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Antonius

Jessica Peterson

Dies ist die Geschichte von dem kleinen Klopfgeist namens Antonius. Jetzt fragst du dich sicher, was genau ein Klopfgeist ist. Du kennst bestimmt alle möglichen Arten von Geistern: Poltergeister, Kettenrasselgeister, Geister mit abnehmbaren Köpfen, Wassergeister, Waldgeister und natürlich auch die ganz besonders schaurigen Heulgeister. Aber ein Klopfgeist ist dir mit Sicherheit noch nicht begegnet. Klopfgeister sind nämlich besonders selten. Eigentlich kennt kaum jemand Klopfgeister. Und genau hier liegt das Problem. Antonius kannte leider auch keine weiteren Klopfgeister. Das machte ihm sehr zu schaffen, denn er fühlte sich oft sehr einsam. Nirgendwo schienen andere Klopfgeister zu wohnen. Und Antonius hatte schon sehr lange gesucht und war dafür sehr weit gereist.

Er hatte viele Poltergeister getroffen in alten Häusern, in denen sich kein Mensch mehr zu wohnen traute aus Angst vor den unheimlichen und lauten Mitbewohnern. Er traf Kettenrasselgeister in Burgen und Schlössern, die dort seit Jahrhunderten ihr Unwesen trieben und die Menschen gerne bei den Besichtigungen und Führungen erzittern ließen, wenn sie die kalten Schauer spürten und das Rasseln hörten. Antonius lernte ein paar wirklich nette Waldgeister kennen, die die Wälder bei Nacht so schaurig wirken ließen, dass die Menschen bis heute lieber an den Waldrändern lebten, als mitten im Wald ein Häuschen zu bauen – mit Ausnahme ein paar mutiger Hexen natürlich, die sich vor gar nichts fürchteten.

Die Geister mit den abnehmbaren Köpfen blieben lieber unter sich. Sie lebten in verlassenen Dörfern oder Ruinen und spielten sehr sonderbare Spiele wie Kopfweitwurf oder Kopfkegeln und Köpflein-versteck-dich. Was natürlich nur ihnen vorbehalten war, da alle anderen Geister, so sehr sie sich auch bemühten, ihre Köpfe nicht einfach so durch die Gegend rollen konnten. Verirrte sich durch Zufall mal ein Mensch zu ihnen, wurde er selbstverständlich fortgegruselt, wie es sich für einen anständigen Geist gehörte.

Die Heulgeister waren die anspruchslosesten unter den Geistern. Sie lebten überall dort, wo es jemanden zum Erschrecken gab. In Kellern, auf Dachböden, in Kirchen und Schulen, in Bibliotheken hinter den Regalen, ja sogar im Theater hatte man sie schon gehört. Ihnen allen ist Antonius auf seiner Suche schon begegnet. Aber am angenehmsten waren ihm die Wassergeister. Sie liebten es, den ganzen Tag zu schwimmen und in der Nacht am Ufer von kleinen Waldseen zu sitzen und die Sterne zu beobachten. Es lag ihnen fern, Menschen zu erschrecken. Sie waren der Meinung, die Menschen hätten so viel Aufmerksamkeit überhaupt nicht verdient. Die Wassergeister erzählten den Fischen ihre wundersamen Märchen und tanzten Wassertänze und tauchten bis an den Grund des Sees, um die Dunkelheit zu genießen. Antonius saß oft bei ihnen am Ufer und lauschte ihren Geschichten. Er liebte es, mit ihnen zu schwimmen, doch das Wasser war ihm immer etwas zu kalt. Durchgefroren hockte er dann im Wald und fühlte sich wieder ganz einsam.

Er war sehr schlecht im Menschenerschrecken, denn die Menschen taten ihm dann immer etwas leid. Eigentlich mochte er sie sogar. Was sich für einen richtigen Geist natürlich überhaupt nicht gehörte! Deswegen sagte er es den anderen Geistern lieber nicht. Geschichten liebte er sehr, aber er selbst konnte keine guten erzählen. Er fand es wundervoll, wenn es um ihn herum dunkel war, und Schwimmen war seine große Leidenschaft. Doch nichts, wirklich gar nichts, liebte er mehr als das Klopfen. Ja, er klopfte für sein Leben gern. An Bäumen, auf Dächern, an Wänden, er klopfte Steine aneinander und mit Stöcken an Zäune. Er klopfte auf Töpfe, an Türen und Rohren und überall, wo sich so ein wunderschönes Klopfgeräusch ergab.

