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4.4 Zwischenfazit und die Frage nach der Repräsentation von Klang in der Schrift

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Für antike LeserLeser war das Lesen von Texten in scriptio continuaSchriftscriptio continua nicht mit besonderen kognitivenkognitiv Schwierigkeiten verbunden. Eine vokalisierendeStimmeinsatzvokalisierend oder subvokalisierendeStimmeinsatzsubvokalisierend Realisierung des GeschriebenenSchriftGeschriebenes war keine notwendige Verstehensvoraussetzung. Das forschungsgeschichtlich vielfach postulierte Junktim der vokalisierenden Lektüre mit dem SchriftsystemSchrift-system basiert auf einem Zirkelschluss1 und lässt sich insbesondere nicht an den Quellen nachweisen. Scriptio continua ist kein Kennzeichen eines defizitären Schriftsystems, sondern eine kulturelle Konvention. Entscheidend ist, dass die Leser von Beginn an mit dem Schriftsystem sozialisiert worden sind.2 Kognitive Schwierigkeiten ergeben sich für Leser, die in einem Schriftsystem mit Wortzwischenräumen sozialisiert wurden und daher die kognitiven Mechanismen des Lesens von Texten in scriptio continua nicht habitualisiert haben. Es verbietet sich daher methodisch, unsere Schwierigkeiten beim Lesen von antiken Artefakten zurückzuprojizieren.

Daraus ist weiterführend zu schlussfolgern, dass die These, antike scriptio continuaSchriftscriptio continua sei lediglich die Repräsentation des gesprochenen Wortes, das im Leseprozess „re-oralisiert“ würde, bzw. die scriptio continua in Analogie zu notierter MusikMusik verstanden werden könne,3 äußerst problematisch ist und auf demselben Zirkelschluss basiert. Es ist methodisch verfehlt, eine solche generalisierende Sicht aus vereinzelten MetaphernMetapher (z.B. dass Seiten oder InschriftenInschriften sprechen oder die BuchstabenBuch-stabe lautLautstärkelaut sind)4 herzuleiten. Solche vereinzelten Metaphern sind, so lange man nicht ein umfassendes Konzept nachweisen kann, zunächst einmal als rhetorische und poetische Stilmittel zu verstehen. Und selbst bei einem metaphorischen Konzept wie z. B. dem von sprechenden Texten sind die methodischen Hürden für Rückschlüsse auf die LesepraxisLese-praxis hoch, wie Existenz dieses Konzepts z.B. in der modernen deutschen Sprache belegt.5

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