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Kapitel 6

Der Friedhof im Ort wurde nachts immer geschlossen. Dieser Umstand gehörte zu Golaz Plan. Er hatte nämlich eine Stelle ausfindig gemacht, die ihm fast mühelosen Zutritt hinter die Friedhofmauer gewährte und – ebenso wichtig – eine problemlose Flucht mit dem Geld ermöglichte. Im Areal stand eine kleine Kapelle, die direkt an die Mauer angebaut war. Weiter oben begann die Kirche und führte mit ihrer Außenwand die Eingrenzung weiter. Eigentlich hätte er ja die Holztür in der Mauer mit dem Dietrich öffnen können, doch diese Stelle kam als Fluchtweg nicht in Frage. Da eigneten sich die Türen der Kirche schon besser. Und genau das hatte er vor. Von der Straße her konnte er über das Hauptportal ins Innere der Kirche eindringen, um dann über die Hintertür auf den Friedhof zu gelangen.

Golaz fuhr um neun Uhr los. Er brauchte für den Weg über die Felder eine gute Dreiviertelstunde. In seinem Ledermantel steckten das Taschentuch mit den Dietrichen, die geladene Pistole und die aus der Radspeiche gebastelte Stichwaffe. Die Wolken am Himmel verdeckten den Mond. Wie immer rollte Golaz mit seinem Fahrrad ohne Licht durch die Nacht. Die Dunkelheit versteckte ihn, besser hätte er es sich nicht wünschen können. Um den Sack mit dem Geld nach der Übergabe transportieren zu können, hatte er über dem Vorderrad einen großen, stabilen Gepäckträger angebracht.

Keine Eile, keine Aufregung, nichts dergleichen. Golaz war sich seiner Sache sicher. Krüger spurte, weil er wusste, was ihm sonst blühte. Und der Plan war perfekt ausgedacht. Krüger hatte keine Chance, Golaz zu überlisten.

Er fuhr mit dem Rad in die Nähe der Kirche und versteckte es hinter einem Gebüsch. Notfalls bot ihm dies die Möglichkeit, über eine Wiese zu fliehen, je nachdem wie es die Situation dann erlauben würde. Das war aber nur ein kurzer, zusätzlicher Gedanke!

Golaz begegnete keinem Menschen. Alles lag im Dunkeln, auch das Pfarrhaus, das in derselben Straße wie die Kirche stand. Mit ruhigen Händen machte er sich an der vorderen Kirchentür zu schaffen. Fast geräuschlos brachte er das Schloss zum Aufschnappen und schlich sich ins Innere. Vor ihm, in einiger Entfernung, schwebte ein roter Punkt: das «Ewige Licht». Es hing in einem verzierten Behälter von der hohen Decke herunter. Golaz schaute es eine Weile an, wodurch sich das Flackern der Kerze mehr bündelte.

Sich zwischen den Bänken durchtastend, schritt Golaz auf den Hinterausgang zu. Das Ewige Licht beim Altar diente ihm als Orientierungspunkt. Er fand die Hintertür nicht sofort, stieß mit dem Knie gegen eine Seitenbank. »Merde«, fluchte er gepresst. Mit der flachen Hand fuhr er der Wand entlang. Vielleicht hätte er doch besser eine Kerze mitnehmen sollen. Dabei gab es hier bestimmt Kerzen genug! Doch da hatte er die Tür schon gefunden. Bevor er sich mit den Dietrichen an die Arbeit machte, prüfte er nach, ob sie verschlossen war. Wie vermutet, sperrte sie nur ein vorgeschobener Riegel ab. Golaz zog diesen zurück.

Auf dem Friedhof schien die Nacht kühler zu sein. Golaz hatte ein ausgeprägtes Gefühl für die Dunkelheit, vor allem im Freien. Er hatte sich die Gegend hier schon am Tag angeschaut, was ihm nun einiges erleichterte. Er vermied es, auf dem Kiesweg zu gehen. Stattdessen schritt er zwischen den Gräbern durch, zertrat die bepflanzten Beete, stolperte über eine blecherne Gießkanne, was ihn in eine kurze Wut versetzte. Hinter ihm schlug die Kirchenuhr halb elf. In der Ferne schrie eine Katze. Ansonsten war alles still.

