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1. Was wirklich zählt ...

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»So will ich nicht enden!« Dies war mein Fazit nach der Teilnahme an einem Treffen pensionierter Pastoren. Ich war frisch »im Dienst« und hatte mich auf die Begegnung mit den erfahrenen Brüdern gefreut (ja, damals waren wohl noch gar keine »Schwestern« dabei). Ich wollte lernen. Hier trafen sich die bewährten Streiter für das Evangelium.

Und ich lernte – vor allem wie ich nicht enden wollte.

Die Referate und vorgestellten Gedanken zu biblischen Texten waren prima, teilweise sogar brillant. Die lang angelegte Vorstellungsrunde zerstörte meine Achtung und gedankliche Inspiration dann allerdings wie eine Signalstörung bei Gewitter ein buntes, schönes Fernseherlebnis. Ja, es hat mir irgendwie wehgetan. Je mehr der Brüder von sich erzählten, zerbrachen meine Illusionen. »Ich bin noch dreimal die Woche in Haus- und Bibelkreisen.« »Einmal im Monat predige ich und leite den Männerkreis.« »Ich begleite ein Hospiz.« »Ich mache noch mindestens drei Familienfreizeiten im Jahr.« Neben unterschiedlichen Namen und beruflich vergleichbarem Werdegang bekam ich interessante Informationen über die Brüder – aber im Prinzip wiederholte es sich. Sie alle erzählten von dem, was sie einmal gemacht hatten oder eben noch machten, taten und leisteten. »Ich mache in Friedland (ehemaliges Übergangslager für Aussiedler) noch über 360 Andachten und Gottesdienste im Jahr.« Dieses Statement schoss für mich den Vogel ab.

Wo war ich hier gelandet? Bei einer Preisverleihung für pastorale Höchstleistungen? Auf einer Bewerbungsplattform für Prediger, die sich durch möglichst viele Einsätze auszeichnen und unentbehrlich sind? Beim Eurovision-Prediger-Contest, wo der Beste gewinnt?

Nein, das waren Ruheständler, Emeriti (= entpflichtete Pastoren)! Allerdings mit i.R., »in Rotation« statt »im Ruhestand«. Als Berufsanfänger sträubten sich mir die Haare.

Hatten diese Männer Gottes denn überhaupt nichts begriffen? Hatten sie je verstanden, was sie (vermutlich) selbst gepredigt haben? Allein aus Gnade. Allein der Glaube. Allein Jesus. War das nicht Inhalt, Grund und Perspektive unseres Glaubens? Jene so oft vorgetragene stolze reformatorische Formel von der »Rechtfertigung allein aus Gnade und nicht aus den Werken!« – war dies alles an meinen alten, ach sonst so lutherischen Brüdern vorübergegangen?

Heute kann ich mit diesen Kollegen etwas barmherziger und verständnisvoller umgehen. Es ist wirklich schwer, sich ohne den Hinweis auf sein Tun und Machen zu definieren.

✪Probieren Sie es gerne einmal aus und beschreiben Sie sich, ohne Ihr Handeln und Wirken ins Spiel zu bringen.

Lassen Sie Ihr berufliches Wirken einmal gänzlich weg. Auch Ihre Verdienste im Verein, in der Kirchengemeinde und im Sport verschweigen Sie. Sie zählen nicht auf, wie sehr Ihre Kinder Sie brauchen oder Ihre Enkel und was Sie für Ihre Familie alles investieren. Sie zeigen keine Fotos von Ihrem Haus und Ihrem Garten herum und auch nicht von jenem teuren Hotel, das Sie sich im Sommerurlaub leisten. Sie beweisen auch nicht, wie toll Sie Klavier spielen, singen oder kochen können. Alles, was Ihr Verdienst ist, lassen Sie weg ... und schon fragen Sie sich vermutlich, was eigentlich noch übrig bleibt.

Worüber definiere ich mich? Was macht mich wichtig und wertvoll? Was zeichnet mich aus? Was verschafft mir Anerkennung und was macht meinen Wert aus?

Schnell landen wir bei der Antwort auf diese Fragen bei Dingen, die wir gemacht und geschafft haben. Dann geht es uns unversehens nicht anders als jenen pensionierten Pastoren. Solange wir noch atmen können, versuchen wir, uns über das zu definieren, was wir (noch) schaffen oder geschafft haben. Das Haus, das Segelboot, das Pferd. Das Sparguthaben, die Firma, eine tolle Gemeindearbeit. Die Anzahl der geschriebenen Bücher, das Elektroauto, die vielen gut geratenen Kinder.

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