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Ereignismeldung UdSSR Nr. 164

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I. Standorte und Nachrichtenverbindungen:

Sonderkommando 7a hat Demidow verlassen und befindet sich a.d. Marsch nach Smolensk. Die sonstigen mit Ereignismeldung Nr. 162 vom 30.1.42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben.

II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:

Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk.

1.) In Wilna wurden wegen umfangreicher Passfälschungen 14 Polen festgenommen. Sie hatten die gefälschten Papiere zu hohen Preisen, insbesondere an flüchtige Juden, verkauft. Im Einvernehmen mit dem Generalkommissar und dem Wehrmachtskommandeur in Litauen wird demnächst eine neue Regelung des Pass- und Ausweiswesens vorgenommen werden. 2.) In letzter Zeit mehren sich in Litauen Gewalt- und Eigentumsverbrechen. In wiederholten Fällen wurden in Wilna am hellen Tage Strassenpassanten überfallen und Geld und Lebensmittel geraubt. Ein Wohnungsinhaber, der sich bei einem Raubüberfall zur Wehr setzte, wurde erschossen. In einem anderen Fall drangen 4 litauische Partisanen in eine Wohnung ein und verlangten unter Drohung mit der Schußwaffe Lebensmittel. 3.) Die aus Kauen gemeldeten Sprengstoffanschläge und Schadenfeuer haben durch Festnahme der führenden Terroristen ihre Aufklärung erhalten.

Von der Eins.Gr. B liegen keine Meldungen vor.

Einsatzgruppe C: Standort Kiew.

Im Kiewer Gebiet hat sich der Abwehrkampf gegen die Kommunisten immer mehr zu einem Kampf gegen die nationalen ukrainischen Verbände ausgestaltet. Die früher festgestellten Bindungen zwischen NKWD und OUN erweisen sich als recht eng und kompliziert. Die Weihnachtstage verliefen entgegen der Annahme überall ruhig. Es konnte lediglich eine verstärkte kommunistische Flugblattpropaganda festgestellt werden. Im Zuge dieser Ermittlungsarbeit wurde am 11.12.41 in einer Vorstadt von Kramatorsk eine Razzia durchgeführt. Mit Unterstützung von 250 Mann der Wehrmacht wurde der Stadtteil abgeriegelt, und durch eigene Kräfte wurden rund 350 Personen festgenommen. Hiervon wurden 60 Personen als aktive KP-Mitglieder bzw. KP-Funktionäre, Partisanen usw. erschossen. Die restlichen konnten nach eingehender Verwarnung wieder entlassen werden. Diese Aktion hat die Bevölkerung stark beeindruckt. Weiterhin war festzustellen, dass die Stimmung der Bevölkerung nicht nur in Bezug auf die Kommunisten, sondern auch in Bezug auf die national-ukrainischen Verbände sich merklich verschlechtert hat. Die ostukrainische Bevölkerung macht deutlich Front gegen die eingewanderten Westukrainer, welche als Hauptträger der nationalistischen Ideen betrachtet werden können. Ebenso wie die Kommunisten bedienen sich die Angehörigen der national-ukrainischen Bewegung verschiedentlich gefälschter Dokumente, Decknamen, Geheimparolen usw. Neuerdings wurden von kommunistischer Seite deutsche Plakate in bolschewistischem Sinne umgefälscht oder neben dem deutschen Urtext in gleicher Weise aufgegliederte „Übersetzungen“ ausgehängt, deren Inhalt rein kommunistische Propaganda war.

