Читать книгу Spur der Geier: Die großen Western von Heinz Squarra - Heinz Squarra - Страница 7

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Brütende Hitze lag auf dem Farmhaus von Hank Doughly, in dem Bruce Luman von Schmerzen gepeinigt auf einem Sofa lag. Als der Kerl die Augen öffnete, sah er ein von schwarzen Locken eingerahmtes, hübsches Gesicht über sich, aus dem ihm helle Augen entgegenblickten.

Bruce Luman erinnerte sich sofort, von den beiden Ausbrechern der Sträflingsinsel, Ed Vandenburg und Pete Jensen, fürchterlich zusammengeschlagen worden zu sein.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte das Mädchen.

Luman betastete mit den Händen die Arme und bewegte die Beine. Er schien nichts gebrochen zu haben. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Krächzen über die Zunge.

„Ich hole einen Whisky“, sagte Esmeralda Doughly sofort und richtete sich auf.

Bruce Luman schaute ihr nach, als sie das Zimmer verließ. Esmeralda war einundzwanzig Jahre alt, mittelgroß und schlank. Sie ließ die Tür offen, so dass Luman durch den Flur nach draußen sehen konnte und den Farmer erkannte, der gerade mit einer Schaufel den Grabhügel festklopfte, unter dem seine Frau lag.

Ed Vandenburg und Pete Jensen hatten die Frau ermordet, das Mädchen vergewaltigt und ihn, Luman, zusammengeschlagen, und sie mussten geglaubt haben, er würde daran zugrunde gehen, dass sie ihn liegenließen.

Der Farmer wirkte gebrochen, als er die Schaufel an den Zaun des Korrals lehnte und mit schlurfenden Schritten ins Haus trat.

„Vater, er ist zu sich gekommen“, sagte das Mädchen draußen.

Bruce Luman blickte dem eintretenden Mann entgegen. Das Gesicht des Farmers sah grau wie Asche aus, und um seine Augen hatten sich schwarze Ringe gebildet. Er setzte sich auf einen ächzenden Stuhl, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und stierte die Wand an.

Esmeralda kam mit einer Whiskyflasche und einem Glas in den Raum, schaute einen Augenblick auf ihren Vater und kam dann zu Luman. Sie schenkte ihm das Glas voll und setzte sich auf das Sofa.

Bruce Luman richtete stöhnend den Oberkörper so weit auf, dass er das Glas nehmen und trinken konnte. Der Whisky brannte ihm wie Feuer in der Kehle, und doch war es dem Mann sofort, als würde mit dem brennenden Strom frisches, unverbrauchtes Leben in seinen Körper ziehen. Er fühlte, wie augenblicklich die Spannkraft zurückkehrte, und damit verbunden der Hass auf die Halunken, die ihn so zugerichtet hatten und der Wille, sie zu stellen und zu töten.

„Sie brauchen noch Ruhe“, sagte das Mädchen, das seine Gedanken zu erraten schien.

Bruce Luman ließ sich zurücksinken. Das Mädchen nahm ihm das Glas aus der Hand.

Der Farmer stand auf, trat an die Tür und blickte durch den Flur nach draußen, wo er den neuen Grabhügel im Sonnenschein sah. Noch fiel es dem Mann schwer, daran zu glauben, dass seine Frau dort draußen unter dem Grabhügel liegen sollte, dass sie nie mehr zurückkommen sollte.

Das Mädchen stand auf, bewegte sich aber nicht.

„Ich muss in die Stadt“, sagte der gebrochene Farmer mit hohl klingender Stimme.

Bruce Luman blickte nun ebenfalls auf den Rücken des Mannes. Weder er noch das Mädchen sprachen ein Wort.

Hank Doughly wandte sich um. Er war achtundvierzig Jahre alt, sah aber jetzt wie sechzig aus. „Ich muss dem Marshal von Maricopa Wells sagen, was hier geschehen ist, Esmeralda.“

„Ja, Vater. Aber muss das denn gleich heute sein? Du bist in keiner sehr guten Verfassung. Mutters...“

Sie brach ab, setzte sich auf das Sofa und begann lautlos zu weinen. Tränen rannen über ihre Wangen und tropften von ihrem Kinn.

Bruce Luman hatte Mühe, die Verachtung nicht zu zeigen, die ihn jäh überkam. Er hasste diese Gefühlsduseleien, weil er genauso wie die entflohenen Ed Vandenberg und Pete Jensen war. Nur durften Esmeralda und ihr Vater das noch nicht wissen.

„Es muss sein“, sagte der Mann. „Der Marshal muss sich darum kümmern. Es ist seine Pflicht. Wie ist es mit Ihnen, Mister?“

„Was ist mit mir?“, fragte Luman, der den Farmer beinahe erschrocken anstarrte.

