Читать книгу Das neue Leben / Maxi I - Isabel Tahiri - Страница 5

III

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Anorex blieb bei einem Pilz stehen, er schaute sich um, wo ein Pilz wächst, das hatte er gelernt, wachsen meistens einige mehr. Und tatsächlich, unter dem Laub sah er einen blitzen, und dann noch einen, rasch schubste er die drei Pilze um, band einen langen Grashalm um die Stiele und schulterte seine Last. Custos würde sich freuen. Er aß gerne Pilze, einen konnten sie frisch verzehren, die anderen Beiden würde er trocknen. Im Winter freute man sich auch darüber. Dann begann er sehr vorsichtig nach oben zur Höhle zu klettern, immer darauf achtend, das die Pilze nicht zu oft auf dem Boden aufschlugen. Das gab blaugrünliche oder lilafarbene Flecken und Anorex würde das gerne vermeiden. Als er am Eingangloch ankam, hörte er Stimmen, sofort schaltete er auf Alarmbereitschaft um. Sie bekamen nie Besuch, seit eintausendzweihundert Tagen nicht mehr. Wer in MUS Namen war das? Vorsichtig legte er die Pilze am Eingang ab, durchquerte den Meditationsraum und schlich sich näher. Vor Custos´ persönlichem Raum blieb er stehen und lauschte.

Custos tischt Hirse, Löwenzahn, Weidenrindenstückchen, einen Champignon und sogar ein paar Zwetschgen auf. Es sieht für mich sehr bunt aus, ich habe bis jetzt nur bei meiner Mutter getrunken. Ob es mir schmecken wird, jedenfalls bewundere ich mit großen Augen die Auswahl.

Auch Bene und Cito staunen. „Wo kommt das alles her?“ Fragt er.

„Das hat Anorex für mich gesammelt.“ Sagt Custos.

„Anorex? Der aus der Geschichte?“

„Ja, Bene, Anorex aus der Geschichte ist mein Helfer. Er kam vor ungefähr eintausendfünfhundert Tagen hier vorbei und ist geblieben. Er findet immer das beste Essen und außerdem ist er mein Freund. Ohne ihn wäre es schrecklich einsam gewesen, seit keine Mäuse mehr vorbeikommen.“

Das ist eine interessante Neuigkeit, ich habe mir immer vorgestellt, Anorex hat vor ewigen Zeiten gelebt, so kam es jedenfalls in der Geschichte rüber. Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass es tatsächlich schon sehr lange her ist.

„Wo ist er jetzt?“ Frage ich.

„Er macht das, was er am liebsten macht, er sammelt Nahrung.“ Er lacht. „Für eine Maus, ist er ziemlich aus der Art geschlagen.“

„Na, Custos, lästerst Du etwa über mich?“ Eine schlanke, fast zierliche Maus tritt durch einen Tunnel in unsere Runde. „Hallo, ich bin Anorex, mit wem habe ich die Ehre?“

Wir stellen uns vor und erzählen den beiden beim Essen alles, was passiert ist. Von den Träumen, der Ratsversammlung und unserem Versuch etwas zu unternehmen. Custos erzählt von seinem Leben als Hüter der Quelle und seiner Fähigkeit, den Mäusen in die Seele zu schauen. Ich nehme an, das hat er vorhin bei Tara gemacht, deshalb hat er sie so intensiv angeblickt. Und bei mir, ich habe nichts gespürt, und doch wusste er über mich Bescheid. Custos wurde vor sehr langer Zeit erwählt, der Hüter der Quelle zu sein. Auch Tara hat den Seelenblick, die Gabe anderen in ihr tiefstes Inneres zu sehen, deshalb verstehen sich die Beiden auch auf Anhieb so gut. Ihre gemeinsame Gabe scheint sie zu verbinden.

Ich tauche aus meinen Gedanken gerade auf, als Anorex mit seiner Geschichte beginnt.

„Als ich siebzehn Tage alt war, stellte eine Priesterin fest, dass ich kaum zugenommen hatte seit meiner Geburt. Ihr wisst ja, MUS hat sie damit beauftragt, darüber zu wachen, dass die Kinder wachsen und gedeihen. Sie machte sich ernsthafte Sorgen und nahm mich immer wieder mit, wenn sie sammeln ging. Das bereitete mir große Freude. Sie ermunterte mich richtiggehend zum Essen, aber ich nahm nicht zu. Auch gewachsen bin ich nicht wirklich, seht mich an, ich bin immer noch klein und schmächtig.“ Wir lachen.

