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3. Die neue Ordnung

Sie hatten oft zusammengesessen und die Veränderungen diskutiert, die ihnen notwendig erschienen: eine neue Ordnung.

Mara hatte referiert: „Die Welt ist an ihre Grenzen gestoßen. Immer mehr Menschen können dort, wo sie leben, keine Lebensgrundlage mehr finden. Oder die Preise nicht mehr bezahlen. Und daher wollen sie in die Gebiete des councils. Wir haben diese Menschen im Stich gelassen.“

„Das stimmt“, bemerkte Kena, „die Migrationsbewegungen haben im Wesentlichen zwei Ursachen. Die Klimakatastrophe und die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Die Erderwärmung trifft besonders den Süden. Wasserknappheit und Hitze lassen die Produktion von Nahrung einbrechen. Die Menschen hungern. Hier im Norden sind die Reichen dagegen noch reicher geworden.“

„Das liegt am gemäßigten Klima und daran, dass Menschen hier an Produktions- und Sachvermögen und den neuen Technologien beteiligt sind“ sagte Ben. „Wir haben weite Teile der Produktion und viele Dienstleistungen automatisiert. Und der council verteilt den Reichtum, der dadurch entsteht.“

Mara nickte. „Aber wir haben begonnen, uns abzuschotten. Dafür war das System „council“ ideal. Der council hat in bekannter und in der Vergangenheit oft praktizierter Burg-Mentalität die Grenzen zugemacht, um den Flüchtlingsströmen Einhalt zu gebieten und natürlich auch, um nicht teilen zu müssen. Und man musste das Elend nicht ständig sehen.“

Kena unterbrach sie: „Der council hat dafür gesorgt, dass die Not nicht mehr Teil der Nachrichten, der Wahrnehmung und des Alltags war. Das war gut für die Akzeptanz des politischen Systems. Wie oft hat der council darauf hingewiesen, welche Vorteile eine Abschottung bringt!“

„Champagner schmeckt besser ohne schlechtes Gewissen“, bemerkte Samir sarkastisch.

„Ja“, sagte Kena, „aber jetzt tragen wir Verantwortung. Für die Menschen, die diese Privilegien nicht haben. Für alle. Wir müssen handeln.“

War es nicht schon immer so gewesen, dass Menschen ihre Heimat aus zwei Gründen verlassen hatten - der Liebe wegen oder, viel häufiger, weil sie Arbeit suchten? Ein besseres und sicheres Leben? Das hatte die Migration immer mehr beschleunigt. Durch die Konzentration des Vermögens in den Händen weniger war die Richtung der Flüchtenden klar: in die Länder und die Städte, in denen die Reichen zu Hause waren, um dort ein gutes Leben zu finden und teilzuhaben am Wohlstand. Ein Wohlstand, der in ihrer Heimat nicht mehr möglich schien. Ob es um Punkte oder um Geld ging, war letztlich gleich. Wo es keine Perspektiven gab, alles immer weniger wurde, da wollte man nicht bleiben. Es war die ewige Suche nach einem besseren Leben.

„Aber sollte man nicht dort sein, dort arbeiten, wo man zu Hause ist? Dort eine Lebensgrundlage haben? Ist man nicht immer in der Heimat glücklicher als anderswo?“, hatte Richard gefragt. „Sollte nicht jeder Mensch zu Hause die Möglichkeit bekommen, sich mit dem zu beschäftigen, was er wollte und am besten konnte und damit genügend zu verdienen, um am Leben teilhaben zu können?“

Sie waren sich darüber einig, dass Armut und die dadurch ausgelösten Fluchten nur durch die Verbesserung der Lebensbedingungen in den benachteiligten Ländern aufhören würde. Abschottung war keine Lösung. Jedenfalls keine menschliche. Das erforderte eine radikale Umverteilung des Reichtums, der durch die Wirtschaftssysteme der alten Zeit entstanden war. Aus dem Gedanken der unbedingten Gewinnmaximierung, einem Kapitalismus, dem soziale Aspekte immer mehr fremd geworden waren.

Das alte Wirtschaftssystem, das der council abgelöst hatte, war von einer Marktwirtschaft, manchmal mit sozialen Elementen, manchmal nicht, immer mehr in eine Monopolwirtschaft mutiert. Es waren die großen Unternehmen, die die Wirtschaft, aber auch immer mehr die Politik dominiert hatten und deren Macht von einzelnen Regierungen kaum mehr zu kontrollieren war.

