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DAS UNTERNEHMEN BARBAROSSA

HEINZ GUDERIAN

Der aus einer traditionsreichen preußischen Militärfamilie stammende Heeresoffizier Guderian (1888–1954) galt als der »Vater der deutschen Panzerwaffe«. Schon Anfang der 20er-Jahre hatte er erkannt, dass die im Ersten Weltkrieg erstmals von den Briten eingesetzten Panzer das Waffensystem der Zukunft waren. Nach Hitlers »Machtergreifung« war er ein gefragter Mann, da der Diktator den Ausbau der Panzerwaffe gezielt förderte. Die schnellen Siege gegen Polen und Frankreich gingen zu einem Gutteil auch auf seine Panzer und das Konzept des »Gefechts der verbundenen Waffen« zurück.

Am 22. Juni 1941, morgens um Viertel nach drei, schlug die Stunde X: Das »Unternehmen Barbarossa« begann – der Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Zwischen Ostsee und Karpaten brachen drei Millionen deutsche Soldaten auf, um »Lebensraum« für ihren »Führer« zu erobern. Auch der Kommandeur der Panzergruppe 2, Generaloberst Heinz Guderian, stand zu dieser schicksalhaften Stunde mit den Offizieren des Stabs am Ufer des Bug nördlich von Brest-Litowsk und blickte in das aufziehende Morgenrot gen Osten. Seine Panzer sollten die gegen Polen erprobte und im Frankreichfeldzug perfektionierte Strategie des »Blitzkriegs« in der Weite des russischen Raums fortführen.

Die Deutschen in der Heimat wurden am Morgen des 22. Juni, einem Sonntag, von ungewohnten Tönen aus den Betten gerissen. Zum ersten Mal erklang das wuchtige, schmetternde Thema aus Franz Liszts »Les préludes«, das in Zukunft die Sondermeldungen von der Ostfront einleiten sollte. Dann ertönte aus den Volksempfängern die Stimme des Propagandaministers Joseph Goebbels, der eine Erklärung Hitlers verlas.Die meisten Menschen schwiegen betroffen, als sie die Worte ihres »Führers« hörten: »Ich habe mich heute entschlossen, das Schicksal des Deutschen Reiches und unseres Volkes wieder in die Hände unserer Soldaten zu legen.«

Den Menschen im In- und Ausland galt es weiszumachen, dass nicht Hitler der Aggressor sei, sondern Stalin. Die Wehrmacht sei lediglich dem sowjetischen Angriff zuvorgekommen. Goebbels wusste genau, dass die moralische Mobilmachung der Bevölkerung diesmal noch schwieriger sein würde als bei den vorherigen Feldzügen. In den streng geheimen »Meldungen aus dem Reich« des SS-Sicherheitsdienstes sind die Reaktionen der Bevölkerung festgehalten: Schon bald nach dem Angriff dominierten bei vielen Menschen Überraschung, Bestürzung, sogar Schock oder Lähmung.

Auch der sowjetische Diktator Stalin wurde kalt erwischt. Er hatte alle Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff ignoriert. Dabei war er von vielen Stellen gewarnt worden. Doch immer wieder wiegelte Stalin ab. Stets witterte er Provokationen, sah darin die Taktik kapitalistischer Mächte, dieihn aus purem Eigeninteresse in einen Krieg gegen Hitler verwickeln wollten. Stalin hielt es für unwahrscheinlich, dass sich Hitler auf einen Zweifrontenkrieg einlassen würde.

PRÄVENTIVKRIEG?

Es spricht vieles dafür, dass der sowjetische Diktator sein Land damals in die Rolle eines »lachenden Dritten« hineinmanövrieren wollte. Er rechnete fest mit einem »Krieg der imperialistischen Mächte« – damit meinte er Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Erst wenn sich diese potenziellen Gegner im Westen gegenseitig geschwächt hatten, wollte er die Arena betreten. Doch dieser These mangelt es an hieb- und stichfesten Beweisen. Dass dennoch so viele sowjetische Soldaten in offensiver Aufstellung an der Westgrenze standen, entsprach der sowjetischen Verteidigungsdoktrin, einen Gegner im Falle eines Angriffs möglichst auf dessen Territorium zu schlagen.

War es ein Präventivkrieg? Immer wieder ist darüber spekuliert worden, ob die beiden großen Diktatoren Hitler und Stalin zwangläufig dahin tendierten, sich eines Tages zu zerfleischen. Offen war da lediglich, wer zuerst über wen herfiel. Doch die Vermutung, dass die Sowjetunion kurz- oder mittelfristig einen Angriff gegen das Deutsche Reich plante, lässt sich tatsächlich durch kein seriöses Dokument stützen. Die historische Last des Überfalls auf die UdSSR kann nicht mittels Gedankenspielen über möglicherweise langfristige Kriegsabsichten Stalins verdrängt werden.

