seinen antijüdischen Schriften vgl. Heinz Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.), (Europäische Hochschulschriften XXIII, Bd. 172), 2 Bde., Frankfurt am Main 31995, Bd. 1, S. 216–225.

16 Tertullian, Adversus Judaeos 3,4–6 und 13,4 (ed. Aem. Kroymann: Corpus Christianorum. Series Latina 2, S. 1337–1398, hier 1345 und 1385); vgl. dazu Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte, Bd. 1, S. 223.

17 Vgl. beispielsweise die zehn Anekdoten über die Jerusalemer und Athener in EchaR 1,4: Daniel Krochmalnik, „Der »Philosoph« in Talmud und Midrasch“, in: Trumah. Zeitschrift der Hochschule für Jüdische Studien 5 (1996), S. 137–178.

18 Vgl. Ze’ev Levy, Between Yafeth and Sem. On the Relationship between Jewish and General Philosophy (American University Studies V/21), New York u.a. 1987, S. 139; Daniel Krochmalnik, „Paradigmen jüdischer Philosophie“, in: Trumah. Zeitschrift der Hochschule für Jüdische Studien 11 (2001), S. 89–107.

19 Die Halacha (mMeg I,8) erlaubt nur die Bibelübersetzung auf Griechisch. Es gibt in der rabbinischen Literatur aber auch entgegengesetzte Bewertungen der Septuaginta.

20 Zur ungeheuren Wirkungsgeschichte der Völkertafel in den europäischen Sprach- und Rassenlehren, vgl. Léon Poliakov, Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus (1971), dt. von Margarete Venjakob, Wien 1977, S. 21.

21 Vgl. Klaus Müller, Tora für die Völker. Die noachidischen Gebote und Ansätze zu ihrer Rezeption im Christentum (Studien zu Kirche und Israel 15), Berlin 1994.

22 Vgl. den mittelalterlichen Sefer Chassidim aus Deutschland (Ed. Parma, Nr. 532; Ed. Bologna, Nr. 358).

23 Sinngemäß nach Bachja ibn Paquda Vgl. Daniel Krochmalnik, „In unserer Zeit – Nostra aetate jüdisch gelesen“, in: Dirk Ansorge (Hg.), Das Zweite Vatikanische Konzil. Impulse und Perspektiven (Frankfurter Theologische Studien 70), Münster 2013, S. 248–260, hier 251.

24 bJom 67b, Sifra XIII, 10 (ed. Weiss, 86a).

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