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4. Eine perfekte Geldübergabe

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Herr Strommeier hatte die ganze Zeit fotografiert. Er zeigte uns noch ein paar Details, bevor wir zurückfuhren.

Als wir wieder an Land waren, stand der angeforderte Hubschrauber bereits auf dem Parkplatz vor dem Gebäude der Wasserschutzpolizei. Anhand der Kennung ›D-HAYI‹ wusste ich, dass er zur rheinland-pfälzischen Hubschrauberstaffel ›Sperber‹ gehörte, die in Winningen bei Koblenz an der Mosel stationiert war. Ich war jedes Mal von seiner Größe fasziniert, wenn ich vor einem Hubschrauber stand.

Während Strommeier und Schliefensang sich verabschiedeten und ins Gebäude gingen, kam ein Beamter auf mich zu.

»Guten Tag, Sie müssen Reiner Palzki und Gerhard Steinbeißer sein. Mein Name ist Conrad Bienenfels, ich bin der Pilot. Die Funkanlage wird gerade eingestellt, in einer halben Stunde wird die Metallkiste gebracht. Wenn alles montiert ist, werden wir auf dem Parkplatz einen kleinen Test machen. Nicht, dass im Einsatz etwas schiefgeht.«

Ich dankte ihm für die Informationen und ließ ihn weiterarbeiten.

Dietmar Becker stand etwas abseits, bekam aber trotzdem alles mit.

»So, und was machen Sie den Rest des Tages?«, begann ich meinen Rauswerferdialog.

Er stotterte vor sich hin, ohne einen verständlichen Satz hervorzubringen.

»Sie haben doch sicher Verständnis dafür, dass wir Sie bei unserem Einsatz nicht mitfliegen lassen dürfen?«

»Ja, ja«, kam es endlich aus seinem Mund. »Die Frequenzen dürfen Sie mir nicht sagen, oder?«

»Herr Becker, ich bin froh, dass ich halbwegs weiß, was eine Frequenz ist. Erstens habe ich keine Ahnung, welche Frequenz benutzt wird, dafür haben wir schließlich Fachleute, zum Zweiten dürfte ich Ihnen diese nicht geben. Sie werden es im Radio hören, wenn wir die Gauner geschnappt haben. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, über die Geschichte einen Krimi schreiben zu wollen. Das funktioniert nämlich nicht, weil wir keinen Toten haben. Einen Krimi ohne Leiche wird kein Verlag drucken wollen.«

Nach einem kurzen Zögern verließ uns der Student.

Mir fiel im gleichen Moment etwas existenziell Wichtiges ein. »Du, Gerhard, ich müsste dringend Stefanie anrufen und Hunger habe ich auch.«

Gerhard schaute mich an, als wäre ich ein kleines Kind. »Dann ruf sie doch an. Wo liegt da das Problem?«

Ohne ihm zu antworten, ging ich zu meinem Wagen. Nach kurzer Suche fand ich das Handy in meinem Handschuhfach. Ich schaltete es ein, und – oh Wunder – es besaß noch genügend Restenergie, um eine Verbindung zustande zu bringen. Leider nahm Stefanie nicht ab. Wo sie wohl sein mochte? Ich musste sie dringend dazu überreden, sich endlich einmal ein Handy zuzulegen. Solch eine segensreiche Erfindung sollte heutzutage eigentlich jeder bei sich haben. »Was ist mit dir, Gerhard? Willst du deine Alexandra anrufen?« Ich hielt ihm stolz mein Handy hin.

