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Kapitel 4

Was brachte diesen Krüger dazu, einen Mittelsmann aus den eigenen Reihen zu überfallen und umzubringen? Wollte er einzig und allein das Geld. Immerhin – über eine halbe Million US-Dollars! Doch hätte er das nicht viel einfacher haben können? Soweit Golaz das Gespräch der beiden Deutschen verstanden hatte, verfügten diese ohnehin über diesen Fond. Nein, nur einer von ihnen. Ach so, da lag also der Hund begraben! Oder gab es für diesen unerwarteten Zwischenfall ganz andere Gründe? Golaz besaß ohnehin nicht die Gabe, allzu weit abzuschweifen, außer es ging um sein Misstrauen anderen Menschen gegenüber. Dann hielt er alles für möglich, und er bezog auch alles auf sich selbst. Angstfantasien und Wirklichkeit vermischten sich. Bisher hatte sich sein Leben im Bereich des Außergewöhnlichen zwar in Grenzen gehalten. Eine ständige Wut steckte in ihm, der eigentliche Motor seines Handelns. In seinem Herzen brannte ein Schmerz, den er längst nicht mehr als solchen empfand. Dort herrschte nur noch betäubende Kälte. Die Last des Krieges, der in Europa tobte, traf ihn nicht. Er führte schon sein Leben lang Krieg. Wieso sollte ihn also ein Krieg interessieren, der außerhalb von ihm selbst stattfand! Die vielen Schwätzer, die so großartig von Landesverteidigung sprachen, ekelten ihn an. Die Masse taugte nichts, weil sie immer gegen Golaz gewesen war. Die Masse hatte keine Klumpfüße. Da durfte nichts hinken, sonst wurde es ausgestoßen. Krieg bedeutete nicht nur Masse gegen Masse, sondern auch Masse gegen den Einzelnen.

Golaz Hand fuhr übers Gesicht. Krüger wollte das Geld für sich. Und er besaß es nun. Es lag an Golaz, etwas zu unternehmen. Er wusste viel. Damit konnte er arbeiten.

Zuerst musste er herausfinden, welcher der beiden Deutschen in dem Haus wohnte. Die Chance war ja fünfzig zu fünfzig, dass es sich dabei um Krüger handelte. Golaz versuchte es mit der einfachsten Methode: Welcher Name stand am Briefkasten. Dabei verhielt er sich unauffällig. Der Briefkasten war vorne an der Straße angebracht, was Golaz einiges erleichterte. Mit einem Seitenblick las er den Namen: Krüger. Mit Befriedigung nahm er das zur Kenntnis.

Nun musste er mehr über diesen Krüger erfahren. Entschlossen suchte er das Postamt auf. »Ich suche einen Krüger«, sagte Golaz ohne Anlauf zu dem Mann hinter dem Schalter. »Wissen Sie, wo der wohnt?«

»Wenn Sie Herrn Direktor Krüger meinen«, antwortete der Postbeamte, »ja, der wohnt hier bei uns im Dorf.« Seine Augen musterten Golaz, wobei er ergänzte: »Ich weiß aber nicht, ob in der Fabrik noch Leute eingestellt werden. Es arbeiten sowieso fast nur Frauen dort.«

Der Beamte schien wohl zu glauben, Golaz suche eine Arbeit.

»Genau, den Herrn Krüger von der Fabrik«, reagierte er gleich. »Dort muss ich hin. Können Sie mir den Weg beschreiben.«

»Gehen Sie vom Bahnhof aus dem Bahndamm entlang bis zum Sägewerk, dort rechts abbiegen und den schmalen Fußweg nehmen, der direkt zur Schuhfabrik führt.«

Eine Schuhfabrik also.

»Gehört die Fabrik Krüger?« wollte Golaz nun noch wissen.

»Ja, Herr Krüger ist der Inhaber«, wurde ihm geantwortet.

»Hallo? Hier bei Krüger«, sprach eine Frauenstimme.

Endlich – die telefonische Verbindung klappte!

»Hallo?«, sagte die Frau nochmals. »Mit wem spreche ich?«

»Kann ich Herrn Krüger an den Apparat haben«, sagte Golaz mit monotoner Stimme.

