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2. Kapitel


Als Georg Holzer fünf Stunden später zurückkehrte, war er überrascht, einige Fahrzeuge vor der Treppe zum Eingang zu sehen. Darunter war jedoch kein Leichenwagen. Na, ja, es war einige Zeit vergangen. Vielleicht hatten sie den Alten schon abgeholt.

Er fuhr seinen Porsche auf den freien Platz vor der Garage, wobei ihm wieder einmal schmerzlich bewusst wurde, wie es ihn traf, wenn seine Freunde über ihre Maseratis, Ferraris oder Lamborghinis sprachen. Er erzählte dann gern, dass er in Hamburg einen Bentley fuhr, denn in der Hansestadt gälten protzige Sportwagen als Zeichen für neuen Reichtum, während man dort doch eher altes Geld schätzte.

Nun, er würde sich bald einen standesgemäßen Wagen zulegen können. Vielleicht einen britischen? Einen Aston-Martin zum Beispiel?

Er stieg aus und schlenderte zum Eingang hinüber. Die Autos, die dort standen, irritierten ihn: Ein neues Mercedes-Modell mit Hamburger Kennzeichen und ein Golf mit einer Frankfurter Nummer. Ein Leihwagen?

Er betrat die Empfangshalle und hörte gedämpfte Stimmen. Es hörte sich ganz und gar nicht danach an, als hätte es einen Trauerfall gegeben.

Georg Holzer spürte ein merkwürdiges Ziehen im Magen. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen, im Raum hielt sich niemand auf. Der Weihnachtsbaum blitzte und glitzerte, als sei er ganz allein für die weihnachtliche Stimmung verantwortlich.

Die Tür zur Bibliothek war ebenfalls geöffnet. Von dort kamen die Stimmen. Er erkannte die seines Onkels, der mit einem anderen Mann, dessen Stimme ihm fremd war, aufgeregt diskutierte.

Ging es etwa schon um das Erbe? Stritt die Familie sich um die Hinterlassenschaft des Alten? Dann hatten sie die Rechnung ohne ihn gemacht! Erhobenen Hauptes betrat er die Bibliothek – und blieb stehen, als hätte ihn der Blitz getroffen.

Der Alte lag in seinem Bett und starrte ihm mit eiskalten Augen entgegen. Er nickte einem großen und breitschultrigen Mann zu, der sofort hinter Georg trat und die Tür schloss.

Der Oberkörper des Alten war aufgerichtet, da man das Kopfteil des Bettes weit nach oben gefahren hatte. Der Ständer mit dem Infusionsbeutel fehlte „Da bist du ja!“

Jedes Wort klang wie ein Peitschenhieb.

„Ich... äh... du bist wach?“

„Ja. Trotz deiner Bemühungen.“ Sein Vater hob mit einer kraftlosen Bewegung seine Hand und deutete auf einen anderen unbekannten Mann mittleren Alters, der einen teuren, maßgeschneiderten Anzug trug. „Erklären Sie es ihm.“

Der Mann löste sich aus der Gruppe der restlichen Familie, die auf der anderen Seite des Bettes stand, und trat einen Schritt nach vorn. In einer Hand hielt er einen dünnen Aktenordner.

„Mein Name ist Dehnbach“, begann er. „Ich bin der Anwalt Ihres Vaters, der mich unter anderem auch mit der Regelung des Nachlasses beauftragt hat. Heute wurde eine kurzfristige Neuregelung notwendig, die ich in einem Papier bereits formlos skizziert habe.“

Er warf Georgs Onkel einen Blick zu. „Auch wenn es noch die eine oder andere Unstimmigkeit geben mag.“

Georg fühlte sich inzwischen von dem Mann hinter ihm nach vorn geschoben und schließlich in einen Sessel gedrückt. Dehnbach nickte in seine Richtung. „Das ist übrigens Mister Bailey. Er ist Brite, ist aber nach dem Brexit in Deutschland geblieben. Er war früher Sergeant der Militärpolizei und ist bis auf Weiteres der Leibwächter von Herrn Holzer. Außerdem wird er sich um die Sicherung der Beweisstücke kümmern.“

Georg starrte nur sprachlos auf seinen Vater. Nur langsam begriff er, dass sein Plan irgendwie gescheitert war.