»Katharina. Sie heißt Katharina. Ne, du, die ist um die Zeit arbeiten.«

»Deine Freundin arbeitet am Samstag? Wo ist sie denn beschäftigt?«

Gerhard zuckte mit den Schultern. »So genau habe ich sie das noch nicht gefragt. Was ist, wollen wir schnell etwas essen gehen? Als wir herfuhren, habe ich ein paar Meter weiter vorne an der Straße einen Imbiss gesehen.«

Dort, wo die Hafenstraße und die Parkstraße in einem spitzen Winkel aufeinandertrafen, befand sich ein einstöckiges Gebäude, das aus der Vogelperspektive wie ein niedergelegter Torbogen aussah. Das Halbrund bestand aus den für einen Kiosk typischen Fensterscheiben. Ich bestellte mir eine Currywurst, einen Cheeseburger, eine große Portion Pommes mit Mayo sowie eine Flasche Cola Light zur gesundheitlichen Abrundung meines in letzter Zeit etwas herausgewachsenen Profils. Gerhard beließ es bei kleineren Portionen. Während wir uns schmatzend unterhielten, bremste ein Wagen. KPD stieg aus und kam auf uns zu.

»Hier finde ich Sie also, meine Herren!«, begrüßte er uns vorwurfsvoll. »Wir haben in der Vorderpfalz die vielleicht größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und Sie stehen friedlich vor diesem Etablissement und essen.«

»Ohne Mampf kein Kampf«, entgegnete ich ihm mit nicht ganz leerem Mund und dabei segelten ein paar Brocken Fleisch an ihm vorbei.

»Der Helikopter wird gerade präpariert und dabei stören wir bloß«, versuchte Gerhard, eine plausible Lösung anzubieten.

Unser Chef schaute auf die Uhr. »Da fällt mir ein, dass ich heute auch noch nicht zu Mittag gegessen habe. Frau Wagner ist zu beschäftigt, um sich um meine Lachsschnittchen zu kümmern.« Er drehte sich zu der muskulösen Dame um, die im Kiosk stand. »Würden Sie mir bitte die Speisekarte bringen?«

»Hä?«, kam es aus dem Innern des Häuschens. »Guck uff die Dafel do unne, do steht alles druff.« Sie zeigte unwirsch auf eine Tafel, die vor dem Kiosk auf dem Boden stand.

Unser Vorgesetzter registrierte höchstwahrscheinlich nur die Handbewegung, die Sprache dürfte ihm fremd gewesen sein. Er blickte auf das Speisenangebot.

»Ah ja«, meinte er nach kurzer Überlegung, »haben Sie das Rindersteak auch als Entrecôte Chauteau in very rare?«

Der Dame schienen die Augäpfel aus dem Schädel zu springen. »Die Fleschbrocke liegen seit heit morsche uff’m Grill. Was willscht dezu? Pommes un ä Bier?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich die Dame um und knallte mit einer Plastikgabel ein Steak auf einen Pappteller. Als sie KPD das fertige Menü und die offene Flasche Bier hinstellte, wusste er nicht, dass er gemeint war.

»Was ist das?«, fragte unser Chef vorsichtig.

»Na, dei Esse«, antwortete die resolute Kioskbesitzerin und steckte sich eine Gauloises in den Mund.

Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie sich Gerhard vor zurückgehaltenem Lachen fast einnässte. Auch mir erging es nicht viel besser. »Das haben Sie eben bestellt, Herr Diefenbach«, erklärte ich ihm möglichst steif. »Probieren Sie mal die knusprigen Pommes, die schmecken exzellent. Und das Bier ist immerhin Pilsner Brauart, ein Exportbier würde ich an Ihrer Stelle nicht anrühren.«

Pikiert wandte sich KPD von dem Pappteller ab. Nachdem er sichtbar mit seiner Fassung gerungen hatte, wurde er sachlich. »Ich habe heute Morgen mit dem Landrat konferiert. Er überlässt alles Weitere mir.« Stolz drückte er seine Brust heraus. »Der Landrat weiß halt um meine Fähigkeiten als Katastrophenmanager.«

Bisher hatte er immer nur seine eigenen Katastrophen gemanagt, dachte ich.