Aufrecht und steif stand Golaz zwischen den Gräbern. In regelmäßigen Abständen drehte er sich um. Sollte ihm jemand gefolgt sein, so hätte er das längst bemerkt. Krüger kam allein. Krüger hatte sich das Geld bei seinem Überfall auf diesen Stampfli ja auch allein geholt. Daher: Krüger musste die Sache nun auch allein ausbaden, sonst wäre er geliefert. An wen könnte er sich schon wenden? An seine Gesinnungsfreunde? Er, als Verräter! Was wollte er diesen schon erzählen! Dass er die Kuriersäcke geraubt habe und nun Hilfe brauche, weil er deswegen erpresst wurde!

Die Turmuhr schlug viertel vor elf. Jetzt begab sich Golaz zur Holztür in der Mauer. War sie auch wirklich verschlossen? Verdammt, warum hatte er das vorher nicht nachgeprüft! Seine Hand griff vor. Zurück! Er durfte kein Geräusch mehr machen. Vielleicht stand Krüger schon davor.

Die Minuten dehnten sich. Golaz hatte längst seine Hand an der Pistole in der Manteltasche. Der Rand der Wollmütze auf seinem Kopf war hochgerollt, damit die Ohren frei blieben. Er bewegte sich nicht von der Stelle, atmete leise. Hin und wieder raschelte es um ihn herum, an verschiedenen Orten gleichzeitig, was nach leichtem Wind in den Gebüschen klang. Dann schlug die Kirchenuhr endlich elf.

Fast gleichzeitig flog ein Gegenstand über die Mauer, direkt vor Golaz Füße. Der Sack mit dem Geld! Pünktlich wie verlangt. Er zog die Hand aus der Manteltasche, bückte sich, hob den Sack, der aus Jute war, mit beiden Händen hoch. Dem Gewicht nach befand sich das Geld darin. Ganz schön schwer, eine halbe Million US-Dollars!

»Fallenlassen!«, rief da eine Stimme hinter ihm. »Und die Hände nach oben!«

Golaz zuckte nicht zusammen. Doch der Sack in seinen Händen machte ihn wehrlos.

»Fallenlassen!«, wiederholte die Stimme, die klang, als spreche sie durch ein Tuch. Golaz ließ den Sack fallen.

»Und jetzt dreh dich langsam um!«, wurde ihm befohlen.» Aber lass die Hände oben!«

Krüger! Der Mann, der ihn hier bedrohte, musste Krüger sein! So eine Scheiße!

Die Nacht war zu dunkel. Golaz konnte das Gesicht seines Gegenübers nicht erkennen. Klar, Krüger versteckte es vermutlich wieder hinter einer Maske. Dass der Mann aber eine Pistole in der Hand hielt, war Golaz klar.

»Los, rüber zur Kapelle!«, verlangte der Mann. »Und immer schön die Hände über dem Kopf.«

Was hätte Golaz tun sollen! Er schritt los. Sollte er versuchen, plötzlich loszulaufen? Feige fliehen und das Geld liegenlassen? Der Sack! Wer hatte den Sack über die Mauer geworfen? Krüger war nicht allein. Merde! Golaz saß in der Falle. Sie hatten ihn. Trotzdem musste er sich beherrschen. Es war noch nichts verloren.

Der Mann schritt dicht hinter Golaz her. Die Kapelle war als dunkle Fläche mit einem gezackten, nach oben aufragenden Spitz in der Nacht auszumachen. Als sie dort ankamen, sagte der Mann: »Eintreten! Die Tür steht offen.«

Alles war also bestens vorbereitet! In der Kapelle roch es nach einem Gemisch aus Weihrauch, Kampfer und Moder, der von feuchtem Mauerwerk stammte.

»Geradeaus!«, wurde Golaz befohlen.

Der Weg führte an einigen Bankreihen vorbei. Die Luft war hier drinnen so kühl, dass Golaz jeden seiner Atemzüge

feucht in seinem Gesicht spürte. Die Schuhe knirschten auf dem Boden, als läge feiner Sand auf flachem Stein. »Stehen bleiben!«, kam der nächste Befehl.

Golaz blieb stehen.