Die waren schon deshalb im Nachteil, weil sie alle vier oder fünf Jahre neu gewählt werden mussten, während Unternehmen viel langfristiger agierten. Wirtschaft für sie immer schon wie Krieg, besser sein als andere, schneller, effektiver und brutaler in der Durchsetzung ihrer Ziele. Und die waren nicht altruistisch.

Besonders die Unternehmen, die ihr Geld mit Daten verdient hatten weil sie Daten nutzten und verkauften, waren in ihrer Machtentfaltung und ihrem Reichtum zu einer Gefahr für die Menschheit geworden. Die Unternehmen waren gewachsen und verhielten sich gegenüber Konkurrenten und der staatlichen Aufsicht wie in einem Krieg. Es ging um Geld, Marktanteile und Macht.

Diesen Krieg wollten die Menschen nicht mehr. Und, auch darüber waren sie sich einig, man konnte sich nach Ausbeutung anderer nicht moralisch dadurch freikaufen, dass man später aus dem angehäuften Vermögen etwas spendete und am Ende seines Lebens den Wohltäter gab…

Bei der Verteilung des Vermögens war unter der Regierung des councils nur wenig Fortschritt erkennbar. Zwar gab es die Grundversorgung. Aber der council hatte mit den Möglichkeiten von mind, der zentralen Datenverwaltung und -nutzung und durch die Punkte Vermögen an sich gezogen seine Macht immer mehr aus gebaut und letztlich missbraucht. Einige Wenige kontrollierten zu viel. Der Wohlstand musste neu geordnet werden. Ein Zugang zu Vermögen und Produktionsmitteln musste Idealfall für alle Menschen möglich sein.

Die Grundversorgung hatte einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Aber nur für die, die abgeschottet im Gebiet des councils lebten. Nun sollte eine Versorgung auch in den Regionen möglich sein, die der council aufgegeben hatte. Afrika. Lateinamerika. Das würde eine gigantische Umverteilung von Wohlstand bedeuten. Dafür aber mehr Sicherheit für alle und vor allem mehr Solidarität. Und vielleicht ein Ende der Flüchtlingsströme einleiten. Weil die Menschen die Chance bekamen, dort zu leben, wo sie waren. Das erforderte eine altruistische Grundentscheidung, die der council so niemals treffen würde. Nämlich teilen.

„Wir haben uns immer nur auf die Lösung der Probleme konzentriert, nicht die Ursachen. Wir können Gewinnmaximierung als obersten Grundsatz für wirtschaftliches Handeln nicht mehr akzeptieren. Die Reichen haben dieses Problem der Ungleichheit verursacht, nicht die Armen. Daher müssen wir bei denen anfangen, die über Reichtum verfügen.“

Mara war immer schon für eine sozialere Wirtschaftsordnung gewesen. Aber der council kontrollierte fast alles, wie konnte da eine neue Wirtschaftsordnung entstehen?

„Der Gedanke, zu belohnen, was der Gesellschaft dient, ist grundsätzlich richtig. Das Punktesystem. Aber wir müssen diesen Gedanken wieder auf die Menschen ausrichten, und zwar auf alle Menschen und nicht auf eine Gesellschaft oder ein Staatswesen“, hatte Ben gemeint. Dem hatten die anderen zugestimmt.

„Das erfordert eine neue Verteilung aller Güter“, hatte Mara gesagt. „Wir brauchen diese neue Verteilung. Es muss für alle einen Zugang zum Wohlstand geben. Nicht die Reichen, nicht der council sind das Problem, sondern die Armen. Um die Reichen brauchen wir uns nicht kümmern, das tun die schon selbst.“

Das war der Kern ihrer Überlegungen. Schon zu lange kontrollierten nur wenige Menschen zu viel Vermögen. Und die waren auch noch stolz darauf. Das Angebot des councils, den Reichtum gegen unbegrenzte Möglichkeiten und pilar-Status zu tauschen hatten viele wahrgenommen, nicht aber die Superreichen. Sie hatten sowieso schon alles, was sie sich wünschen konnten und sahen keinen Vorteil in der Übertragung ihres Vermögens auf den council.

Auch der council hatte das erkannt und daraufhin Maßnahmen ergriffen, die auch schon in der Vergangenheit erfolgreich zu Enteignungen geführt hatten. Er hatte Handelsbeschränkungen und hohe Zölle eingeführt. Jeder der Superreichen, der etwas in das Gebiet des councils liefern oder verkaufen wollte, sah sich von einem Tag auf den anderen mit neuen Kosten und am Ende sogar mit Einfuhrsperren konfrontiert. Es reichte nicht mehr, etwas zu produzieren oder liefern zu können, wenn die Nachfrage aufgrund der künstlich hohen Preise einbrach. Das hatte besonders die IT- Unternehmen getroffen, die Plattformen, die Händler und die Entwickler. Die Verkaufsmaschinen.

