Читать книгу Frikadellen für Marrakesch - Hanna Jakobi - Страница 8

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Kapitel 3

Susan schlief die Nacht erstaunlich gut. Selbst ihre Schlaftabletten hatte sie nach dem Clubbesuch vergessen zu nehmen.

Mit gekreuzten Beinen saß sie am späten Vormittag bei einer Tasse Gewürztee, Frühstück und deutscher Tageszeitung auf ihrer Terrasse und blickte über die Dächer der Medina. Sie fischte mit den Fingern Obststücke aus einer Schale, während sie, noch etwas verpeilt, vor sich hinstarrte. Trotz der entspannten Nacht war sie müde. Ihre Augen waren nicht in der Lage, ausreichend zu fixieren. Ihr Blick verlor sich unscharf in der Ferne. Sie hatte eindeutig zu lange geschlafen.

Normalerweise war sie zeitiger dran. Früher am Morgen waren die Temperaturen hier oben deutlich erträglicher. Inzwischen war es aber später Vormittag und die Morgenfrische war längst dabei zu staubiger Tagesglut zu werden. Vor der versteckte man sich besser hinter den dicken Steinmauern der Häuser. Dort dauerte es, bis die Hitze ungemütlich wurde. Und wenn, gab es in den Räumen Aircondition.

Sie war das lange Ausgehen nicht mehr gewohnt. Das war prinzipiell nicht ihr Ding. Selbst vor Verlagspartys drückte sie sich regelmäßig mit kreativen Ausreden.

In dieser Nacht war es fast drei Uhr, bis sie im Bett gelegen hatte. Der Manhattan hatte es in sich gehabt. Whiskey in Marrakesch war vielleicht auch eine blöde Idee gewesen. Sie entknotete ihre Beine aus dem Schneidersitz, lehnte sich nach vorne und stellte die Tasse auf das bunte Mosaiktischchen. Der Chai reichte nicht. Kaffee war heute eindeutig die geeignetere Wahl.

Unten, in ihrer Küche, schaltete sie die Kaffeemaschine an. Übernächtigt wartete sie darauf, dass das dampfende Pfritt - Pfritt während des Hochfahrens, das ihr heute gehörig auf die Nerven ging, zu Ende war. Sie wollte sich endlich einen Espresso ziehen.

Ihr Blick fiel dabei auf ihr Handy. Offenbar hatte sie es gestern Nacht neben dem Kühlschrank liegen gelassen.

Das grüne Hörersymbol zeigte drei Anrufe in Abwesenheit, ein weiteres Zeichen eine neue Textnachricht an.

Sie nahm einen, für den Espresso viel zu großen Becher aus dem Regal über der Spüle, und drückte zweimal auf den Knopf mit dem Zwergentasse-Symbol. Mit den Ellenbogen stützte sie sich auf der Arbeitsplatte auf. Durch ihre geschwollenen Lider sah sie dem dickflüssigen, schwarzen Strahl zu, wie er aus der Maschine in die Monstertasse floss. Ihr kam es vor, als ließe er sich heute extra Zeit, endlich Espresso zu werden.

Mit der Kaffeetasse in der Hand schlurfte sie wieder zum Dach hinauf. Auf die stickige Luft in ihrer Wohnung hatte sie auch keine Lust, der gestrige Mief stand noch in allen Räumen. Sie hatte am Abend nicht mehr gelüftet. Jetzt war es draußen zu warm und sie musste den nächsten Sonnenuntergang abwarten. Der Ventilator an der Küchendecke half nicht wirklich. Er eierte die kaum atembare Hitze lediglich träge im Kreis herum.

Noch auf der Treppe versuchte sie, das Handy mit der freien Hand zu entsichern. Bis das Telefon Netz gefunden hatte, legte sie es neben die Kaffeetasse und schob den bunten Schirm auf.

Sie knipste den Terrassenventilator an und ließ sich auf die Rattanliege, die jetzt bis auf den Fußbereich, im Schatten lag, fallen. Der Lüfter tanzte heftig. Er freute sich anscheinend über irgendetwas derart, dass er bereit war, dafür jeden Moment aus der Halterung in die Freiheit zu springen. Wenigstens sorgte er für eine ganz leichte Brise. Susan konnte das verhaltene Rattern inzwischen ausblenden.

Eine piepsende Tonfolge verkündete, dass sich das Handy erfolgreich im örtlichen Telefonnetz angemeldet hatte. Gespannt drückte sie auf das Signal der eingegangenen Anrufe.