„Ich fasse die Situation zusammen“, fuhr Dehnbach fort. „Ich möchte vorausschicken, dass Ihr Vater entgegen meinem Rat die Polizei nicht einschalten, sondern die Angelegenheit auf familiärer Ebene regeln will.“

„Welche Angelegenheit?“ Georg wollte hochkommen, doch eine harte Faust drückte ihn wieder nach unten.

Der Anwalt betrachtete ungerührt seine Bemühungen. „Wie Ihr Vater berichtete, bemerkte er, dass Sie in die Bibliothek geschlichen kamen.“

Georg fuhr erneut hoch. „Woher will er das wissen?“

„Er hat Ihre Alkoholfahne gerochen, und Sie sind um diese Zeit der Einzige, der in diesem Haus Alkohol trinkt. Er hat sich zunächst nichts weiter dabei gedacht und befand sich in einer Art Halbschlaf. Dennoch hat er gehört, dass Sie sich am Infusionsständer zu schaffen machten und den Infusionsbeutel austauschten. Da er auf der Seite mit dem Rücken zu Ihnen lag, konnten Sie nicht bemerken, dass er sich in diesem Augenblick den dünnen Schlauch von der Kanüle zog, die in seinem Arm steckte. Kaum hatten Sie den Raum verlassen, rief er mich an und alarmierte anschließend seine Familie. Er bat mich, sofort herzukommen und einen Bodyguard zu organisieren.“

Georg Holzer spürte, wie ihm schlecht wurde.

Doch der Anwalt setzte seine Rede unbarmherzig fort. „Wir haben dann die Infusion sichergestellt und auch die Flasche in der Schublade gefunden. Beides wird in einem Labor untersucht werden, und mein Klient ist davon überzeugt, dass man sowohl Gift finden wird, als auch Ihre Fingerabdrücke auf der Flasche. Die Laborergebnisse und die eidesstattlichen Aussagen werden bei mir verwahrt und nur in dem Fall an die entsprechenden Behörden weitergeleitet, wenn Sie gegen die Auflagen verstoßen.“

„Welche Auflagen?“, krächzte Georg.

Dehnbach klappte den dünnen Ordner auf und zog ein einzelnes Blatt heraus. „Das ist natürlich nur eine vorläufige Fassung. Ihr Vater hat mich gebeten, Ihnen die offizielle Formulierung großzügiger Weise erst nach den Feiertagen zukommen zu lassen.“

Georg klappte den Mund auf und zu, seine Lippen zitterten, und seine Hände zuckten unkontrolliert. „Was... was...?“

„Sie werden das Land unverzüglich verlassen und nicht wiederkommen, solange Ihr Vater lebt. Das Treuhandkonto auf Ihren Namen wird annulliert, und Sie werden von jedem Erbe ausgeschlossen.“

Georg grinste breit. „Das werden wir ja sehen. Der Alte macht es nicht mehr lange, und dann ändert sich alles.“

„Nein“, sagte seine Mutter plötzlich und wischte sich über die Augen. „Dein Vater wird wieder genesen, die Ärzte sind sehr zuversichtlich.“

Georg sank zusammen, als hätte man einen Stecker gezogen. Wie konnte man ihm das antun? Er würde mittellos sein und zum Gespött seiner Freunde werden. Niemand würde ihn mehr einladen.

Er begann zu schluchzen.

Der Anwalt ließ das Blatt sinken und sah Georg an. „Ihr Vater hat sich bereiterklärt, Ihnen ein gewisses Startkapital mit auf den Weg zu geben. Das werde ich Ihnen durch Mister Bailey in bar aushändigen lassen.“

Der Alte richtete sich ein Stück auf. „Damit kannst du nach St. Barth zu deinen Freunden fliegen. Bei deinem Lebensstil wird das Geld bestimmt für eine Woche reichen.“

Sein Kopf sank auf das Kissen zurück, und er lachte, bis ihm Tränen über die Wagen liefen.

––––––––


ENDE

Der Weihnachtsmann ist tot

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