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6. Wachstum, Ignoranz und Vogelfüße So, 11.10.15

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Dieser Beitrag dient dazu, einen anderen, meiner per­sönlichen Arbeit zuzuschreiben­den, Artikel zu publi­zieren. Er behandelt die Themen Wirtschaft, Wachs­tum, Ignoranz und abgerissene Vogelfüße.

Aber zurück zum Anfang – Stuttgart, den X. Oktober 2015 – eine Deutschlehrerin gibt ihrer zehnten Klas­se des Gymnasiums eine nicht sehr ungewöhnliche Aufga­be mit ins Wochenende: „Lest die Kurzge­schichte noch­mal gründlich und schreibt schließlich eine Interpretati­on dazu!“ - für die Schüler schnell verständlich, den­noch mit viel Arbeit verbunden. Sie packen ihr Zeug und ver­schwinden in die Pause. Al­les ist geklärt, die Geschichte ist ja bereits gelesen, mehrmals und in der Klasse, interpretiert wurde eben­falls, seitenweise Mus­terlösungen und Randnoti­zen wurden ausgeteilt – nun muss eben nur noch ausformuliert werden. Für viele ein Berg Arbeit, den man sich nicht mal zu besteigen im Stande fühlt. „Flug durch Zürich“ nennt sich die Sto­ry. Geschrie­ben von Thomas Hürlimann. Hm, und jetzt? In der Ge­schichte geht es um eine verwirrt scheinende Frau, die ei­nen wenig interes­sierten Mann auf das Schicksal ih­rer Taube anspricht. Sie meint, ihrer Tau­be würden die Beine fehlen, ohne Beine kann die Taube nicht lan­den und somit braucht sie dringend Hilfe dieses Man­nes. Dieser begreift nicht, will weiter, lässt sich schließ­lich doch aber in all den geistlichen Wirrwarr verwi­ckeln. Die Geschichte ist kurz, eben eine typi­sche Kurz­geschichte. Verstehen kann man sie erst nach mehr­maligem Lesen, wenn über­haupt. Deshalb lest am bes­ten vorher – an­schließend viel Spaß und ein Stück weit auch Erfolg an meiner Inter­pretation des Ganzen.

Zürich, hinterm Bahnhof, ein Morgen im Februar. Die junge Frau zeigt in die Luft, weinend, sie haben ihr, sagt sie, die Füsse ausge­rissen. Ihr? die Füsse?