„Sie sollten mitreiten.“

„Ich?“

„Ja.“

„Aber was...“ Bruce Luman brach ab und stöhnte leise.

„Er kann doch nicht, Vater.“ Das Mädchen wischte sich die Tränen von den Wangen.

„Er muss mitreiten und dem Marshal bestätigen, dass alles so war, wie ich es erzählen werde. Sie haben doch auch etwas gegen die Kerle, die Sie so zusammengeschlagen haben, Mister, nicht wahr?“

„Aber natürlich“, bestätigte Bruce Luman sofort.

„Dann können Sie mich auch begleiten.“

„Jaja“, sagte Luman, obwohl er nicht im entferntesten daran dachte, einem Marshal unter die Augen zu treten. Das fehlte ihm gerade noch.

Der Farmer kam näher. Misstrauen glomm in seinen tief in den Höhlen liegenden Augen. „Oder wollen Sie etwa nicht?“

„Doch, doch“, versicherte Bruce Luman sofort.

Das Misstrauen blieb in Hank Doughlys Augen. „Wenn Sie nicht wollen, dann sagen Sie, warum.“

„Aber er kann doch nicht. Vater.“ Das Mädchen stand wieder auf und stellte die Whiskyflasche und das Glas auf den Tisch. „Du musst ein paar Tage warten.“

„In ein paar Tagen sind die Banditen über alle Berge. Dann kann der Marshal sie nicht mehr finden.“

„Ja, das stimmt“, räumte das Mädchen ein. Es blickte nun ebenfalls wie abwägend auf Luman, der sich zerknirscht gab und das Gesicht verzerrte, als würden ihn viel stärkere Schmerzen plagen.

„Er hat doch keinen einzigen Knochen gebrochen“, sagte der Farmer mürrisch. „Ein Mann kann sich zwingen, wenn er will, Mister.“

„Sie haben leicht reden, verdammt!“, schimpfte Luman.

„Versuchen Sie es.“

„Was soll ich versuchen?“

„Stehen Sie auf, Mister“, befahl der Farmer. „Versuchen Sie, auf die Beine zu gelangen.“

Luman blickte von dem Mann auf das Mädchen.

Esmeralda sah nun ebenfalls abwartend aus. Ihre Tränen waren versiegt.

„Es ist wirklich wichtig“, sagte sie. „Die Mörder meiner Mutter müssen gefasst werden.“

„Geben Sie mir erst noch einen Schluck von dem Whisky.“ Luman grinste schief.

Esmeralda schenkte das Glas zur Hälfte voll und hielt es ihm mit zitternder Hand hin.

Er setzte sich ächzend auf. stöhnte ein paarmal, um zu demonstrieren, dass er wirklich noch lange nicht fit genug war, um richtig aufstehen zu können, nahm das Glas und trank es leer.

Das Mädchen nahm ihm das Glas aus der Hand, trat zurück und stellte das Gefäß auf den Tisch.

„Versuchen Sie es“, sagte der Farmer mit schon beinahe barscher Stimme.

Bruce Luman nahm kopfschüttelnd die Beine vom Sofa und stellte sie vorsichtig auf den Boden.

„Es wird schon gehen“, sagte der Farmer. „Sie müssen nur wollen. Jeder harte Mann kann, wenn er will, Mister.“

„Sie haben verdammt leicht reden.“ Luman fluchte. „Hat es denn nicht wenigstens bis morgen Zeit?“

„Nein, es muss sofort sein.“

Luman schüttelte den Kopf. Der zweite Whisky hatte ihn weiter gestärkt. und er fühlte sich in der Tat fähig, aufzustehen. Aber in eine Stadt würde er unter gar keinen Umständen reiten. Irgendwie musste er aus diesem Farmhaus heraus und verschwinden, so wie die beiden entflohenen Sträflinge verschwunden waren.

„Versuchen Sie es“, befahl der Farmer wieder. Sein Misstrauen hatte noch zugenommen.

„Sie können doch, Mister. Sie wollen nicht, das sehe ich schon.“

„Was soll nur dieses Gerede“, maulte Luman. „Helfen Sie mir doch mal. Miss.“

Esmeralda griff sofort nach Lumans Hand und stützte ihn, damit er auf die Beine gelangen konnte.

Einen winzigen Moment schmerzten Luman die Beine, und Schwindel erfüllte seinen Kopf. Und sofort gab er ein lautes Stöhnen von sich und ließ sich auf das Sofa zurücksinken.

„Er schafft es wirklich noch nicht“, erklärte das Mädchen. Es schenkte wieder Whisky ein und gab Luman das Glas.

