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Die mediterran geprägte Antike und die Völker im Norden Europas – Ein schwieriges Verhältnis?

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Die Berichte antiker Autoren über weit entfernt lebende Völker sind in der Regel geprägt von einer Mischung aus Bewunderung für deren natürliche Lebensweise, Vermutungen und der Fantasie entsprungenen Vorstellungen, wie die oben erwähnten Beispiele zeigen. Doch wie sahen die Kontakte tatsächlich aus? Selbstverständlich denkt man zunächst an die in den Quellen ausführlich und drastisch beschriebenen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Barbaren und Griechen oder Römern. Neben diesen immer wiederkehrenden Kämpfen werden allzu häufig die über lange Zeiträume überwiegend durch eine friedliche Koexistenz geprägten Beziehungen unterschlagen, welche das Mittelmeer mit den Völkern im Norden verband.

Triebfeder dieser Beziehungen waren meist wirtschaftliche Bedürfnisse. Aus dem Norden kamen Felle, Pelze oder Bernstein, ja sogar das in Rom so beliebte blonde Haar von Frauen in den Süden. Plinius attestiert den Galliern und Germanen den Gebrauch von Seife, woraus zu folgern ist, dass dies für die Römer ungewöhnlich war. Angesichts der ausgeprägten römischen Badekultur mag dies überraschend erscheinen. Ein wichtiges Handelsgut waren Sklaven, die aus den eroberten Gebieten nach Rom verschleppt wurden. Umgekehrt gelangten Gebrauchsgegenstände wie Töpfereiwaren aus mediterraner Produktion in den Norden. In der keltischen Siedlung auf der Heuneburg bei Sigmaringen in Baden-Württemberg konnte darüber hinaus auch die Kenntnis antiker Bauweisen nachgewiesen werden. Dort wurde eine Mauer errichtet, die nach antikem Vorbild gefertigt war. Zudem übernahmen die Kelten den Gebrauch von Münzen und prägten diese in Form der sogenannten Regenbogenschüsselchen selbst nach.

Ungeachtet der eben skizzierten, auf lange Sicht wirkenden Beziehungen wechselseitigen Austauschs zwischen dem mediterranen Süden und dem Norden Europas soll in der Folge dennoch kurz auf die bei antiken Autoren erwähnten Kämpfe eingegangen werden. Damit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese Schilderungen sich auf die in den Köpfen der Römer vorhandenen Vorstellungen von den Völkern aus dem Norden auswirkten.

An erster Stelle leidvoller Kontakte ist hier die Einnahme der Stadt Rom durch die Kelten im Jahr 387 v. Chr. zu nennen. Nur die Zahlung von Tributen konnte die Eindringlinge dazu bringen, die Stadt wieder zu verlassen. Eine Folge der keltischen Wanderungsbewegungen dieser Zeit war die Niederlassung großer keltischer Gruppen in Norditalien, insbesondere der Po-Ebene.

Zur Zeit des Zweiten Punischen Krieges (218–201 v. Chr.) machte sich Hannibal mit einem Heer und einigen Kriegselefanten in einem waghalsigen Zug über die Alpen auf, um die Römer gewissermaßen durch die Hintertüre anzugreifen. Dabei fügte er den römischen Truppen am Trasimenischen See sowie bei Cannae verheerende Niederlagen zu, welche die aufstrebende Stadt am Tiber an den Rand der Niederlage brachten. Wie wir wissen, wendete sich das Blatt und die Karthager wurden ihrerseits vernichtend von den Römern geschlagen, der Zweite Punische Krieg endete mit dem Sieg Roms. Nun ist der karthagische Feldherr Hannibal mit Sicherheit weder Kelte noch Germane gewesen, aber immerhin stieß er aus dem Norden gegen Rom vor; das konnte ihm jedoch nur mit Unterstützung zahlreicher Völker gelingen, deren Gebiete er durchzog und die ihm insbesondere bei der Überquerung der Alpen den Weg wiesen.