Der Mann kam seitlich an ihm vorbei. In seiner Hand flammte ein Feuerzeug auf, mit dem er eine hohe, neben dem kleinen Altar stehende Kerze anzündete. Die Pistole blieb dabei ununterbrochen auf Golaz gerichtet. Das unruhige Licht der Kerze warf langgezogene Figuren an die Wand. Eine dem Schattenspiel ausgesetzte Marienstatue mit Kind zeichnete Lichtkanten, Aushöhlungen und diffuse Flecken in die Bewegungen hinein. Die geschnitzten Falten des Mantels schienen auseinander zu klaffen, wirkten plötzlich wieder hölzern und starr. Dahinter wogte eine Nische hin und her.

Golaz fixierte den Mann scharf, von dem er jetzt mehr erkennen konnte. Er trug einen langen, eleganten Mantel. Zwischen dem Kragen und der unteren Hälfte des Gesicht bauschte sich ein Schal auf. Weiter oben saß ein Hut, dessen Krempe den Rest des Gesichts verdeckte.

»Sie sind Krüger?«, fragte Golaz, und das war mehr als Feststellung gedacht.

»Ja, ich bin Krüger«, wurde ihm geantwortet.

»Erschießen Sie mich schon!» sagte Golaz. »Einen Zeugen müssen Sie aus dem Weg räumen.«

»Ich möchte gerne wissen, von was Sie ein Zeuge sein wollen?«, fragte Krüger.

«Ich bin Zeuge, dass Sie Stämpfli das Geld abgenommen und ihn dann erschossen haben. Das wissen Sie doch, sonst wären Sie nicht zum Friedhof gekommen.«

»Woher kennen Sie Stämpfli?«, wurde Golaz gefragt.

»Was soll das Spiel? Ich kenne Stämpfli doch nicht.«

»Aber Sie wollen gesehen haben, wie ich Stämpfli Geld abgenommen und erschossen habe?«, fragte Krüger weiter.

»Das wissen Sie doch alles selber.«

»Und was wissen Sie über unsere Aktivitäten?«

»Damit habe ich nichts zu tun«, antwortete Golaz.

»Das kaufe ich ihnen nicht ab.«

Golaz, der beide Hände über dem Kopf hielt, schaute unbeteiligt an Krügers Gestalt vorbei.

»Und woher wissen Sie von dem Geld?«

Golaz schwieg

»Mit wem stehen Sie in Verbindung?«, wollte Krüger wissen. Und nach einer kleinen Pause, lauter werdend: »Reden Sie schon!«

»Sie erschießen mich ja so oder so«, sagte Golaz. »Was nützt es mir also, zu reden?«

»Ich will wissen, wie Sie auf meinen Namen gekommen sind«, fuhr Krüger fort, »und weshalb Sie meinen Namen mit dem Überfall auf Stämpfli in Verbindung bringen?«

»Fangen Sie nicht wieder damit an, Krüger. Sie brauchen sich vor mir nicht reinzuwaschen. Schließlich habe ich Sie gesehen.«

Krüger schob sich mit der freien Hand den Schal unters Kinn, nahm dann den Hut vom Kopf.

»Sie sind nicht Krüger!» rief Golaz, denn vor ihm stand der andere Deutsche aus Krügers Haus, der mit dem kurzen, blonden Haar.

»Sie sind nicht Krüger«, wiederholte Golaz mit unruhiger Stimme. »Aber wo ist Krüger?« Er überlegte kurz und sprach weiter: »Ach so – ihr macht gemeinsame Sache! Krüger hat den Sack über die Friedhofsmauer geworfen. Und jetzt wartet er draußen, bis Sie mich umgebracht haben!«

«Ich bin Krüger», beharrte der Blonde.

»Und der andere, der mit dem Schnurrbart?«, fragte Golaz.

»Wen meinen Sie?«

»Den, der in Basel das Geld kassiert und Stämpfli umgebracht hat.«

»Aber Sie behaupteten doch noch soeben, ich hätte das getan«, sagte der Blonde.

»Weil ich nicht wusste, dass Sie nicht Krüger sind.«

»Ich bin garantiert Krüger, aber vielleicht können wir uns arrangieren», schlug der Blonde vor.

«So», machte Golaz abschätzig.

