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Aufstand der Rasse, Universalismus und Liberalismus

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Die Französische Revolution hat endgültig mit der mittelalterlichen Welt Schluss gemacht, der ein Roland Freisler nachtrauert, der altmodische Begriffe und mittelhochdeutschen Wortschatz so sehr liebt. Trotz aller Zunahme der Entfremdung bewahrte das Mittelalter laut Freisler etwas vom alten ethischen und rechtlichen Rassengeist der Germanen. Erst die Revolution hat all das brutal hinweggefegt. Die korporatistische, also organizistische Rechtsordnung des Mittelalters war gekennzeichnet von einer „gesunden Natürlichkeit“357; in Gilden und Zünften wurden die unterschiedlichen Kompetenzen in den Dienst der Gemeinschaft gestellt. Das gegenwärtige liberale Arbeitsrecht hingegen mit seiner unternehmerischen Freiheit, mit der Freiheit, jemanden zu beschäftigen bzw. sich zu verdingen, „das mit seiner rechtlichen Atomisierung des Lebens destruktiv-anarchischen Tendenzen keinerlei Einhalt“358 gebietet, passt so recht zur Abstraktion und zum Individualismus des 19. Jahrhunderts. Es bietet allen Anlass, den langen „nachmittelalterliche[n] Auflösungsprozess“359 zu bedauern, den die Französische Revolution so sehr beschleunigte.

Auch der Arzt Friedrich Jeß, Dozent für Rassenkunde und Bevölkerungspolitik an der Hochschule der NSDAP für Politik in Bochum, verdammt unermüdlich die Französische Revolution, diese politische und kulturelle Erschütterung, die mitten in Europa eine widernatürliche Ordnung herbeigeführt hat. Nach Jeß richtet sich die „nationalsozialistische Revolution“360 glücklicherweise gegen diejenige von 1789. Diese hat „Rousseau vollstreckt“, und zwar mit jener Konsequenz, die man den Nationalsozialisten vorwirft, wenn man behauptet, „wir hätten Mendel vollstreckt“361. Rousseau war der Held der französischen Revolutionäre, denn er hat die Gleichheit aller verkündet, also die Mittelmäßigen und die Versager aufgewertet, die so dank des Naturrechts mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet wurden. Wie alle anderen Revolutionen auch, war die Französische Revolution die Erhebung der Schwachen, der Bastarde und Versager gegen eine germanische Rassenaristokratie, eine „arische Oberschicht“362, die vom Pariser Pöbel niedergemetzelt wurde. Jeß stellt die bösartige hysterische Freude dar, die im Rassenabschaum ausbrach, „wenn ein blondes Haupt unter dem Fallbeil erschien“363. Um dem regelrechten Rassenmord, der schlicht und einfach auf die Auslöschung der alten fränkischen – also germanischen – Aristokratie abzielte, ein Ende zu bereiten, geschah es, dass „die engelsschöne, helle, blauäugige Charlotte Cordey [sic] dem sardinischen Juden Marat […] den Dolch ins Herz stieß, um auf diese Weise zur Märtyrerin ihres Blutes zu werden“364.

Die Zeitschrift Neues Volk erinnert daran, was für schreckliche Zeiten das waren:

Es genügte für die Auslieferung an die Guillotine, wenn der Betroffene blondes Haar und blaue Augen hatte. Das machte ihn zum Aristokraten, zum Angehörigen der fränkisch-bestimmten früheren Oberschicht, deren Hinschlachtung die fanatisierten Massen verlangten.365

Revolution und Terror haben die endgültige „Entnordung“366 Frankreichs herbeigeführt, das nunmehr zur Beute von Negern und Juden werden konnte. Mit Hilfe von Bildern unterstreicht die SS diese verbalen Aussagen. So präsentiert die Diaserie 10 aus dem Dossier Das Judentum, herausgegeben vom Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA), schreckliche Bilder von den drei großen Massakern, die die Juden an der nordischen Menschheit verübt haben: das Purim-„Pogrom“, das sich gegen die aus dem Norden stammenden Ur-Perser richtete, die Oktober-Revolution von 1917 und das jüdische Wüten von 1793, dieser „Vernichtungskampf gegen Träger nordischen Blutes“367. Die Französische Revolution, diese „westlerische Infektion“368, ist die Ausdünstung des übelriechenden „Blutsumpf[es]“ eines frustrierten und unter seiner eigenen Mittelmäßigkeit leidenden Pöbels. Ihr Gleichheitsprinzip führte „zur Aufputschung unzufriedener, sozial gedrückter und gesellschaftlich verachteter Volksschichten“369.