Entscheidend ist ohnedies, dass Hitler selbst überhaupt nicht mit einem sowjetischen Angriff rechnete – für seine Pläne spielte das sowieso keine Rolle. Das »Unternehmen Barbarossa« war der Krieg, auf den der deutsche Diktator immer hingearbeitet hatte, den er immer führen wollte. Polen, Norwegen, Frankreich, England – all diese Angriffsziele waren nur Ouvertüren für die eigentliche Auseinandersetzung: den Kampf um »Lebensraum im Osten«, den Kampf gegen den »bolschewistischen Todfeind«.

Sein Drang wies nach Osten, sein Ziel war ein »Großgermanisches Reich« vom Atlantik zum Ural. Doch Krieg war für Hitler auch ein Überlebenskampf der Weltanschauungen und Rassen. Schon in Mein Kampf hatte er die Eroberung Russlands als »deutsche Mission« ausgegeben, als einen Kreuzzug gegen »Weltjudentum« und »Bolschewismus«. So begann erst mit dem Überfall auf die UdSSR der Zweite Weltkrieg für den Usurpator Hitler richtig. Vor 250 hohen Offizieren der Wehrmacht kündigte Hitler im März 1941 einen Vernichtungskrieg an, einen Krieg, der nicht mehr an bisher gültige Kriegs-und Völkerrechtsgrundsätze gebunden sein sollte. Das war »sein« Krieg im Krieg, frei von jeder Rücksichtnahme auf die Regeln der Zivilisation.

Wohl irritierte Hitlers hasserfüllte Schärfe ein paar Offiziere, doch Proteste blieben aus. Auch Guderian schien keine moralischen Bedenken gegen den Angriff gehabt zu haben – eher waren seine Einwände fachlicher Natur, wie Wilhelm Ritter von Thoma berichtete. Er gehörte zu hochrangigen deutschen Generälen, die im späteren Verlauf des Kriegs in britische Gefangenschaft gerieten und dort abgehört wurden: »Ich weiß noch, wie Guderian zum ersten Mal von der Russland-Geschichte hörte – ich war zufällig da. Er sagte: ›Was, jetzt noch so ein großer Irrsinn? Wenn man das nur nicht macht, denn das ist ein derartiger Koloss, da kann man gar nicht durchkommen.‹«

Bei allen Vorbesprechungen und Planspielen betonte Guderian deshalb stets die Rolle des Zeitfaktors: Alles kam darauf an, dass seine Panzer schnell und ungestüm vorpreschten, um – wie in Polen und Frankreich vorexerziert – beim Gegner jene Panik auszulösen, die dessen Verteidigung wie ein Kartenhaus zusammenstürzen ließe. Spätestens zum Einbruch des Winters musste der Feldzug gewonnen sein.

Guderian scheint schließlich geglaubt zu haben, dass der Blitzkriegsplan tatsächlich funktionieren könnte. »Drei Tage, bevor es losging, war Guderian bei uns«, berichtete der in Trent Park gefangene General Friedrich Freiherr von Broich, 1941 Kommandeur eines Reiterregiments. »Er sagte, am Anfang habe er kolossal dagegengeredet, nun war es aber befohlen worden. Und da hat er sich in eine Begeisterung hineingeredet, dass er es nachher beinahe selber geglaubt hat – obwohl er vorher genau der gegenteiligen Ansicht gewesen war.«

Mit Begeisterung auf Befehl in Richtung Moskau – anfangs schien es, als sollte dieser irrwitzige Plan funktionieren. Auf einer Breite von 1600 Kilometern stießen die deutschen Truppen und ihre Verbündeten ins Landesinnere vor. Unterteilt in sieben Armeen, vier Panzergruppen und drei Luftflotten und insgesamt drei Millionen Mann stark, standen den Truppen 600 000 Fahrzeuge, 750 000 Pferde, 3580 Panzerkampfwagen, 7184 Geschütze und 1830 Flugzeuge zur Verfügung.

Der blitzartige Schlag überraschte den Gegner völlig, massiven Widerstand gab es kaum. Die sowjetischen Einheiten wurden förmlich überrollt. Den rasch vorrückenden Panzertruppen folgten die Infanteriedivisionen. Dass die Rote Armee auf diesen Krieg nicht vorbereitet war, zeigte sich am deutlichsten in den ersten Wochen. Das Tempo, das die Deutschen vorlegten, war beinahe unglaublich. Guderians Panzer konnten schon nach vier Tagen große Teile der sowjetischen Verteidiger umfassen und abschneiden.

325 000 sowjetische Soldaten gerieten nach der ersten großen Kesselschlacht dieses Feldzugs in Gefangenschaft, die Wehrmacht vernichtete oder erbeutete mehr als 3300 Panzer und 1800 Geschütze. Angesichts der Tatsache, dass von den ursprünglich 180 Divisionen und Brigaden der Roten Armee nur noch 99 zur Verfügung standen, wird verständlich, warum Generalstabschef Halder Anfang Juli in sein Tagebuch schrieb: »Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass der Feldzug gegen Russland innerhalb von 14 Tagen gewonnen wurde.« Doch so weit war es noch lange nicht.

Der zweite Weltkrieg

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