„Aber ich habe im Sammeln meine Berufung gefunden. Das Sammeln für Männer war aber längst schon verpönt, sie lachten mich immer aus und quälten mich mit ihrem Spott. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und bin weggelaufen. Da war ich Dreiunddreißig. Nach einer langen Reise kam ich hier an. Damals war an der Quelle noch reger Verkehr. Ich folgte den Gläubigen zur Quelle des Lebens, betete und trank wie alle anderen. Bevor ich wieder gehen wollte, fragte mich Custos, ob ich nicht sein Gehilfe werden wolle. Na ja, wahrscheinlich hatte er Mitleid mit einem heimatlosen jungen Mann.“ Er zwinkert Custos zu und der grinst zurück.

„Aber, wir sind im Laufe der Tage gute Freunde geworden und Custos freut sich über alles, was ich sammle.“

Der nickt bestätigend. „Das stimmt, ich habe nie so gut und abwechslungsreich gegessen, bevor Anorex hier eintraf.“ Dann nimmt er sich gleich noch etwas.

Obwohl das meine erste feste Nahrung ist, bekommt sie mir ausgezeichnet, es schmeckt alles lecker. Custos hat leider keine Erklärung dafür, was aus den Gläubigen geworden ist. Mit der Zeit seien immer weniger gekommen, bis dann irgendwann gar keiner mehr kam. Natürlich behüte er die Quelle weiter, jedenfalls solange er am Leben bleiben würde. Das ist seine Aufgabe, etwas anderes kannte er nicht mehr.

Dann erzählen sie von dem Land hinter der Mauer. „Es ist kein sehr großes Land, aber fruchtbar. Dort wächst alles, was man braucht, um zu überleben und noch jede Menge andere schmackhafte Nahrung, wie die Pilze,...“ Er hält inne und springt auf. „Meine Pilze, die hätte ich beinahe vergessen. Entschuldigt mich kurz, ich habe drei schöne Röhrlinge mitgebracht. Die will ich schnell versorgen.“ Er geht schnell hinaus und ist für eine Weile verschwunden.

Unterdessen, erklärt uns Custos, wie das Land aufgeteilt ist.

„Beginnen wir im Osten, da haben die Menschen einen Nutzgarten angelegt. Anorex bringt immer wieder tolle Sachen von dort mit. Dort gibt es einen alten Zwetschgenbaum, der aber nicht in jedem Sommer so herrliche Früchte hervorbringt, wie die, die wir gerade gegessen haben. Dann kommt der große Nussbaum, ein wunderschön anzusehender Baum, der immer reichlich trägt. Seine Nüsse sind groß und wohlschmeckend. Es gibt dort Flieder, aber warum weiß ich nicht, die Menschen sind absonderliche Wesen, die manchmal Pflanzen nur zu ihrem Vergnügen haben, völlig ohne Nutzen. Der Flieder gehört dazu, meiner Meinung nach. Er verwurzelt das ganze Erdreich, es macht keinen Spaß, dort zu graben. Um seinen Nutzgarten hat der Mensch einen Zaun errichtet, aber der behindert uns nicht, er ist sehr grobmaschig. Wahrscheinlich soll er größere Tiere abhalten, darin herumzutrampeln. Wenn wir weiter der Mauer entlang in Richtung Westen gehen, kommen wir am Haselnussstrauch vorbei. Da wohnt ein Schwarm Spatzen, sie machen manchmal ein grässliches Geschrei, sind aber friedlicher Natur. Ein Stück weiter gab es einmal einen Kirschbaum, der sehr gute Kirschen hervorbrachte, aber ein großer Sturm hat ihn umgeworfen, er war vielleicht doch nicht mehr richtig gesund. Ein Stück weiter kommt noch eine Weide, und dann der See.“

„Der See?“ Hake ich nach.

„Der See und das Haus, ein alter Baumstumpf, sind wunderschön,“ höre ich Anorex sagen. „Dort haben wahrscheinlich früher schon einmal Mäuse gelebt.“ Anorex sei vor ungefähr fünfhundert Tagen das letzte Mal beim Haus am See gewesen.

