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Gough’s Cave – Schädelbecher für rituelle Zwecke

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Der Südwesten Englands war schon früh im Blickfeld der Urgeschichtsforscher, unter anderem im Zusammenhang mit dem rund 10.000 Jahre alten Cheddar Man aus Somerset, dessen nahezu komplett erhaltenes Skelett 1903 gefunden wurde. Er wurde wahrscheinlich erschlagen, aber noch heute leben Menschen in der Region, die denselben mtDNA-Haplotyp aufweisen. Neues Licht auf die Schädelreste aus Dietfurt werfen seit kurzem Funde aus der ebenfalls in der Cheddar-Schlucht in den Mendip Hills gelegenen Gough’s Cave, die an und für sich gar nicht neu sind. Neben Schädelteilen, die bereits in den 1920er Jahren entdeckt wurden, sind vor wenigen Jahren weitere, 1987 zusammen mit zahlreichen Tierknochen ausgegrabene Stücke genauer analysiert worden.

Die tierischen Überreste stammen in der Mehrzahl von Wildpferd und Rothirsch, doch sind auch Wolf, Braunbär, Saigaantilope und andere Spezies vertreten. Dabei handelt es sich eindeutig um Speiseabfälle mit charakteristischen Schlachtspuren. Daneben fanden sich für das Magdalénien typische Feuersteingeräte, die von den Spezialisten dem Technokomplex des Creswellian zugeordnet werden, sowie kunstvolle Artefakte aus Rentiergeweih und Mammutelfenbein. Unter den menschlichen Skelettresten dominieren Schädelteile. Es handelt sich alles in allem um 41 Stücke, dazwischen drei mehr oder weniger komplett erhaltene Schädeldächer und vier Unterkieferfragmente, die von fünf bis sieben Personen – mindestens einem Kleinkind, zwei Jugendlichen sowie einem jüngeren und einem älteren Erwachsenen – stammen und auf ein Alter von 14.700 cal BP datiert wurden. Sie sind damit nur unwesentlich älter als das Hinterhauptbein aus Dietfurt.

An den Menschenschädeln aus der Gough’s Cave finden sich zahllose unterschiedliche Spuren, die auf spezifische Manipulationen zurückgehen, allerdings keine Traumata, die auf die Tötung der Individuen hindeuten würden. Am häufigsten sind Schnittkerben von Steinklingen nachzuweisen. Dazu kommen Läsionen, die beim Schaben entstanden, und Ausbrüche, die von kleinen, punktuell gesetzten Stößen herrühren. Die Schnittdefekte liegen ausnahmslos auf der Außenseite der Schädel. Feuereinwirkung ist nicht nachweisbar. Das gesamte Spurenbild dokumentiert nach Meinung von Silvia M. Bello vom Department of Palaeontology des National History Museum in London und ihren Kollegen eine mehrstufige Behandlung:

1. Abtrennen des Kopfes, wie Schnitte im Bereich der Schädelbasis und an vorhandenen Halswirbeln belegen – 2. Auslösung des Unterkiefers, unter anderem an Kratzern und Schrammen an den Zähnen erkennbar – 3. Entfernung der großen Kaumuskeln Musculus temporalis und Masseter – 4. Entfernung anderer Weichgewebe wie Lippen, Ohren, Zunge, Auslösen von Augen und Wangen – 5. Beseitigung von Skalp und Kopfschwarte, durch Schnitte an den Scheitelbeinen und am Hinterhauptbein nachweisbar – 6. die systematische Entfernung von Gesichtsschädel und Schädelbasis und schließlich – 7. Bearbeitung der umlaufenden Bruchkanten des verbliebenen Hirnschädels, um dessen Ränder regelmäßig zu gestalten. Am Ende stehen in der südenglischen Höhle drei von jeglichen Weichteilen befreite und nach Ansicht der Autoren am ehesten als Trinkgefäße verwendete Schädelschalen neben den restlichen Knochenteilen, die quasi als Produktionsabfall anzusehen sind.

15000 Jahre Mord und Totschlag

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