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Allein aus Glauben

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Wir sind beim dritten »Soli« der Reformation gelandet. Allein aus Gnade, allein durch Christus – es wird sofort deutlich, dass dies mit meinem Handeln und Machen nichts zu tun hat. Ich kann und muss mir den Himmel nicht verdienen. Im Gegenteil: Wenn ich dies meine und behaupte, leugne ich die Güte meines liebenden Vaters und mache aus ihm einen christlichen Erzieher, der mich nur mit ewigem Leben belohnt, wenn ich mich anstrenge und seinem Willen entspreche. Und ich leugne Christus, der eigentlich nicht in diese Welt hätte kommen müssen, da wir Menschen den Weg zum Leben und die Tür zur Ewigkeit ja auch ohne ihn finden und nutzen könnten. Wozu braucht es noch Jesus Christus, wenn meine »Gerechtigkeit« völlig ausreicht, mich zu erlösen und wenn ich ohnehin für den letzten fehlenden Rest einen Anspruch auf Gottes Gnade habe?

Es ist also nicht nötig, immerzu auf meine Verdienste und auf mein Wirken und Machen zu verweisen, wie es jene Ruheständler damals taten. Ich muss mich nicht ständig beweisen und rechtfertigen, weder vor anderen noch vor mir selbst und schon gar nicht noch vor Gott. Zumindest die Anerkennung Gottes bekomme ich nicht durch das, was ich mache bzw. gemacht habe.

Also aus dem Glauben?

Das dritte reformatorische »Allein« behauptet ja genau dies. »So halte ich dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.« (Rö. 3,28). Besonders Paulus hört nicht auf, für den Glauben als Weg zum Leben und zu Gott zu werben.

Allerdings: Ist »Glauben« nicht auch »gemacht«? Ich gehe und sitze, ich bastle und spiele, ich lerne und lehre, ich hoffe und glaube. Glauben ist doch auf jeden Fall etwas Aktives, etwas Gemachtes – oder?

Ja und nein.

»Auf dem Kirchentag treffen sich über hunderttausend evangelische Gläubige!« Weil man auf dem Kirchentag ist, ist man »gläubig«. So sehen es jedenfalls die Medienvertreter. Jemand geht zur Kirche, er oder sie betet und spendet für »Brot für die Welt«. Das sind Gläubige – oder? Man erkennt sie zumindest an ihrem Handeln, Machen und Tun. »Wenn du Christ bist, dann ...«, auch so hört man es gelegentlich. Christsein wird mit guten Taten verbunden, mit Nächstenliebe und Diakonie.

Aus meiner Sicht macht »gläubig« sich meistens an den Äußerungen fest. In manchen Kreisen geht es dabei nicht nur um Frömmigkeit, Moral und gottgefälliges Leben, sondern zusätzlich um die sprachlichen Äußerungen. Wer oft genug »Jesus« sagt, hat gewonnen. »Gott geb’s!« »Gott sei’s gedankt!« Oder die moderne Variante junger Menschen: »Jesus ist einfach geil, und unheimlich super, genau!« Auch christliche Milieus prägen ihre eigene Sprache und definieren jene, die sie beherrschen als »Gläubige«.

Glauben statt Gläubigkeit

Um solchen Missverständnissen ein wenig vorzubeugen, benutze ich statt »gläubig« lieber »glaubend«. Glaube ist aus meiner Sicht etwas völlig anderes als Gläubigkeit. Glaube wird nicht gemacht, sondern er ist ein Geschenk, er ereignet sich. Ohne Ostern und die Begegnung mit dem Auferstandenen konnte Maria nicht glauben (Joh. 20) und ohne das Wunder von Pfingsten wäre nie eine weltweite Bewegung christlicher Gemeinden entstanden (Apg. 2,37f.). Petrus kann sich noch so abmühen mit seiner Gläubigkeit – er schafft es nicht, auf dem Wasser zu gehen! (Mt. 14,22f.) und Paulus wirft es vom Pferd, als er mit Christus in Berührung kommt (Apg. 9). Diese Liste könnte ich jetzt weiterführen. Es ist eine Liste fast ohne Ende. Sie reicht durch die ganze Bibel, dann durch die Kirchengeschichte und bis zu uns im Hier und Heute. Immer wieder wird das Geschenk des Glaubens entdeckt und ausgepackt.