Den mit Sicherheit nachhaltigsten Eindruck hinterließen die Züge der Kimbern und Teutonen. Ihre ursprünglichen Siedlungsplätze im Norden des heutigen Deutschland verlassend, zogen sie in den Jahren von 113 bis 100 v. Chr. über die Alpen bis nach Norditalien. Dabei wurden römische Heere wiederholt geschlagen, so sollen 105 v. Chr. bei Orange 80.000 römische Soldaten den Tod gefunden haben. Erst mit dem Eingreifen des römischen Feldherrn Marius, der das römische Heer reformierte und die germanischen Verbände bei Aix-en-Provence und im norditalienischen Vercellae entscheidend schlug, konnte die Gefahr gebannt werden. Gerade die Heeresreform, die Marius anstrengte, sollte für den weiteren Fortgang der römischen Geschichte von großer Bedeutung werden. Mit der Einführung eines Berufsheeres wurde das ursprüngliche Bauernheer abgeschafft. Die Kehrseite der Medaille war, dass nun potente Feldherren in den ihnen unterstellten Truppen eine machtvolle Klientel zur Hand hatten. Die Soldaten waren nun nicht mehr von dem Grund und Boden abhängig, den sie in Friedenszeiten bestellten, sondern ihre Einkommensquelle war ausschließlich der soldatische Beruf. Dadurch gerieten sie zu ihrem Feldherrn in ein Abhängigkeitsverhältnis, da nur der militärische Erfolg und die damit verbundene Aussicht auf Beute ein Auskommen versprachen. Umgekehrt konnten die Feldherren auf eine Truppe von Soldaten zurückgreifen, die ihnen bedingungslos folgte. Diese unter Marius etablierte militärische Struktur war mit eine Voraussetzung für die ständigen Bürgerkriege, unter denen schließlich die römische Republik zerbrach und mit Augustus als Princeps eine neuartige Staatsform etabliert wurde.

Die zahlreichen schweren Niederlagen und schmerzhaften Erfahrungen führten dazu, dass sich in Rom geradezu eine traumatische Angst vor allem entwickelte, was aus dem geografischen Raum nördlich der Alpen auf die italienische Halbinsel kam. Leider sind keinerlei keltische oder germanische Äußerungen bekannt, denn diese hatten weitaus mehr Grund, eine regelrechte Panik vor den Römern zu entwickeln: Das Eingreifen Caesars in die vorherrschenden Strukturen Galliens oder die Züge der augusteischen Zeit waren geprägt von Zerstörungen, Deportationen und der Auslöschung ganzer Stämme.

Einen Reflex des Furor teutonicus, der Angst vor dem Teutonischen, wie es der römische Autor Lukan in seinen Pharsalia bezeichnet, findet sich in einem Epigramm des römischen Dichters Martial, der im 1. Jahrhundert n. Chr. in der Hauptstadt lebte und dessen Werk eine erstklassige Quelle für die Sozialgeschichte Roms darstellt. In diesem spricht die Maske eines Germanen:

„Die Spielerei eines Töpfers bin ich, die Maske eines rothaarigen Batavers. Das Gesicht, über das du lachst, macht einem Kind Angst.

(Martial, Epigramme 14, 176, übers. Paul Barié und Winfried Schindler)

Allerdings darf dabei eines nicht übersehen werden: Die eben geschilderte diffuse Furcht vor dem Norden bewegt sich in einem Bereich, in dem die Angst gewissermaßen als Topos benutzt und für politische Zwecke instrumentalisiert wurde. In Rom herrschte eine diffuse Angst vor der Kampfeslust und der Kriegsbereitschaft der Germanen. Andererseits jedoch wurden sie eben wegen dieser Eigenschaften auch bewundert. Die Rekrutierung germanischstämmiger Leibgarden des Kaiserhauses wurde eben mit deren Wildheit und Kampfesmut begründet. Gleichwohl zeigt im Gegensatz dazu das Beispiel der gallischen Senatoren unter Kaiser Claudius, dass Menschen aus dem Norden durchaus zu den höchsten Ämtern aufsteigen konnten.

Römische Kaiser in Deutschland

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