Unter den ukrainischen nationalen Verbänden besitzt die Melnik-Gruppe zweifellos heute den grössten Einfluss. Daran ändert auch die ausserordentlich rege und verschärfte Propaganda Banderas nichts.1 Diese Propaganda scheint sich zu ihrem eigenen Nachteil auszuwirken. Da Bandera ganz offen gegen Deutschland und seine Wehrmacht Stellung nimmt, macht er die Bevölkerung zumindest in der Ostukraine für seine Ziele uninteressiert. Man ist auch bei den Bandera-Anhängern bereits zu der Einsicht gekommen, dass der augenblickliche Zeitpunkt für einen offenen Kampf nicht geeignet ist. In einer sichergestellten Instruktion für die Anhänger dieser Richtung heisst es, dass die Mitglieder der OUN zunächst sich wenigstens aller Provokationen, Terror- und Sabotageakte gegen die deutsche Regierung und ihre Einrichtungen zu enthalten hätten. Das Hauptgewicht sei im Augenblick auf den beschleunigten Ausbau der inneren Organisation zu legen, wobei insbesondere die Aufstellung und Bewaffnung des ukrainischen Nationalheeres vorgetrieben werden müsste. Erst wenn diese Vorbereitungen genügend weit gediehen und der OUN die zur Ausübung eines direkten Druckes notwendigen Machtmittel gegeben sind, würde man mit der deutschen Regierung in Verhandlung treten und je nach dem Ausgang dieser Verhandlungen im Sinne Banderas die Deutschen entweder als Verbündete anerkennen oder aber vernichten. Diese Instruktion ist scheinbar nicht überall durchgedrungen oder sie wird nicht befolgt, da weiterhin unverschämte Hetzschriften aufgefunden wurden. Das sichergestellte Schriftgut sowie die Aussagen verschiedener in der Zwischenzeit festgenommener Bandera-Leute beweisen erneut, dass es nicht möglich ist, die Anhänger der Bandera-Bewegung zu irgendwelcher positiver Mitarbeit heranzuziehen. Es bleibt nur der eingeschlagene Weg der restlosen Vernichtung dieser Bewegung übrig. Das Verhältnis zwischen Bandera und Melnik hat eine weitere Verschärfung erfahren. Beide Bewegungen sind eifrig bemüht, ihre gegenseitigen Anhänger bei den verschiedenen deutschen Stellen zu diskriminieren. Hierbei hat die Melnik-Bewegung den Vorzug, deutscherseits noch nicht völlig als feindliche Strömung angesehen zu werden und kann daher diese Taktik mit grösserem Erfolg anwenden.

In einer Beziehung sind beide Strömungen aber einig und zwar in der ganz extrem nationalistisch-chauvinistischen Einstellung, die sich auch den Deutschen gegenüber auswirkt. Wenn man heute versucht, Amtspersonen nichtukrainischer Nationalität durch Boykott, Denunziationen, in bestimmten Fällen sogar durch Bedrohung und Nötigung von ihren Posten zu entfernen, so ist das nicht als Ausfluss der Stimmung des Ukrainertums in seiner Gesamtheit aufzufassen. Gerade der Ostukrainer ist in Nationalitätenfragen ausserordentlich duldsam. Die Träger der extremistischen Bestrebungen sind mit geringen Ausnahmen durchweg Westukrainer. Nach Meldungen zuverlässiger V-Leute sowie nach eigenen Beobachtungen scheint die Melnik-Bewegung nicht nur genau dieselben Ziele zu verfolgen wie die Bandera-Bewegung, sondern sie unterhält auch bestimmte Verbindungen mit England. Zu diesem Schluss kommt man zwangsläufig bei der Betrachtung der Agitationsmethoden. Allgemein wird behauptet, Melnik sei der Führer der Ukrainer und geniesse als solcher die volle Unterstützung des Deutschen Reiches. In Fällen, wo Zweifel an dieser Behauptung auftreten und darauf hingewiesen wird, dass dies nicht gut der Fall sein könnte, weil ja Melnik letzten Endes gegendeutsche Ziele verfolge, wird darauf hingewiesen, dass der Krieg ja noch nicht entschieden sei und man daher aus taktischen Gründen die Engländer nicht verärgern dürfte. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass die Propaganda gegen die Juden und darüber hinaus die direkte Beteiligung von Ukrainern an Judenaktionen, wo irgend angängig, eingestellt worden ist. Es liegen sogar Druckschriften allerdings von der Bandera-Bewegung vor, in denen die Schlagzeilen und Sätze antisemitischen Inhaltes gestrichen worden sind.