„Aber da war alles verlassen, ich habe keine Ahnung, wo die Mäuse abgeblieben sind.“

„Das Haus am See?“ Das lässt mich hellhörig werden.

„Ja, da gibt es viel fruchtbares Land und einen großen See. Soll sehr schön sein. Es wachsen viele Pflanzen dort, auch der Klee, den ich am liebsten esse. Anorex hat mir davon erzählt, leider habe ich es noch nicht selbst gesehen.“

„Es war sehr schön Custos, ich weiß nicht, wie es inzwischen aussieht. Nachdem der Klee eingegangen ist, bin ich nicht mehr dort gewesen. Fast alles, was es zu sammeln gibt, wächst in dem Bereich bis zum großen Haselnussstrauch. Und selbst für unsere Weidenrinde, muss ich nicht bis ganz an den See.“

Das hört sich vielversprechend an, ich nehme mir gleich vor, auf jeden Fall bis zu diesem Haus am See zu wandern. Etwas klingt in mir nach, kommt mir sofort vertraut vor, so, als müsse ich unbedingt dort hin. Ich kenne den Grund dafür nicht, aber ich werde es herausfinden.

Wir haben uns lange unterhalten, die Natur verlangt ihr Recht, ich bin auf einmal schrecklich müde. Meinen Reisegefährten scheint es genau so zu ergehen, einer nach dem Anderen gähnt schläfrig.

Custos bemerkt es. „Oh, Ihr seid müde, aber es ist so lange her, dass wir so viele Gäste hatten. Verzeiht, ich habe euch wach gehalten.“ Dann wünscht er uns einen erholsamen Schlaf und legt sich selbst ebenfalls zur Ruhe. Er verspricht, uns morgen den Tunnel, der auf die andere Seite führt, zu zeigen.

Aufregung erfasst mich, obwohl ich eigentlich müde bin, kann ich nicht sofort einschlafen. Das Haus am See geistert durch meinen Kopf, ich versuche, es mir vorzustellen. Für mich hört sich das wie eine neue Heimat an. Aber ich bekomme kein klares Bild davon und schlafe darüber unbemerkt ein.

Nachdem wir lange geschlafen haben, frühstücken wir kleine Stückchen von einer anderen Rinde. Das war eine merkwürdige Mahlzeit, aber Bene vermutet, das gebe uns Kraft für den Weg, der noch vor uns liegt.

Custos bestätigt es. „Das stimmt, das ist Kirschbaumrinde. Sie enthält die gleiche Medizin, wie die Weidenrinde, aber sie schmeckt etwas süßer. Sie gibt Energie und erhält die Gesundheit.“ Dann sollen wir noch ausgiebig aus der Quelle trinken, auch das wird uns Kraft und Schutz vor Krankheiten gewähren.

Wir verabschieden uns von Tara, die dann doch ein bisschen traurig ist, uns weggehen zu sehen. Anorex verspricht, wenn er sieben Tage lang nichts von uns gehört hat, am See vorbeizukommen, um nach uns zu sehen.

*

Tara schaute ihnen nach, war es richtig, dass sie hierblieb, vernachlässigte sie nicht ihre Pflicht? Würde Maxi das schaffen? Ja, da war sie so sicher wie Custos. Dieses junge Mädchen war stark und klug. Mit MUS Hilfe würde sie eine gute Anführerin werden trotz oder gerade wegen ihres zarten Alters. Alle würden auf sie hören, da war sich Tara ganz sicher.

Als sie gestern Abend Custos kennenlernte, und eine seiner Geschichten hörte, war ihr sofort klar, dass sie von ihm lernen musste. Ganz selbstverständlich war sie vor ihm niedergekniet, wie in alten Zeiten ein Lehrling vor seinem Meister. Wenigstens, bis die anderen zurückkommen, würde sie bleiben, vielleicht auch länger.

*

Dann brechen wir endlich auf. Der Tunnel ist eng, wir müssen hintereinander gehen. Amo läuft gleich hinter Custos, dann folgen Cito, Berti, Bene und ich, am Ende Autax. Wir marschieren recht schnell hindurch, es ist ein bisschen beklemmend, durch einen Steintunnel zu laufen. Ich bin die weichen Erdtunnel gewohnt.