Ja, sagt sie schniefend, dort, dort oben, dort fliegt sie, wo, was, ich verstehe kein Wort, bin verkatert, will weiter, bloss weg hier, aber die Frau, mich einholend, packt mich am Ärmel. Sie ist bleich, schmal, fast noch ein Kind. Hilf mir, sagt sie, so hilf mir doch, siehst du, dort stirbt sie, hoch in der Luft. Ich riskiere ein Grinsen. Du Arsch, schreit sie, meiner Taube fehlen die Füsse, ohne Füsse kann sie nicht landen, kapiert. Ein Reflex: Meine Hand greift zum Gesäss, kontrolliert das Portemonnaie. Oder will ich ihr Geld ge­ben, mich loskaufen? Die Frau sieht plötzlich alt aus, ein keifendes Weib, trotzdem tut sie mir Leid in ihren abgewetzten, löchrig dün­nen Jeansklamotten, das T-Shirt voller Rotz, am Hals ein paar Sti­che, Schwären, sie ist alt, ein altes Kind. Hilfst du mir? betteln die grossen, nassen Augen. Auf der Tramhaltestelle stehen die Je­mands in einer Reihe. Jemand beisst die Zähne zusammen, je­mand hört hin, jemand sieht weg, jemand trägt Schlaf im Gesicht, und jemand blickt in den Abgrund seiner Zeitung, jetzt eine Klin­gel, schrill naht das Tram, pass doch auf, Idiot, meine Nerven. Mei­ne Nerven! Die Jemands drängen sich zum Pulk, und der Mann, der die Zeitung gelesen hat, klemmt sich den Abgrund unter den Arm, sauber gefaltet. Die Kindfrau glotzt vor sich hin, dann zeigt sie ein scheues Lächeln, und dann, als wolle sie mir eine verbote­ne Ware verkaufen, tut sich ihre Hand langsam auf. Stoff? Nein, auf ihrem Handteller liegen zwei Vogelfüsse, graudünne Läufe mit vier Zehen. Begreifst du jetzt, fragt sie leise, fast flüsternd, glaubst du mir? Verkehr, es ist kalt, bitterkalt, aber dort oben er­scheint nun die Sonne, ein Teich aus Licht, aus Eis, auch der Him­mel friert zu. Vielleicht, denke ich, hat sie tatsächlich Recht, ver­schatte die Augen, suche den Himmel ab, aber meiner ist leer. Ich lüpfe die Achseln. Nichts, sage ich. Aber die Füsse, sagt sie, hier sind die Füsse! Soviel hätte ich verstanden, sage ich, die Taube habe ihre Füsse verloren, so dass sie nun fliegen müsse, immerzu fliegen, kreisen und steigen, ja! schreit sie, ja, und wieder starrt sie nach oben, verzweifelt, entsetzt, nur sie, die Ermattete, hat die Augen, um den sterbenden Vogel zu sehen und das Grauen um ihn herum, Himmelsfetzen, Häuserzeilen, Kamine, Antennen. Ver­schwunden, sagt sie plötzlich, fort, und schliesst, als möchte sie den Vogel liebkosen, ihre Hand. Wieder haben die Jemands unsere Insel erobert. Wieder blickt jemand in die Zeitung, riecht jemand nach Unglück, drängen sich alle zum Pulk, lautlos, und jemand, der seine Mappe umklammert, hat seinen Gummischuh als erster auf dem Trittgitter. Was soll ich ihr sagen? Sie wird sich, sobald es geht, in die nächste Spritze stürzen, aber den zum Fliegen ver­dammten Vogel lässt sie nicht aus den Augen, heute nicht, mor­gen nicht, sie gehören zusammen, die sterbende Taube und das Mädchen, ein Flug, ein Tanz durch die Stadt. Als das nächste Tram naht, trete ich unter meinesgleichen, die Türen flappen zu, wir rol­len davon. Jemand hört hin, jemand sieht weg. Hin und wieder fla­ckert die Sonne durch die Scheiben, und irgendwo da oben fliegt dieser Vogel, der sich ein Mädchen hinterherzieht, von Wolke zu Wolke, durch den Nebel, in die Sonne.

Quelle: https://www.unterstrass.edu/assets/files/gymnasium/aufnahme/APD-2016-mit-Loesungen.pdf

Hier meine Interpretation zu „Flug durch Zürich“

In der Kurzgeschichte „Flug durch Zürich“ vom Autor Thomas Hür­liman wird eine Frau mit einer Taube dar­gestellt, deren Proble­me, von umliegenden Personen zwar defini­tiv wahrgenommen, aber dennoch schlicht und ergreifend ignoriert werden.

Mithilfe der Verwendung diverser lyrischer Mittel möch­te der Autor und seine Kurzge­schichte aufzei­gen, was denn neben Alltag und Glanz für weitere, normalerwei­se igno­rierte Problematiken in un­serer Umgebung herrschen und wie diese Tag für Tag von der Ge­sellschaft ebenso so ignoriert werden, um sich ja nicht damit be­schäftigen zu müs­sen.

Begonnen wird mit der Beschreibung des gut bei­spielhaft gewähl­ten, Ortes der aktuellen Handlung. „Zürich, hin­term Bahnhof“ so heißt es in Zeile eins. Der Ort Zürich symbolisiert für viele Menschen Wohl­stand, Macht, Reichtum und vor allem Finanzmetro­polismus, agie­rend in die ganze Welt hinaus, was durch den „Bahn­hof“ ver­deutlicht wird. Als nun eine junge, allerdings alt aussehende Frau auf einen Rei­senden trifft und diesen anfleht, ihr und ihrer Taube doch bitte zu Hilfe zu eilen, möchte dieser nur igno­rieren und schnell weiter gehen (Z.7, Z.10f). Auch weitere, am Bahnhof ver­sammelte Leute, die sich zu einem anonymen Pulk lesender, hörender, weg­schauender und halb schla­fender Perso­nen gesam­melt haben, ignorieren die Frau und ihre Hilfe­rufe nur und warten auf ihren Zug. Als das Warnsignal des ein­fahrenden Zuges ertönt, kann der Reisende nur fluchen (Z.19) und versucht, den in sei­nen Ohren bos­haft schrillenden Ton viel­mehr zu überhören. Als sich die Frau dem Mann erneut zuwendet und ver­sucht, ihm nun klar zu machen, wie ernst die Lage denn tatsächlich sei (Z. 25: „Be­greifst du jetzt?“), möchte der Mann zumindest Anstand zeigen und ver­sucht, doch auch mit eigenen Augen zu sehen, was denn mit jener, vermeintlich am Himmel fliegenden Taube los sei, die aufgrund verloren gegangener Fü­ße wohl nicht mehr landen kann. Die Suche des Man­nes ist erfolglos, er sichtet keine Taube an (sei­nem) Himmel (Z. 29: „aber meiner ist leer“). Während das Spekta­kel um die Frau und ihr Problem weitergeht, kümmern sich die umste­henden Menschenmassen (die Je­mands) nur um sich selbst und betreten ihren Zug. Der Reisende wird rat­los, muss ebenfalls abfah­ren und begibt sich somit er­neut zu seinesgleichen, den Davonrollen­den, Ignorie­renden. Einmal noch denkt der Mann an die Frau und ihren Vogel, wie er fliegt „von Wolke zu Wolke“ (Z. 49), egal was ist, denn fliegen muss er immer weiter, sonst stirbt er abstürzend.