In Wahrheit war diese Revolution eine Konterrevolution. Die wahre neuzeitliche Revolution war nämlich die friedliche und freiheitliche Erhebung der germanischen Intelligenz für Geistesfreiheit. Geführt wurde diese von „Heroen unseres Volkes und Blutes“ von Kepler bis Kant, allen voran ein „rotblonder, blauäugiger Galilei“, mit Augen also wie die schöne Charlotte Corday. Sie führten den Kampf gegen alle Formen von Obskurantismus, „um die naturgesetzliche Wahrheit des kosmischen Geschehens zu enthüllen“370. Doch hat ein neuer Obskurantismus über diese Revolution der Intelligenz gesiegt, nämlich das Dogma von der Gleichheit aller, dessen biologisch-rassische Folgen laut Neues Volk dramatischer Natur sind.

Mit der Französischen Revolution und ihren Prinzipien kam es zum Zusammenschluss alles dessen, was der nordischen Rasse feindlich war und sie zu vernichten suchte: „In der Neuzeit haben sich römisches Recht, Naturrecht, wirtschaftlicher Liberalismus und Individualismus sowie Kapitalismus verbündet zur Zerstörung“371 der organischen Ordnung, die der germanischen Rasse und Kultur zu eigen ist.

Der promovierte Zivilrechtler Heinrich Lange, der erst Richter in Sachsen war, bevor er Professor in Breslau und München wurde, widmete dem juristischen Liberalismus eine Vielzahl von Schriften. Dieser war für ihn die Übersetzung der Prinzipien der Französischen Revolution in Rechtsnormen. Im Jahr 1933 veröffentlicht er einen Text, in dem er darlegt, wie wenig er vom Liberalismus im Zivilrecht hält. 1933 ist übrigens auch das Jahr, in dem die Hochschullaufbahn dieses NSDAP-Mitglieds eine rapide Beschleunigung erfährt. Als hoher sächsischer Beamter kontrolliert er nämlich die strikte Anwendung des Gesetzes vom 7. April 1933, durch das eine ganze Reihe von Professorenstellen frei wurde. Lange befindet: „Für uns ist Liberalismus die Entartung des Freiheitsgedankens in einen übersteigerten Individualismus und Materialismus.“372 Der Autor hält allerdings fest, dass er als guter Nationalsozialist nichts gegen den Freiheitsgedanken hat, denn „er scheidet die Neuzeit vom Mittelalter […] Die Glaubensfreiheit war die Frucht der Reformationszeit, die Gedankenfreiheit die der Aufklärungszeit“373. Doch „Die Freiheit wurde Selbstzweck“, es kam zur „Überschätzung ihrer Rechte“ und „Unterschätzung ihrer Pflichten“ und damit zur Entfesselung von „Individualismus und Materialismus“374, zur Entsolidarisierung, zum „Liberalismus, der kein Vaterland kennt“375. Doch diese zersetzende Kultur traf auf einen „großen Gegner, den preußischen Pflicht- und Gemeinschaftsgedanken“376, insbesondere in Gestalt von Bismarck.

