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Trauerla

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Alle, die angesichts der Überschrift nun ein jähes Ende der gerade so munter begonnenen Geschichte erwarten, können beruhigt sein. Keine Angst, es ist nichts passiert! Ich bin ja noch keine hundert Kilometer gefahren. Außerdem war ich damals mit Sicherheit noch reaktionsschneller als heute, und die Anzahl der Fahrzeuge im Straßenverkehr betrug im Vergleich zur Jetztzeit nur etwa zehn Prozent. Hinzu kommt, dass ich meine Fahrerlaubnis bei einem von allen Fahrschülern gefürchteten Fahrschullehrer gemacht habe – ohne Wiederholung, ohne Nachhilfestunden! Also, Ruhe bewahren und abwarten, was nun kommt.

Wenn man zu DDR-Zeiten ein Auto gekauft oder ergattert hatte, brauchte man noch etwas: Eine Garage! In welche Orte man auch kam, überall waren lange Reihen unterschiedlichster Garagentypen zu sehen. Das vermittelte den Eindruck einer ansteckenden Privatinitiative, welche die gesamte Bevölkerung erfasst zu haben schien. Das hatte seinen guten Grund. Denn ein Auto, das bedeutete doch etwas. Es war Ausdruck eines Wohlstandes, ja, eines in vieler Hinsicht hart erkämpften Wohlstandes. Darum musste es selbstverständlich nach allen Kräften bewahrt und gesichert werden. Vor allem auch deswegen, weil dieser Status anzeigende Gegenstand nicht ständig durch Wetterunbilden beeinträchtigt werden durfte. Und, was noch einsichtiger erschien, man brauchte ein Dach über dem Kopf, damit man im Trockenen und bei Licht für den Erhalt und die Verlängerung der Lebensdauer des Wagens sorgen konnte.

Viele Staatsbürger bauten sich ihre Garage in Eigenleistung. In den Wohnsiedlungen gab es Garagengemeinschaften. Manchen Garagenbauern gelang es, für sich allein oder mit anderen zusammen, noch eine Montagegrube oder eine Montageauffahrt zu bauen. Aber all das war mitunter abhängig von guten Beziehungen. Bürger ohne Beziehungen hatten es bedeutend schwerer. Wenn sie aber z. B. über Westgeld verfügten, hatten sie immer eine sehr gute Chance, zu einer Garage zu kommen. Je nachdem, wie die Ausstattung mit den begehrten Devisen war, brauchte sich der Suchende nicht weiter um Zement, Steine, Teerpappe und Tor bemühen. Er konnte dann einfach eine schon bezugsfertige Garage finden. Aber es gab auch einfache, schlichte Wege, die sich manchmal ganz unverhofft und zufällig eröffneten.

Ich gebe zu, ich hatte seinerzeit sehr geringe Chancen. Ich besaß weder ausreichend Westgeld, noch hatte ich Beziehungen. Letztere zu knüpfen scheiterte von vornherein, da unser Kontostand bei der Sparkasse für eine weitere Investition nicht besonders geeignet erschien.

Aber ich brauchte doch eine Garage, zumindest eine Unterstellmöglichkeit. Ich merkte, dass ich begann, dem allgemeinen Trend zu folgen und dem für mich bis dahin kaum eine Rolle spielenden Anspruchsdenken zu unterliegen. Ich hatte etwas und wollte nun noch mehr!

Ich glaube nicht, dass der liebe Gott mich ob des regelmäßigen sonntäglichen Gottesdienstbesuches beobachtet hatte und mich deswegen zu belohnen trachtete. Um die Befriedigung rein irdischer Bedürfnisse habe ich IHN weder damals noch heute bestürmt. Aber dass ER mir Wege zeigen möge, wie ich denn das eine oder andere in den Griff bekommen könnte, dafür habe ich schon mal ein Stoßgebet zum Himmel aufsteigen lassen. IHN genervt? Nein, das habe ich nie! Sei es, wie es sei, ich hatte mal wieder unerwartetes Glück.

Ein Freund, dem ich von meiner Sorge erzählte, bot mir für Johnny spontan einen Abstellplatz in seiner Scheune an. Diese lag nur ein paar hundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Ich war überglücklich. Mein Glück vervollkommnete sich noch dadurch, als er mir sagte, er würde im nächsten Jahr seine Ställe in Garagen umbauen. Wenn ich da noch wolle, könnte ich eine haben. Das war beinahe wie ein Lottogewinn. Für das Unterstellen in der Scheune wolle er nichts haben, für die Garage dann allerdings monatlich 15,00 Mark der DDR Miete. Nun, das konnte ich mir getrost leisten.

Im Wohnblock der AWG (Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft), in dem wir damals lebten, gab es einen von außen begehbaren Raum, der als Fahrradkeller konzipiert worden war. Dieser wurde im Laufe der Zeit als Abstellraum genutzt und bot noch reichlich Platz, da die Hausbewohner dort kaum etwas abgestellt hatten. Somit konnte ich meine acht Räder und die transportable Kipp-Hebebühne hier unterbringen.

Die Kleinteile brauchten keinen eigenen Lagerplatz. Hier folgte ich dem Beispiel bereits erfahrener Autobesitzer. Denn ein Zugriff zum Ersatzteillager musste jederzeit und überall gewährleistet sein. Also machte der DDR-Autofahrer aus der Not eine Tugend. Er erfand „Trauerla“, das transportable Auto-Ersatzteile-Lager! Dies befand sich, auch wenn er mit dem Auto unterwegs war, immer in seiner unmittelbaren Nähe – hinter ihm – im Kofferraum.


So war er in vielen, vielen Fällen bei Störungen des pulsierenden Autolebens weitgehend autark. Es gab ausgesprochene Experten dieser praktischen Erfindung, die mit einem beinahe an Überheblichkeit grenzenden Gestus den Kofferraum ihres Wagens öffneten und dann ganze Reihen von Bewunderern und Neidern in den Bann zogen. Da fehlte nichts. Der gesamte Lagerbestand war ordentlich und fest in Taschen, Bechern, Dosen und Kisten verstaut. Manche hatten sich sogar ein kleines Regal eingebaut, welches mit einer Klappe fest verschließbar war.

Ich muss gestehen, soweit hatte ich es denn doch nicht gebracht. Schließlich sollte Johnny auch noch andere, wichtigere Dinge transportieren. Das waren in erster Linie meine Frau und die beiden Kinder.

Natürlich war neben einer alten Aktentasche voll Werkzeug auch das Allernötigste, wie Zündkerzen, Bilux- und andere Ersatzbirnen, Regler und Keilriemen, in meinem bescheidenen Trauerla eingelagert. Und als ich erkannte, dass für den Anlasser und die Lichtmaschine auch noch eine Lücke vorhanden war, brauchte ich mir für eine eventuell plötzlich auftretende Fahruntüchtigkeit Johnnys keine Sorgen zu machen. All diese kleinen hilfreichen Dinge gaben mir ein unwahrscheinlich starkes Gefühl von Sicherheit. Und Johnny machte diese zusätzliche aber süße Dauerlast von etwa dreißig Kilo überhaupt nichts aus.

Selbst ist der Mann zu aller Zeit, wenn Trauerla er hat zur Seit!

Gefechtsziege LB-55-40

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