Die Zentrale der Melnik-Bewegung in der Ostukraine liegt zur Zeit in Kiew. Ihr Leiter ist ein gewisser Dr. Kandiba, um den sich eine Anzahl teils bekannter, teils unbekannter Westukrainer scharrt. Neben diesem Stab der OUN steht der ebenfalls von Dr. Kandiba organisierte Nationalrat unter der Leitung des Prof. Welitschkiwski und dessen Vertreter Tschudinow. Welitschkiwski ist kein Professor, sondern hat sich den Titel der grösseren Zugkraft wegen zugelegt. Er ist absolut Strohmann und wird von Kandiba gelenkt, welcher die eigentliche Seele des Nationalrates ist. Der Vertreter Welitschkiwskis, Tschudinow, ist ein politischer Abenteurer, der ausserdem in verschiedene dunkle finanzielle Machenschaften verwickelt ist. Der Nationalrat, der von keiner deutschen Stelle anerkannt worden ist, ist nichts weiter als eine inoffizielle ukrainische Regierung. Er beschäftigt sich z.Zt. mit der Erfassung und Zusammenstellung eines geeigneten Mitarbeiterstabes, Beseitigung aller Nicht-OUN-Leute, ohne Rücksicht auf sachliche Befähigung, und mit der Politisierung sämtlicher bestehender ukrainischer bürgerlichen Organisationen zum Zwecke, diese allmählich in Ministerien umzuwandeln. Weiter gehen die Bemühungen des Nationalrates dahin, möglichst viele Werte „vor dem Zugriff der Deutschen zu retten“. Einer der typischsten Vertreter dieser Richtung ist der hier lebende Dr. Andrussian. Die Interessen der Bolschewiken und Melnik-Leute sind weitgehend die gleichen. Handelt es sich doch zunächst einmal darum, unter den Ukrainern nach Möglichkeit Unzufriedenheit zu säen, was auch gelingt. Wo eine sachliche Grundlage fehlt, wird sie künstlich herbeigeführt, im wesentlichen durch die Behauptung, die Deutschen hätten den Ukrainern verschiedene Versprechungen gemacht, die jetzt nicht gehalten würden. Die Erfassung der Jugend für die ukrainischen nationalen Bestrebungen erfolgt über die Sportorganisation Sitsch. In diesem Sportverein, der sehr viele Zweigstellen hat, wird weniger Sport getrieben als politische Schulung mit chauvinistisch angedeuteter Tendenz. In der Presse ist ebenfalls die Melnik-Bewegung allmählich führend geworden. Wenn auch durch energisches Zugreifen und Erschiessungen der verantwortlichen Schriftleiter die Kiewer ukrainische Zeitung zur Zeit von schädlichen Elementen gesäubert ist, so sitzen doch in den Schriftleitungen der ukrainischen Provinzzeitungen überwiegend nationalistische Elemente, die ihren Blättern nicht nur die von der Melnik-Bewegung gewünschte Tendenz geben, sondern anscheinend auch die OUN mit illegalen Druckschriften versorgen. Den Hauptanteil der illegalen Druckschriften stellt nach wie vor die Zentrale in Lemberg, die ihr Material zum Teil aus Berlin und Prag bezieht.

