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DER KRIEG DER LENI RIEFENSTAHL LENI RIEFENSTAHL Die Berlinerin Leni Riefenstahl (1902–2003) machte zunächst als Tänzerin und Schauspielerin Furore, ehe sie Anfang der 1930er Jahre als Regisseurin reüssierte. Nach Hitlers »Machtergreifung« geriet sie wie Millionen Deutsche in den Bann des Diktators. Doch begabter als die meisten wurde sie – als ein weiblicher Faust – geniale Propagandistin eines verbrecherischen Regimes, die mit Filmen wie Triumph des Willens den schönen Schein der Diktatur auf Zelluloid bannte. Es waren ihre Bilder, die Hitler zu einem übermächtigen Heilsbringer stilisierten und mithalfen, eine ganze Generation zu verführen. Nach dem Krieg wollte sie mit all dem nichts mehr zu tun haben. Sie habe doch nur die Realität abgebildet, so Riefenstahl. Es blieb bis zuletzt ihre Lebenslüge.

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Eine Frau, umringt von deutschen Soldaten, die mit schmerzverzerrtem Gesicht aufschreit. Ein Mann versucht, sie zu beruhigen, andere sehen dem Geschehen regungslos zu. »Leni Riefenstahl fällt beim Anblick der toten Juden in Ohnmacht«, hat ein Landser lapidar in ein Fotoalbum mit Kriegserinnerungen geschrieben, in das er das Foto von Hitlers Starregisseurin eingeklebt hat.

Polen, Anfang September 1939. Nach Kriegsbeginn hatte sich die Filmemacherin Hitlers Truppen beim Vormarsch nach Osten an die Fersen geheftet. Am 10. September sei sie, begleitet von einem Trupp Kameraleute, in seinem Hauptquartier aufgetaucht, laut ihrer eigenen Aussage »den Spuren des Führers« folgend, erinnerte sich General Erich von Manstein später. Sie habe verwegen ausgesehen, »wie etwa eine elegante Partisanin, die ihr Kostüm von der Rue de Rivoli aus Paris bezogen haben konnte. Sie trug eine Art Tunika, Breeches und weiche hohe Stiefel. Am Lederkoppel, das ihre Hüften umgürtete, hing eine Pistole. Die Nahkampfausrüstung war durch ein nach bayerischer Art im Stiefel steckendes Messer ergänzt. Der Stab war durch diese ungewöhnliche Erscheinung, wie ich gestehen muss, ein wenig perplex.«

Manstein konnte der exaltierten Person wenig abgewinnen und schob die lästige Besucherin zu General von Reichenau nach Końskie ab. Auch dort sorgte sie für Aufsehen, wie das Fotoalbum des deutschen Soldaten zeigt. »Leni Riefenstahl mit dem Filmstab«, hat er ein Bild beschriftet. Zu sehen ist dieRegisseurin, die mit einigen Begleitern über die Straße schreitet. »Unser Führer in Konskie«, so der Titel eines anderen Fotos, auf dem Hitler im offenen Wagen vorüberfährt.

Dann jedoch folgen andere Bilder: »Vier Kameraden auf der Streife von Juden überfallen und gemeuchelt«, heißt es eine Seite weiter unter einem Foto von vier Leichen. »Die Juden müssen die Gräber für die gefallenen Kameraden ausheben«, steht unter dem nächsten. Was war geschehen? Während der Strafaktion war die Situation eskaliert: Unter den deutschen Soldaten hatte sich das Gerücht verbreitet, die vier Landser seien grausam verstümmelt worden – spontane Gewaltausbrüche gegen die unfreiwilligen Totengräber waren die Folge. Als die Juden daraufhin in Panik zu fliehen versuchten, schossen einzelne Soldaten in die Menge – 22 Menschen starben.

Was hat Leni Riefenstahl von diesem Massaker, einem der ersten Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg, gesehen? Nach dem Krieg sagte sie aus, sie habe gegen die rüde Behandlung der Zivilisten protestiert, woraufhin ein deutscher Landser sogar sein Gewehr auf sie gerichtet habe: »Schießt dieses Weib nieder!« Die Tötung der Juden selbst dagegen habe sie nicht mitbekommen, sondern erst später davon erfahren. Diese Aussage ist jedoch wenig glaubwürdig – nicht zuletzt aufgrund des verräterischen Fotos – und wohl vor allem auf eine Art Verteidigungsposition während der »Entnazifizierung« in den 1950er Jahren zurückzuführen.

Unstrittig ist freilich, dass Riefenstahl umgehend gegen die Vorgänge in Końskie protestiert hat. Es ist belegt, dass sie bei Reichenau vorsprach und entsetzt von ihren Beobachtungen berichtete. Tatsächlich wurde der Haupttäter daraufhin vor ein Kriegsgericht gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Die Regisseurin selbst hat Końskie zu einer Art Erweckungserlebnis stilisiert, das sie bewogen habe, den Dienst als selbsternannte »Kriegsberichterstatterin« zu quittieren. In der Tat hat sie danach nie wieder mit ihren Kameras eine Front besucht. Doch was sie ablehnte, waren nur die Schrecken des Krieges, nicht aber die Verbrechen des Mannes, der ihn angezettelt hatte.

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