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Ich heiße Philipp Gaukler, bin gerade vierzig geworden und schreibe seit einigen Jahren für den STAR, ein bedeutendes bundesdeutsches Magazin, das wöchentlich erscheint und sich mit allen möglichen gesellschaftlichen Themen beschäftigt. (Es war sicher kein Zufall, dass private und berufliche Veränderungen in den gleichen Zeitraum fielen.)

Der damalige Chefredakteur des Magazins, Jacob Goldmann, hatte mich vom regionalen Fernsehsender WDR abgeworben, weil ihm mein Magazin Lebensart gefiel, in dem ich auf eigenwillige Art und Weise Persönlichkeiten der Region interviewte und über sie berichtete.

Goldmann selbst wurde später aus politischen Gründen abgelöst. Dem Verleger passte die Ausrichtung des Magazins nicht mehr, und er wurde zum Gourmetblatt STILVOLL FEIERN abgeschoben. Wo er es aber nicht lange aushielt und von sich aus kündigte.

Die Verlagsgruppe, zu der auch der STAR gehört, wünschte sich in dieser Zeit eine mehr wertkonservative Grundhaltung, wie es der Vorstandsvorsitzende nannte, und in diesem Zusammenhang mussten noch andere Redakteure gehen.

„Dann lieber zu einer kleinen Tageszeitung“, sagte Goldmann, der damals zunächst zum Göttinger Tageblatt wechselte, „als vor Langeweile sterben.“

Wir telefonieren noch in größeren Abständen miteinander, und manchmal hole ich mir Rat bei ihm. Inzwischen arbeitet er nur noch als freier Journalist und schreibt vor allem witzige, politische Kolumnen.

Seinen Nachfolger beim STAR, Gerlach, kenne ich kaum. Wir sehen uns selten, aber er lässt mich in Ruhe arbeiten, und das ist das Wichtigste.

„Phil“, sagte Goldmann damals in Hamburg, „Sie sind einfach zu schade für diese provinzielle Kacke. Entschuldigen Sie, ich meine nicht die Sendung. Ich meine, Sie vertrödeln dort nur Ihre Zeit und Ihr Talent.“

Der Meinung war ich ganz und gar nicht. Ich arbeitete gern für den Sender, der mir fast Zuhause war wie meine Heimatstadt Herford, die ich schon einige Male aus beruflichen oder privaten Gründen verlassen hatte, in die ich aber immer wieder gern zurückkehrte.

Ich wohnte nach der Trennung von Vera inzwischen im ersten Stock eines alten Patrizierhauses am Ufer eines kleinen Flusses, der Werre, und fuhr jeden Tag die paar Kilometer entweder mit dem Auto oder Zug nach Bielefeld zum Westdeutschen Rundfunk, der sein Sendezentrum dort erweiterte.

Die Bedeutung der regionalen Sender wuchs gerade in dieser Zeit, und ich sollte im Zuge dessen größere Aufgaben bekommen, so dass ich mit dem Angebot des STAR sogar zwischen zwei interessanten Aufgaben wählen konnte.

„Hören Sie, Goldmann“, sagte ich, „ob Sie es glauben oder nicht, der Sender mit seinen Aufgaben, der Ort, die Menschen da, das ist mehr als das, was ich mir ursprünglich vom Leben erträumt habe.“

Der Chefredakteur stand aus seinem Sessel auf und trat an die gläserne Front im dreizehnten Stock des Verlagshauses. Von dort aus hatte man einen phantastischen Blick zur Elbe hin und über die Stadt.

„Ich lege Ihnen Hamburg zu Füßen“, sagte er nach einigem Hin und Her, „und Sie schwärmen mir von dieser ostwestfälischen Provinz vor. Ich frage mich, ob Sie pokern oder mit Ihrer Bescheidenheit kokettieren.“

„Ich bin kein Spieler“, antwortete ich, „ich will nur, dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen. Und ich will wissen, was mich erwartet.“

„Na schön, Phil“, sagte Goldmann und kehrte an seinen Schreibtisch zurück, „ich erwarte nur, dass Sie ab und zu hier aufkreuzen, von Ihren Plänen erzählen, mit dem Redaktionsleiter reden, dem Feuilletonchef oder mit mir. Ansonsten haben Sie mehr oder weniger freie Hand. Sogar bei der Auswahl der Themen. Sie reisen ganz einfach in der Weltgeschichte herum und machen mich mit Ihren Reportagen glücklich. Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, wie Ihre Seiten heißen werden?“

„Also, immer vorausgesetzt ...“

„Schon klar“, sagte Goldmann.

„Ich dachte Lebensgespräche wäre ein guter Titel“, antwortete ich, „schließlich will ich mit Leuten reden, die außergewöhnliche Geschichten zu erzählen haben. Die das Leben entscheidend beeinflusst haben.“

Lebensgespräche“, wiederholte Goldmann nachdenklich, „klingt in der Tat nicht schlecht. Machen Sie es, Phil.“

Ich hasse es, wenn Leute mich so nennen. Die Abkürzung meines Vornamens klingt nach jovialer, plumper Vertrautheit, aber der Mann war mir auf Anhieb sympathisch.

Goldmann war groß, dick und schien aufrichtig, was in dem ganzen Gewerbe schon eine Menge ist. Er nannte mir ein monatliches Fixum, das mich fast umhaute, dazu Spesen, Sozialleistungen und das ganze Drumherum. Während unseres ganzen Gesprächs rauchte er in einer Tour.

„Ich weiß, ich muss damit aufhören“, sagte er, „sonst bringt es mich um, aber ich kann nicht. Und das Schönste ist doch, Sie können sogar in Ihrem Nest wohnen bleiben.“

Ich erbat mir eine Woche Bedenkzeit, was Goldmann absolut nicht verstehen konnte, auch wenn er zustimmte.

„Ich sehe schon, Phil“, sagte er, „Sie sind ein ganz harter Brocken. Ich könnte Ihnen hundertfünfzig Schreiberlinge nennen, die mir jetzt zu Füßen lägen, aber bei Ihnen hab ich das Gefühl, Ihnen dankbar sein zu müssen, wenn Sie zum STAR kommen. Okay, eine Woche.“

Das Glück meines Lebens

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