Jedoch machte er sich dadurch bei den anderen Geistern nicht sehr beliebt. Die Wassergeister und die Waldgeister waren von seinem Klopfen ziemlich genervt. Sie liebten eben die Ruhe. Die anderen Geister machten sich über ihn lustig, da man doch mit der zaghaften Klopferei niemals einen Menschen so richtig erschrecken könnte.

Nirgendwo fühlte sich Antonius zu Hause, nirgendwo gehörte er dazu. Die anderen Geister wussten, wo sie hingehörten und wie sie geistern sollten. Aber Antonius kannte keine anderen Klopfgeister und so wusste er auch nicht, wie man als Klopfgeist sein musste und vor allem wo ein Klopfgeist überhaupt hingehörte.

Er überlegte lange hin und her, wo er sich als kleiner Klopfgeist wohl fühlen würde, wo er schwimmen könnte, ohne zu frieren, Geschichten lauschen und, was besonders wichtig war, wo er sich nicht einsam fühlte und trotzdem nach Herzenslust klopfen könnte, ohne jemanden damit zu verärgern.

Umso mehr er darüber nachdachte, umso unmöglicher schien es ihm, so ein Zuhause jemals finden zu können. Da die anderen Geister inzwischen nur noch über sein Klopfen schimpften und ihn immer wieder fortscheuchten, beschloss Antonius, sich auf den Weg zu machen, um irgendwo auf der Welt ein geisterloses Plätzchen zu finden, das die Menschen noch nicht für sich entdeckt hatten, um dort für alle Zeit allein zu klopfen und niemanden zu stören.

Der Gedanke an die Einsamkeit machte ihn traurig und so beschloss er, eine Pause einzulegen, und setzte sich auf einen kleinen Zaun, der einen fast verwilderten Menschengarten umgrenzte. Er nahm sich einen Kieselstein und klopfte einen ganz traurigen Rhythmus an die Zaunlatte, auf der er saß. Das Geräusch war so zart und leise, dass er mit Sicherheit niemanden stören würde. Ein Eichhörnchen sah zu ihm hinauf und sammelte weiter ein paar Nüsse im Garten. Niemand verscheuchte ihn oder lachte ihn aus. Und da Antonius schon sehr müde war von der langen Wanderung, beschloss er, die Nacht in diesem Garten zu verbringen. Er kühlte seine kleinen Füße in dem Wasser der Vogeltränke, sehr zum Ärger eines Buchfinks, der ihn misstrauisch beobachtete, sammelte sich ein paar herabgefallene Beeren und schaute sich um nach einem Plätzchen zum Schlafen. Als er den Garten durchstreifte, kitzelte es plötzlich ganz angenehm in seiner Nase. Er folgte dem wundervollen Duft und kam zu einem kleinen Beet voller Kräuter und Blumen.

Antonius setzte sich zwischen all die schönen weißen Blüten und atmete tief ein. Er hatte sich noch nie wohler gefühlt. Mit einem Mal wurde er ganz schläfrig. Er kuschelte sich in die weichen Blätter und ihm fielen die kleinen müden Augen zu.

Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich pudelwohl und ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr. Hinter dem kleinen Wäldchen färbte sich langsam der Himmel, um den Sonnenaufgang anzukündigen. Antonius hatte das Gefühl, sein kleines Geisterherzchen würde Luftsprünge machen, und vor lauter Glück setzte er sich auf einen großen Stein und begann, mit einem kleinen Stöckchen einen lustigen Rhythmus zu klopfen. Da öffnete sich plötzlich die Tür des kleinen Menschenhauses, zu dem der Garten gehörte, und ein Junge trat in die kühle Morgenluft. Er rieb sich verschlafen mit einer Faust die Augen und kam dann auf das Beet zu, in dem Antonius so wunderbar geschlafen hatte. In der Hand hielt er einen kleinen Korb. Dann hockte er sich zwischen die Blüten und begann einzelne Stängel zu pflücken und in den Korb zu sammeln.

„Nein“, dachte sich Antonius plötzlich, „was tut er denn da? Er nimmt mir ja meine wundervollen Düfte. Er stielt mein Bettchen!“

Vor lauter Zorn klopfte er besonders laut auf den Stein, immer schneller und schneller. Da drehte sich der Junge plötzlich um, und suchte mit seinen Augen den Garten ab, woher dieses Klopfen wohl kommen möge. Als er Antonius entdeckte, stellte er seinen Korb ab und kam zu ihm herüber. Der kleine Klopfgeist war immer noch wütend, aber er hörte auf zu klopfen und tat, was ein guter Geist eben so tut: „Huihubuhuu, huihubuuuuuu!“

„Warum tust du das?“, fragte ihn der Junge.