Der in Kiew bestehende ukrainische Schriftstellerverband unter dem Vorsitz der Dichterin Jadwiga Teliga ist ebenfalls eine rein nationalistische Angelegenheit. Seine Arbeit beschränkt sich z.Zt. nur auf die materielle Sicherstellung seiner Mitglieder. Ein starkes Zentrum der national-ukrainischen Kräfte ist die Kiewer Akademie der Wissenschaft, deren erster Sekretär der schon eingangs erwähnte Tschudinow ist. Das Präsidium der Akademie besteht fast ausschliesslich aus Mitgliedern des Nationalrates, so dass nach der offiziellen Auflösung des Nationalrates die Möglichkeit einer weiteren Betätigung für diese Institution im Rahmen der Akademie der Wissenschaften offen bleibt. Auch die Akademie ist bestrebt, die national-ukrainischen Elemente zu sammeln und zu organisieren. Die für die deutsche Wirtschaft wichtigen Institute der Akademie werden aus dem Gesamtorgan gelöst und in den deutschen Verwaltungszug eingeordnet. Ein weiteres Instrument national-ukrainischer Politik ist die autokephale ukrainische Kirche, hinter der im wesentlichen die Organisation des Lewitzkyj steht. Der hervorragendste Vertreter dieser Kirche ist der Bischof Hilarion von Chelm, der mehr Politiker als Kirchenfürst auf die Kiewer Metropolitenschaft prätendiert und zur Zeit in Kiew durch einen gewissen Korowizki vertreten wird. Wie stark die Bindungen der autokephalen Kirche zur Melnik-Bewegung sind, lässt sich im Augenblick nicht ganz übersehen. Vorhanden sind sie jedenfalls. Die Behauptung verschiedener V-Männer, dass zwischen Bischof Hilarion und dem NKWD bestimmte Beziehungen bestehen, ist noch unbewiesen, erscheint aber unter Berücksichtigung des Charakters des Bischofs nicht unwahrscheinlich. Hetman Skoropadski2 hofft immer noch, in absehbarer Zeit Führer der Ukrainer zu werden. Nach Mitteilungen des Kiewer Rechtsanwaltes Maikowski, welcher auf Einladung des Auswärtigen Amtes eine Reise durch Deutschland machte und mit den Führern der verschiedenen ukrainischen Nationalrichtungen Fühlung nahm, erklären einige der Anhänger Skoropadskis, dass sie nicht nur Deutschland, sondern auch England als Förderer eines ukrainischen Nationalstaates betrachten, wenn Deutschland den Krieg verlieren sollte.

Judenerfassung in Charkow: Im Rahmen des SK 4a wurden die umfangreichen Vorbereitungen, die im Rahmen der allgemeinen Judenerfassung in Charkow notwendig wurden, beschleunigt betrieben. Es galt in erster Linie, geeignetes Gelände für die Evakuierung der Juden im engsten Einvernehmen mit dem Quartieramt der Stadt zu ermitteln. Es wurde ein Geländeabschnitt gewählt, wo die Juden in den Baracken einer Werkssiedlung untergebracht werden konnten. Am 14.12.41 erschien dann ein Aufruf des Stadtkommandanten an die Juden von Charkow, worin diese aufgefordert wurden, sich bis zum 16.12.41 in die im Aufruf näher bezeichnete Siedlung zu begeben. Die Evakuierung der Juden verlief bis auf einige Plünderungen, die sich auf dem Marsche der Juden zu den neuen Quartieren ereigneten und an denen sich fast ausschliesslich Ukrainer beteiligten, reibungslos. Ein zahlenmäßiger Überblick über die bisher durch die Evakuierung erfassten Juden liegt noch nicht vor. Die Zählung der Juden ist eingeleitet. Gleichzeitig sind die Vorbereitungen für die Erschiessungen der Juden im Gange. 305 Juden, die der deutschen Wehrmacht abträgliche Gerüchte verbreiteten, wurden sofort erschossen.3

BAB, R 58/220

1 Grundlegend zum Nationalismus der beiden Fraktionen: Alexander J. Motyl: The Turn to the Right: The Ideological Origins and Developments of Ukrainian Nationalsm, 1919–1929, New York 1980; ders.: Ukrainian Nationalist Political Violence in Inter-War Poland, 1921–1939, in: East European Quaterly 19(1985), S. 45–55; zur Spaltung: Bruder: Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben, S. 118–123; zusammenfassend: dies.: Kollaboration oder Widerstand? Die ukrainischen Nationalisten während des Zweiten Weltkrieges, in: ZfG 54 (2006), S. 20–44; Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 192–203.

2 Pawlo Skoropadskyj (1873–1945), zaristischer General, 1918/19 Hetman der Ukraine unter dem Schutz der Mittelmächte; vgl. Wolfram Dornik/Stefan Karner (Hrsg.): Die Besatzung der Ukraine 1918. Historischer Kontext–Forschungsstand–wirtschaftliche und soziale Folgen, Graz–Wien 2008; Wolfram Dornik (Hrsg.): Die Ukraine zwischen Selbstbestimmung und Fremdherrschaft 1917–1922, Graz 2011.

3 Siehe EM 156, Fn. 8.

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