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Nach der Vorstellung besuchte ich noch eine Bar nahe dem Kleinen Haus und war überrascht, dort auch die Frau zu sehen, die im Theater neben mir gesessen hatte und sich in einer Ecke mit ihrer Freundin oder Bekannten unterhielt. Sie saß mit dem Rücken zu mir, und ich sah sie im Spiegel der Theke, an der ich auf einem Hocker Platz genommen hatte.

Ich bestellte ein Bier und fragte mich, ob ich das Stück richtig verstanden hatte. Tatsächlich drehten immer mehr Menschen durch, weil sie mit sich, ihren Partnern oder den allgemeinen Lebensumständen nicht mehr klar kamen und die Welt nicht mehr verstanden, die so schrecklich kompliziert geworden war.

Nach zehn Minuten setzte sich ein Robert neben mich und gab mir die Hand.

„Sag einfach Rob“, duzte er mich, „und wenn du ein Problem damit hast, mir deinen Namen zu nennen - auch okay. Bei uns kann jeder tun und lassen, was er will. Wir leben in einem freien Land, oder?“

Rob war Apotheker und auf einem Bundeskongress in der Stadthalle, die nahe dem Bahnhof lag und aussah wie ein schwerfälliger Tanker, der auf Grund gelaufen war.

„Sicher“, sagte ich, und Rob erzählte mir, dass er einen Zug durch die Gemeinde machen wolle.

„Aber nicht mit den anderen Cowboys“, lachte er, „ich will schließlich was von der Stadt sehen.“

Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, aber derartige Einwände hätten ihn wohl kaum beeindrucken können, die Tour auf seine Weise fortzusetzen.

„Ich nehme an, Rob steht für Robert“, sagte ich. Einfach um etwas zu entgegnen, denn mein Thekennachbar war nicht der Typ, mit dem man einfach nur schweigen konnte.

„Stimmt auffallend. Die Kollegen, mit denen ich aus Bremen hier bin, haben sich was aufs Zimmer bestellt. He, Barkeeper, einen Bourbon mit viel Eis, aber ne Nutte kann ich überall kriegen, oder? Ja, siehst du.“

Er schaute sich flüchtig in der Bar um, die nicht besonders voll war für einen Freitagabend, aber die richtigen Nachtschwärmer würden ohnehin erst später aufkreuzen.

„Ach, eins muss ich dir noch sagen, als ich mit dem Zug hier ankam, wollte ich auf der Stelle kehrtmachen.“

„Ich verstehe“, sagte ich und sah, dass meine Sitznachbarin aus dem Theater aufstand, „das Bahnhofsviertel runter zur Stadt ist wirklich eine Schande.“

„Ich musste durch einen dreckigen, verpissten Betonschlauch, vorbei an Pennern, Bettlern und Fixern, eingenebelt in einem entsetzlichen Gedränge von Schweiß, Staub und häßlichen Fratzen. Ich sag’s dir.“

Auf dem Weg zur Toilette kam die Frau an der Theke entlang und lächelte freundlich, als sie mich wiedererkannte. Ich sagte Hallo und spürte ein kurzes brennendes Gefühl unter der Haut.

Rob stierte ihr ungeniert hinterher.

„Nicht schlecht, die Alte“, sagte er, „obwohl, der Hintern ist ein bisschen fett. Kennst du sie etwa? Bist wohl scharf drauf, was?“

„Nicht so, wie du denkst“, antwortete ich und legte einen Schein auf den Tresen.

„Was soll der Quatsch?“, fragte der Quacksalber, der unbedingt noch einen ausgeben wollte.

„Ne, lass man, zahlen!“, sagte ich zum Barkeeper, „ich hab genug.“

Als die Frau zurückkam, ging ich zur Eingangstür und nutzte die Gelegenheit sie anzusprechen. Mein Herz schlug schneller, und ich kam mir vor wie ein Teenager.

„Entschuldigung“, sagte ich, „ich würde Ihnen gern meine Karte geben. Normalerweise mache ich so etwas nicht ... Ich meine, Frauen einfach so ...“

„Danke“, unterbrach sie mich und steckte meine Visitenkarte ein, „normalerweise nehme ich so etwas auch nicht.

Hannah“, sagte sie und reichte mir die Hand, „vielleicht hören wir ja mal voneinander.“

„Philipp“, sagte ich, „mit zwei kleinen p“, was ich im Nachhinein ziemlich blöd fand, aber auch mit vierzig tue ich mich schwer die richtigen Worte zu finden. Im Leben meine ich. Wenn ich meine Reportagen schreibe, fällt mir das leichter.

Als ich aus der Tür verschwand, rief Rob noch etwas hinter mir her. Ich hörte nicht hin, weil ich in Gedanken mit der Frau beschäftigt war, die nun einen Namen hatte. Hannah. Meine Phantasie war aber stark genug, mir seine Worte auszumalen.

Ich wusste doch, dass du scharf auf sie bist , hat er gesagt. Oder, so einer bist du also. Immer schön sauber bleiben. Oder, mach’s gut, aber nicht so oft.

Es fing an zu regnen, was mir überhaupt nichts ausmachte.

Das Glück meines Lebens

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