Zwei davon waren von ihrer Redakteurin, Letzterem folgte eine Sprachnachricht mit der freundlichen Erinnerung an den Abgabetermin in vier Tagen. Susan nahm es mit einer gewissen Unruhe zur Kenntnis. Die Nachricht war von gestern – es blieben ihr jetzt also noch drei Tage, bis sie abliefern musste.

Der dritte Anruf war gegen 3:15 Uhr morgens eingegangen. Die Rufnummer sagte ihr nichts.

Es war keine Nachricht hinterlassen.

Augenblicklich brach ihr Herz in einen rasenden Galopp aus: Hatten sie ihre Nummer herausgefunden? Wussten sie jetzt, wo sie wohnte?

Instinktiv scannten ihre Augen die Dächer der umliegenden Häuser ab.

Sie waren leer. Alle Hipster, Touris und die letzten marokkanischen Familien, die sich die Mietpreise in dem Viertel noch leisten konnten oder klugerweise ihr Elternhaus nicht verkauft hatten, hatten sich vor der Hitze bereits in die unteren Räume geflüchtet.

»Susan, flipp jetzt nicht aus.«, versuchte sie sich zu beruhigen. »Eine fremde Nummer kann tausend Dinge bedeuten. Verwählt – jemand aus Deutschland – jemand ein neues Handy – ein kindischer Telefonstreich.«

Sie zwang sich, ein paar Mal bewusst langsam an ihrem Kaffee zu nippen, obwohl die unbekannte Zahlenfolge auf ihrem Bildschirm die Müdigkeit schlagartig aus ihrem Körper gefegt hatte. Sie war jetzt wacher als wach.

Sie presste die Luft mehrmals durch ihre halb geöffneten Lippen. Bloß nicht in Panik verfallen - klaren Kopf bewahren!

Da war ja auch noch die Textnachricht.

Sie traute sich kaum, auf das Symbol zu tippen.

Auch hier: Sender unbekannt.

Hallo Susan, ich fand den Abend gestern super. Freue mich schon auf unseren Quadausflug. :o) Sorry für den Anruf- hoffe, ich habe Dich nicht geweckt. Ich hatte nicht auf die Uhr gesehen. Sorry nochmal. LG S.

Steve! Er hatte ihr mitten in der Nacht eine Nachricht geschickt. Direkt, als er nach Hause kam. Und dabei war er anscheinend auf die ›Wählen‹- Taste gerutscht. Sie verglich die Nummer des Anrufs mit der Textnachricht: Sie stimmten überein.

Im Club hatte sie seine Daten auf ihrem digitalen Notizblock hinterlegt, nicht aber in die Kontakte gezogen. Das Telefon zeigte so keinen Namen zu der Nummer des Anrufers.

Wenn sie mit diesen Dingen umgehen lernen würde, könnte sie sich solche Schrecksekunden ersparen. Sigi hatte es ihr x mal erklärt. Aber sie kam mit dem ganzen Technikkram nicht zurecht. Egal jetzt.

Ihr Herz hämmerte immer noch wie ein Wahnsinniger an ihre Rippen. Steven war es also, der ihr eine Nachricht geschickt hatte.

Heute war Sonntag. Für Donnerstag hatten sie sich verabredet. Bis dahin war eigentlich noch massig Zeit. Sie kaute auf ihren Fingernägeln herum und konnte sich nicht recht entscheiden, ob sie seine prompte Nachricht ein bisschen aufdringlich oder doch ganz süß finden sollte.

Im Moment war es sowieso sinnvoller, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Entweder fiel ihr für die Kolumne bis Mittwoch ein mitreißender Text ein, oder sie musste erneut ihren Computer auf frühere Artikel durchforsten. Und hoffen, Brauchbares zu finden.

Momentan hatte sie noch keinen Kopf für irgendwas. Ihr Schädel brummte zwar nicht und sonderlich schläfrig fühlte sie sich nach der Geschichte mit der fremden Nummer auch nicht mehr. Aber so richtig hatte sich ihr Gehirn nach der Disconacht noch nicht reseted. Ein Kreativschub war etwas anderes. Wenn sie zudem an den Mief in der Wohnung dachte, wurde ihr schwindelig. Solang es irgendwie erträglich wäre, wollte sie die unverbrauchte Luft auf dem Dach nutzen.

Sie schob sich ein Kissen hinter den Nacken und zog die Beine an. Nach einem Biss in ihr Croissant tippte sie das Handy an und öffnete den Internet Browser.

Quadtouren / hoher Atlas / Marrakesch‹

gab sie in das Suchfenster ein und erhielt in weniger als einer Sekunde seitenweise Vorschläge.

Da würde sie bestimmt etwas finden. Quadfahren war momentan hip.

Frikadellen für Marrakesch

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