»Zuerst muss ich wissen, wer Sie sind.«

»Sind Sie Frau Krüger?« fragte Golaz.

»Nein.«

»Sagen Sie ihm, es geht um eine wichtige Sache«, sprach Golaz noch monotoner. »Es geht um Leben und Tod!«

»Wie bitte?« Nun war sie überrascht, wenn nicht gar erschrocken.

»Holen Sie ihn schon!«, verlangte Golaz. »Sonst passiert etwas, was Sie nicht verantworten können!« Er durfte nicht zu laut sprechen, sonst konnte man hier im Postamt jedes Wort verstehen.

Er wartete ab. Golaz hatte Krügers private Telefonnummer ausfindig gemacht, eine leichte Sache, sie stand erstaunlicherweise in dem abgegriffenen Buch hier in der schlecht isolierten Kabine, durch dessen kleines Fenster er den Beamten hinter dem Schalter sehen konnte.

»Krüger«, meldete sich eine Stimme.

So klang also seine Stimme durchs Telefon. Golaz genoss es, noch einige Sekunden zu schweigen. Das provozierte den Mann bestimmt.

»Hier ist Krüger«, erregte sich Krüger prompt. »Was wollen Sie von mir?«

Golaz sah keinen Grund, nicht gleich zur Sache zu kommen. Er hatte nichts zu verlieren. »Das Geld!«, sagte er ohne Umschweife.

»Was für Geld?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Krüger fort: »Ich glaube nicht, dass ich mich weiter mit ihnen unterhalten werde.«

»Sie haben Stämpfli erschossen«, platzierte Golaz seinen todsicheren Treffer.

Schweigen in der Leitung.

»Ich will nur das Geld«, verlangte Golaz. »Alles andere interessiert mich nicht.«

»Sie sind ein Verrückter!« Krüger lachte kurz. »Die Sache mit Stämpfli haben Sie in der Zeitung gelesen. Und ich weiß wirklich nicht, warum Sie ausgerechnet mich damit in Verbindung bringen.«

Es entstand eine kurze Pause.

»Ich weiß genug über Sie, Krüger!«

Aufgelegt.

Golaz wollte sich nochmals verbinden lassen, doch es meldete sich niemand mehr.

Jemand betrat die Werkstatt. Golaz war damit beschäftigt, ein Hinterrad einzuhängen. Er spannte die Kette über das Zahnrad, ohne sich der soeben eingetretenen Person zuzuwenden. Solches Benehmen war eine Gewohnheit von ihm. Er konnte nicht wegen jedem, der etwas von ihm wollte, gleich alles fallen lassen. Die Leute sahen ja, dass er beschäftig war. Ein, zwei Minuten hatte schließlich jeder Zeit!

Die Kette spannte gut, die Schrauben waren alle angezogen. Golaz griff nach dem Tuch, das er immer bereitliegen hatte, und wischte sich daran die Hände sauber. Dabei drehte er sich gemächlich um. Es war Manz, der da stand.

»Sie habe ich hier nicht erwartet«, sagte Golaz und wischte sich weiter die Hände am Tuch ab.

Manz schob mit einer raschen Bewegung den Riegel der Werkstatttür vor. Dann packte er Golaz auch schon am Kragen und stieß ihn unter den aufgehängten Fahrrädern durch an die Wand. »Was hast du in meiner Wohnung gesucht?«, zischte er, Gesicht an Gesicht mit Golaz. Mit der freien Hand griff Manz sich einen Schraubenzieher.

»Was ist mit ihrer Wohnung?«, fragte Golaz, der sich nicht wehrten konnte, denn Manz entwickelte in seiner Wut eine Kraft, die er diesem nicht zugetraut hätte.

»Sprich!« Manz drückte Golaz das scharfe Vorderteil des Schraubenziehers gegen den Hals. »Was hast du in meiner Wohnung gesucht?«

»Ich war nicht dort«, log Golaz.

»Jemand hat dich gesehen!« Manz versprühte Speichel und hatte einen Mundgeruch, der nach Mottenkugeln stank.