Nach einer Weile kommen wir in eine kleine Höhle, an deren Wände Zeichen eingeritzt sind.

Während wir sie betrachten erklärt Custos. „Das ist eine Höhle der MUS, uns ist sie heilig, hierher kommt man, um zu beten und innere Einkehr zu halten. Wir nennen sie die Höhle der Meditation. Merkt Euch die Zeichen an der Wand. Seht Ihr das?“. Er deutet auf eine Zeichnung, die aussieht wie eine Maus.

„Merkt Euch diese auf jeden Fall, direkt darunter ist der richtige Tunnel, der wieder zur Quelle zurückführt.“

Erst jetzt bemerke ich, dass noch drei andere Öffnungen in den Wänden zu sehen sind.

Dann deutet er auf ein anderes Bild. „Das ist eine Eule, diesem Weg müsst ihr nun folgen um auf die andere Seite zu kommen. Aber bitte beachtet, dass die Eule auch eine Gefahr darstellt, in dieser Richtung ist nicht nur ein wunderschönes neues Land, sondern vielleicht auch unerwartete Gefahren zu erwarten. Seid also auf der Hut.“

„Und was bedeuten die anderen Zeichen?“ Ich habe noch einen Käfer und eine Wespe bemerkt. Custos erklärt, beide Wege seien gefährlich, der eine führe zu einem großen Wespennest und der andere ins Reich der Glühkäfer. Wespen können uns töten, daran erinnere ich mich aus den Geschichten meiner Mutter, aber Glühkäfer kenne ich nicht.

„Was sind Glühkäfer für Lebewesen?“ Frage ich.

Custos antwortet mir mit einer langwierigen, aber keineswegs erhellenden, Erklärung. „Also es ist so, Glühkäfer sind sehr hübsch anzusehen, und an sich nicht gefährlich. Aber ihr Einfluss auf unsere Gedanken kann uns verwirren und vom rechten Weg abbringen. Es gibt einige Legenden, die sich mit der geheimnisvollen Kraft der Glühkäfer befassen, aber das würde jetzt zu weit führen. Nur so viel: Bleibt weg von ihnen. Es ist sicherer für euch.“

Cito und Bene lachen los.

„Tja, die Maxi will halt alles wissen, aber können wir jetzt bitte weitergehen, ich brenne vor Neugier auf das neue Land.“ Sagt Cito.

Custos erklärt, dass wir von jetzt an allein weiter gehen müssen, er entfernt sich nie sehr lange von der Quelle. Wir verabschieden uns mit dem Versprechen wiederzukommen und betreten den Tunnel der Eule.

*

Autax hatte sich die ganze Zeit das Gefühl, die Steinwände würden auf ihn zukommen, es gefiel ihm nicht hier. Der enge Tunnel, und dann das religiösen Gerede, damit konnte er nichts anfangen. Er packte lieber mit an, und redete nicht viel. Im Gegensatz zu ihm, plapperten die Kinder zu jeder Zeit drauf los. Es war anstrengend mit ihnen, auch wenn sie nett waren. Und die vielen Fragen gingen ihm ganz schön auf die Nerven, diese Kinder wollten aber auch alles wissen. Ein Glück, das Satis und er getrennt wohnen, seit die beiden kleinen Mädchen auf der Welt waren, er würde wahrscheinlich nicht so gut mit ihnen zurecht kommen. Er mochte Kinder, wirklich, aber eher aus etwas weiterer Entfernung, nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe. Da vorne wird es wieder hell, MUS sei Dank, sie kamen endlich aus dem Tunnel heraus.

*

Nach relativ kurzer Zeit sehen wir Licht am Ende des Tunnels, wir rennen darauf zu. Der Anblick nimmt mir den Atem. So weit das Auge reicht, erstreckt sich unter uns ein weites Tal. Ich erblicke den See, Nussbäume, Obstbäume, Sonnenblumen, Mais und jede Menge Kräuter und Gräser. Es übertrifft die Vorstellung, die ich mir bei Custos´ Beschreibung gemacht habe um Längen.

