Читать книгу Bei der Laterne wolln wir stehn - Hubert K. - Страница 6

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Kapitel 4

Als Richard auf Heimaturlaub war, schliefen sie gleich am ersten Abend miteinander. Sie hatte Kurt bereits um sieben Uhr im Bett und saß mit Richard, wie früher auch, in der Küche. Sie war dabei, Kartoffeln zu schälen und wollte sie am nächsten Tag in der Pfanne anbraten. Richard liebte Bratkartoffeln mit Speck und hatte dies seit zwei Jahren nicht mehr gegessen.

Wie früher auch unterhielten sie sich, ohne dass sie den Blick vom Küchenmesser und den Kartoffeln ließ. Richard hatte sich zu Beginn ihrer Ehe darüber beschwert, sah dann aber ein, dass dies kein Desinteresse und von seiner Frau nicht unhöflich gemeint war. Er hatte irgendwann verstanden, dass sie keinen Blickkontakt brauchte, um aufmerksam zuhören zu können.

An diesem Abend aber nahm Richard plötzlich die Schüssel, die sie auf ihrem Schoß stehen hatte und in der sie die Kartoffelschalen sammelte. Er stellte sie auf den Küchentisch, nahm ihr das Messer aus der Hand und schob behutsam ihre Knie auseinander. Dann kniete er zwischen ihren Beinen und begann, seinen Kopf an ihren Brüsten zu reiben.

Sie erwiderte seine Zärtlichkeiten und streichelte ihn an Rücken und Nacken. Sie küsste sein immer lichter werdendes Haar und bemerkte dabei, dass er nachmittags in der Badewanne sich wieder nur mit Kernseife gewaschen hatte. Doch sie vergaß schnell, wegen dieser Unart mit ihm zu schimpfen. Seine rechte Hand war inzwischen unter ihren Rock gewandert und streichelte zärtlich die Innenseiten ihrer Oberschenkel.

Ihr Atem ging schneller und sie merkte, wie lange es her war, dass Richard sie auf diese Weise berührt hatte. Auch er atmete laut, hatte sich nun aufgerichtet und zog sie an sich. Er küsste sie intensiv und seine Zunge suchte die ihre. Seine Hände streichelten ihre Brüste und um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, zog sie ihn hinüber zum Küchenschrank, um besseren Halt zu haben.

Ohne hinsehen zu müssen, öffnete sie seinen Gürtel und die Knöpfe seiner Hose. Sie spürte, dass sein Glied bereits steif war und danach verlangte, aus der engen Unterhose befreit zu werden. Langsam ging sie auf die Knie, holte vorsichtig sein Glied hervor und begann es zu küssen. Er strich zärtlich über ihren Kopf und bebte bereits heftig. Dann schob er sie auf die viel zu schmale Eckbank.

Er zog ihren Rock nach oben und half ihr dabei, den Schlüpfer auszuziehen. Sie legte sich langsam nach hinten und spürte, wie er vorsichtig und dennoch entschlossen in sie eindrang. Sie erwiderte seine rhythmischen Bewegungen und genoss es, endlich wieder ganz Frau sein zu dürfen. Er kam etwas früher zum Höhepunkt als sie, achtete aber darauf, dass auch sie sehr schnell den Punkt erreichte, der sie zumindest für einen Moment alles andere vergessen ließ.

Während Richard zuhause war, erzählte er ihr von einem Lied mit Namen Lili Marleen, das sie an der Front hin und wieder im Radio hörten. Es ging um ein Mädchen, das mit einem Soldaten befreundet war. Das mit ihm am Kasernentor unter einer Straßenlaterne stand und sich dort von dem Soldaten verabschiedete. Der an die Front musste und davon träumte, einmal wieder mit dem Mädchen bei dieser Laterne zu stehen.

Dass der Soldat Angst davor hatte, sein Mädchen nicht mehr wieder zu sehen, wusste sie nicht. Richard hatte ihr bewusst nur die ersten Strophen des Liedes vorgesungen. Von den beiden Schatten, die wie einer aussahen. Vom Kameraden, der sie ermahnte, dass bereits Zapfenstreich war und sie sich verabschieden sollten.

Sie stellte sich vor, wie Richard und sie eng umschlungen vor der Kaserne standen. Romantisch fand sie das nicht, sie wusste nicht einmal, ob vor der Kaserne, bei der Richard sich melden musste, eine Laterne stand. Soweit sie sich erinnern konnte, war der Eingangsbereich sowieso mehr als hell von Scheinwerfern beleuchtet.

Sie hatte das Lied von Lili Marleen noch nie zuvor gehört und wusste nicht einmal, ob es auch in Deutschland gespielt wurde. Die Schwiegereltern hatten zwar einen Volksempfänger im Wohnzimmer stehen. Doch dort war sie sehr selten. Auch bei den Schwiegereltern war das Wohnzimmer ein Raum, der meist nur am Sonntag genutzt wurde.

Das Leben spielte sich die Woche über vorwiegend in der Küche ab, wo das Essen zubereitet wurde und sich die Familie zu den Mahlzeiten versammelte. Dementsprechend hatte sie kaum Gelegenheit, bei den Schwiegereltern irgendwelche Sendungen oder Ansprachen zu hören.

Sie hatte Richard immer gerne singen gehört und als er früher noch im Kirchenchor war, meinte sie ihren Mann immer aus der Gruppe von den etwa zehn Chormitgliedern herauszuhören. Ihm schien Lili Marleen viel zu bedeuten und er verband damit wohl die Hoffnung, einmal wieder und dann für immer nach Hause kommen zu können.