»Jetzt hör mir mal gut zu«, fuhr er fort, und seine Stimme wurde sehr leise. »Golaz, du bist ein Mistkerl, ein Versager, zu nichts zu gebrauchen. Du hast keine Chance, verstanden. Ich kann dich fertigmachen, restlos fertigmachen. Halt also deine verdammte Schnauze, sonst landest du im Gefängnis.«

»Was wollen Sie von mir?«, fragte Golaz, den die Druckstelle des Schraubenziehers zu schmerzen anfing.

»Du warst in meiner Wohnung und hast alle meine Sachen auseinander gerissen. Aber du wirst alles bezahlen, sonst lass ich deinen Laden hier in die Luft fliegen. Und du wirst schweigen! Wir haben uns nie gekannt. Vergiss das nie, sonst fliegst du mit in die Luft!«

»Ja, ist schon gut», murmelte Golaz.

Manz Augen funkelte stechend durch die Brille. »Du kannst es dir aussuchen, als was du enden willst: Landesverräter, Nazi, Mörder. Los, such dir was aus! Keine Chance hast du! Ich habe dich in der Hand! Was ich über dich erzähle, wird man glauben. Hast keinerlei Beweise gegen mich.«

»Herr Manz, lassen sie mich los«, bat Golaz, denn die Schraubenzieherspitze drang schon unter die Haut.

»Was hast du bei mir gesucht?«, brüllte Manz mit schriller Stimme. »Wenn du nicht sprichst, machen wir dich fertig.

»Wer ist wir?« fragte Golaz.

»Du wirst nie erfahren, wer wir sind. Scheißkerle wie dich leben bei uns nicht lange! Also raus mit der Wahrheit!«

»Ich habe doch nur ein wenig Geld gesucht, oder Schmuck, nicht viel, Herr Manz, nur damit ich die Miete bezahlen kann, mein Geschäft hier läuft so schlecht.«

»Nein!« brüllte Manz. »Du arbeitest für jemanden.«

»Nur für Sie, ich arbeite nur für Sie.«

«Du ekelst mich an», sagte Manz und ließ von Golaz ab. Gebückt trat unter den Fahrrädern durch, drehte sich um und sagte wutkeuchend: »Ich hätte es von Anfang an wissen müssen, dass du zu nichts taugst. Mit einem Krüppel sollte man sich nie einlassen!«

Manz schlug die Werkstatttür so heftig hinter sich zu, dass die Scheiben zitterten.

Am Nachmittag versuchte Golaz erneut, Krüger anzurufen. Da sich bei ihm zuhause niemand meldete, ließ er sich mit der Schuhfabrik verbinden.

»Direktor Krüger«, verlangte Golaz. »Wenn darf ich melden?«

»Sagen Sie Direktor Krüger, ein Freund von Stämpfli will ihn sprechen«, sagte Golaz.

In der Leitung knackte es. Stille. Dann wieder die Frauenstimme: »Kann Sie Herr Direktor Krüger irgendwo erreichen?«

Darauf fiel er nicht herein! »Nein«, sagte Golaz. »Ich will ihn jetzt sprechen!«

Klar, Krüger hatte Angst. Golaz wusste das genau. Er würde mit ihm sprechen, mit ihm sprechen müssen. Zuviel stand für den Herrn Direktor auf dem Spiel! Und da war seine Stimme auch schon!

»Was wollen Sie schon wieder?« fragte Krüger. »Muss ich wirklich zuerst die Polizei einschalten, damit Sie mich in Ruhe lassen!«

»Das Geld, Krüger«, sagte Golaz nur, und er fand, dass seine Stimme ganz ruhig klang. »Ein deutscher Spion wie Sie hat von unserer Polizei nämlich nichts zu erwarten!«

Stille.

»Sind Sie noch da, Krüger? Eine halbe Million US-Dollars haben Sie abkassiert. Ich will das ganze Geld. Es folgen ja noch weitere Lieferungen, an denen Sie sich bedienen können.«

»Können wir uns irgendwo treffen?«, fragte Krüger.

»Ich will nur das Geld!«, betonte Golaz.

»Rufen Sie mich morgen um zehn Uhr hier in der Fabrik wieder an«, sagte Krüger und legte einfach auf.

Der Meuchler

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