Deutend lässt sich feststellen, dass insge­samt auf­zeigt werden soll, wie heutzutage mit Problemen um­gegangen wird, wenn sie uns zu irrelevant oder schlicht zu kompli­ziert erscheinen. Beispiel­haft könn­te hier das, die Allgemeinheit betreffende, Problem der nahezu un­endlich wachsenden Wirtschaftsleis­tung gemeint sein. Die Taube, die immer weiter fliegt und mittlerweile schon gar nicht mehr fähig zu lan­den ist, soll eben je­nes unrealistisches Wachs­tum symbolisieren, das schon verdammt ist, endlich wie­der einen Bezug zu rea­len Bege­benheiten zu er­halten. Losgelöst von allen irdisch geleisteten Arbei­ten, fliegt die Kurve des Marktes von einem Höchst­punkt zum nächsten (vgl. Z.49: „von Wolke zu Wol­ke“). Und wenn einmal auch nur ein An­zeichen von Konsolidierung spürbar ist, kom­men Leute, die es sich zur Aufgabe ge­macht haben, diese eigentlich re­levante Ein­dämmung des Wachs­tums, irrelevant und nicht spürbar erscheinen zu las­sen. Da wird das Geld benutzt, um Probleme abzu­stoßen oder sie eben ein­fach ausblenden zu lassen und somit weiter­hin neues Geld schaffen zu können (vgl. Z.11: „Geld geben, mich loskaufen“). Diese Leute sind übertra­gen auf die aktuelle Gesellschaft so gut wie alle, de­nen es wich­tig ist, nichts Auf­fälliges erkennen zu kön­nen. Vergli­chen mit der Person, die Geld benutzt, um weiter ge­hen zu können, als weiter wachsen zu kön­nen, sind

vor allem Institutionen wie die EZB oder die FED zu nennen, denen es wichtig ist, für ein permanentes, sta­biles und somit makelloses Wachstum an den Fi­nanzmärkten zu sorgen. Auch gemeint sein können, sind „Leute“ wie z. B. Großkonzerne, deren Chefs und Vor­stände und somit eine ganze Lobby an mächti­gen Per­sonen. Eben jenen ist es ebenfalls wichtig, stän­dig wei­tergehen zu können und sich nicht damit be­schäftigen zu müssen, kleine oder auch große, aber schwierige Problematiken angehen und lö­sen zu müs­sen. Viel lie­ber nehmen sie Geld in die Hand, um die Probleme zu ver­decken, sie auf andere zu über­tragen oder sie schlicht­weg abzu­stoßen, verbunden mit im­mensen ne­gativen Folgen, für gegensei­tig be­teiligte Personen.

