Читать книгу Gefechtsziege LB-55-40 - Hans-Gerd Adler - Страница 7

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War ich damals eingebildet, war ich überheblich, oder lag es einfach nur daran, dass ich finanziell nicht in der Lage war, mir den vielbegehrten Luxuswagen Trabant 601 zu leisten? Wenn solche Fragen erst nach mehr als einer durchschnittlich halben Menschenlebenszeit gestellt werden, sind sie ja beinahe ernst zu nehmen! Damals jedenfalls habe ich mich damit nicht herumgequält. Hatte ich doch meine Schwierigkeiten, mich mit allem, was DDR-Identität-stiftend war, anzufreunden. Darum soll vorab auch ganz klar hervorgehoben werden: Die DDR (Deutsche Demokratische Republik) war das Land, in dem ich lebte. Aber diese als meine Heimat zu bezeichnen, habe ich niemals zum Ausdruck gebracht. Für mich stand unumstößlich fest: Meine Heimat ist das Eichsfeld, Punkt! Also mied ich es zu zeigen, dass ich in erster Linie ein stolzer DDR-Bürger sei und die Errungenschaften des Sozialismus zu würdigen wisse. Die mir seit Kindertagen innewohnende Antipathie gegen diesen Staat zu beschreiben, würde allerdings meiner Intention zum vorliegenden Buch nicht entsprechen. Aber es muss einfach raus aus mir, denn ich habe nun nichts mehr zu befürchten; und meine große Abneigung gegen einen Trabant soll schließlich irgendwie begreifbar dargestellt werden. Daher wähle ich auch die Schreibform Trabbi statt Trabi, um mit diesem DDR-typisch phonetischen Ausdruck meine gefühlte innere Ferne zu dem von vielen begehrten „DDR-Volkswagen“ zu unterstreichen.

Vielleicht gerade deswegen könnte ein kritischer Leser zu der Ansicht gelangen: Ja, der Adler war doch eingebildet und überheblich, sonst hätte er sich nicht für den anderen Klassewagen, über den er hier berichtet und der schließlich auch in der DDR gebaut wurde, entschieden. Zugegeben, irgendwie ist ein solcher Aspekt wirklich nicht völlig von der Hand zu weisen. Aber bei der näheren Betrachtung der pekuniären Hintergründe scheint dieser Verdacht dann doch etwas abgespeckt.


Zur Rechtfertigung meiner damaligen Entscheidung gehört eben auch der Umstand, dass mir das DDR-Identität-stiftende Gefährt etwa 15.000 Mark der DDR hätte wert sein müssen. Selbst wenn es mir gelungen wäre, meine Trabbi-Abneigung elegant zu ignorieren, hätte mich diese Wertschätzung völlig überfordert.

Die rigorose Überzeugung fand ergänzend einen von mir ebenso verachteten Nährboden, der sich darin zeigte, dass sich der Preis für einen alten, aber neu aufgebauten Trabant 601 kaum von dem eines Neuwagens unterschied. Dieser fehlende Unterschied erhärtete meine innere Einstellung, die ich aber nie öffentlich zum Ausdruck gebracht hatte. Ich fragte mich ernsthaft: Was finden denn die Leute nur an dieser Pappkiste?

Meine mangelnde Zuneigung zu dem von so vielen DDR-Bürgern geliebten Kleinwagen wurde selbst auch dann nicht überwunden, als mir ein Freund seinen Trabbi für eine dringend wichtige Fahrt nach Halle geborgt hatte. Im Gegenteil. Für mich stand nach dieser Tour erst recht fest: Ein Trabbi kommt für mich nicht in Frage!

Und dann war da noch die Wartezeit, die nach der Anmeldung bis zur Auslieferung für ein neues Auto auszuhalten war: zehn bis zwölf Jahre! Nee, ich nicht! Ich blieb hart! Ich meldete mich nicht an! Und ich hatte erst recht keinen Aufgebauten haben wollen!

Es muss aber auch gesagt werden: Hätte ich nicht in der DDR gelebt, wären die folgenden Anekdötchen von mir nicht geschrieben worden.

So gesehen wird dadurch außerdem deutlich, dass es neben allen mehr oder weniger zu verkraftenden Belastungen und Mangelerscheinungen ebenso eine Fülle von Bindungen und Ereignissen gab, die sich dem umfassenden gesellschaftspolitischen Netzwerk, mit dem uns der Sozialismus umknüpft hatte, entzogen. Das waren für mich die tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben und in dem, was mir Heimat war, das Eichsfeld. Aber auch die kleinen Dinge des Alltags, die privaten sozialen Kontakte, die Missgeschicke und Erfolge, die mich bei der Suche nach Sinnhaftigkeit und innerer Zuversicht alles nichtgewollt Gegebene ertragen ließen, gehörten dazu.

Anders möchte ich formulieren: Ich habe auch in der DDR viel gelacht. Es gab unendlich viele Dinge, über die ich mich herzhaft ausschütten konnte. Dabei ließen sich andere durch mein Naturell leicht anstecken und nicht selten gab es richtige Lachorgien. Aber mit der DDR zu lachen, nein, das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Gottlob kann ich inzwischen über die im Folgenden beschriebenen Erlebnisse befreiter lachen, als es mir damals unmittelbar nach dem einen oder anderen Ereignis zumute war.

Rückblickend darf ich sogar feststellen, dass sich manche der damals vergossenen Schweißtropfen nun in Tränen verwandeln, die mein Lachen hervorruft. Wenn dies ein wenig ansteckte, hätte ich daran meine große Freude. Ich weiß, dass meine nun bereits halbhundertjährige Tochter Manuela zusammen mit ihrer Schwester Susanne sowie beider gemeinsamer Gebärerin Emmy dies auf alle Fälle tun werden. Darüber hinaus wird mein DDR-spätgeborener Enkel Raiman sich schon sehr darüber wundern, was sein Opa da alles geschrieben hat. Und meine Urenkelin Marie wird, wenn sie einmal groß ist, vielleicht fragen: „Sind das wirklich keine Märchen?“

Selbst in äußerst miesen Zeiten kann über den Geschmack man streiten!

Gefechtsziege LB-55-40

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