Für Richard war dieses Lied ein Sinnbild nicht für einen erneuten Abschied am Kasernentor, sondern für das Nachhause kommen und das Zuhause bleiben. Für das Wiedersehen mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn und seiner Tochter, von der er nicht einmal wusste.

Dieses Lied, das er fast jeden Abend im Radio hören konnte, sollte sie beide verbinden. Deshalb nahm sie sich vor, Lili Marleen auch zu ihrem Lied zu machen. Während der zwei Wochen, die Richard auf Fronturlaub war, fragte sie ihn immer wieder nach dem Text und als er wieder zurück musste, kannte sie das Lied auswendig. Zumindest die ersten drei Strophen, von denen sie wusste.

Richard und sie hatten nie vor der Kaserne gestanden. Die war in der Stadt und Richard war frühmorgens zu Fuß dorthin gegangen. Gemeinsam mit zwei anderen aus dem Dorf, die ebenfalls einberufen wurden. Einer der beiden war in der Zwischenzeit gefallen und hinterließ eine Frau mit ebenfalls zwei kleinen Kindern. Bei Kriegsende waren es sogar 34 Männer aus dem Dorf, die gefallen waren oder vermisst blieben.

Sie war an diesem Morgen mit Richard aufgestanden, hatte am Abend vorher noch einen Hefezopf gebacken und dann ein letztes Mal gemeinsam mit ihm gefrühstückt. Er bestrich den Hefezopf nicht mit Butter und Marmelade, sondern tauchte ihn wie üblich in seinen Kaffee. Sie fand das immer sehr unappetitlich, hatte es ihm aber nie abgewöhnen können.

Sie saßen gemeinsam am Küchentisch und genossen die letzten gemeinsamen Minuten. Doch obwohl sie beide sehr traurig waren und nicht nur an diesem letzten Morgen zusammen weinten, hatten sie beide die Hoffnung, dass dieser Krieg schnell zu Ende ging und Richard bald wieder nach Hause kommen würde.

Natürlich kannte sie die Erzählungen aus der Verwandtschaft oder auch aus dem Dorf und wusste, wie grausam schon der letzte Krieg gewesen war. Sie kannte Familien, deren Vater nicht zurückgekommen war. Und auch ihr Bruder Albert war gleich zu Beginn des jetzigen Krieges in Polen gefallen.

Doch sie waren beide davon überzeugt, dass Deutschland diesen Krieg sehr schnell gewinnen werde. Hitler hatte es versprochen, und jeder im Dorf war davon überzeugt, dass es auch so sein würde. Und sie waren davon überzeugt, dass Deutschland im Recht war. Sich endlich zur Wehr setzte und nicht länger alles mit sich machen ließ.

Als Richard nach den zwei Wochen Fronturlaub wieder zurück musste, war die Situation eine ganz andere. Auch damals saßen sie wieder zusammen beim Frühstück. Kurt schlief noch und wurde zu der Zeit immer erst gegen sechs Uhr wach, insofern konnten sie nun in Ruhe miteinander reden.

Sie sprachen allerdings kaum miteinander, sondern schwiegen sich die meiste Zeit nur an. Richard aß so gut wie keinen Hefezopf und nahm nur hin und wieder einen Schluck Kaffee. Seine Augen suchten nicht die seiner Frau, sondern schienen ihrem Blick sogar auszuweichen und starrten ins Leere.

Sie hatte gelernt, ihn in einer solchen Situation in Ruhe zu lassen. Nicht ständig irgendwelche Fragen zu stellen. Sie war ratlos und konnte nur vermuten, was in ihm vorging. Wahrscheinlich wurde die Enttäuschung darüber, erneut von zu Hause weg zu müssen, noch überlagert von dem Wissen, wohin er zurück musste.

Es war nicht in erster Linie die Ungewissheit, ob sie sich lebend wieder sehen würden. Nicht, welche seiner Kameraden in der Zwischenzeit gefallen waren. Stattdessen aber die Erkenntnis, dass dieser Krieg, dessen Ende immer noch nicht abzusehen war, eben doch nicht sein eigener war und er ihn mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren konnte.

Sie hatte ihn vor einigen Tagen noch gefragt, ob er nicht einfach zu Hause bleiben oder sich eine Zeitlang verstecken könne. Doch desertieren kam für Richard nicht in Frage. Erstens würden sie ihn früher oder später finden. Zweitens fühlte er sich für seine Kameraden verantwortlich und wollte sie an der Front nicht im Stich lassen.

Wie sich später herausstellte, wurde Richard aber nicht zu seiner bisherigen Einheit in Frankreich, sondern stattdessen nach Russland abkommandiert. Erst durch seinen darauf folgenden Brief erfuhr sie, dass ihr Mann nun an der Ostfront kämpfte. Wie schon während seines Einsatzes in Frankreich hatte sie jedoch keine Ahnung, wo genau Richard in Russland stationiert war.

Die Gedanken an die bisherigen und wohl vor allem an die zukünftigen Erlebnisse an der Front schienen ihrem Mann an diesem Morgen durch den Kopf zu gehen. Obwohl es noch sehr früh war, sah Richard überhaupt nicht müde aus. Und dennoch war in seinem Gesicht, das noch grauer war als in den Tagen zuvor, keine Spur von Zuversicht und kein Lebenswille mehr zu sehen.

Als er seine Sachen nahm und ging, begleitete sie ihn noch bis auf die Straße. Wortlos umarmten sie sich ein letztes Mal und sahen sich schließlich doch noch tief in die Augen. Seltsamerweise weinten sie an diesem Morgen nicht. Sie hatten in diesem Moment keine Tränen mehr, die sie noch hätten vergießen können.

Bei der Laterne wolln wir stehn

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