Er blickte sie mit seinem treuherzigsten Blick an und goss den Whisky in sich hinein. Es ging ihm viel besser. Der kurze Schwindelanfall hatte keinerlei Bedeutung, und so erwog er schon, wie er sich mit Gewalt der Forderung des Mannes entziehen könnte.

„Versuchen Sie es wieder“, befahl der Farmer.

„Sie sind wie eine Schmeißfliege“, knurrte Luman.

Esmeraldas Gesicht schien zu erstarren und sie trat zurück, ohne es zu merken. Auch der Farmer starrte den Mann auf dem Sofa mit offenem Mund an.

„Ist doch wahr, zur Hölle“, maulte Luman, als wollte er den harten Ausdruck etwas mäßigen.

„Sie wollen nicht“, sagte der Farmer. Er ging rückwärts. „Mit Ihnen stimmt auch etwas nicht!“

„Was soll denn mit mir nicht stimmen?“ Luman stand erneut auf, .diesmal ohne die Hilfe des Mädchens und ohne neue Schwindelgefühle zu spüren.

Da war der Farmer schon im Flur, griff nach seiner Winchester, repetierte sie und schlug sie auf Luman an.

„Sie ist doch gar nicht geladen“, sagte das Mädchen. „Und überhaupt, was soll das, Vater?“

„Er wird mit mir nach Maricopa Wells gehen und dem Marshal jedes Wort von mir bestätigen!“

Esmeralda schaute von ihrem Vater auf Bruce Luman. „So sagen Sie doch, dass Sie mitgehen werden, sobald Sie kräftig genug dazu sind.“

Ohne zu antworten machte Luman den ersten vorsichtigen Schritt auf den Tisch zu.

Esmeralda ging weiter rückwärts. Eine neue Angst erfüllte sie mit Unsicherheit.

Luman griff nach der Flasche, setzte sie an und trank einen Schluck. Er durfte es nicht übertreiben, um nicht von zu viel Whisky benommen zu werden.

Der Farmer hielt das ungeladene Gewehr immer noch auf ihn gerichtet. Luman grinste ihn dafür spöttisch an. Er lief um den Tisch herum.

Esmeralda prallte gegen die Wand. Der Farmer trat zur Seite und sagte: „Er will nicht. Vielleicht ist er auch ein Bandit. Was wissen wir denn von ihm?“

„Nichts“, gab Esmeralda zu. Sie zog die Schultern zusammen, als würde sie frieren. „Nichts wissen wir von ihm, Vater. Es scheint, als wären alle gegen uns.“

Bruce Luman verließ unangefochten von den beiden das Zimmer, ging durch den Flur und trat an der Haustür ins Sonnenlicht. Er musste über die Grenze, die da unten im Süden hinter der Krümmung der Erde lag, musste hinüber nach Mexiko und Andrew Hilton berichten, was in der Zwischenzeit alles geschehen war.

Die Mündung der ungeladenen Winchester bohrte sich in seinen Rücken.

,,Im Stall steht noch ein Maultier“, erklärte der Farmer. ,,Sie können sich auf das Tier setzen. Ich habe nichts dagegen. Ich werde laufen. Wir schaffen es schon in die Stadt. Gehen Sie, Mister!“

Luman ging weiter, trat hinaus ins grelle Licht und in die Hitze, die ihn wie ein Schlag traf und umwerfen wollte. Die Füße brannten ihm, und der Kopf begann wieder heftiger zu schmerzen. Er war doch mehr fertig, als er gerade noch geglaubt hatte. Seine Schritte wirkten nicht nur unsicher, sie waren es wirklich. Als er stehenblieb, traf ihn die Mündung mit einem Stoß.

„Machen Sie mir nichts vor!“, zischte der Farmer.

Luman schleppte sich weiter auf den kleinen Stall zu. Er war in Sorge, dass ihn der Mann wirklich zwingen könnte, eine Stadt aufzusuchen. Er bewegte die Arme, um festzustellen, wie gut sie seinem Willen wieder gehorchten. Einen Moment erwog er, herumzufahren und dem Farmer das ohnehin nicht geladene Gewehr zu entreißen. Doch sogleich verwarf er diesen Gedanken wieder, weil er sicher zu langsam war.

Da hatte er den Stall erreicht und trat in das Halbdunkel.

Das Maultier stand mit spielenden Ohren an der Wand, an die es mit einer Kette gehalftert war.

„Lege ihm den Sattel auf. Er liegt da drüben. Links!“

Luman blickte zur linken Seite und sah im Halbdunkel den Sattel an der Wand liegen. Er ging darauf zu. Das Stroh raschelte unter seinen Füßen. Das Maultier zog an der klirrenden Kette. Luman blieb vor dem Sattel stehen, bückte sich, ließ sich auf die Schulter fallen und auf den Rücken rollen.