Dann gibt es da die „Jemands“, welche zwar stets da sind, eine Beschäftigung haben und sich fortbewe­gen, niemals allerdings Be­teiligung und Hilfestellung leisten. Sie sind da, sehen und hören unbewusst viel­leicht auch, ignorieren aber und geben sich keiner­lei Mühe, auch nur irgendwas an doch so nah gesche­henden Kon­fliktsituationen zu ver­bessern. Da gibt es Leute die Zähne zusam­menbeißen, also Leute die von den Proble­men wissen, sich aber nicht trauen et­was zu unter­nehmen und somit einfach auf eine au­tomatische Bes­serung des Zustandes hof­fen; da gibt es Leute die weg­schauen, weil sie vom Unheil bloß verschont werden wol­len und somit gar Ängste vor dem bloßen Kontakt ausbilden; da gibt es Leute die Schlaf im Gesicht tra­gen, also Leute die ent­weder be­reits aktiv gegen die Problematik gekämpft haben, nun aber müde davon sind, oder eben Leute die mit ihrem ach so stressigen All­tag voller Glanz, Pracht und Macht so weit überfor­dert sind, dass sie schon Müdigkeit aufweisen und schon gar keine Kraft mehr be­sitzen, sich über Sonsti­ges Gedanken machen zu können. Und dann gibt es da noch Leute, die tief in den Abgrund ihrer Zeitung schauen (Z.18). Das sind Leute, die das Gefühl haben, unmittel­bar in Konflikt mit dem zu kommen, was so schief auf dieser Erde läuft, dennoch aber noch so mit­telbar wie es nur geht, damit in Verbindung kommen, was denn tatsächlich geschieht. Sie schauen nicht nur in ihre Zei­tung, sie durchschauen sie förmlich. Nicht nur dass sie vermeintlich unwichtiges ein­fach überflie­gen und lieber schnell zur nächsten, positiven Nach­richt gehen; auch, dass sie In­halte gar nicht wahrneh­men son­dern lediglich den Anschein ver­mitteln wol­len, Beteiligung zu zeigen. Sie stellen ihren Fokus von den dargestellten Problemen, vielmehr auf die Sin­nesleeren, un­wichtigen Dinge.

Und während all dem gibt es da eine Frau, eine Re­bellin, eine Se­hende, eine Hörende und eine Verste­hende, für alle anderen den Anschein machend, doch schier verrückt zu sein, die versucht ihr letztes Päck­chen Kraft (Z.34: „die Ermattete“), gebündelt mit ei­nem Willen der Überzeugung, dafür herzu­geben we­nigstens den ei­nen oder anderen Passanten davon zu überzeugen, dass die­ses vorgeschriebene, expandie­rende Wachs­tum, dargestellt durch denn immer auf­wändigeren Flug der Taube langfristig zu nichts gu­tem führen kann.

Im Moment geht es der Taube zwar gut, denn sie ist fähig zu flie­gen, doch auf Dauer kann auch sie nicht ü­berleben, da ihr schlicht die Füße als Möglichkeit zur Ener­gieerneuerung fehlen. Übertra­gen be­schreibt dies eine Wirtschaft, die aktuell zwar einen makel­losen An­schein macht, zu vergleichen mit einem allge­meinen Frie­den (vgl. Taube als Symbol) – auf die Dauer der Langfristigkeit al­lerdings zum zugrunde Ge­hen ver­dammt ist, da nichts und nie­mand unend­lich sein kann und der Wirtschaft schlicht eine reale, solide Basis der Wirt­schaftlichkeit fehlt. Die Möglich­keit der Endlo­sigkeit des Friedens, des Wachstums wird ausgeschlossen und die Katastrophe ist letztlich die einzig und allein ver­bleibende Mög­lichkeit, ver­bunden mit einem unum­gänglichen Tod. Denn wenn eine Taube aus mehreren Metern Höhe versucht zu landen, selbst allerdings keine Füße dafür besitzt, ist sie gezwungen, beim schließlich vorpro­grammierten unverschmerzbaren Aufprall der Landung, einfach zu verenden. Eine Taube ohne Füße, brutal bear­beitet, und verendend.

Eine Taube die nicht nur Brutalität aufzeigt sondern auch mit sich bringt, denn je höher diese Taube fliegt, desto höher steigt auch das Leiden der Gegen­seite. (vgl. Z. 35: „das Grauen um [die Tau­be] her­um“). Denn klar ist, wenn am Markt ein Gewinn er­zielt wird, muss dieses Geld irgendwoher gekommen sein. Und meist kommt das Geld von dem Kleineren, Unerfahreneren, Schwäche­ren. So erhalten wir eine Taube, ein Wachs­tum symbolisierend, dass an sich zwar immer weiter wächst und steigt, dies allerdings nur tun kann, wenn auf der Gegenseite etwas abge­geben wird. Und irgend­wann, dann wenn mehr abge­geben wird als abgegeben werden kann, einfach weil abgegeben wer­den muss, dann fängt die eine Seite an zu leiden und die andere an zu steigen. „Durch Ne­bel in die Sonne“ heißt es des Wei­teren in Zeile 49, bezo­gen auf die Taube. Egal was ist, sei der Nebel um die Wirtschaft noch so dicht, die Wirt­schaft fliegt, ganz klar ins Kla­re, eben 'in die Sonne'. Und wenn dafür ge­sorgt werden muss, dass der Him­mel zumin­dest mal nach Sonne aussieht, dann wird das eben so ge­macht. So schafft man Trans­parenz des Wirtschafts­himmels, die es ei­gentlich gar nicht gibt; und zeigt ein Bild des Wirtschaftshimmels, dass es ei­gentlich so gar nicht gibt.