Dann kam das Verbot der kommerziellen Datennutzung. Die Nutzung von privaten Daten wurde zu einer staatlichen Aufgabe erklärt. Ein Erdbeben. Aber ein gutes, im Nachhinein gesehen. Es war das Ende der kommerziellen Datenkraken. Mit privaten Daten zu handeln und damit Geld zu verdienen wurde unter Stafe gestellt.

Als letzte Maßnahme hatte der council verfügt, dass jeder Reiche und jedes Unternehmen seinen CO2-Ausstoß berechnen und dafür Steuern bezahlen musste. Und kaum waren diese Emissionsdaten vorhanden, wurden immer höhere Abgaben verfügt. Es wurde teuer, reich zu sein. Verursachten die Reichen, die Konzerne, nicht mehr als andere Menschen klimaschädliche Emissionen und Unmengen an Abfall? Bald sahen sich die Besitzenden mit horrenden Abgaben konfrontiert. Eine Yacht ist kein Ruderboot. Auch ihre Unternehmen waren gezwungen, Kompromisse einzugehen. Mit dem council. Das hatte eine Vermögensverschiebung zur Folge. Immer mehr Reiche und ihre Firmen gaben auf und übertrugen Vermögen auf den council. Gegen Punkte. Die Reichen entschieden sich unter diesem Druck am Ende doch für das social- credit-System. Jetzt war es der council, der das Vermögen der Welt kontrollierte.

„Ich plädiere für eine Neugestaltung der staatlichen Vermögensverwaltung“, referierte Mara. „Der council hat vieles auf sich vereinigt. Aber er setzt das Vermögen egoistisch ein, nur für die, die zu ihm gehören und ihn unterstützen. Und er setzt es für Ziele ein, die nicht alle Menschen teilen. Wir müssen das korrigieren, damit menschliche Bedürfnisse überall besser befriedigt werden können. Wenn wir den Kapitalismus betrachten, so hatte er den Vorteil eines Unternehmertums mit Ausrichtung auf Gewinnmaximierung und damit Effizienz. All das wurde befeuert vom Gewinnstreben des Unternehmers, nämlich immer erfolgreicher zu werden und das eigene Vermögen zu maximieren. Der Sozialismus als politisches Modell war potentiell gerechter, erforderte aber viel mehr Verwaltung. Und er zentralisierte Macht in den Händen weniger, meistens der Politiker oder einer Parteiorganisation. Und immer, wenn Vermögen vergesellschaftlicht wird, bedient sich irgendjemand daran. Das hat die Geschichte gezeigt. Es fehlt einfach an der Kontrolle durch den Eigentümer.“

„Das spricht für eine soziale Marktwirtschaft, wie es sie schon einmal gab. Aber da gab es noch die einzelnen Staaten“, warf Samir ein.

„Auch das war nur eine Form von Kapitalismus, mit sozialen Elementen. Es wurde zugeteilt, auf Antrag oder nach Protesten, aber nicht von vorneherein geteilt“, meinte Kena. „Das hat dazu geführt, dass der Lobbyismus geblüht hat. Ich meine, das Vermögen der Welt muss allen gehören.“

„Auf keinen Fall darf es wieder zu der Häufung von Eigentum in den Händen Einzelner kommen“, sagte Amil. „Das war eine wesentliche Ursache für viele Konflikte und hat die Not vieler Menschen verursacht.“

Kena nickte. „Vermögen muss dem Ganzen dienen. Und das Ganze sind alle Menschen, nicht ein Staat, eine Regierung, ein Unternehmen oder der council. Und Teilen muss für alle Menschen gelten, nicht nur für die, die im Gebiet des councils leben.

Wir haben die Grundversorgung. Niemand muss mehr haben, um überleben zu können. Alle Menschen müssen eine Grundversorgung bekommen. Der Grundsatz der Vermögensteilung muss sowohl für Unternehmen gelten, die von ownern betrieben werden als auch für die öffentlichen Unternehmen des councils. Alle Unternehmen und jede Technologie sollen für den Menschen da sein. Vielleicht ist Sozialunternehmertum Vorbild, das strebt jedenfalls nicht nach Gewinn.“

Kena hatte diesen Gedanken zutreffend formuliert und es war ein Gedanke, den sie behalten wollten. Nicht nur der council, sondern auch die noch existierenden Unternehmen hatten sich der Prämisse „zum Wohl aller“ unterzuordnen. Das galt für das Vermögen, aber auch für Produkte, die hergestellt wurden.