Inmitten dieser Allgemeinplätze findet sich aber auch eine originelle These bei Lange: „Liberalismus und Recht stehen einander wesensfremd gegenüber.“377 Dem individuell und individualistisch Handelnden kommt es ja auf „Rechtssicherheit“ an, d.h. auf „die äußerliche Berechenbarkeit der Folgen seines Handelns. Das höchste Ziel des Liberalismus ist hierbei die Kodifikation, die Regelung und Festlegung“ des Rechts. Wer hat es herbeigeführt, dass das Recht „dem Positivismus (verfiel)“378? Das war der liberale Bürger des 19. Jahrhunderts, der unbehelligt von Räubern und Fürsten seinen Geschäften nachgehen wollte, der überzeugt war, dass Zeit Geld ist und die Rechtssicherheit ein wesentlicher Faktor für einen guten Geschäftsverlauf. Doch das Recht ist eine „Unterart der sittlichen Lebensordnung. Der Satz von Treu und Glauben ist deshalb das Grundgesetz des Gemeinschaftslebens, das die Einzelnormen nur auszumünzen versuchen.“379 Worauf es ankommt, ist also ganz einfach: das Ehrenwort, der gute Glauben und die „vom Liberalismus totgesagte clausula rebus sic stantibus“, die „mit Recht“380 zu rehabilitieren und zu reaktivieren ist, denn: „Das Recht ist Ordnung des Gemeinschaftslebens. Es ist ebenso wie dieses nicht starr, sondern in ständigem Flusse.“381

Die Rückkehr zum Recht der Gemeinschaft, diesem ursprünglichen, lebendigen und richtigen Recht, das bedeutet mehr als „die Umgestaltung einiger hundert oder tausend Paragraphen“382. Das wäre ein Rückfall in den Positivismus. Wie andere auch ruft Lange nach einer „Umgestaltung unseres Rechtes“383, nach einer normativen, also kulturellen Revolution, die zwangsläufig das derzeitige positive Recht von Grund auf verändern, ja hinfällig machen wird:

Die Durchführung des Pflicht- und Gemeinschaftsgedankens zerstört die Form des Rechtes. Der klare, scharf gegliederte, folgerichtige und starre Aufbau eines verstandesmäßigen Rechtssystems weicht dem fließenden, in sich übergreifenden, folgewidrig abbiegenden, vom Billigkeitsgefühl getragenen lebendigen Organismus. Der Verstand muß sich mit dem Gefühl verschmelzen: pectus juris consultum facit (das Herz macht den Juristen).384

Dieser Sachverhalt ist seinem Wesen nach künstlich, von seinem Ursprung her unrein und verhängnisvoll in seinen Folgen. Walz will daher die Gleichartigkeit durch Artgleichheit ersetzen, durch rassische Identität, die zur Grundlage des Rechts erhoben werden soll. Das wäre ihm zufolge nur recht und billig, nämlich Rückkehr zur ursprünglichen Ordnung. Die Artgleichheit ist ein unbestreitbares und unabänderliches biologisches Faktum. Sie hat jahrtausendelang die feste Grundlage der gesunden und lebensfreudigen germanischen Gemeinschaften gebildet: „Dieses Lebensgefühl hat die germanische Frühzeit beherrscht. Die Periode der ursprünglichen Instinktsicherheit bedurfte noch keiner bewussten Prinzipiengestaltung.“385 Glückliche Zeiten waren das, in denen der Germane körperlich spürte, was für ihn und seine Rasse gut war, ohne der Vermittlung durch Sprache, Intelligenz und formale Regeln zu bedürfen.

„Die Art […] formte die ganze Rechtsordnung nach ihrem Gesetz. Die Sippe, der Stamm, die Rasse bestimmten das Recht.“386 Jahrtausendelang wusste die germanische Rasse, was sie wie zu tun hatte, bis schließlich dieses „Rechtsempfinden […] mit zunehmender Vermischung mit dem römisch-byzantinischen Rassenchaos“387 unterging.

Diese furchterregende Geschichte hat jedoch eine beruhigende Kehrseite: was zerstört wurde, kann neu erstehen. Es gibt sie noch, die Rasse. Zwar ist sie bedroht, aber doch sehr lebendig. Auch ihr Geist ist noch am Leben. Die Geschichte ist nicht vorgezeichnet, sie ist kein Verhängnis. Sie kann auch in entgegengesetzter Richtung durchlaufen werden. Das Dritte Reich kann die Wiedergeburt der ursprünglichen germanischen Normativität gestatten, die der Artgleichheit im Gegensatz zur Gleichartigkeit:

Wo die Artgleichheit als Rechtsgestaltungsprinzip auftritt, da ist es der ursprüngliche Lebenstypus, die […] artgleiche Lebensgemeinschaft, die nach ihrem eigentümlichen Lebensgrundgefühl auch die Rechtsordnung bestimmt. 388

Das Gesetz des Blutes

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