Bene steht ganz andächtig da. „Das gelobte Land, es wird eine Zuflucht geben, ich weiß es, ach, es wird wunderbar werden.“

In diesem Moment sehe ich die Bestien. Sie rennen blitzschnell durch das Tal. Eine ist geradezu riesig, drei Kleinere folgen ihr. Sie beginnen zu schnüffeln, so als suchen sie etwas. Wir drücken uns an die Mauer und schauen entsetzt dem Treiben der Bestien zu.

„Tja,“ sagt Cito, „das war wohl nichts, mit dem gelobten Land.“

„Das sind Hunde, sie sind schnell und wenn sie einen von uns erwischen können, fressen sie uns auch, aber man kann ihnen aus dem Weg gehen. Man muss nur sehr vorsichtig sein.“ Meint Amo. Auch Autax schließt sich dieser Meinung an.

„Vielleicht kann man sie zähmen, ich würde gern auf einem reiten, stellt Euch vor, wie das wäre...“ Natürlich Berti, nur ihm fallen immer solche Sachen ein.

Wir warten, bis die Hunde verschwunden sind, dann klettern wir die Mauer hinab. Wir kommen direkt neben einem Walnussbaum unten an. Als wir ihn untersuchen, stellen wir fest, dass er große Wurzeln mit vielen Hohlräumen hat. Wir kriechen hinein und mit ein klein wenig Grabarbeit, haben wir ein weiches Nest. Alle rollen sich zusammen und wir schlafen viele Stunden lang.

*

Seit längerer Zeit habe ich schon einen Traum, er ist wunderschön. Ich befinde mich in einem friedlichen Bambuswäldchen, das Wasser plätschert in den großen See und ich fühle mich rundum sicher. Hier möchte ich sehr gerne wohnen, irgendetwas Heiliges umgibt diesen Ort. Heute ist er ein wenig anders.

Ich höre eine Stimme, die zu mir spricht. „Das wird mein Heiligtum werden, Maxi, Du musst es nur noch finden.“ Hat gerade MUS zu mir gesprochen? Im Traum?

Jemand schüttelt mich, und reißt mich fort von diesem friedlichen Ort.

Ich erwache und sehe in Benes Augen.

„Maxi,“ sagt er, „ich werde im Nussbaum bleiben und den Ort für die anderen vorbereiten, es muss nur ein bisschen Ordnung geschafft werden. Ich glaube, dass einige Familien hier leben können.“ Das ist eine sehr gute Idee, das ist mir gar nicht eingefallen. Wenn wir uns aufteilen, können wir viel schneller, viel mehr erreichen.

Autax räuspert sich. „Ich glaube, ich werde bei Bene bleiben und ihm helfen. Allein ist das eine Heidenarbeit. Wir können viele Schlafplätze schaffen und sogar ein paar Vorräte sammeln. Selbst, wenn die Stadtmäuse nicht kommen, wird es euch auf dem Rückweg sicher gefallen in ein gemütliches Nest einkehren zu können.“ Er hat recht, mir ist es lieber, wenn mein Bruder nicht ganz allein hier bleiben muss. Eine Maus braucht einfach Gesellschaft. Alle sind einverstanden.

Zum Essen gibt es Walnüsse, die gerade angefangen haben vom Baum zu fallen. Das erinnerte mich daran, dass fast schon Herbst ist. Wenn wir vor dem Winter noch einen Unterschlupf für alle finden wollen, müssen wir uns beeilen. Wenn erst einmal die Stürme und der Regen anfangen, wird alles so ungemütlich. Wir müssen auch so viele Vorräte wie irgend möglich sammeln. Selbst wenn nur ein Teil der Stadtbewohner herkommen würde, bedeutet dass, eine Menge Esser.

Wir beschließen, noch einen Tag zu bleiben und eine große Höhle als Vorratsraum zu graben. Wenn alle zusammenarbeiten, wird das sicher nur ein paar Stunden dauern. Nach dem Graben drücken wir die Erde rundum fest.

„Der Raum ist schön groß geworden,“ sagt Bene, „Da passen jede Menge Nüsse rein.“

„Wenn die anderen weg sind, Bene, können wir auch noch Nahrung aus der Umgebung sammeln. Ich bin vorhin mal ein Stück am Stamm hinaufgeklettert. Hier wächst Mais und Bohnen, Sonnenblumen, Kräuter und was weiß ich noch alles. Da könnten wir einiges hereinschleppen.“

„Ja, Autax, das ist eine gute Idee.“ Das gefällt mir. „Bei den Walnüssen helfen wir Euch noch ein bisschen, sie sind so groß und schwer. Wir brechen erst morgen auf, denke ich. Natürlich nur wenn es allen recht ist.“

„Von mir aus, ich würde sowieso noch gerne auf dem Walnussbaum herum klettern.“ Berti wieder.