„Ich erschrecke dich, das ist doch klar!“, antwortete Antonius.

„Nein, das meine ich nicht! Außerdem kannst du mich damit gar nicht erschrecken, weil ich dich doch vorher schon entdeckt habe.“

Der Junge beugte sich zu dem Klopfgeist herunter und lächelte ihn an.

„Warum klopfst du so wütend auf den Stein? Hat dich jemand verärgert?“

„Na, du hast mich verärgert! Du nimmst mir mein wunderschönes, duftendes Bettchen. Warum reißt du all die Stängel ab? Das macht mich wütend und traurig.“

Antonius stemmte sich seine kleinen Hände in die Seiten und funkelte den Jungen aus seinen Geisteraugen zornig an. Aber der Junge ließ sich dadurch nicht beeindrucken, er setzte sich neben den Stein und lächelte den Geist immer noch neugierig, aber freundlich an.

„Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen. Bist du so eine Art Gespenst?“

Der Junge streckte vorsichtig die Hand aus, um Antonius zu berühren. „Lass das!“, schrie der Klopfgeist entsetzt und sprang von seinem Stein.

„Was hast du denn vor? Du kannst mich nicht anfassen. Ich bin ein Geist! Ein Klopfgeist! Das hast du doch gehört! Wir Geister sind wie kalte Luft, aber wenn wir wütend sind, fühlen wir uns an wie heiße Luft. Du würdest dich an mir verbrennen. Wie kann man nur so töricht sein? Ihr Menschen habt ja wirklich von nichts eine Ahnung!“

Antonius begann zu flimmern. Er war nun wirklich sehr wütend. Erst stahl das Menschenkind all die schönen Düfte und dann beleidigte er auch noch einen Geist. Es konnte wohl nicht schlimmer kommen.

„Es tut mir wirklich leid, das konnte ich doch nicht wissen. Du bist der erste Geist, dem ich jemals begegnet bin. Mein Name ist Ben. Ich bin zu Besuch bei meiner Großmutter. Sie wohnt in diesem Haus und ihr gehört auch der Garten. Sie hat mich herausgeschickt um alle Zutaten für unseren Tee zu pflücken. Vielleicht möchtest du auch eine Tasse?“

Der Junge guckte so betreten, dass Antonius Mitleid verspürte. Das war ja sein Problem mit den Menschen, er konnte nichts dafür, dass er sie mochte. Und Ben schien wirklich sehr nett zu sein. Schließlich wollte er ihm eine Tasse Tee schenken. Auch wenn Antonius eigentlich keine brauchte, denn Geister trinken und essen ja nicht. Aber freundlich war es trotzdem, also kühlte Antonius langsam wieder ab und reichte dem Menschenkind seine Hand, um sich vorzustellen.

„Antonius. Einziger und einsamster Klopfgeist weit und breit auf der Welt!“

Ben schüttelte die Hand des kleinen Geistes, wobei ihm ein wenig komisch zu Mute war, denn kalte Luft fühlte sich sehr unangenehm an.

„Musst du nun alle schönen Düfte mit ins Haus nehmen?“, fragte Antonius.

„Nein, nur die, die meine Großmutter heute braucht. Die anderen lassen wir weiter wachsen. Siehst du, hier sind Kamille, Pfefferminze und Zitronenmelisse. Damit schmeckt der Tee besonders gut.“

Antonius schnupperte an den Stängeln, die Ben in seinem Korb gesammelt hatte. Am liebsten hätte er sich hineingekuschelt in die wundervollen Düfte.

„Was ist Tee?“, fragte er neugierig.

„Kennst du das nicht? Wir gießen heißes Wasser über die Stängel und später kann man es dann trinken. Das schmeckt köstlich!“, erklärte Ben.

„Möchtest du mit hineinkommen? Ich stelle dich meiner Großmutter vor. Sie hat noch viele andere Teesorten in ihren Dosen im Haus.“ Etwas, was aus diesen duftenden Pflanzen gemacht wurde, konnte nur wundervoll sein und so zögerte Antonius nicht lange und folgte dem Jungen.