»Ich habe alles geplant. Während sich die anderen Hilfsdienste um den Deichbruch und die Camper kümmern, schnappen wir uns die Erpresser. Ich rechne mit einer deutschlandweiten Presse. Frau Wagner ist gerade dabei, diverse Fernsehanstalten und Presseagenturen anzurufen.«

Gerhard konnte das Gesülze nicht mehr ertragen. »Und wie sieht Ihr Plan nun aus, Herr Diefenbach?«

»Ach so, ja, der Plan. Herr Palzki wird nachher mit im Hubschrauber sitzen. Über die geforderte Frequenz wird ständig automatisch die per GPS gemessene Position des Hubschraubers durchgegeben. Sobald die Erpresser sich melden, wird Herr Palzki die Anordnungen auf einer anderen Frequenz an Sie und Ihre Kollegin Wagner weitergegeben, Herr Steinbeißer. Sie koordinieren dann den Einsatz unserer Fänger. Wir werden 20 Streifenwagen und 15 Zivilfahrzeuge in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zur Verfügung haben. Herr Palzki wird auch alle anderen Besonderheiten, die eventuell während des Fluges auftauchen, per Funk an Sie, Herr Steinbeißer, durchgeben. Wir können uns keine Zeitverzögerung leisten. Egal, an welchem Punkt die Kiste abgeworfen wird, das Zielgebiet muss eine Minute später unter Kontrolle sein.«

So ein Mist, jetzt war es sicher. Ich musste in das fliegende Gerät steigen. Wenn das mal gut ginge.

»Was halten Sie von meinem Plan?« Wir nickten zustimmend und synchron. »Dann werde ich gleich wieder losfahren. Ich habe noch einen Friseurtermin. Die Pressekonferenz habe ich für morgen früh um 10 Uhr angesetzt. Staatsanwalt Borgia wird auch daran teilnehmen.«

Borgia, der hatte mir gerade noch gefehlt. Zum Glück hatten wir in diesem Fall keinen Tatort, an dem mir diese Witzfigur von Staatsanwalt über den Weg laufen konnte.

»Herr Diefenbach, können Sie mich nach Schifferstadt mitnehmen, wenn es Ihnen nichts ausmacht?«

Gerhard hatte recht, ich musste hierbleiben und wir waren in einem Auto gekommen.

»Von mir aus, steigen Sie ein«, antwortete KPD. »Wir fahren gleich los. Machen Sie es gut, Herr Palzki. Ich werde den Funkverkehr zusammen mit Frau Wagner und Herrn Steinbeißer verfolgen. Wir treffen uns anschließend bei der Festnahme der Ganoven. Ach übrigens, in der Kiste sind, wie ich bereits deutlich gemacht habe, nur alte Zeitungen. Das muss aber niemand wissen, ist das klar? Wie sollten wir auch 50 Millionen Euro in 500er- Scheinen so schnell auftreiben? Es gibt rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister, die monatelang vergeblich versucht haben, an so viel Geld ranzukommen.«

Nachdem die beiden verschwunden waren, schaute ich mir das liegen gebliebene Menü an. Bier, selbst ein Pils, kam jetzt wirklich nicht infrage und durch die herrschenden Temperaturen war das Steak inzwischen genauso kalt wie die Flasche. Dummerweise hatte KPD vergessen zu bezahlen, was ich notgedrungen für ihn übernahm.

Das Gelände der Wasserschutzpolizei war durch einen Sicherheitsdienst abgesperrt. Ich wunderte mich, dass man dafür keine Beamten der Schutzpolizei eingeteilt hatte, aber vielleicht gehörte das zu KPDs Plan. Ich zeigte flüchtig meinen Ausweis und wurde ohne weitere Fragen oder Kontrollen zum Helikopter durchgelassen. Nebenan stand ein Geldtransporter des privaten Sicherheitsdienstes.

Conrad Bienenfels kam auf mich zugelaufen. »Wir haben gerade den ersten kurzen Testflug hinter uns. Es lief alles glatt, trotz der schweren Kiste. Fünf Leute haben sie unter den Hubschrauber wuchten müssen.«

Die silberne Metallkiste hatte die Ausmaße einer Gefriertruhe und war mit breiten Gurten unter dem Hubschrauber an einem überdimensionalen Karabinerhaken befestigt.