„Ja, das ist eine gute Entscheidung,“ meint Amo, „So ist schon eine größere Menge eingelagert und wir können uns noch ausruhen, bevor es weiter geht.“

Cito nickt dazu. Dann verschwindet er mit Berti um Klettern zu gehen. Na toll, jetzt bleibt es an uns hängen. Ist aber nicht so schlimm, im Gegenteil, es macht richtig Spaß, die Nüsse in den Vorratsraum zu rollen.

„Das hätte Berti und Cito bestimmt auch Spaß gemacht,“ sage ich. „Und es geht viel schneller als ich geglaubt habe. Der Raum ist ja schon halb voll.“

„Dann graben wir eben noch einen, Bene und ich, wenn ihr weg seid. Wir haben dann ja keine Eile mehr. Ich würde mal sagen, wenn dieser Raum voll ist, hören wir auf und essen zusammen.“

„Essen? Juchhu, wir sind auch hungrig.“ Mit einem Satz sprang Berti vom Baum. Dicht gefolgt von Cito. „Wir hatten eine gute Aussicht von da oben. Bis zum Haselnussstrauch ist es gar nicht so weit, das müsstest Ihr wohl in einer Stunde schaffen. Ach ja, es hängen noch sehr viele Nüsse an den Ästen, da könnt ihr noch eine Weile sammeln.“

„Eigentlich, wollen wir auch noch andere Sachen einlagern, Cito. Aber wer weiß, wie lange Ihr braucht, bis Ihr wieder zurück seid. Ich mache mir jedenfalls wegen der Vorräte keine Gedanken. Das ist hier wie im Schlaraffenland. Überall Nüsse und Beeren. In einer Ecke habe ich sogar Kürbisse gesehen. Das ist ein reiches Land.“ Ja, Autax hat recht, Nahrung gibt es genug.

„Habt Ihr von da oben auch Wasser gesehen?“ Frage ich Cito.

„Nur ganz hinten, eingefangen in einem großen runden Gefäß,“ antwortet er. Hoffentlich finden wir irgendwo Wasser, allmählich bekomme ich Durst, und den anderen geht es wahrscheinlich genau so.

Also strömen wir aus, um nach Wasser zu suchen.

Ich wandere zu der großen Tonne, aber man kann nirgends hinaufklettern, die Oberfläche ist zu glatt. Unverrichteter Dinge kehre ich zum Nussbaum zurück. Nach und nach trudeln die anderen ein.

„Na, jemand was gefunden?“ Ich schaue in die Runde.

„Nein, Maxi, ich hatte kein Glück.“ Keiner hat Glück gehabt.

„Ich auch nicht.“ Ich ärgere mich über mich selbst. Niemand hat Wasser gefunden. Das hätten wir am Anfang suchen müssen, bevor wir gegraben und gesammelt haben. Aber keiner hat daran gedacht. Was machen wir nun?

„Äh, Maxi?“

„Ja, Amo.“

„Ich habe mal eine Geschichte gehört, wie man sich Wasser selbst machen kann.“ Das erstaunt mich sehr, wie war das möglich? „Weißt Du wie das geht, Amo?“

„Nun, man gräbt in der feuchten Erde unter einem Baum oder auch in feuchtem Sand ein tiefes Loch, bis man merkt, dass eine kleine Pfütze entsteht. Dann füllt man Kieselsteine hinein und wartet. Nach einer Weile soll dann das Wasser nach oben steigen und durch die Steine gereinigt werden. Dann hätte man sauberes Wasser. Man nennt es Brunnen.“

„Das hört sich toll an, sollen wir es gleich ausprobieren, ich habe schon richtig Durst.“ Sagt Berti. Wir kehren unter den Baum zurück und suchen nach einer sehr feuchten Stelle. In dem größten Hohlraum ziemlich in der Mitte, werden wir fündig. Berti will sofort anfangen zu graben.