Als sie das Haus durch die Hintertür betraten, standen sie in einer gemütlichen alten Küche. Von der Decke hingen allerlei Pflanzen zum Trocknen und in den Regalen standen unzählige Dosen, große und auch ganz kleine, die alle mit Schildern versehen waren. Holunderblüten stand auf der einen, Brennnessel auf einer anderen. Hier konnte er Indianernessel lesen und dort Lindenblüten, Spitzwegerich oder Salbei. Jede dieser Dosen umgab ein kleiner Hauch, eine Ahnung von einem Duft. Antonius wünschte sich, jeden der vielen Deckel für einen kleinen Moment öffnen zu dürfen, um in die wunderbaren Gerüche einzutauchen.

Er war so fasziniert von den vielen Pflanzen und Schildern, dass er gar nicht bemerkte, wie sich eine Menschenfrau vor ihm niederbeugte und ihn anschaute. Sie hatte ein sehr freundliches Gesicht und ihr graues Haar war zu einem Knoten auf dem Hinterkopf gebunden. Ihre Augen funkelten vergnügt und sie schenkte Antonius ein strahlendes Lächeln.

„Na, wen haben wir denn hier?“, fragte sie.

„Es ist ja schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich einen Geist zu Gast hatte!“

Antonius erschrak für einen ersten Augenblick, aber die Augen der Großmutter blickten so freundlich, dass er sich sofort wohlfühlte in ihrer Nähe.

„Du hattest schon einen Geist zu Gast?“, traute er sich mutig zu fragen.

„Ja, aber das ist schon sehr, sehr lange her. Es war ein kleiner Plätschergeist. Er lebte sieben Jahre in meiner Badewanne. Dann verliebte er sich eines Nachts bei einem Spaziergang in ein Wassergeistmädchen. Er ging mit ihr und ich sah in niemals wieder.“ Sie schaute etwas verträumt, als sie sich erinnerte.

„Aber so ist das eben mit den Geistern! Sie gehören zu ihresgleichen, nicht zu uns langweiligen Menschen.“

„Ja, aber das ist ja genau mein Problem! Meinesgleichen wollen mich nicht. Sie lachen mich aus oder schicken mich fort, weil ich ihre Ruhe störe. Und andere wie mich gibt es nicht. Ich bin ganz allein auf der Welt.“

Antonius spürte wieder die schreckliche Einsamkeit in sich und wurde ganz traurig.

„Also so was! Das ist ja gar nicht möglich. Für jeden gibt es ein Plätzchen auf der Welt. Und einsam sein muss niemand! Ben, hilf mir! Wir machen uns jetzt erstmal einen guten, warmen Tee und dann überlegen wir gemeinsam, wo Antonius hingehören könnte, um nicht mehr allein sein zu müssen.“

Der Klopfgeist schaute gespannt zu, wie Ben und seine Großmutter die Stängel wuschen und sie dann in einer großen Kanne mit heißem Wasser übergossen. Als der wundervolle Duft ihm entgegenwehte, konnte er vor Glück kaum noch geradestehen. Er schlich um die Kanne auf dem Tisch herum und spürte die Wärme. Ihm wurde ganz wunderbar wohlig in seinem kleinen Geisterkörper. Dann konnte Antonius nicht mehr an sich halten und klopfte vorsichtig gegen die Teekanne. Wie wundervoll das klang. Ben und seine Großmutter schien es gar nicht zu stören. Sie setzten sich mit einem großen Teller Kekse an den Tisch und Bens Großmutter zündete eine Kerze in einem Stövchen an, auf das sie die schwere Kanne stellte.

„Damit unser Tee auch schön warm bleibt!“, sagte sie mit einem Augenzwinkern zu Antonius.

„Nun erzähl mir doch mal, was für eine Art Geist du bist!“

„Er ist ein Klopfgeist, Oma! Hörst du nicht, wie wundervoll geheimnisvoll sein Klopfen klingt?“, rief Ben.

Wundervoll?

Wundervoll? So hatte noch niemand jemals Antonius Klopfen genannt. Geheimnisvoll?

Der kleine Geist wurde plötzlich ganz stolz. Er schmiegte sich an die warme Teekanne und schaute ins Licht der Kerze. Dabei klopfte er immer wieder mal vorsichtig an den Hals oder den Henkel.

„Soso, ein Klopfgeist also. Nun ja, das scheint mir wirklich eine seltene Art zu sein. Und ich muss zugeben, viele Klopfgeister in einem Haus können bestimmt sehr anstrengend sein. Aber das einzelne Klopfen stört mich überhaupt nicht. Du hast es gerne warm, nicht wahr?“, fragte die Großmutter.