„Und man darf in dieser Welt, die so unterschiedlich ist, nichts pauschalieren. Die Welt ist so vielfältig. Es kommt immer auf die Lebensverhältnisse vor Ort an. Menschen sollen über sich selbst bestimmen können. Auch über den Reichtum der Welt. Sie sollen keine Existenzangst haben müssen. Es ist genug für alle da.“

„Also werden wir mind in die Lage versetzen müssen, alles vorhandene Vermögen so maximal für jeden Menschen wie möglich zu nutzen und alle Bedürfnisse so maximal wie möglich zu erfüllen.“ Mara war jetzt Feuer und Flamme für diese neue Wirtschaftsordnung.

„Also das Vermögen verteilen?“, fragte Ben. „Verteilen ist vielleicht nicht der richtige Begriff. Aber es sollte aufgeteilt werden, jede Region soll die Mittel bekommen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sind. Keine zentrale Verwaltung des Vermögens. Nur für globale Herausforderungen bleiben die dafür erforderlichen Mittel beim council. Alles, was regional geregelt werden kann, wird dorthin verteilt und dort verwaltet.“

„Und wenn eine Region mit dem Vermögen Ziele umsetzt, die nicht akzeptabel sind?“, fragte Samir. „Was meinst du?“ meldete sich sein Bruder. „Na ja, irgendwo kaufen die Leute Waffen, weil sie davon überzeugt sind, sich verteidigen zu müssen und vernachlässigen die Bildung, oder es werden Kinder beschnitten oder was weiß ich…“

„Also Ziele, die nicht alle mittragen“, sinnierte Mara. „Das ist die Freiheit, die eine örtliche Verwaltung von Vermögen gibt. Wir müssen akzeptieren, dass Ziele und Vorstellungen nicht überall gleich sind, selbst wenn sie nicht unserer Kultur oder unseren Vorstellungen entsprechen. Wir müssen Vertrauen haben. Aber es gibt eine Grenze für diese Freiheit.“

Kena lächelte. Sie wusste bereits, was Mara meinte. „Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte! Und natürlich ist das Strafrecht eine Grenze.“

„Genau!“, lächelte Mara zurück. „Die Übertragung von Vermögen und Verantwortung auf die Regionen bedeutet nicht, dass allgemein gültige Regeln missachtet werden dürfen. Deren Einhaltung obliegt wiederum dem council. Der council wird zur Vertretung aller Menschen für die Einhaltung dieser Rechte! Und, darüber müssen wir uns auch im Klaren sein: Es gibt zwar die universellen Menschenrechte, aber ganz viele unterschiedliche Strafrechte. Das muss man akzeptieren, wenn man diversifiziert.“

„Ja“, sagte Ben. Viele Konflikte in der alten Zeit waren darin begründet, dass Menschen anderen Menschen ihre Vorstellung von Ordnung aufzwingen wollten.“

So hatten sie diskutiert und dokumentiert, um ihre Ziele zu finden. Es waren gute Gespräche und sie formten immer mehr das Bild einer Gesellschaft, die sie sich wünschten.

Mara war besonders engagiert und liebte es, über eine richtige, bessere Form von Regierung und Verwaltung nachzudenken. Es war, als hätte sie das gefunden, auf das sie gewartet hatte: ihre Aufgabe im Leben.

„Warum war es uns so wichtig, in den Widerstand zu gehen? Was wir gesehen haben war eine immer mehr zentralistischer ausgerichtete staatliche Macht. Der council hat Bereiche in der Gesellschaft an sich gezogen und angefangen, sie zu regeln. Es war rückblickend wie ein Aufsaugen von Verantwortung des Einzelnen. Immer mehr wurde bestimmt, was wir vorher noch selbst entschieden haben.

Nehmen wir ein Beispiel: Vor der neuen Ordnung gab es keine Zuordnung. Die Menschen haben sich ihre Partner selbst gesucht. Das hat nicht immer und nicht für jeden funktioniert. Aber es war ein selbstbestimmtes System. Wir müssen entscheiden, was besser ist.“

„Vielleicht eine Mischung aus beidem?“, fragte Ben. „Jedenfalls solange kein fauler Kompromiss daraus wird. Es gibt bestimmt Menschen, die froh sind, wenn jemand bestimmt wird für sie. Und es gibt viele Kulturen, in denen das selbstverständlich ist.“