Zur Reformation wäre es ohne die Entdeckung des Glaubensgeschenkes nicht gekommen. Was hatte sich der junge Martin Luther gequält mit seiner »Gläubigkeit«! Das Kloster hatte ihn klein und hilflos werden lassen, ohnmächtig gegenüber dem großen Gott und den noch größeren Ansprüchen an ein frommes und gottgefälliges Leben. Einen »gnädigen Gott« konnte der Mönch nicht glauben. Wie sollte das gehen angesichts seiner, Martins ständigen Gebotsübertretungen?

Doch dann öffnete sich ihm die Schrift. Beim Studium des Römerbriefes und Nachdenken über die »bessere Gerechtigkeit« ereignete sich das Wunder. Martin Luther kam zum Glauben. Der Reformator ergriff Gottes ausgestreckte Hand und ließ sich aus den Fluten seiner Schaffenstheologie ziehen. »Die Pforten des Paradieses waren offen!«, schrieb er später. Plötzlich hatte er so etwas wie einen Schlüssel in der Hand. Und der schloss ihm nicht nur die Bibel und die Überlieferungen auf, sondern sogar die Tür zum Himmel. »Allein Jesus Christus!« Dies wandte er nun konsequent an: Auf die Bibel und die Überlieferungen der Kirche, auf sich selbst und sein Glaubensverständnis, auf seine Theologie und die Ordnungen und Strukturen von Kirche und Gemeinde.

Die reformatorischen Einsichten auf mein »Tun und Machen« anzuwenden, habe ich als Autor mir nicht nur für dieses Buch vorgenommen, sondern auch für mein Leben als Ganzes. Es ist wirklich eine vielversprechende Herausforderung. Immerhin hat sich unglaublich ausgewirkt, was mit jenem Bruder Martinus damals begann. Man kann also keineswegs sagen, dass der Verzicht auf die Machbarkeit des Christseins und des Glaubens ohne Folgen bleibt und nicht konkrete Gestalt gewinnt. Im Gegenteil!

Zurück zu unserer Frage: Ist Glauben machbar?

Nein, der Glaube ist nicht machbar. Er ist ein Geschenk Gottes. Wir empfangen ihn immer wieder neu durch Gottes Eingreifen. Soviel mag hier genug sein.

Und doch: Ja, das Geschenk des Glaubens will empfangen und »ausgepackt« werden. Folglich bin ich doch wieder beteiligt und sitze nicht tatenlos daneben. Insofern ist Glaube ein aktiver Vorgang, an dem ich mit Denken, Fühlen und Handeln beteiligt bin. In »Mit Denken« habe ich darauf ein ganzes Kapitel verwandt – hier nur soviel:

Für die Gemeinschaft mit Gott entscheide ich mich. Sie kommt nicht über mich und nimmt ungefragt von mir Besitz. Nein, Gott will gewollt sein, will meine Einwilligung und mein persönliches »Ja« zur Nachfolge.

Entscheidungen beginnen im Kopf, manchmal auch im »Herzen« – aber ohne handfeste Konkretionen bleiben sie wirkungslos. Ohne konkrete Umsetzung ist es, als hätten solche Entscheidungen niemals stattgefunden.

Sehr schön sichtbar wird dieser Zusammenhang fast täglich in den politischen Debatten. Klimapolitik in der Theorie ist nichts wert. Da gehen Jugendliche zu Recht auf die Straße. Nur konkretes Handeln zeigt Wirkung. Nur handfeste Gesetze und Investitionen belegen die Entscheidung der Politiker für den Klimaschutz.

Jetzt wird es in der Übertragung dieser Einsicht spannend: Wie sehen Konkretionen des Glaubens aus? Woran merkt man, dass sich jemand für Jesus Christus entschieden hat und »Allein durch Jesus«, »Allein aus Gnade« und »Allein aus Glauben« lebt?

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