»Wie Sie ja selber festgestellt haben, bin ich nicht der Mann, der Stämpfli das Geld abgenommen und umgebracht hat. Und ich kann ihnen versichern, dass ich auch nicht im Besitz des Geldes bin.« Er machte eine Pause und erklärte dann: »Das könnte sich aber ändern – mit ihrer Hilfe!«

»Wer hat vorhin den Sack über die Mauer geworfen?«, fragte Golaz. Und ohne die Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Sie wollen mich reinlegen! Ihr Freund mit dem Schnurrbart wartet draußen. Ihr wollt aus mir herausbekommen, was ich über eure Machenschaften weiß.«

»Wieso auch? Ich könnte Sie doch gleich töten», sagte Krüger mit ruhiger Stimme.

»Warum tun Sie es nicht?« Golaz, noch immer die Hände über dem Kopf, spürte, wie das Blut aus seinen Armen absackte. »Ich will ihnen sagen, warum Sie mich nicht töten. Ihre Pläne sind irgendwo durchgesickert. Sonst wüsste ich ja nichts davon. Also ist es für euch wichtig, die undichte Stelle zu finden.« Das war die richtige Art und Weise, mit diesem Mann zu sprechen. Golaz musste ihn mehr und mehr in verunsichern. »Wenn euch jemand etwas darüber erzählen kann, dann ich«, sprach Golaz weiter. »Nur ich –

»Möglicherweise kommen wir miteinander ins Geschäft», wurde er von Krüger unterbrochen.

»Nur, wenn ich die Spielregeln bestimme«, erwiderte Golaz.

»Das hier bestimmt jetzt in die Spielregeln!«, sagte der Blonde und meinte damit die auf Golaz gerichtete Pistole in seiner Hand.

»Schicken Sie ihren Freund draußen fort», verlangte Golaz. »Vielleicht rede ich dann.«

»Ich bin allein hier«, garantierte ihm Krüger.

»Und wer hat den Sack über die Mauer geworfen?«

»Jemand, der längst wieder weg ist und nichts von unserem Treffen hier weiß.«

»Das soll ich Ihnen glauben?«, fragte Golaz mit misstrauischem Blick.

»Ich habe das in Basel geraubte Geld nicht«, sagte Krüger.

»Stämpfli hat den Mann mit dem Schnurrbart aber mit ihrem Namen angesprochen.«

»Wann hat er das getan?«

Sollte er es sagen? Warum eigentlich nicht. Soviel durfte er schon verraten.

»Stämpfli riss dem Mann während des Überfalls die Maske vom Kopf und erkannte ihn, er sprach den Namen Krüger aus. Ich habe es genau verstanden.«

»Weil der Mann mit dem Schnurrbart auch Krüger heißt«, erklärte der Blonde. »Das wussten Sie nicht und zeigt mir, wie schlecht Sie über uns informiert sind. Der Mann mit dem Schnurrbart und ich sind Brüder.«

Golaz kam sich wie ein Idiot vor. Warum hatte er sich nicht besser informiert!

Nein, es war noch nicht alles verloren. »Ihr Bruder hat Sie betrogen«, sagte Golaz. »Er hat das Geld. Ich habe alles gesehen, kann es bezeugen. Wenn Sie mich umbringen, haben Sie nichts mehr gegen ihn in der Hand.«

»Sie versuchen alles, was?« Krüger lachte knapp. »Drehen und wenden sich auf alle Seiten. Trotzdem – Sie sind nicht klug genug. So was merkt man Leuten wie ihnen an. Ihr Handeln hat keine reale Basis. Ja, sie wollen Geld. Das nehme ich zur Kenntnis. Auf dieser Ebene werden wir sicher eine gemeinsame Lösung finden.«

»Ich kann vor ihren Leuten gegen ihren Bruder aussagen«, schlug Golaz vor.

»Für so was sind Sie nicht klug genug«, betonte Krüger nochmals. »Mit ihnen kann man nur ganz einfache Geschäfte machen. Also – wie viel Geld wollen Sie?«

»Eine Viertelmillion«, verlangte Golaz.

»Hören Sie«, erwiderte Krüger sehr ruhig. »Sie verstehen nichts. Woher sollte ich eine solche Summe beschaffen können? Was ich von ihnen wissen will, hat mit ideologischen Interessen und nicht mit krimineller Bereicherung zu tun. Wenn ich dafür eine gewisse Summe bezahlen muss, dann gehört das ebenfalls zu meinen ideologischen Absichten.«

»Dann muss ihnen diese Ideologie eben eine Viertelmillion wert sein, und zwar in US-Dollars.« Golaz ließ, trotz der Pistole, die ihn jederzeit in den draußen liegenden Friedhof befördern konnte, nicht locker.

