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Vater, Mutter, Kind – getötet und geköpft

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Im Sommer 1937 stießen die Ausgräber im Eingangsbereich der Höhle auf drei bestens erhaltene Schädel. Die Köpfe waren offenbar aufrecht stehend, quasi in Tuchfühlung zueinander und alle mit Blick nach Südwesten – ins Höhleninnere – in eine enge Grube eingebracht worden. Auch hier fanden sich die jeweils passenden Unterkiefer und oberen Halswirbel im anatomischen Verband. Daraufhin wurden der Anatom Robert Wetzel und der Anthropologe Wilhelm Gieseler hinzugezogen. Die Schädel ließen sich einem 25- bis 30-jährigen Mann, einer 20- bis 25-jährigen Frau sowie einem eineinhalb- bis zweijährigen Kind zuordnen.

Die Zähne des Mannes sind auf den Kauflächen nur schwach abgenutzt, die oberen Schneidezähne der Frau leicht verrundet, was darauf hinweisen könnte, dass sie ihr Gebiss bei der Zurichtung von Leder oder Ähnlichem verwendete. Beide liefern nur geringe Hinweise auf frühere Mangelsituationen, aber sie hatten des Öfteren Zähes zu kauen. Die Milchzähne des Kindes sind noch wie neu, so dass man annehmen kann, dass es – wenn überhaupt – erst kurze Zeit vor seinem Tod abgestillt worden war. Der Anthropologe Alfred Czarnetzki entdeckte beim Röntgen des Kinderschädels Anzeichen für einen Wasserkopf. Verschiedene anatomische Varianten sowie die Form der Stirnhöhlen, die im Computertomographen erfasst wurden, weisen die drei Personen zudem als Kernfamilie aus. Der endgültige Beweis dafür wäre jedoch nur mit Hilfe eine DNA-Analyse zu erbringen.


Hohlenstein-Stadel. Die Köpfe von Vater, Mutter und Kind waren eng beieinander in aufrechter Position in die Grube eingelassen worden. Hier eine Rekonstruktion mit den Originalfunden.

Wie bei den Ofnet-Funden finden sich diverse Spuren von Gewalteinwirkung: Sowohl der Männer- als auch der Frauenschädel weisen im linken Stirn-Scheitel-Bereich weiträumige Defekte mit typischen Bruchlinien auf. Die Verletzungen liegen – wie der Gerichtsmediziner sagen würde – im Grenzbereich zwischen lokaler Einwirkung und Schädelzertrümmerung und lassen sich beide auf einen wuchtigen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand mit relativ großer Einwirkungsfläche – einer Keule oder Ähnlichem – von vorn oben links her zurückführen. Es könnte sogar sein, dass Mann und Frau mit derselben Waffe erschlagen wurden. Ihre Verletzungen hätten sie auch mit heutigen medizinischen Möglichkeiten kaum überleben können. Das Schädeldach des Kindes ist altersbedingt zu dünn, als dass man die Bruchprofile der Frakturen eindeutig beurteilen könnte. Es ergibt sich kein eindeutiges Verletzungsbild. Wir können also nicht sagen, wie es zu Tode kam.

Die jeweils untersten Wirbel der beiden Erwachsenen zeigen – zum wiederholten Mal vor allem auf der Vorderseite – Schnittkerben und Fehlstellen, die von Silexklingen stammen. Lage und Ausrichtung der Schnittspuren sprechen im vorliegenden Fall für einen rechtshändigen Täter. Bei einem Angriff von vorn sind auch die Schlagverletzungen auf einen Rechtshänder zurückzuführen. Die Halswirbel des Kindes waren für einige Jahrzehnte verschollen und wurden erst 2003 wiederentdeckt. Sie lassen keine instrumentell verursachten Läsionen erkennen. Vom untersten Halswirbel fehlt der Wirbelkörper, der in diesem Alter noch nicht mit dem Wirbelbogen verwachsen ist, was Anlass zu der Vermutung gibt, dass hier nicht über den vollen Halsquerschnitt geschnitten, sondern vielleicht nur umlaufend geritzt und der Kopf des Kindes dann mit roher Gewalt abgerissen wurde. Bemerkenswert ist zudem, dass von keinem der drei Personen das Zungenbein gefunden wurde. Dieser Knochen sitzt oberhalb des Kehlkopfes etwa vor dem dritten bis vierten Halswirbel und stützt die Zungenmuskulatur. Die Weichteile des Halses wurden demnach nicht waagerecht von vorn nach hinten durchtrennt. Die Schnittführung erfolgte zunächst entlang der Unterseite des Unterkiefers und dann von schräg vorn oben auf die Halswirbelsäule zu.

15000 Jahre Mord und Totschlag

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