Читать книгу Solange ich schreibe, lebe ich! - Hanan Al Obaidat - Страница 18

1. Januar 1943

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[…] Du, heute bin ich auch ganz Dein. Wie glücklich wären wir beide an diesem Tage! Du bist mein Stirb und meine Werde.5 Für die Zeit meiner möglichen Wiederkehr wirst Du mir ein wohlbewahrtes, sammelndes Erholen sein. Mit Hall und Schall werde ich unter das Tor fahren, das da Liebe heisst. Und meine Frau wird mir entgegeneilen und mich mit seligen Liebesäusserungen bedenken. Ein Ausgleich wird Zeichen und Bild gewinnen. Von der gemeisterten Form Deiner Zärtlichkeit werde ich nur erbaut sein. Eine drängende Dämonie der inneren Urgewalt wird dann heiss und inbrünstig überschäumen und Deine beherrschte Art, die dennoch voll leidenschaftlicher Züge ist, aber gebunden in Bewegung, zur Harmonie entschlossen, freundlich und ernst zugleich, wird mich zu dienender Ehrfurcht zwingen. Sie wird ein Zauberbann der kommenden Triebe sein. Dass kein übles Geschick die Hoffnung unterhöhle! Gross und eindrucksvoll stehst Du vor meinem geistigen Auge, wie von der bildnerischen Gewalt eines Bramante, Raffael, Peruzzi und des riesenhaften Bionarroti [sic!]6 in klassische Form gegossen, als eine, als meine erste Eva. Werden wir würdig solcher Gedanken! Du hast an mich das Rheingold verraten, entschlossen und begierig, es mit mir zu teilen. Dass uns die Rheintöchter doch nicht zürnen!7 Heute bin ich entschlossen, mit Dir den Hain der Venus zu beschreiten und gefahrlos mich ihr in die Arme zu werfen. Den moralisierenden Widersacher möchte ich an Shakespeares Wort erinnern und er soll es autokritisch bedenken: »Und so bekleid’ ich meine nackte Bosheit mit alten Fetzen aus der Schrift gestohlen und schein’ ein Heiliger, wo ich ein Teufel bin!«8 Da hast mich auf Neuland geführt, das nur dem sich erschliesst, der bereit ist, es zu geniessen. Dort wohnet in ernsten Waldungen, auf schütteren Feldern und sommerlichen Triften das Glück, das zwar eine wortkarge Sprache führt, aber reich ist an Gefühlen und Gedanken, die mein Innerstes bis zur restlosen Hingabe bewegen. Dort sind Träume Wirklichkeit und liegen sich, für den nüchtern gestimmten Menschen sonst unbegreiflich, die extremsten Kontraste in geniesserischem Wohlbehagen in den Armen. Aus diesem Land der Liebe ist der Krieg verbannt und Waffen sind dort unbekannte Götter. – Herzchen! Willst Du im Land der Liebe mit mir weilen? […]

Solange ich schreibe, lebe ich!

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