»Das viele Geld«, sinnierte Bienenfels, »insgesamt 112 Kilogramm bestehend aus 500-Euroscheinen. Vielleicht sollte ich es riskieren. Haben Sie nicht Lust, ebenfalls auszuwandern, Herr Palzki?«

»Nein danke, Geld allein macht nicht glücklich. Was sind das eigentlich für Gummibänder, die um den Behälter gestrafft sind?«

»Das wurde bereits so angeliefert. Die Kiste ist zugeschweißt, damit sie sich in der Luft nicht versehentlich öffnet. Sonst hätten wir in der Vorderpfalz unser eigenes Konjunkturprogramm, wenn es auf einmal 100.000 Geldscheine regnen würde. Die verklebten Gummibänder sorgen dafür, dass der Kasten wasserdicht ist. Die Geldbündel selbst sind außerdem aus Platzgründen plastik-vakuumverschweißt. Es sieht zwar im Moment nicht nach Regen aus, aber man weiß ja nie, was sich da oben zusammenbraut.« Er schaute auf seine Uhr. »In einer Stunde geht es los. Sind Sie sehr nervös?«

»Nein, nicht die Spur«, log ich. »Unser Chef hat einen todsicheren Plan. Aber sagen Sie mal, haben wir heute mit vielen Luftlöchern zu rechnen?«

»Luftlöcher? Ich bitte Sie. Dafür fliegen wir viel zu langsam. Ein paar kleine Turbulenzen kann es schon mal geben, aber das ist nicht der Rede wert. Wird Ihnen beim Fliegen schlecht?«

Ich wiegelte lautstark ab. »Nein, mir doch nicht. Mich hat das nur so allgemein interessiert.«

»Glück gehabt. Im Sommer hatte ich einen dabei, der hat mir das ganze Cockpit vollgekotzt. Aber so etwas passiert nur Warmduschern.«

Die nächste Stunde verbrachte ich Kaffee trinkend bei Herrn Strommeier. Er wusste noch einiges über den Rhein und seine Deiche zu berichten. Es war alles hochinteressant, zumal es mich ein wenig von dem unmittelbar bevorstehenden Hubschrauberflug ablenkte.

Mit wackligen Knien, aber ohne mir etwas anmerken zu lassen, stieg ich zum verabredeten Zeitpunkt zu Herrn Bienenfels in das noch bodenständige Fluggerät. Das Tageslicht würde sich nicht mehr lange halten und ein kühler Wind zog auf. Zum Glück hatte es seit heute Morgen nicht mehr geregnet.

Schliefensang, Strommeier und weitere Beamte der Wasserschutzpolizei schauten zu, als Bienenfels den Helikopter einschaltete. Vorher hatte er mir noch gezeigt, wie ich mit dem Funkgerät umzugehen hatte.

»Unsere Position wird automatisch im Fünfsekundenrhythmus gefunkt, damit brauchen Sie sich nicht zu befassen. Sobald bei uns auf dem eingestellten Kanal eine Anweisung reinkommt, drücken Sie bitte auf diesen blauen Knopf und geben die Information über das Mikrofon an Ihrem Headset an Ihre Kollegen weiter. Das ist deshalb notwendig, weil wir nicht wissen, woher das Signal der Erpresser kommt und wie stark es sein wird. Daher könnte es passieren, dass Ihre Kollegen nichts mitbekommen würden. Ihr Vorgesetzter, Herr Diefenbach, fährt zweigleisig. Zum einen lässt er uns verfolgen, um die Geldübergabe zu vereiteln, zum anderen versucht ein kleines Spezialistenteam den Sender zu orten. Also denken Sie daran: Immer schön den blauen Knopf drücken, wenn Sie etwas durchgeben wollen. Das gilt auch für andere Auffälligkeiten. Aber keine Angst, ich sitze ja neben Ihnen.«

Ob dieser Plan wirklich auf KPDs Mist gewachsen war oder vielleicht doch auf Juttas? Egal, ich kannte nun meine Aufgabe und war auf das Schlimmste gefasst.