Der Farmer stand mit verzerrtem Gesicht im Stall, das Gewehr an der Hüfte angeschlagen und die Beine ein wenig gespreizt.

„Würdest du jetzt schießen, wenn noch eine Patrone drin wäre?“, fragte Luman. „Ich will nicht in die Stadt, weil ich es bei der verdammten Hitze nicht schaffe. Warte die Nacht ab.“

„Wir reiten jetzt!”

Luman setzte sich. „Ich kann aber nicht.“

„Steh auf!“

Bruce Luman erhob sich und wollte sich erneut nach dem Sattel bücken. Aber er brauchte nicht zu markieren, ihm wurde wirklich schwarz vor den Augen, und er taumelte gegen die Wand. „Verdammt, bist du ein Menschenschinder!“, sagte er gepresst..

Der Farmer sah, dass Luman es wirklich nicht schaffen würde, das Maultier zu satteln. „Gehen Sie weiter weg!”, befahl er.

„Warum denn?“

„Weil ich Ihnen nicht traue, Mister. Ich weiß von Ihnen nicht mehr als von den beiden anderen, die meine Frau ermordet haben. Treten Sie weiter zurück.“

Luman schob sich an der Wand entlang und stieß gegen eine Mistgabel, die Umstürzen wollte, jedoch in der Ecke hängenblieb. Er wandte sich um und sah die Gabel mit den fünf langen Zinken, die in nadelscharfen Spitzen endeten.

Der Farmer lehnte die ungeladene Winchester gegen die andere Wand und bückte sich nach dem Sattel.

Da hatte Bruce Luman die Gabel erfasst und bohrte sie dem gebückt stehenden Mann mit aller Kraft in den Rücken.

Ein fürchterlicher Schrei schallte durch den Stall und hinaus in den Hof und zum Haus hinüber. Blut lief dem Mann über das Hemd. Er wollte sich mit der Gabel im Rücken aufrichten, aber dazu fehlte ihm schon die Kraft. Über dem Sattel brach er zusammen und hauchte sein Leben aus.

„Idiot“, stieß Luman gepresst hervor, schleppte sich an dem Toten vorbei und nahm das Gewehr. Er war noch nicht an der Tür, als er das Mädchen hörte.

Bruce Luman blieb stehen, ergriff die Winchester am Lauf und schwang sie herum. Er war eiskalt.

Esmeralda stürzte in den Stall, sah Bruce Luman und zugleich ihren toten Vater mit der Mistgabel im Rücken. Sie schrie gellend auf, zitterte und schlug die Hände vor das Gesicht.

Luman zögerte sekundenlang.

„Mörder!“, schrie das Mädchen kreischend.

Da schlug er mit dem Kolben der Winchester gnadenlos zu. Das harte Holz traf Esmeralda gegen den Hals, schleuderte sie gegen das Maultier und ins raschelnde Stroh, in dem sie wie tot liegenblieb.

„Dumme Gans“, murmelte der Mörder, ging zu dem Toten und wälzte die Gestalt mühsam vom Sattel herunter. Dann hob er den Sattel auf, schleifte ihn zu dem Maultier und legte ihn diesem auf den Rücken.

Das Mädchen rührte sich immer noch nicht. Es lag verkrümmt und den Kopf stark nach der Seite geneigt im Stroh, so dass Luman weiterhin annahm, er habe sie erschlagen.

Bruce Luman nahm das ungeladene Gewehr mit, als er das Maultier aus dem Stall führte. Für seine Begriffe waren die beiden selbst an ihrem Schicksal schuld. Er hatte gegen sie nichts gehabt, aber in eine Stadt durfte er sich nicht schleppen lassen. Wenn der Marshal von ihm etwas wusste, wenn er vielleicht seinen Steckbrief besaß, wäre ihm das übel bekommen.

Er zog sich unter Schmerzen in den Sattel und ritt am Korral vorbei nach Süden. Die Sonne brannte dem Reiter in den Nacken. Das ungeladene Gewehr fiel ihm ein. Er lenkte das Maultier herum, ritt zum Haus zurück, hielt dort an und stieg ab. Luman ging hinein, durchsuchte alles, fand aber keine Patronen. Ed Vandenburg und sein Kumpan hatten schon mitgehen lassen, was nicht niet und nagelfest war.

So musste Luman sich mit der angebrochenen Whiskyflasche, etwas Maisbrot, ein Stück Räucherschinken und einer Flasche voll Wasser begnügen. Er trat erneut hinaus, stieg auf das Maultier und ritt wieder am Korral vorbei. Diesmal kehrte der Mörder nicht mehr um.

Spur der Geier: Die großen Western von Heinz Squarra

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