„Genau“, sagte Mara, „und genau deswegen ist dein Vorschlag einer Mischung richtig. Die Zuordnung wird nicht abgeschafft, aber sie wird freiwillig. Für beide. Aber ich will auf etwas anderes hinaus, etwas Größeres, Übergreifendes und für alle Lebensbereiche Zutreffendes. Mit dem immer gleichen Argument, nämlich Ungerechtigkeiten zu vermeiden, sind viele Differenzierungen vom council abgeschafft worden. Wir sollten alle gleich sein. Und gleichbehandelt werden. Keine Benennung von Geschlecht mehr. Das klingt zunächst einmal gut. Aber wir sind nicht gleich. Wir sind Frau und Mann, wir sind hetero oder nicht. Auch Nationen, Kulturen, Religionen und Regeln wurden angeglichen. Aber es gibt sie doch, immer noch. Die Sprache wurde gleichgeschaltet. Alle sollten Englisch sprechen. Obwohl die meisten Menschen ihre Sprache sprechen. Selbst Lebensplanungen wurden vorgegeben. Gleiche Erziehung, dann kommt das screen, damit das Diktat der Punkte, jeder bekommt die gleiche Grundversorgung. Ich fange gerade an das Wort „gleich“ zu hassen!“

Rana nickte. „Eine Gleichheit in der Ungleichheit einzufordern, verkennt die Unterschiede, die bestehen und muss zwangsläufig alles Individuelle unterdrücken. Diese Unterdrückung war der Grund für die wachsende Macht des councils.“

„Ich sehe das alles aus dem Blickwinkel eines Technikers“, sagte Ben, „aber auch da erkenne ich ein gleiches Muster. Die Politik der Gleichheit hatte zur Folge, dass immer mehr Zentralen entstanden sind – Zentralen für Stromversorgung, Wasser, der zentrale Rechner mind, die zentrale Steuerung von Mobilität, von Versorgung gleich welcher Art. Selbst die Häuser wurden zentral geplant und gebaut. Sie sehen alle gleich aus. Alles ist standardisiert worden. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes. Aber alles wurde größer, vernetzter und – das wissen wir“, er grinste, „verletzlicher. Und die Infrastruktur wurde immer gigantischer.“

„Führt Gleichheit zu Zentralismus?“, fragte Kena. Sie dachte an das Krankenhaus. An die chaotischen Tage der Behandlung von Kranken ohne die medizinischen Daten von mind. Die Krise hatte gezeigt, wie verletzlich das System war und wie wenig vorbereitet sie auf Diagnosen ohne die Unterstützung der Systeme gewesen waren. „Gibt es nicht auch Bereiche, in denen ein Zentralismus richtig ist, ja sogar notwendig?“

„Ja“, nickte Rana, „das sind alle die Bereiche, in denen einer allein nichts erreichen kann. Es würde keine Pyramiden oder eine chinesische Mauer geben ohne eine zentrale Planung und gemeinsame Ausführung. Wir werden unterscheiden müssen zwischen individueller Freiheit und der Notwendigkeit, etwas gemeinsam zu schaffen. Ich glaube, mit Hilfe von mind und den unendlichen Möglichkeiten, die es uns gibt, ist beides möglich: Eine zentrale Verwaltung ohne individuelle Freiheit für das, was nur gemeinsam funktionieren kann, für Projekte, die zu groß für einen sind und auf der anderen Seite eine Freiheit, für die wir gekämpft haben: Die möglichst große Freiheit des Einzelnen, sich und sein Leben selbst zu gestalten und zu versuchen, so glücklich wie möglich zu sein.“

Richard hatte genickt. „Ja, das muss das Ziel von allem staatlichen Handeln sein, das Glück des Einzelnen. Der subcouncil Administration muss entsprechende Strukturen aufbauen, um das vorhandene Vermögen, die Verwaltung und die Macht aufzuteilen. In öffentliche Unternehmen, zentrale Entscheidungen und in dezentrale Kompetenzen. Gut, dass wir bei Administration Freunde haben.“

Richard spielte damit auf die Entscheidung des Vorsitzenden des sub-councils Administration an, den Nachschub für die Waffen des councils zu blockieren. Nur so war es möglich gewesen, einen Krieg zu verhindern. Es war ein erzwungener Waffenstillstand in einem Krieg, den der Widerstand sonst niemals hätte gewinnen können. Gegen die Übermacht des councils. So konnten sie jetzt die neue Ordnung diskutieren, mit der Aussicht, sie vielleicht umzusetzen. Der Widerstand war immer mehr zu einer politischen Kraft gewachsen. Legitimiert sich nicht jeder Widerstand dadurch, dass er zu einer politischen Kraft wird? Jedenfalls wurden die Ideen und eine andere Zukunft überall diskutiert und es sah so aus, als ob es einen Wandel geben könnte. Einen Wandel von unten nach oben. Wenn denn die Menschen die Chance bekommen würden, abzustimmen.

Afrika

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