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2. Kapitel


Sie schwebte förmlich in den Raum. Das silbern glänzende bodenlange Abendkleid mit dem seitlichen Schlitz fast bis zur Hüfte schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre Figur. Sie setzte ihre Schritte bewusst so, dass der Schlitz ihr linkes Bein in voller Länge preisgab. In den aufgestickten Pailletten spiegelte sich das Licht der zahlreichen Kerzen am Weihnachtsbaum.

Rolf Esser starrte auf den gewagten Ausschnitt des schulterfreien Kleides, das sie extra zu diesem Anlass gekauft hatte. In Anbetracht der Situation kam ihr dieser Kauf überflüssig vor, aber das hatte sie getan, bevor sie den endgültigen Plan für den heutigen Tag beschlossen hatte. Und im Übrigen: Manchmal waren auch Kleinigkeiten von Bedeutung.

Er hielt einen gehäuften Löffel Kaviar in der Hand und fluchte leise, als ein paar Krümel herunterfielen, ehe er die Delikatesse in den Mund schob und herunterschluckte. Rasch griff er nach einem Glas Champagner, um damit nachzuspülen.

Tanja musterte ihren Mann. – Oh, wie sie dieses Wort inzwischen hasste!

Er saß wie eine fette Qualle in der Sofaecke. Unter dem aufklaffenden Seidenmantel war seine behaarte Brust zu sehen. Sie schüttelte sich innerlich. Wie hatte sie diesen Mann jemals begehren können?

„Zeit für die Geschenke“, meinte er gönnerhaft.

Tanja setzte sich ihm gegenüber in einen der Ledersessel und schlug die Beine übereinander. Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. Auf diese Weise hatte er sie schon lange nicht mehr angesehen.

Er griff neben sich auf die Couch und schob eine Schachtel in weihnachtlicher Geschenkverpackung über den niedrigen Tisch zwischen ihnen.

„Hier, meine Liebe. Das wird dir gefallen!“

Tanja starrte auf die Schachtel, die aussah wie eine der üblichen Schmuckkästen, mit denen er sie früher überrascht hatte. Schließlich siegte die Neugier. Sie zupfte das rote Band auf und schlug das Papier zur Seite.

Ein Kästchen aus Edelholz, höher als die normalen Schmuckschatullen. Sie öffnete den Deckel mit beiden Händen – und blickte auf einen vergoldeten Vibrator, gebettet auf blauem Samt.

Rolf lachte wiehernd, bis ihm eine Träne über das Gesicht lief. „Das ... das ... wirst du zu schätzen wissen, wenn ich nicht da bin“, japste er. „Ich werde in Zukunft häufiger auf Geschäftsreisen sein. Das Ding wird dein Freund sein.“

Drohend fügte er hinzu: „Dein einziger Freund!“

Tanja bemühte sich um Fassung. Jetzt galt es, ihre Karten richtig auszuspielen. So eine Chance wie an diesem Heiligen Abend bekam sie nicht so schnell wieder.

„Ich habe auch etwas für dich“, sagte sie betont ruhig. Sie erhob sich und ging zum Durchgang in die hinteren Räume. Auf einem Tisch lag ein längliches Paket, ebenfalls in weihnachtliches Geschenkpapier gehüllt. Sie brachte es zurück und stellte es vor ihren Mann hin.

Hastig riss er die Verpackung auf und starrte auf den Karton, in dem sich eine Flasche Whisky befand. Nicht irgendein Whisky ...

„Das ist ein fünfundzwanzig Jahre alter Macallan Single Malt. Du hast oft davon gesprochen.“

Er klappte den Karton auf und zog den Inhalt heraus. In der nach oben breiter werdenden Flasche schimmerte eine goldgelbe Flüssigkeit.

Wird er es bemerken, fragte sie sich in diesem Moment. Sie war sehr vorsichtig vorgegangen, als sie die Schutzfolie über der Öffnung mit einer sehr dünnen Nadel durchbohrte, um die aufgelöste Mischung aus Barbituraten und Kokain in die Flüssigkeit zu spritzen. Der Pegel in der Flasche wurde damit erhöht, doch das würde wohl kaum auffallen.

Sie hatte gehofft, dass er durch das Geschenk hinreichend abgelenkt sein würde, denn diese Flasche hatte weit über eintausend Euro gekostet, eine Tatsache, die ihm bekannt sein dürfte.

„Vielleicht solltest du ihn gleich probieren“, schlug sie vor.

„Das werde ich“, stieß er hervor. „Bring’ mir bitte ein Glas.“

Tanja ging zu der Vitrine an der Seitenwand und holte ein Kristallglas heraus.

„Nicht das!“, murrte er. „Nimm lieber eines von den Baccarat-Gläsern.“

Tanja grinste, als er es nicht sehen konnte. Diese teuren Gläser wurden nie benutzt. Sie stammten von seiner Mutter, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hatte, wie er behauptete.

Sie bebte innerlich. Der erste Teil ihres Planes war gelungen. Nun musste jedoch der zweite Teil auch noch klappen.

Vorsichtig stellte sie das mundgeblasene und handgeschliffene Glas mit dem breiten Goldrand vor ihm auf den Tisch. Er goss sich eine ordentliche Portion ein und kippte sie auf einen Zug in die Kehle. Er hustete kurz, doch seine Augen leuchteten, und er goss sich ein zweites Glas ein.

Das läuft besser als erhofft, dachte Tanja.

„Ich freue mich auf die Nacht mit dir“, sagte sie wider besseren Wissens. „Vorher solltest du dir noch ein Bad gönnen. Du magst doch die große Wanne mit dem Whirlpool ...“

Sie beugte sich nach vorn, sodass ihre Brüste fast bis zur Gänze sichtbar wurden, und schaffte es, einen verlangenden Ausdruck in ihren Augen zu fabrizieren.

„Vielleicht“, flötete sie. „Vielleicht leiste ich dir Gesellschaft. Wie in alten Zeiten, als wir noch häufiger zusammen gebadet haben.“

Falls er sich noch daran erinnert, dachte sie.

„Erst nehme ich noch einen.“ Seine Stimme klang belegt.

„Ich gehe mich umziehen“, gurrte sie.

Der Weihnachtsmann ist tot

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