Progressiv dazu gibt es einen Mann der an­fangs un­beteiligt, später mitfühlend und letztlich wieder un­beteiligt versucht, der Frau und ihrer Taube einen Gefallen tun zu können, wobei er nicht wirklich ver­stehen will, was eigentlich gemeint ist (Z.30: „Ich lüpfe die Achseln. Nichts, sage ich“). Er ist und bleibt ein Bestandteil ei­ner anonymen Masse, die umso an­onymer wird, je mehr Personen ihr bewohnen. Denn wer ein Be­standteil de­rer ist, der legt ab jegli­ches Auf­fassung-und Reaktions­vermögen, zumindest in der Einbil­dung.

Um nach langer Zeit des Denkens, Lesens und paral­lel Schreibens, schließlich zu einer Art Ende zu kom­men, wo es ironischerweise doch darum geht, eine Situation zu be­schrieben, die schier unend­lich und gar aus­weglos scheint, möchte ich nun auf meine anfäng­liche Deu­tungshypothese zurückkom­men. Ich schrieb von Glanz, Alltag und Pro­blematiken. Und ich schrieb von einer Ge­sellschaft, die ignorierte. Eine Gesellschaft, die in ihrem Alltag nichts außer dem rei­nen Glanz sehen kann, möchte und eventuell auch darf, und somit ge­zwungen wird oder sich schlicht selber zwingt, der Ein­fachheit halber, die negativen, belastenden, hartnä­ckig schwie­rigen Dinge, einfach zu ignorie­ren. Und so pen­delt das Pendel der, Tag für Tag einpendelten, Gesell­schaft immerzu. Und wenn es schließlich aufhört zu pendeln, dann hört auch die Gesellschaft auf zu pen­deln. Und wenn die Gesell­schaft einmal still steht, und mit ihr all ihre Kraft, wer soll dann kommen und helfen, wer soll eine an­onyme Masse voller kraftloser, lustloser Leute dann noch moti­vieren, das Pendel er­neut in Gang zu bringen? Niemand, denn es gibt niemanden mehr, der nicht auch Teil der Gesellschaft ist. Denn jeder, der sich nicht freiwillig einpendeln lässt, der wird ein­fach Teil der Einpendlung, bewusst oder unbewusst. Abs­trakt ge­dacht, lässt sich meine Hypothese nur bestäti­gen. Der Autor stellt ein Problem dar, zeigt wie die alltägli­che Gesellschaft damit um­geht und darauf reagiert und macht an genau der Stelle be­wusst, wie einfach es ist zu ignorieren, und wie gern dies auch getan wird. Ferner lässt sich diese These um die Thematik der Wirt­schaft, des damit verbundenen Wachstums und aller daran betei­ligten Personen, ergän­zen. Eine Taube, im Volksmund eigentlich den Frieden symbo­lisierend, wird hier be­nutzt um ein Stück extra­vagant zu zeigen, dass nicht alles was glänzt auch automa­tisch Silber ist. Eine alltägliche Situation, verbunden mit einer Thema­tik, ü­ber die man zwar nicht tagtäg­lich debattiert, den­noch aber unseren Alltag in seiner allumfas­senden Form be­einflusst. Und vielleicht ist es das, was man in erster Li­nie verbessern sollte – den Dialog zwischen Mensch und an­derem Mensch. Ein Dialog der nicht nur mal die positiven, einfach abzuhandelnden The­men des Alltags fasst – sondern vielmehr ein Dialog, der den Mensch wie­der Mensch sein lässt, der die Taube wieder Taube sein lässt und schließlich ein Dialog, der den Mensch wieder leben lässt.

Lebensweisheiten eines Jugendlichen

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