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Tente-Rollen: „In den USA sind die Patienten schwerer“

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Peter Fricke, Geschäftsführer von Tente International

Die Firma Tente-Rollen aus Wermelskirchen konzentriert sich auf Rollen für Krankenhausbetten – und ist in diesem Bereich Weltmarktführer. Der 49-jährige Peter Fricke führt das Unternehmen in zweiter Generation. Übernommen hat er die Geschäftsführung 1998 und später die Kapitalmehrheit von seinem Vater Dietrich Fricke. Der arbeitete einst als Führungskraft bei Tente und übernahm die Firma 1983 von der Gründerfamilie.

Herr Fricke, das Rad gehört zu den ältesten Erfindungen der Welt. Was gibt es daran immer noch zu verbessern? Das Rad ist schon eine sehr sinnvolle Erfindung gewesen. Es wird ja immer und überall gebraucht. Es ist zwar noch rund, aber was sich verändert, sind vor allem Details und Materialien. Genauso wie die Anforderungen. Sogar die Ästhetik spielt eine Rolle, denn wenn sie im Krankenhaus ein 200.000 Euro teures Ultraschallgerät auf einen kleinen Computertisch mit hässlichem Gestell und einer einfachen Industrierolle stellen, dann ist das auch nicht mehr schön.

Was ist der nächste große Sprung? In Zukunft wird eine Krankenschwester vielleicht nicht mehr auf kleine Pedalen an den Rollen treten müssen, damit ihr das Bett nicht wegrollt, sondern alles über das Smartphone oder ein iPad steuern, wo ihr gleichzeitig alle Informationen über das Bett anzeigt werden. Rollen sind ein High-Tech-Produkt.


Der Produktionsstandort von Tente Deutschland in Wermelskirchen

Der Firmengründer Adolf Schulte legte 1923 in Wermelskirchen den Grundstein mit der Herstellung von Klavier-, Möbel- und Schiebetürrollen. Sind Sie per Zufall ins Geschäft mit den Krankenbetten gekommen? Wenn mein Vater jetzt hier sitzen würde, würde er sagen: Das war kein Zufall. Er hat Ende der 50er-Jahre ein Patent von einem Hersteller für Krankenbetten gekauft, der sich Gedanken darüber gemacht hat, wie man die Arbeitsbedingungen von Krankenschwestern verbessern kann, damit sie nicht immer um das ganze Bett rumlaufen und jede Rolle einzeln feststellen müssen. Das hat ihm gefallen und er hat gesagt: Daraus kann man was machen. Darauf aufbauend haben wir dann weiter entwickelt – und vom Bergischen Land aus zuerst Deutschland und dann die ganze Welt erobert.

Brauchen Klinikbetten in Amerika andere Rollen als hier in Europa? Das ist jetzt nicht sarkastisch gemeint, aber in den USA sind die Patienten und also auch die Betten schon schwerer als hier. Da müssen unsere Rollen mehr Last tragen. Andersrum ist es in Japan: Da sind die Betten schmaler und die Menschen leichter.

Ihre Entwickler müssen sich in den Kopf von zierlichen Krankenschwestern und Pflegern denken. Machen sie auch den Praxis-Test vor Ort? Natürlich gibt es auch Referenzkrankenhäuser, wo man mal die Betten selbst über Linoleum oder Teppiche rollen und testen kann, ob es irgendwo klemmt. Darüber hinaus forschen wir auch direkt mit den Bettenherstellern zusammen. Denn es ist ein Unterschied, ob man beispielsweise in Wermelskirchen eine einzelne Rolle prüft oder sie direkt unter einem Bettgestell ausprobieren kann. Sehr eng arbeiten wir aber auch mit den Materialherstellern zusammen, wenn es darum geht, Oberflächen zu schaffen, die sich leicht reinigen lassen und die Keime gar nicht erst aufnehmen. Hygiene spielt ja eine sehr große Rolle im Krankenhaus.

Können Sie eigentlich noch durch ein Krankenhaus gehen, ohne an Rollen zu denken? Nein, natürlich nicht. Der Blick ist schon sehr nach unten gerichtet. Übrigens auch am Flughafen, denn wir stellen ja nicht nur Rollen für Krankenbetten her. Auch der Servierwagen, in dem die Lufthansa-Stewardess Essen und Getränke durch das Flugzeug bewegt, läuft auf Tente-Rollen.

Wollten Sie eigentlich schon immer das Geschäft Ihres Vaters übernehmen? Das ist eine Zeit lang etwas diffus gewesen. Nach dem Abi habe ich eine Lehre als Industriekaufmann gemacht und danach in Köln BWL studiert und anschließend sehr viele Praktika gemacht. Die meisten davon bei Tente, aber da dann auch im Ausland bei unseren Tochtergesellschaften. Das hat mich schon interessiert. Zwar habe ich mich dann auch mal woanders beworben, aber wenn mich jemand im Vorstellungsgespräch gefragt hat, wo ich mich persönlich in fünf Jahren sehe, war’s das. Ich kann einfach nicht gut lügen und jeder, der sich meinen Lebenslauf angeschaut hat, brauchte eigentlich nur eins und eins zusammenzuzählen.

