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Würzburg

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Die Sonne strahlte von einem hellblauen Maihimmel, als ob der Herr selbst sich daran erfreute, dass Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn zum Bischof geweiht wurde. Nur zwei Wochen zuvor war endlich die Bestätigung des Kaisers erfolgt. Auch hatte Julius bei Maximilian und Papst Gregor um die erforderlichen Rechte zur Neugründung der Universität gebeten. Sehr zum Missfallen des Domkapitels. Die Domherren schätzten es nicht, wenn sie übergangen wurden, zumal wenn es sich um solch kostspielige Unterfangen handelte. Neidhart von Thüngen, der ihm noch zugestimmt und ihm Unterstützung zugesagt hatte, war ihm in den Rücken gefallen und hatte sich auf die Seite des Domkapitels gestellt.

Im ganzen Fürstbistum sollte die Bischofsweihe gefeiert werden. Läden, Handwerkstätten und Schulen hatten geschlossen, Bauern ihre Arbeiten niedergelegt, und jeder war in seine beste Kluft gestiegen. Die Luft duftete nach den Blüten der Obstbäume, Bienen und Hummeln brummten, bunte Schmetterlinge taumelten nektartrunken vom weißen Wiesenschaumkraut zu den roten Blüten des Mohns und hinüber zu den zartvioletten Kissen der Witwenblumen.

Drei Tage zuvor hatte sich Echter zurückgezogen und viele Stunden in Buße verbracht. Nur in ein härenes Hemd gehüllt, war er bäuchlings auf dem kalten Steinfußboden der Kapelle gelegen, die Arme zur Seite ausgebreitet. Keinen Bissen und keinen Tropfen hatte er zu sich genommen. Fasten war für Julius noch nie eine wirkliche Buße gewesen. Den Tag darauf war er zum Priester geweiht worden.

Jetzt lag seine linke Hand auf der Bibel und Julius schwor den Gehorsamseid gegenüber dem Papst.

»Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn …«

Mit einem inbrünstigen »Amen« beendete er schließlich das Glaubensbekenntnis. Die Mitra wurde ihm aufs Haupt gedrückt, er erhielt einen reich verzierten Krummstab, den goldenen Bischofsring und ein mit Juwelen besetztes Kreuz um den Hals. Julius Echter fühlte sich, als ob die erhaltenen Weihen ihn Gott noch näher als bisher gebracht hätten. Der Chor sandte seine Klänge durch die Marienkirche, Weihrauch erfüllte die Luft, und der frisch geweihte Bischof zelebrierte die Heilige Messe. Am Ende wurde gemeinsam das Te Deum gesungen, und Julius Echter verließ als Erster das Gotteshaus, gefolgt von den Würdenträgern.

Draußen wurden Pferde bereitgehalten, um den Marienberg hinunter in die Stadt zu reiten. Julius legte den mit Goldfäden gewirkten Chormantel und die reich bestickte Kasel – das ärmellose Messgewand – ab. Beides verstaute Johann Voit von Rieneck zusammen mit der Mitra und den Insignien sorgsam in einer Truhe, die auf eine Kutsche geladen wurde. Julius Echter lenkte seinen Schimmel den Berg hinab, über die Mainbrücke bis zum Dom, wo er aus dem Sattel stieg und das Ehrfurcht gebietende Gotteshaus betrat. In der Krypta schritt er zu Bischof Brunos Grab, neben welchem sich der Veitsbrunnen befand. Dem Wasser des Brunnens wurden Heilkräfte zugeschrieben, ebenso wie dem Luciabrunnen, dessen Platz unter der Vierung lag. Bruno hatte den Dombau vor mehr als fünfhundert Jahren in Auftrag gegeben, und der Tag, an dem die Krypta geweiht worden war, war gleichzeitig der Tag seiner Grablege.

Voit von Rieneck und weitere Männer waren dem Fürstbischof die Treppe hinunter in die Krypta gefolgt, und wieder wurde er in die Bischofsgewänder gekleidet. Fast beschwingt stieg Julius aus der Gruft empor, trat hinaus auf den Domplatz, wo sich inzwischen viele Menschen versammelt hatten, um ihm zuzujubeln. Der Fürstbischof schritt an den Menschen entlang, einige wenige trauten sich, die Hand nach ihm auszustrecken, doch die meisten blieben ehrfürchtig und staunend stehen, hofften auf eine Segnung. Die Prozession zog durch die Gassen bis zum ärmsten Viertel der Stadt.

»Aus dem Weg, alte Vettel«, hörte man eine schnarrende Stimme, und eine vom Alter gebeugte, in Lumpen gehüllte Frau fiel Julius Echter vor die Füße. Jemand aus der Menge hatte sie gestoßen. Bevor noch ein anderer sie von der Straße ziehen konnte, reichte Echter ihr die Hand und half ihr auf. Ein Raunen glitt durch die Gasse. Das hatte niemand erwartet.

»Welch niederes Geschmeiß stößt ein altes Mütterlein, sodass es zu Fall kommt? Schämt euch«, sagte er und ließ seine Blicke schweifen. »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, sprach der Herr.«

Betretenes Schweigen setzte ein, lediglich unterbrochen von gelegentlichem Füßescharren und vereinzeltem Räuspern.

»Gott segne dich«, wandte er sich an die alte Frau und schlug das Kreuz über ihr.

Ein zahnloses Lächeln breitete sich über ihrem faltigen Gesicht aus. »Möge der Herr Euch ein langes Leben schenken.«

Der Fürstbischof schwor sich einmal mehr, dass unter seiner Regentschaft mehr für die Armen, Kranken und Bettler getan werden sollte.

Als er sich spät am Abend in seine Gemächer zurückzog, dachte er plötzlich sehnsüchtig an das süße Geschenk jenes Bäckers, als er die Gesandtschaft nach Rom zu Gast gehabt hatte. Seelenbrot und Gebete zum Herrn hatten ihm immer in schwierigen Lebenslagen geholfen.

Arkan war damals gesund geworden, aber zur Jagd hatte er nicht mehr getaugt. Doch sein Vater hatte ihm erlaubt, den Hund zu behalten und ein Jahr später mit nach Schloss Henneburg bei Stadtprozelten zu nehmen, wohin sein Vater zum kurmainzischen Amtmann bestellt worden war. Vielleicht sollte er den Hofmeister einmal damit beauftragen, den Namen des Bäckers herauszufinden.

Der Pfeiler der Gerechtigkeit

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