„Ja, warmes Wasser finde ich besonders schön! Und ich liebe es, zu klopfen und zu schwimmen, und dieser Duft! Dieser Duft! Hmmm!“ Antonius mochte die Großmutter. Sie war sehr freundlich zu ihm, und Geister schienen sie gar nicht zu erschrecken, wie es bei den anderen Menschen immer der Fall war. Und auch das kleine Menschlein gefiel ihm. Er strahlte Antonius die ganze Zeit über schon an.

„Soso! Na, dann sollten wir doch mal etwas probieren“, schlug Bens Oma vor. Sie öffnete den Deckel der Teekanne und der Duft von Pfefferminze erfüllte den Raum noch mehr. Der kleine Klopfgeist klopfte vor lauter Glück immer schneller.

„Na komm, hüpf mal in den Tee, lieber Antonius, ich denke, das könnte dir gefallen.“

Ben verzog ein wenig das Gesicht.

„Aber, Oma, den wollen wir doch noch trinken!“

„Das ist gar kein Problem, Ben. Glaub mir. Geister sind wie Luft. Sie haben keinen Geschmack. Nicht wahr, Antonius?“

Der Klopfgeist nickte. Er konnte es kaum glauben. Er durfte wirklich in diesem heißen Wunderwasser aus traumhaft schönen Düften tauchen. Das war zu schön, um wahr zu sein. Und damit es sich die Großmutter nicht noch anders überlegen konnte, nahm er Anlauf und sprang kopfüber in den Tee.

Antonius hatte sich in seinem ganzen Geisterdasein noch nie glücklicher gefühlt. Er drehte Runde um Runde und lehnte sich dann erschöpft, aber unendlich zufrieden an den Rand der Kanne. Er konnte nicht anders, er musste vor lauter Glück einfach klopfen. Erst ganz zaghaft, dann ein wenig mehr, dann einmal schneller und wieder etwas weniger.

„Klopf nur, Antonius, so laut, so schnell, so viel du magst. Das stört uns nicht! Du bist eben ein kleiner Klopfgeist!“

Die Großmutter strahlte durch die große Öffnung in die Kanne.

„Fühlst du dich wohl?“, fragte Ben.

„Wohler als wohl! Fantastisch! Besser als jemals zuvor!“

Antonius zwinkerte Ben zu.

„Weißt du, wir Geister sind nicht nur Luft. Wir haben auch so etwas wie ein Herz. Und darin fühle ich so viel Glück und Freude, dass ich mir vorstellen kann, dass du das vielleicht doch ein wenig schmecken kannst!“

Ben setzte den Deckel wieder auf die Kanne und die Großmutter schenkte den Tee in ihre Tassen ein. Und tatsächlich, du wirst es kaum glauben, aber er schmeckte ganz anders als sonst. Der Tee war wundervoll! Nicht nur pfefferminzig und melissig, nein, er machte auch unwahrscheinlich glücklich, und das konnte man sogar beim ersten Schluck schon schmecken.

Die Großmutter lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und räusperte sich: „Also, das ist ja jetzt wirklich eine schöne Überraschung! Ich bin sehr froh, dass du dich in meinen Garten verirrt hast und Ben dich gefunden hat, Antonius. Du darfst gerne bei mir bleiben, wenn du magst! Dann bin ich auch nicht mehr so allein, wenn Ben wieder zu seinen Eltern fährt. Ein Geist im Haus ist schon etwas Wunderbares! Das hat mir doch sehr gefehlt. Ich koche uns beiden dann auch jeden Tag eine schöne Kanne Tee. Es gibt noch so viele Düfte, die ich dir zeigen möchte. Was hältst du davon?“

Was glaubst du, was Antonius da geantwortet hatte? Natürlich mochte er bei der Großmutter bleiben. Er konnte sich nichts Schöneres vorstellen.

„Also abgemacht!“, sagte sie und klopfte von außen dreimal gegen die Kanne. Und Antonius klopfte von innen dreimal zurück. Dann nahm sie einen Schluck aus ihrer Tasse und schlug vor: „Was haltet ihr davon, wenn ich euch die Geschichte erzähle, wie ich den kleinen Plätschergeist kennen gelernt habe?“

„Au ja!“, riefen Ben und Antonius gleichzeitig. Und so begann sie zu erzählen und der kleine Geist klopfte glücklich in seiner Kanne leise gegen die Wand.

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