Haben Sie Probleme mit Billiganbietern aus Fernost? Weil wir der Marktführer sind, werden wir gerne mal nachgebaut. Viel Konkurrenz haben wir aus Asien, aber auch aus Europa. Das drückt dann schon auf die Preise, aber das Entscheidende ist, dass wir in erster Linie über Lösungen sprechen und nicht über Preise. Heißt: Qualität, Service und Internationalität müssen Sie genauso drauf haben, sonst machen Sie kein Geschäft. Weltmeister wird man nicht einfach so.

Wie ist Ihre Abwehrstrategie gegen die fernöstliche, preisaggressive Konkurrenz? Im Grunde müssen wir überall dort sein, wo unsere Kunden auch sind. Einer will beispielsweise jetzt mit seinen Krankenbetten die Nummer eins in Asien werden. Ob China, Indonesien, Thailand oder Vietnam: Für uns heißt das, dass wir ihm im Zweifelsfall immer vor Ort helfen können, wenn was schiefläuft. Nicht ohne Grund haben wir auf fünf Kontinenten über 25 Tochtergesellschaften und stellen inzwischen an acht Standorten her. Das hilft.

Sie haben im vergangenen Jahr mit den Rollen für Klinikbetten insgesamt 35 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet – rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes von 168 Millionen Euro. Wie sind denn die Margen? Sehr unterschiedlich. Pro Land, aber auch pro Nische. Grundsätzlich kann man sagen: Je tiefer Sie in der Nische sind, desto mehr Geld verdienen Sie. Und wenn Sie Ihr Geschäft da verstehen, dann wird Qualität weltweit immer noch hoch gehandelt.

Gibt es Probleme mit Plagiaten?

Das hat zum Glück nachgelassen. Wir sind eine ganze Zeit lang sehr aggressiv mit dem Zoll im Schlepptau auf den wichtigsten Messen gegen Kopien vorgegangen und haben auch nachgemachte Rollen direkt am Stand von den Betten abschrauben lassen. Das hat sich wohl rumgesprochen. Es nützt den Nachahmern aber ja auch nichts, wenn die Rolle einfach nur aussieht wie das Original. Sie müssen auch dieselben Materialien verwenden und ein bisschen was von der Mechanik verstehen. Das kriegt man nicht einfach hin, indem man das Ding auseinanderbaut und kopiert.

Aber Sie schrauben selber auch die Produkte der Konkurrenz auseinander. Sicher, das machen doch alle. Man kann ja auch lernen von anderen. Das halte ich für völlig legitim. Es ist ja nicht so, dass nur wir immer wieder das Rad neu erfinden. Was aber nicht legitim ist, ist gegen Patente zu verstoßen und ein Produkt eins zu eins nachzubauen. Sowas machen wir nicht und das haben wir auch gar nicht nötig – nicht, weil wir perfekt sind, aber das ist nicht unsere Strategie.


pr

Ist das Geschäft mit Klinikbettenrollen eigentlich krisenfest? Also wenn wir nur diese eine Nische hätten, wären wir nicht unbeeinflusst. Und wenn wir nur die Nische in Deutschland besetzt hätten, erst recht. Unser Vorteil ist, dass wir relativ weit über den Globus verteilt sind. Da baut zwar immer irgendwo jemand gerade Mist, ob das nun Investitionsstau in Deutschland oder irgendeine neue Regel in Japan ist – aber durch unsere Breite ist das Geschäft relativ stabil.

Wie viele Sorgenfalten machen Ihnen derzeit die Unruhen zwischen der Ukraine und Russland? Die Situation ist furchtbar und alleine wegen des Währungsverfalls eine Katastrophe. Buchhalterisch müssen wir da einige Abschreibungen machen. Trotzdem kneifen wir nicht und ziehen sofort panisch den Schwanz ein. Das ist der große Vorteil bei Tente und auch bei anderen Mittelständlern. Wir schauen nicht nur auf ein Quartal, sondern denken in längeren Zeiträumen und lassen uns nicht wild machen. Irgendwann wird es da auch wieder vorwärts gehen.

Und wo sehen Sie Tente in fünf Jahren? Wir wollen weiter die Internationalisierung ausbauen. Und ich hoffe, dass wir neue Nischen finden, wo man uns braucht und wo die Preise für gute Technik und gute Produkte bezahlt werden. Es gibt noch viele Nischen innerhalb der Segmente, in denen Rollen gebraucht werden. Denken Sie nur mal an die demografische Alterung: Rollstühle, Rollatoren, Rehakliniken – das ist ein riesengroßes Thema. Nur Inliner-, Kinderwagen- und Klorollen machen wir nicht.

Herr Fricke, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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