»Wenn Sie ihrem Bruder das Geld nicht abnehmen können«, machte Golaz weiter, »dann holen Sie es eben aus ihrer Fabrik. Sie sind doch reich.«

»Schluss!«, zischte Krüger, und eine plötzliche Wut zeichnete sein Gesicht, das im Licht der flackernden Kerze wie Wachs wirkte. »Mit Ratten wie ihnen macht man keine Geschäfte! Spielen sich groß auf, dabei haben Sie keine Ahnung von den Spielregeln! Sie sind nicht einmal ein mieser, kleiner Amateur. Zugegeben, das ist das Gefährliche daran, diese Unberechenbarkeit. Nur, Sie haben keinen Einfluss, keine Verbindungen, Sie sind nicht Teil eines Netzes. Daher ist die Sache mit ihnen leicht zu erledigen. Elemente wie Sie räumt man aus dem Weg und hat somit, ohne Konsequenzen, Ruhe vor ihnen!»

Golaz riss sich ruckartig die Mütze vom Kopf und schleuderte sie auf die Kerze. Die Flamme erlosch. Schnell und ohne Rücksicht darauf, dass Krüger auf ihn schießen könnte, zog er die Velospeiche mit dem Holzgriff aus dem Mantel und stach auf die Stelle ein, wo er sein Gegenüber im Dunkeln vermutete. Krüger schien nicht zur Seite getreten zu sein, denn er stieß einen Laut aus, und ein Gegenstand – vermutlich die Pistole – fiel zu Boden. Golaz holte seine Pistole nicht hervor, denn er wollte keinesfalls schießen. Damit würde er nur einen allfälligen zweiten Mann draußen warnen.

Aus der Dunkelheit drang ein verhaltenes Seufzen zu ihm durch, das ihm verriet, dass Krüger nun nicht mehr an derselben Stelle stand.

Bewegungslos wartete Golaz ab. Dann machte er, möglichst lautlos, zwei Schritte. Er befand sich nun auf der hinteren Seite des kleinen Altars und legte die unbewaffnete Hand auf diesen. Seine Finger berührten den kalten Stein und eine etwas klebrige Flüssigkeit. Blut? Hatte er Krüger so getroffen, dass dieser sein Blut verspritzte?

»Sie kommen hier nicht lebend raus«, vernahm er Krügers Stimme. »Ich bin nicht allein. Also geben Sie auf.«

Golaz schwieg.

»Hören Sie mich?«, fragte Krüger in die Dunkelheit.

Er hörte ihn sogar sehr gut. Nur zu reden gab es für Golaz nichts mehr. Der Stärkere überlebte. So hatte er es bisher gelernt. Und diesmal sah es für ihn nicht schlecht aus. Krüger rannte los. Das Knallen seiner ledernen Schuhsohlen auf dem steinigen Boden hallte in der Kapelle, füllte sie aus. Die offen stehende Tür war ein etwas helleres Viereck. Golaz rannte ebenfalls los, schwerfällig, hinkend. Krügers Gestalt erschien im Viereck. Mit großen Schritten hetzte ihr Golaz nach. Krüger überquerte den Friedhof. Wohin wollte er? Zur Holztür in der Mauer? Wusste er nicht, dass die Kirche offen war. Besonders schnell kam Golaz nicht voran. Er musste aufpassen, dass er nicht stürzte. Inzwischen war Krüger bei der Holztür angekommen und versuchte sie zu öffnen. Mit beiden Händen zog er daran, schlug dann mit der Faust dagegen, drehte sich verzweifelt um. Golaz stand keuchend vor ihm.

»Tun Sie es nicht«, bat Krüger. »Sie bringen sich dadurch nur unnötig in Schwierigkeiten!«

Der Arm mit der spitzen Speiche schnellte nach vorn. Mit voller Kraft stach Golaz zu und riss die lautlos tödliche Waffe wieder zurück. Krüger sackte, noch einen dumpfen Laut von sich gebend, in die Knie, kippte vornüber und blieb regungslos liegen.

Golaz lauschte in die Nacht. Nur ein leichter Wind strich über die Gräber. Sonst war alles ruhig.

Der Meuchler

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