Erfreulicherweise musste der Pilot auf sein freischwebendes Gepäck aufpassen und daher langsam starten. Ein kleiner Ruck in etwa fünf Meter Höhe und der Metallbehälter pendelte frei in der Luft. Und genau dieses Pendeln übertrug sich auf den Hubschrauber.

»Hoppla, das wackelt ja ganz schön heftig«, meinte Bienenfels trocken. »Sie sind wirklich nicht anfällig für das Geschaukel?«

Ich konnte in diesem Moment unmöglich antworten. Mein Magen war kurz davor, sich aus meinem Rachen zu stülpen. Es war erfreulicherweise nur von kurzer Dauer, die Kiste stabilisierte sich aufgrund ihres Gewichtes sehr schnell. Noch nie war ich erleichterter darüber gewesen, dass Papier so schwer war.

»49,4828°N 8,4617°O«, schnarrte es ohne einen weiteren Kommentar aus dem Funkgerät. Bienenfels hatte mir bereits beim Start einen Notizblock in die Hand gedrückt.

»Schreiben Sie die Zahlen besser auf, bevor Sie die Koordinaten durchgeben«, sagte er mir, während er sie unabhängig von mir in eine Tastatur eingab. Etwas, das wie eine Landkarte aussah, leuchtete auf einem kleinen Monitor auf.

»Mannheimer Schloss«, murmelte er, während ich auf den blauen Knopf drückte und unser Ziel durchgab. Der Flug war kurz. Als wir das Ziel erreicht hatten, ließ Bienenfels den Helikopter in der Luft stehen. Unter uns befand sich die weitläufige Schlossanlage, die unter anderem die Mannheimer Universität beherbergte.

»Was soll das?«, überlegte der Pilot. »Wenn ich den Behälter an dieser Stelle loslasse, durchschlägt er das Dach des Schlosses.«

Mit »49,5496°N 8,4499°O« erschallte bereits die nächste Anweisung durch den Lautsprecher. Es schien eine männliche Stimme zu sein, doch das half uns nicht wirklich weiter.

»Es geht in den Norden von Mannheim, in den Stadtteil Sandhofen«, sagte Bienenfels, nachdem ich die Zahlen meinen Kollegen weitergefunkt hatte.

»Hoffentlich hat Ihr Vorgesetzter auch daran gedacht, die hessischen Behörden mit einzubeziehen. Nicht weit nördlich von Sandhofen beginnt Hessen.«

Da würde ich nicht drauf wetten, dachte ich mir. Inzwischen war es dunkel geworden. Den künstlich beleuchteten Stadtteil von oben zu betrachten, hatte etwas Attraktives an sich, es nahm mir sogar ein Stück meiner Flugangst. Hin und wieder konnte ich einen Streifenwagen entdecken. Wir flogen in ungefähr 50 Meter Höhe über die Häuser der Vorstadt. Direkt über einer breiten Straßenkreuzung schienen wir unseren Zielpunkt erreicht zu haben, der Hubschrauber blieb in der Luft stehen.

»Na, was ist da jetzt passiert?«, fragte Bienenfels sich selbst. »Ich kann nicht ewig in der Luft hängen bleiben. Das ist ein dämlicher Ort für die Geldübergabe, das kann doch niemals –«

»49,4059°N 8,4861°O«, lautete die nächste Botschaft. »Es geht wieder zurück in den Süden. Die bisherigen Ziele waren anscheinend nur Kontrollpunkte der Gauner. Moment mal, wissen Sie, wo der nächste Zielpunkt liegt?« Anscheinend hatte er keine Antwort von mir erwartet, denn er gab sie selbst. »Direkt am Marx’schen Weiher. Na, dann viel Spaß. Ich hoffe, dass Ihre Kollegen nicht nur Streifenwagen haben, sondern auch ein paar schnelle Boote.«

Klar, das musste die Lösung sein. Die Geldübergabe war in dem evakuierten Gebiet geplant. Wenn die Erpresser schnell genug sind und einen Ort gewählt haben, der nur schwer mit einem Wagen zu erreichen ist, würde KPD seinen Plan vergessen können.