„Grabt Ihr mal, Autax und ich holen die Steine.“ Sagt Amo und verschwindet mit Autax nach draußen, um welche zu suchen. Wir graben immer abwechselnd, damit keiner zu entkräftet wird. Viele Mauslängen tief. Nach einer Weile wird es immer schwieriger, die Erde nach oben zu bringen. Dann wird es endlich nass und schlammig. Wir haben das Wasser gefunden. Wir sind inzwischen aber auch so richtig dreckig, überall mit Schlamm bedeckt. Aber das macht nichts, das trocknet bald wieder und fällt beim Schütteln ab.

Die beiden Steinsucher treffen wieder ein, jeder hat einen Kiesel dabei, den er vor sich her rollt.

„Ich glaube, Ihr habt genug gegraben.“ Meint Amo fachmännisch. „Wir rollen jetzt die ersten Steine hinein und holen noch mehr.“ Er dreht sich rasch um und geht mit Autax wieder hinaus. Berti und Cito laufen hinterher. Auf diese Weise wird der Brunnen schnell gefüllt.

Amo steht an dem mit Kieseln gefüllten Brunnen und starrt hinein. „Nun heißt es wohl warten.“

Ich habe mich an den rand plumpsen lassen. „Wie lange denkst Du, Amo?“

„Ich weiß es nicht, in der Geschichte hieß es, eine Weile, aber wie lange genau, weiß ich auch nicht.“ Wir müssen also einfach warten.

Um die Zeit sinnvoll zu nutzen und weil wir sehr erschöpft von der vielen Arbeit sind, legen wir uns nieder, um eine Runde zu schlafen.

Geweckt werde ich von Bertis Rufen. „Es hat funktioniert. Juchhu, wir haben unser eigenes Wasser. Und es schmeckt sehr gut, ich habe es schon probiert.“

Wir haben es tatsächlich geschafft. Ich habe so ein Gefühl, es überwältigt mich fast, MUS hat uns geholfen. Custos hat mir ja ans Herz gelegt, auf meine Gefühle zu hören, es kann immer auch eine Eingebung von MUS sein.

„Hört mal her, bitte, ich glaube ich möchte ein Gebet sprechen.“ Alle sehen mich aufmerksam, fast erwartungsvoll, an.

Das wird mein erstes eigenes Gebet, hoffentlich finde ich die richtigen Worte.

Wir danken Dir, MUS,

für die viele Nahrung

und den Platz sie unterzubringen.

Wir danken Dir, MUS,

dass unser Freund Amo

sich an diese Geschichte erinnert hat.

Wir danken Dir, MUS,

für Autax und Bene

die diesen Platz behüten werden.

Wir danken Dir, MUS,

für Berti und Cito

die meine treuen Wegbegleiter sind.

Wir danken Dir, MUS,

dass Du uns beschützt,

und uns immer den rechten Weg zeigst

Wir danken Dir, MUS.“

Wie selbstverständlich sagen alle: „Danke, MUS!“

Eine stille Freude macht sich in mir breit. MUS hat mich die rechten Worte finden lassen, Danke. Alle haben ein Lächeln im Gesicht. Ich habe das Gefühl, dass wir gemeinsam alles schaffen können.

*

Amo lächelte, die junge Maxi war wirklich schon eine richtige Priesterin, was für schöne Worte sie für das Gebet gefunden hat, er war stolz auf sie. Von ihr war bestimmt noch Großes zu erwarten. Berti ist ein kleiner Lausbub, aber das würde sich auswachsen, er war genau so, als er jung war. Seine Mutter hatte sehr oft mit ihm gescholten, wenn er mal wieder einen Streich ausgeheckt hatte. Aber aus ihm war trotzdem etwas geworden. Er war Wächter, darauf konnte er stolz sein, ein sehr ehrenwerter Beruf. Seine Fähigkeiten werden den Kindern hoffentlich helfen, hier etwas aufzubauen. Er war wirklich gern mit ihnen zusammen. Bene war fürsorglich, Berti eher sorglos und vorwitzig, aber seine kleine Maxi, sie war liebevoll, voller Ideen und jetzt außerdem seine Priesterin. Besonders Maxi hatte er in sein Herz geschlossen.

Das neue Leben / Maxi I

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