Ich drückte den blauen Knopf. »Wir fliegen zum Marx’schen Weiher. Bitte alle Einsatzkräfte zusammenziehen. Ich denke, dass die Campingplatzanlage das Zielgebiet sein wird.«

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie sehr ich mich täuschen sollte.

Wir flogen währenddessen wieder über den Rhein in die linksrheinische Pfalz und dann der Länge nach über Ludwigshafen. Dunkel lagen die Altriper Rheinauen unter uns. Ein leicht diffuses Licht, das sich aus einem kaum wahrnehmbaren Mondlicht und dem gestreuten Kunstlicht der Rhein-Neckar-Region zusammensetzte, zeigte uns aus der Vogelperspektive die wahren Ausmaße der Überschwemmung, während wir höchstens 20 Meter über den Baumwipfeln dahinflogen. Die Bäume und die Dächer hunderter Wohnwagen schauten wie kleine Inseln aus dem riesigen See. Noch immer schien Bewegung in dem Gewässer zu sein, wie wir deutlich an den Wellenbewegungen ausmachen konnten.

»Mit einem Boot können die den schweren Behälter bestimmt nicht fortschaffen. Da bräuchten die Gauner einen Kran. Davon abgesehen, ginge die Kiste sofort unter, wenn wir sie hier ausklinken würden.«

Nachdenklich sagte ich: »Was ist, wenn wir den Kasten auf einem Rheinschiff absetzen sollen?«

»Ja, das würde gehen. Aber wie soll so ein Schiff nach der Lösegeldübergabe auf die Schnelle verschwinden? Wir sind hier nicht im Bermudadreieck.«

»49,4370°N 8,5078°O«, kam in diesem Moment die nächste Anweisung aus dem Lautsprecher.

»Verflixt, es geht noch weiter. Hm, das muss ganz in der Nähe sein.« Während Bienenfels die Daten eingab, funkte ich diese parallel an die Einsatzleitung in Schifferstadt.

»Das gibt’s doch nicht, der Punkt liegt mitten im Rhein. Vielleicht haben Sie doch recht mit Ihrer Vermutung, Herr Palzki.«

Wir flogen über Altrip hinweg zum Fluss. Als wir die Koordinaten erreicht hatten, befanden wir uns ein Drittel der Rheinbreite vom Mannheimer Ufer entfernt direkt über dem Wasser. Ich achtete besonders auf dort schwimmende Frachter oder andere Schiffe. Ich konnte keine sehen, obwohl es durch die Beleuchtung des Mannheimer Großkraftwerks an dieser Stelle etwas heller war.

Bienenfels hielt sein Spielzeug wieder in der Luft und wir warteten ab, wohin die Reise als Nächstes ging.

»Kiste ausklinken und sofort entfernen«, schallte es uns entgegen. Bienenfels sah mich fragend an. Auch ich wusste nicht, wie wir uns verhalten sollten. Gab es bei der Eingabe der Koordinaten vielleicht einen Fehler, einen Zahlendreher oder so etwas?

»Na los, ausklinken, wir beobachten euch.«

»Okay, lassen Sie die Kiste ab.«

Bienenfels drückte einen Hebel und wir machten einen Satz nach oben. Eine Sekunde später hörten wir das Aufklatschen des Behälters auf dem Wasser. Er ging sofort unter.

Ich drückte den blauen Knopf. »Wir haben eben die Kiste abgelassen, sie ist sofort im Rhein versunken. Schiffe oder andere verdächtige Dinge befinden sich nicht in der Nähe. Wir drehen ab und fliegen zum Landeplatz zurück.«

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